×

LingQをより快適にするためCookieを使用しています。サイトの訪問により同意したと見なされます クッキーポリシー.

image

Schachnovelle. Stefan Zweig, Schachnovelle. Stefan Zweig. Teil 1

Schachnovelle. Stefan Zweig. Teil 1

Auf dem großen Passagierdampfer, der um Mitternacht von New York nach Buenos Aires abgehen sollte, herrschte die übliche Geschäftigkeit und Bewegung der letzten Stunde. Gäste vom Land drängten durcheinander, um ihren Freunden das Geleit zu geben, Telegraphenboys mit schiefen Mützen schossen Namen ausrufend durch die Gesellschaftsräume, Koffer und Blumen wurden geschleppt, Kinder liefen neugierig treppauf und treppab, während das Orchester unerschütterlich zur Deck-show spielte. Ich stand im Gespräch mit einem Bekannten etwas abseits von diesem Getümmel auf dem Promenadendeck, als neben uns zwei- oder dreimal Blitzlicht scharf aufsprühte - anscheinend war irgendein Prominenter knapp vor der Abfahrt noch rasch voll Reportern interviewt und photographiert worden. Mein Freund blickte hin und lächelte. »Sie haben da einen raren Vogel an Bord, den Czentovic.« Und da ich offenbar ein ziemlich verständnisloses Gesicht zu dieser Mitteilung machte, fügte er erklärend bei: »Mirko Czentovic, der Weltschachmeister. Er hat ganz Amerika von Ost nach West mit Turnierspielen abgeklappert und fährt jetzt zu neuen Triumphen nach Argentinien. «In der Tat erinnerte ich mich nun dieses jungen Weltmeisters und sogar einiger Einzelheiten im Zusammenhang mit seiner raketenhaften Karriere-, mein Freund, ein aufmerksamerer Zeitungsleser als ich, konnte sie mit einer ganzen Reihe von Anekdoten ergänzen. Czentovic hatte sich vor etwa einem Jahr mit einem Schlage neben die bewährtesten Altmeister der Schachkunst, wie Aljechin, Capablanca, Tartakower, Lasker, Bogoljubow, gestellt; seit dem Auftreten des siebenjährigen Wunderkindes Rzecewski bei dem Schachturnier 1922 in New York hatte noch nie der Einbruch eines völlig Unbekannten in die ruhmreiche Gilde derart allgemeines Aufsehen erregt. Denn Czentovics intellektuelle Eigenschaften schienen ihm keineswegs solch eine blendende Karriere von vornherein zu weissagen. Bald sickerte das Geheimnis durch, daß dieser Schachmeister in seinem Privatleben außerstande war, in irgendeiner Sprache einen Satz ohne orthographischen Fehler zu schreiben, und wie einer seiner verärgerten Kollegen ingrimmig spottete, »seine Unbildung war auf allen Gebieten gleich universell«. Sohn eines blutarmen südslawischen Donauschiffers, dessen winzige Barke eines Nachts von einem Getreidedampfer Überrannt wurde, war der damals Zwölfjährige nach dem Tode seines Vaters vom Pfarrer des abgelegenen Ortes aus Mitleid aufgenommen worden, und der gute Pater bemühte sich redlich, durch häusliche Nachhilfe wettzumachen, was das maulfaule, dumpfe, breitstirnige Kind in der Dorfschule nicht zu erlernen vermochte. Aber die Anstrengungen blieben vergeblich. Mirko starrte die schon hundertmal ihm erklärten Schriftzeichen immer wieder fremd an; auch für die simpelsten Unterrichtsgegenstände fehlte seinem schwerfällig arbeitenden Gehirn jede festhaltende Kraft. Wenn er rechnen sollte, mußte er noch mit vierzehn Jahren jedesmal die Finger zu Hilfe nehmen, und ein Buch oder eine Zeitung zu lesen bedeutete für den schon halbwüchsigen Jungen noch besondere Anstrengung. Dabei konnte man