Der Große Filter - Das Fermi-Paradox: Teil 4 (2018)
33 Millionen.
So viele Planeten mit einfachem Leben vermuteten wir in der Milchstraße, als wir uns in der
letzten Episode zum Fermi-Paradox mit der Seltene Erde Hypothese beschäftigten.
Sie scheint uns damit nicht besonders geeignet, die Abwesenheit von Außerirdischen zu erklären.
Möglicherweise ist es ja die Entwicklung von einfachsten Lebensformen hin zu interstellaren
Zivilisationen, welche das Problem darstellt.
Möglicherweise sieht sich das Leben nahezu unüberwindlichen Barrieren auf seiner Entwicklung
gegenüber.
Heute untersuchen wir, wie diese Barrieren aussehen könnten.
Ich bin Ronny.
Willkommen bei Raumzeit.
Barrieren, die das Leben überwinden muss um einst eine interstellare Zivilisation zu
werden, sind im Kontext des Fermi-Paradox als Große Filter bekannt.
Der Begriff der Great Filters geht zurück auf die Jahre 1996 und 1998, in denen Robin
Hanson seinen Aufsatz: "Der Große Filter - sind wir beinahe durch?"
veröffentlichte.
Hanson gibt dort 9 Schritte an, die er als potenzielle Große Filter ansieht.
Er benennt: Erstens, das richtige Sternensystem
Zweitens, ein reproduktives Etwas (z.B.
RNS) - Hanson nannte das wirklich so in seinem Aufsatz.
Drittens, Prokaryoten, also einfaches, einzelliges Leben.
Viertens, Eukaryoten, komplexe Einzeller mit Zellkern.
Fünftens, sexuelle Reproduktion.
Sechstens, mehrzelliges Leben.
Siebtens, werkzeugnutzende Tiere mit großen Hirnen - also Intelligenz.
Achtens, unsere Gegenwart.
Neuntens, explosionsartige interstellare Kolonisation.
IN der letzten Episode haben wir mit der Rare Earth Hypothesis ausführlich über Punkt
eins gesprochen.
Wir wollen uns heute bis Punkt 6 vorarbeiten - von den einfachsten Lebewesen hin zu den
20 Tonnen Mehrzellern der Kreidezeit.
Dabei prüfen wir Hansons Liste - nicht rein mathematisch, wie er das tut, sondern aus
biologischer Sicht.
Verbirgt sich in den ersten Filtern der Grund, dass es keine Aliens gibt?
Na dann mal los.
Einfachste Lebensformen entstanden vor mindestens 3,5 Milliarden Jahren - neueste Hinweise lassen
eine Entstehung sogar noch früher - nämlich vor 4,1 Milliarden Jahren vermuten.
Das bedeutet, dass Leben im Grund sofort entstand, als die Erde die Bedingungen dafür bot.
Das Klima war zu dieser Zeit eine brodelnde Hexenküche.
Die Erde war fast völlig von sauren Ozeanen, reich an Chemikalien, bedeckt.
30, 40 Meter hohe Gezeitenwellen brandeten über die winzigen Urkontinente.
Es regnete ständig und Blitze durchzuckten Sekunde um Sekunde den Himmel.
Vulkane spien eine Unzahl an wichtigen Stoffen - Schwefel, Natrium, Phosphor - in die Atmosphäre.
In dieser Welt aus freier Energie und chemischer Fülle kam es im Wasser zur spontanen Bildung
von Monomer- und später Polymerstrukturen.
Reichlich verfügbare Energie und Chemikalien sorgten für immer neue Kombinationen von
immer längeren Molekülen auf Kohlenstoffbasis.
Es war in dieser Zeit, dass sich die ersten Moleküle zu Verbänden zusammen- und von
der Umwelt abschlossen; in der erste Stoffwechselvorgänge abliefen und in der irgendwann ein Polymer
entstand, welches sich selbst replizieren konnte - die RNA.
Die Geschwindigkeit, mit der diese Prozesse abliefen, lässt die Mehrheit der Biologen
und Astrobiologen annehmen, dass Leben unter den richtigen Bedingungen leicht entsteht
und wenn Leben erstmal da ist - dann lässt es nicht mehr los.
In den Milliarden Jahren seit Entstehung des Lebens ist es immer wieder - fast schon regelmäßig
- zu Massenaussterbeereignissen gekommen, durch Supervulkane, Gamma Ray Bursts, Klimaveränderungen
und Asteroideneinschläge.
Und obwohl teils 80, 90% der Spezies vernichtet wurden, erholte sich das Leben stets wieder
und ging meist sogar gestärkt aus diesen Ereignissen hervor - entwickelte sich mit
noch rasanterer Evolution weiter.
Unsere ersten Organismen nennt man Prokaryonten - das sind Einzeller ohne einen Zellkern.
Ihr Erbgut schwimmt ungeschützt in der Zelle.
Diese Lebewesen gibt es noch immer - wir kennen sie zum Beispiel als Bakterien.
Die frühen Prokaryonten brauchen etwa eine Milliarde Jahre, bis es zum nächsten Schritt
kommt: sie lernen, wie man das Licht der Sonne nutzt.
Die Wunderkinder der Evolution heißen Cyanobakterien - und sie können Photosynthese betreiben,
also das Licht der Sonne in chemische Energie umwandeln.
Dabei aber erzeugten sie ein für alle anderen Lebewesen dieser Zeit tödliches Gift: Sauerstoff.
Während die Cyanobakterien in dichten grünen Matten die Ozeane erobern, müssen sich alle
anderen anpassen oder sterben - die meisten sterben, genauer - sie verrosten.
Die Sieger beginnen, die Atmosphäre - langsam aber stetig - mit freiem Sauerstoff anzureichern.
Als Folge des freien Sauerstoffs entsteht so auch die Ozonschicht, welche später das
Leben an Land ermöglichen wird.
Es dauert nun wieder eine Milliarde Jahre, bis wir die nächste Entwicklungsstufe nachweisen
können.
Aus den einfachen Prokaryoten entstehen die ungleich weiter entwickelten Eukaryoten - 10.000
Mal größere Zellen mit einer ganzen Maschinerie an Zellorganen und die Basis allen komplexen
Lebens.
Wie war dies möglich?
Die gängige Theorie ist die der Endosymbiose.
Das bedeutet, zwei Zellen beginnen zusammenzuarbeiten (Symbiose)- eine von beiden aber wird in die
andere integriert (dafür steht das Endo).
Eine der wichtigsten Zellen, welche in Eukaryonten einverleibt wurde, war das Mitochondrium.
Diese Einzeller erlaubten die Nutzung von Sauerstoff als Energiequelle - und sie stellten
den Zellen Energie im Überfluss zur Verfügung.
Nur so konnten die Prokaryonten tausende Male so groß wie ihre Vorfahren werden.
Eine Teilgruppe der eukariotischen Zellen integrierte Cyanobakterien - sie sollten fortan
in der Lage sein, Chlorophyll herzustellen und so das Licht der Sonne zu nutzen.
Sie sind die Stammväter aller heutigen Pflanzen.
Mit den Eukaryonten hielten zwei weitere Phänomen Einzug auf der Erde.
Die sexuelle Reproduktion und die Sterblichkeit.
Sexuelle Reproduktion gilt unter Biologen noch immer als Rätsel: so lebende Organismen
erzeugen nur die Hälfte der Nachkommen - und sie geben nur die Hälfte ihres Erbguts weiter
- Biologen sprechen hier von den doppelten Kosten der zweigeschlechtlichen Reproduktion.
Allerdings erlaubt sie auch einen größeren Variantenreichtum und gleichzeitig eine geschütztere
Evolution.
Waren Organismen vorher im Wesentlichen biologisch unsterblich, begann nun eine innere Uhr zu
ticken - hatten sich Mutter und Vater reproduziert, alterten sie und starben.
Das Leben hatte den Tod erfunden.
Wir müssen über eine Milliarde Jahre weiter reisen, bis schließlich - vor etwa 700 Millionen
Jahren, die ersten Mehrzeller nachweisbar sind.