Mirko keineswegs unwillig oder widerspenstig nennen. Er tat gehorsam, was man ihm gebot, holte Wasser, spaltete Holz, arbeitete mit auf dem Felde, räumte die Küche auf und erledigte verläßlich, wenn auch mit verärgernder Langsamkeit, jeden geforderten Dienst. Was den guten Pfarrer aber an dem querköpfigen Knaben am meisten verdroß, war seine totale Teilnahmslosigkeit. Er tat nichts ohne besondere Aufforderung, stellte nie eine Frage, spielte nicht mit anderen Burschen und suchte von selbst keine Beschäftigung, sofern man sie nicht ausdrücklich anordnete; sobald Mirko die Verrichtungen des Haushalts erledigt hatte, saß er stur im Zimmer herum mit jenem leeren Blick, wie ihn Schafe auf der Weide haben, ohne an den Geschehnissen rings um ihn den geringsten Anteil zu nehmen. Während der Pfarrer abends, die lange Bauernpfeife schmauchend, mit dem Gendarmeriewachtmeister seine üblichen drei Schachpartien spielte, hockte der blondsträhnige Bursche stumm daneben und starrte unter seinen schweren Lidern anscheinend schläfrig und gleichgültig auf das karierte Brett. Eines Winterabends klingelten, während die beiden Partner in ihre tägliche Partie vertieft waren, von der Dorfstraße her die Glöckchen eines Schlittens rasch und immer rascher heran. Ein Bauer, die Mütze mit Schnee überstäubt, stapfte hastig herein, seine alte Mutter läge im Sterben, und der Pfarrer möge eilen, ihr noch rechtzeitig die letzte Ölung zu erteilen. Ohne zu zögern folgte ihm der Priester. Der Gendarmeriewachtmeister, der sein Glas Bier noch nicht ausgetrunken hatte, zündete sich zum Abschied eine neue Pfeife an und bereitete sich eben vor, die schweren Schaftstiefel anzuziehen, als ihm auffiel, wie unentwegt der Blick Mirkos auf dem Schachbrett mit der angefangenen Partie haftete. »Na, willst du sie zu Ende spielen?« spaßte er, vollkommen überzeugt, daß der schläfrige Junge nicht einen einzigen Stein auf dem Brett richtig zu rücken verstünde. Der Knabe starrte scheu auf, nickte dann und setzte sich auf den Platz des Pfarrers. Nach vierzehn Zügen war der Gendarmeriewachtmeister geschlagen und mußte zudem eingestehen, daß keineswegs ein versehentlich nachlässiger Zug seine Niederlage verschuldet habe. Die zweite Partie fiel nicht anders aus. »Bileams Esel!« rief erstaunt bei seiner Rückkehr der Pfarrer aus, dem weniger bibelfesten Gendarmeriewachtmeister erklärend, schon vor zweitausend Jahren hätte sich ein ähnliches Wunder ereignet, daß ein stummes Wesen plötzlich die Sprache der Weisheit gefunden habe.Trotz der vorgerückten Stunde konnte der Pfarrer sich nicht enthalten, seinen halb analphabetischen Famulus zu einem Zweikampf herauszufordern. Mirko schlug auch ihn mit Leichtigkeit.Er spielte zäh, langsam, unerschütterlich, ohne ein einziges Mal die gesenkte breite Stirn vom Brette aufzuheben. Aber er spielte mit unwiderlegbarer Sicherheit; weder der Gendarmeriewachtmeister noch der Pfarrer waren in den nächsten Tagen imstande, eine Partie gegen ihn zu gewinnen. Der Pfarrer, besser als irgend jemand befähigt, die sonstige Rückständigkeit seines Zöglings zu beurteilen, wurde nun ernstlich neugierig, wieweit diese einseitige sonderbare Begabung einer strengeren Prüfung standhalten würde. Nachdem er Mirko bei dem Dorfbarbier die struppigen strohblonden Haare hatte schneiden lassen, uni ihn einigermaßen präsentabel zu machen, nahm er ihn in seinem Schlitten mit in die kleine Nachbarstadt, wo er im Café des Hauptplatzes eine Ecke mit enragierten Schachspielern wußte, denen er selbst erfahrungsgemäß nicht gewachsen war. Es erregte bei der ansässigen Runde nicht geringes Staunen, als der Pfarrer den fünfzehnjährigen strohblonden und rotbackigen Burschen in seinem nach innen getragenen Schafspelz und schweren, hohen Schaftstiefeln in das Kaffeehaus schob, wo der Junge befremdet mit scheu nieder geschlagenen Augen in einer Ecke stehenblieb, bis man ihn zu einem der Schachtische hinrief. In der ersten Partie wurde Mirko geschlagen, da er die sogenannte Sizilianische Eröffnung bei dem guten Pfarrer nie gesehen hatte. In der zweiten Partie kam er schon gegen den besten Spieler auf Remis. Von der dritten und vierten an schlug er sie alle, einen nach dem andern. Nun ereignen sich in einer kleinen südslawischen Provinzstadt höchst selten aufregende Dinge; so wurde das erste Auftreten dieses bäuerlichen Champions für die versammelten Honoratioren unverzüglich zur Sensation. Einstimmig wurde beschlossen, der Wunderknabe müßte unbedingt noch bis zum nächsten Tage in der Stadt bleiben, damit man die anderen Mitglieder des Schachklubs zusammenrufen und vor allem den alten Grafen Simczic, einen Fanatiker des Schachspiels, auf seinem Schlosse verständigen könne. Der Pfarrer, der mit einem ganz neuen Stolz auf seinen Pflegling blickte, aber über seiner Entdeckerfreude doch seinen pflichtgemäßen Sonntagsgottesdienst nicht versäumen wollte, erklärte sich bereit, Mirko für eine weitere Probe zurückzulassen. Der junge Czentovic wurde auf Kosten der Schachecke im Hotel einquartiert und sah an diesem Abend zum erstenmal ein Wasserklosett. Am folgenden Sonntagnachmittag war der Schachraum überfüllt. Mirko, unbeweglich vier Stunden vor dem Brett sitzend, besiegte, ohne ein Wort zu sprechen oder auch nur aufzuschauen, einen Spieler nach dem andern; schließlich wurde eine Simultanpartie vorgeschlagen. Es dauerte eine Welle, ehe man dem Unbelehrten begreiflich machen konnte, daß bei einer Simultanpartie er allein gegen die verschiedenen Spieler zu kämpfen hätte. Aber sobald Mirko diesen Usus* begriffen, fand er sich rasch in die Aufgabe, ging mit seinen schweren, knarrenden Schuhen langsam von Tisch zu Tisch und gewann schließlich sieben von den acht Partien. Nun begannen große Beratungen. Obwohl dieser neue Champion im strengen Sinne nicht zur Stadt gehörte, war doch der heimische Nationalstolz lebhaft entzündet. Vielleicht konnte endlich die kleine Stadt, deren Vorhandensein auf der Landkarte kaum jemand bisher wahrgenommen, zum erstenmal sich die Ehre erwerben, einen berühmten Mann in die Welt zu schicken. Ein Agent namens Koller, sonst nur Chansonetten und Sängerinnen für das Kabarett der Garnison vermittelnd, erklärte sich bereit, sofern man den Zuschuß für ein Jahr leiste, den jungen Menschen in Wien von einem ihm bekannten ausgezeichneten kleinen Meister fachmäßig in der Schachkunst ausbilden zu lassen. Graf Simczic, dem in sechzig Jahren täglichen Schachspieles nie ein so merkwürdiger Gegner entgegengetreten war, zeichnete sofort den Betrag. Mit diesem Tage begann die erstaunliche Karriere des Schiffersohnes.