Auch die Entstehung von Mehrzellern kann nur über Theorien erklärt werden - allerdings
entstanden Mehrzeller unabhängig voneinander an mehr als 50 verschiedenen Stellen auf der
Erde - damit scheidet die Entwicklung mehrzelliger Organismen wohl als Großer Filter aus.
Vor 425 Millionen Jahren, in einem Erdzeitalter, das wir Silur nennen, ging das Leben an Land
- oder vielmehr - wurde auf diesem zurückgelassen, denn die Ozeane wichen zurück.
Für viele hieß dies: probier's mal an der frischen Luft oder stirb.
Immerhin, die Ozonschicht war mittlerweile soweit ausgebildet, dass die Organismen nicht
in ihre Einzelteile zerstrahlt wurden.
Das Landleben entwickelte sich schnell - dichte Farn- und Ginkgowälder bedeckten die Kontinente.
Diese Kontinente bewegten sich aber aufeinander zu - gegen Ende des Perms, vor etwa 250 Millionen
Jahren - hatte sich ein einziger Superkontinent gebildet, dessen Klima wurde extrem trocken
und eine gleichzeitige deutliche Erwärmung des Klimas führt zu einem erneuten Massenaussterben
von ungefähr 90% aller Arten.
Jetzt - in Trias und Jura - beginnt das Zeitalter der Dinosaurier.
Diese gewaltigen Kreaturen dominierten die Welt über Millionen von Jahren bis hin zum
Ende der Kreidezeit.
Dann, vor etwa 65 Millionen Jahren raste ein Asteroid von 10-15 Kilometer Durchmesser durch
unsere Atmosphäre und schlug auf der Yucatanhalbinsel vor der heutigen Küste Mexikos ein.
An den Folgen gingen fast alle Dinosaurierarten zugrunde und einige Forscher behaupten gar,
dass dieser Asteroideneinschlag ein Filter in sich sei.
Ohne ihn hätten sich die Säugetiere möglicherweise nie zur dominanten Klasse unseres Planeten
erheben können.
Welche dieser Entwicklungen eignet sich nun als Großer Filter?
Die Entstehung des Lebens hatten wir - wie die Mehrheit der Evolutionsbiologen - bereits
als Kandidat ausgeschlossen.
Ebenso sehen wir die Entstehung von Eukaryoten nicht als sehr problematisch an - Endosymbiose
geschah zahlreich und wird auch heute noch - etwa von Korallen - durchgeführt.
Sexuelle Reproduktion ist möglicherweise in der uns bekannten Form keine Voraussetzung
für die Entstehung komplexer Spezies.
Und Mehrzeller - das haben wir schon erwähnt - entstanden viele Male unabhängig voneinander.
Bemerkenswert erscheint uns vor allem das Cyanobakterium.
Seine Anwesenheit veränderte die Atmosphäre unseres Planeten grundlegend.
Diese Bakterien ermöglichten komplexen Lebewesen die effiziente Energiegewinnung durch Sauerstoff
und bildeten später als Endosymbionten die Grundlage für die Photosynthese der Pflanzen.
Sie sind auch verantwortlich für die Ozonschicht der Erde, ohne deren Schutz ein Leben am Land
- und damit auch hochentwickelte Zivilisationen - nicht vorstellbar wären.
Interessanterweise werden Cyanobakterien in Abhandlungen zu Großen Filtern nie erwähnt.
In ihnen sehen wir aber den wahrscheinlichsten Filter bis zum Ende der Dinosaurier.
Und genau hier werden wir nächste Woche weiter machen - an dem Punkt als ein kleines felliges
Wesen seine Schnauze aus einem Erdloch streckte und feststellte, dass es - im Gegensatz zu
den riesigen Dinosauriern - immer noch da war.
Die Nachfahren dieses Wesens werden einst den Weltraum bereisen und auf YouTube die
Frage stellen, wo denn ein weiterer großer Filter verborgen sein könnte.
Wenn ihr das erfahren wollt, dann abonniert Raumzeit und vergesst die kleine Glocke nicht.
Wir hoffen, es hat euch gefallen und sagen wie immer danke fürs Zuschauen.
In diesem Sinne, 42!