Learn languages from TV shows, movies, news, articles and more! Try LingQ for FREE

Schachnovelle. Stefan Zweig. Teil 1 ||Цвейг| |Stefan||part Chess novella||| Chess novella. Stefan Zweig. Part 1 Novela de ajedrez: Stefan Zweig, parte 1 La nouvelle des échecs. Stefan Zweig. 1ère partie Powieść szachowa. Stefan Zweig. Część 1

Auf dem großen Passagierdampfer, der um Mitternacht von New York nach Buenos Aires abgehen sollte, herrschte die übliche Geschäftigkeit und Bewegung der letzten Stunde. ||||||полночь|||||Буэнос||отправляться|должен был||||||движение||последнего часа|час On|||passenger steamship||around|midnight|from|New|York|to|Buenos||depart|should|reigned||usual|bustle||movement||last|hour |||passenger ship||||||||||||there was|||activity||||| The usual hustle and bustle of the past hour prevailed on the large passenger steamer, which was supposed to leave New York for Buenos Aires at midnight. En el gran transatlántico de pasajeros, que debía partir de Nueva York con destino a Buenos Aires a medianoche, había el bullicio y el movimiento habituales de la última hora. Gäste vom Land drängten durcheinander, um ihren Freunden das Geleit zu geben, Telegraphenboys mit schiefen Mützen schossen Namen ausrufend durch die Gesellschaftsräume, Koffer und Blumen wurden geschleppt, Kinder liefen neugierig treppauf und treppab, während das Orchester unerschütterlich zur Deck-show spielte. |||толпились||||||||||||||||||||||||||||||||||||| guests|from the|country|pushed|together||their|friends|the|escort|to|to give|telegraph boys|with|crooked|caps|shot|names|shouting|through||society rooms|suitcases||flowers|were|dragged|children|ran|curiously|upstairs||up and down|while||orchestra|unwaveringly|to the|deck|show|played |||pushed|in confusion|||||escort||||||||||||||||||||||||||||||| Country guests huddled together to give their friends the escort, telegraph boys with crooked hats were shooting names calling out through the social rooms, suitcases and flowers were being dragged, children were curiously walking up and down the stairs, while the orchestra played steadfastly on the deck show. Los invitados de tierra se apresuraban a escoltar a sus amigos, telegrafistas con sombreros torcidos salían disparados por el salón gritando nombres, se arrastraban maletas y flores, los niños corrían curiosos escaleras arriba y abajo, mientras la orquesta tocaba con firmeza el espectáculo de cubierta. Ich stand im Gespräch mit einem Bekannten etwas abseits von diesem Getümmel auf dem Promenadendeck, als neben uns zwei- oder dreimal Blitzlicht scharf aufsprühte - anscheinend war irgendein Prominenter knapp vor der Abfahrt noch rasch voll Reportern interviewt und photographiert worden. |stood||conversation||a|acquaintance|somewhat|aside||this|tumult|||promenade deck||beside|us|two||two or three times|flash|brightly|flashed|apparently|was|some|celebrity|just|||departure|still|quickly|||||| |||||||||||||||||||||||||||||||salida|||||||| I was talking to a friend on the promenade deck, a little apart from this frenzy, when two or three flashes of light flashed sharply next to us - apparently some celebrity had been interviewed and photographed by reporters just before the departure. Estaba hablando con un conocido a un lado de la multitud en la cubierta de paseo, cuando al lado nuestro, dos o tres veces, se encendió un destello de flash: aparentemente, algún famoso fue entrevistado rápidamente por reporteros y fotografiado justo antes de la salida. Mein Freund blickte hin und lächelte. |||down||smiled Mi amigo miró y sonrió. »Sie haben da einen raren Vogel an Bord, den Czentovic.« Und da ich offenbar ein ziemlich verständnisloses Gesicht zu dieser Mitteilung machte, fügte er erklärend bei: »Mirko Czentovic, der Weltschachmeister. They||there|a|rare|bird|on|on board|whom|Czentovic|And|||apparently||quite|uncomprehending||||communication|made|added||explaining|in addition|Mirko|||world chess champion "You have a rare bird on board, the Czentovic." And since I obviously made a rather uncomprehending face for this message, he added: "Mirko Czentovic, the world chess master. »Tienen a bordo a un pájaro raro, Czentovic«. Y como facialmente hice una expresión bastante desinteresada ante esta noticia, él agregó explicando: »Mirko Czentovic, el campeón mundial de ajedrez.« Er hat ganz Amerika von Ost nach West mit Turnierspielen abgeklappert und fährt jetzt zu neuen Triumphen nach Argentinien. He|has|entirely|America||east|||||toured|||||||| Ha recorrido todo Estados Unidos de este a oeste participando en torneos y ahora se dirige hacia Argentina en busca de nuevos triunfos. «In der Tat erinnerte ich mich nun dieses jungen Weltmeisters und sogar einiger Einzelheiten im Zusammenhang mit seiner raketenhaften Karriere-, mein Freund, ein aufmerksamerer Zeitungsleser als ich, konnte sie mit einer ganzen Reihe von Anekdoten ergänzen. ||indeed||||||||||some|details||connection|||rocket-like|career||||more attentive|newspaper reader|||could||||whole|series||anecdotes|supplement ||||||||||y||||||||||||||||||||||||| "In fact, I remembered this young world champion and even some details related to his rocket-like career - my friend, a more attentive newspaper reader than I, was able to add a number of anecdotes to her. «De hecho, recordé a este joven campeón del mundo y hasta algunos detalles relacionados con su carrera meteórica; mi amigo, un lector de periódicos más atento que yo, pudo complementarlos con una serie de anécdotas. Czentovic hatte sich vor etwa einem Jahr mit einem Schlage neben die bewährtesten Altmeister der Schachkunst, wie Aljechin, Capablanca, Tartakower, Lasker, Bogoljubow, gestellt; seit dem Auftreten des siebenjährigen Wunderkindes Rzecewski bei dem Schachturnier 1922 in New York hatte noch nie der Einbruch eines völlig Unbekannten in die ruhmreiche Gilde derart allgemeines Aufsehen erregt. |had|||about||year|||strike|||most renowned|old masters||chess art|like|Alekhine|Capablanca|Tartakower|Lasker|Bogoljubow|placed|since||appearance|the|seven-year-old|wunderkind||||||||||never||breakthrough|one|completely|unknown|||glorious|guild|such|general|attention|aroused About a year ago, Czentovic suddenly stood next to the most established old chess masters such as Alekhine, Capablanca, Tartakower, Lasker, Bogolyubov; Since the appearance of the seven-year-old child prodigy Rzecewski at the chess tournament in New York in 1922, the break-in of a completely unknown person into the glorious guild had never caused such a sensation. Czentovic se había colocado hace aproximadamente un año al lado de los maestros más destacados en el ajedrez, como Aljechin, Capablanca, Tartakower, Lasker, Bogoljubow; desde la aparición del prodigio de siete años Rzecewski en el torneo de ajedrez de 1922 en Nueva York, nunca el ingreso de un desconocido en el glorioso gremio había causado tanto revuelo. Denn Czentovics intellektuelle Eigenschaften schienen ihm keineswegs solch eine blendende Karriere von vornherein zu weissagen. For|Czentovic|intellectual|properties|seemed|him|by no means|such|such a|brilliant|||from the outset||predict Because Czentovic's intellectual qualities did not seem to predict such a dazzling career from the start. Las cualidades intelectuales de Czentovic no parecían presagiarle una carrera tan fulgurante desde el principio. Bald sickerte das Geheimnis durch, daß dieser Schachmeister in seinem Privatleben außerstande war, in irgendeiner Sprache einen Satz ohne orthographischen Fehler zu schreiben, und wie einer seiner verärgerten Kollegen ingrimmig spottete, »seine Unbildung war auf allen Gebieten gleich universell«. Soon|leaked||secret||that||chess master||his|private life|unable|||any|language||sentence|without|spelling|mistake||to write|||||angry|colleagues|grimly|sneered|||||all|fields|equally| The secret soon transpired that this chess master was unable in his private life to write a sentence in any language without spelling mistakes, and, as one of his disgruntled colleagues scoffed grimly, "his ignorance was universal in all fields." Poco a poco se filtró el secreto de que este maestro de ajedrez era incapaz en su vida privada de escribir una oración en ningún idioma sin cometer errores ortográficos, y como bromeaba uno de sus colegas enfadados de manera sarcástica, "su falta de educación era igualmente universal en todos los ámbitos". Sohn eines blutarmen südslawischen Donauschiffers, dessen winzige Barke eines Nachts von einem Getreidedampfer Überrannt wurde, war der damals Zwölfjährige nach dem Tode seines Vaters vom Pfarrer des abgelegenen Ortes aus Mitleid aufgenommen worden, und der gute Pater bemühte sich redlich, durch häusliche Nachhilfe wettzumachen, was das maulfaule, dumpfe, breitstirnige Kind in der Dorfschule nicht zu erlernen vermochte. son||blood-poor|South Slavic|Danube ship|whose|tiny|boat||one night|||grain steamer|run over|was|||then|twelve-year-old|||death|his|father||priest||remote|place||mercy|taken in||||good|father|strived||diligently||home|tutoring|make up|was|the|mouth-foul|dull|broad-headed|||the||||to learn|was able Son of an anemic South Slavic Danube ship, whose tiny barque was overrun by a grain steamer one night, the then twelve-year-old had been taken pity on the pastor after the death of his father, and the good priest tried hard to make up for what he was doing at home the mouth lazy, dull, broad-brimmed child could not learn in the village school. Hijo de un pobre barquero del Danubio de origen sudoeslavo, cuya pequeña barca fue arrollada por un barco de vapor de cereales una noche, el niño de doce años en ese entonces fue acogido por compasión por el párroco del remoto lugar tras la muerte de su padre, y el buen Padre se esforzó sinceramente por compensar, a través de tutorías en casa, lo que el niño taciturno, obtuso y de frente ancha no lograba aprender en la escuela del pueblo. Aber die Anstrengungen blieben vergeblich. But||efforts|remained|in vain But the efforts were unsuccessful. Pero los esfuerzos resultaron en vano. Mirko starrte die schon hundertmal ihm erklärten Schriftzeichen immer wieder fremd an; auch für die simpelsten Unterrichtsgegenstände fehlte seinem schwerfällig arbeitenden Gehirn jede festhaltende Kraft. Mirko|stared||already|hundred times||explained|characters|always||strangely||also|for||simplest|subjects|||clumsily|working|brain|every|holding|force Mirko kept staring at the characters that had already been explained to him a hundred times; even for the simplest of subjects, his clumsy brain lacked any firmness. Mirko miraba fijamente los caracteres que le habían explicado cien veces, siempre le parecían extraños; incluso para los conceptos educativos más simples, su cerebro lento carecía de cualquier poder de retención. Wenn er rechnen sollte, mußte er noch mit vierzehn Jahren jedesmal die Finger zu Hilfe nehmen, und ein Buch oder eine Zeitung zu lesen bedeutete für den schon halbwüchsigen Jungen noch besondere Anstrengung. When||calculate||had to||||fourteen|years|every time||fingers||help|take|||||||||||||half-grown|||special|effort If he did arithmetic, he would still have to use his fingers at the age of fourteen, and reading a book or a newspaper meant that the boy, who was already an adult, had to make a special effort. Cuando tenía que hacer cálculos, a la edad de catorce años todavía tenía que recurrir a sus dedos cada vez, y leer un libro o un periódico significaba un esfuerzo especial para el joven casi adulto. Dabei konnte man Mirko keineswegs unwillig oder widerspenstig nennen. thereby||one|||unwilling||rebellious|call You couldn't call Mirko unwilling or unruly. Sin embargo, no se podía llamar a Mirko desinteresado o rebelde de ninguna manera. Er tat gehorsam, was man ihm gebot, holte Wasser, spaltete Holz, arbeitete mit auf dem Felde, räumte die Küche auf und erledigte verläßlich, wenn auch mit verärgernder Langsamkeit, jeden geforderten Dienst. |||||||fetching|water|split|wood|worked||||field|cleared||kitchen|||completed|reliably||||annoying|slowness|every|requested|service He obediently did what he was told to do, fetched water, split wood, worked in the fields, tidied up the kitchen, and reliably, though with irritating slowness, did all the required work. Was den guten Pfarrer aber an dem querköpfigen Knaben am meisten verdroß, war seine totale Teilnahmslosigkeit. ||good|pastor||||stubborn|boy|most|most|annoyed|||total|indifference Er tat nichts ohne besondere Aufforderung, stellte nie eine Frage, spielte nicht mit anderen Burschen und suchte von selbst keine Beschäftigung, sofern man sie nicht ausdrücklich anordnete; sobald Mirko die Verrichtungen des Haushalts erledigt hatte, saß er stur im Zimmer herum mit jenem leeren Blick, wie ihn Schafe auf der Weide haben, ohne an den Geschehnissen rings um ihn den geringsten Anteil zu nehmen. |||||request||||||||other|boys||sought||himself|any|occupation|unless||||explicitly|ordered|as soon as|||household tasks||household|completed||sat||stubbornly||room|around||that|empty|look||||||pasture||without|||events|around||||slightest|share|| Während der Pfarrer abends, die lange Bauernpfeife schmauchend, mit dem Gendarmeriewachtmeister seine üblichen drei Schachpartien spielte, hockte der blondsträhnige Bursche stumm daneben und starrte unter seinen schweren Lidern anscheinend schläfrig und gleichgültig auf das karierte Brett. ||||||farmer's pipe|smoking|||gendarmerie sergeant||usual|three|chess games||squatted||blond-streaked|boy|silently|beside||stared|under|his|heavy|lids||sleepily||indifferently|||checkered|board Eines Winterabends klingelten, während die beiden Partner in ihre tägliche Partie vertieft waren, von der Dorfstraße her die Glöckchen eines Schlittens rasch und immer rascher heran. |winter evenings|rang|||both|partners||their|daily|game|immersed|were|||village street|from|the|little bells||sleigh|quickly|||faster|closer Ein Bauer, die Mütze mit Schnee überstäubt, stapfte hastig herein, seine alte Mutter läge im Sterben, und der Pfarrer möge eilen, ihr noch rechtzeitig die letzte Ölung zu erteilen. |farmer||cap||snow|dusted|stomped|hastily|in||old|mother|lay||dying|and||priest|may|hurry|her||on time||last|anointing||to administer Ohne zu zögern folgte ihm der Priester. ||without hesitation|followed|||priest Der Gendarmeriewachtmeister, der sein Glas Bier noch nicht ausgetrunken hatte, zündete sich zum Abschied eine neue Pfeife an und bereitete sich eben vor, die schweren Schaftstiefel anzuziehen, als ihm auffiel, wie unentwegt der Blick Mirkos auf dem Schachbrett mit der angefangenen Partie haftete. |gendarmerie sergeant||his|glass|beer||yet|drunk||lit||for|farewell||new|pipe|||prepared||just||the|heavy|high boots|to put on|||caught||unwaveringly|||Mirko's|||chessboard|||begun||remained »Na, willst du sie zu Ende spielen?« spaßte er, vollkommen überzeugt, daß der schläfrige Junge nicht einen einzigen Stein auf dem Brett richtig zu rücken verstünde. then|want|you|||end|play|joked||completely|convinced|||sleepy|boy|||single|stone|||board|correctly||move|understood Der Knabe starrte scheu auf, nickte dann und setzte sich auf den Platz des Pfarrers. |boy||shyly|||then||||||place|| Nach vierzehn Zügen war der Gendarmeriewachtmeister geschlagen und mußte zudem eingestehen, daß keineswegs ein versehentlich nachlässiger Zug seine Niederlage verschuldet habe. ||moves||||beaten|||also|admit||||accidentally|careless|move||defeat|caused|have Die zweite Partie fiel nicht anders aus. |second||fell||differently| »Bileams Esel!« rief erstaunt bei seiner Rückkehr der Pfarrer aus, dem weniger bibelfesten Gendarmeriewachtmeister erklärend, schon vor zweitausend Jahren hätte sich ein ähnliches Wunder ereignet, daß ein stummes Wesen plötzlich die Sprache der Weisheit gefunden habe.Trotz der vorgerückten Stunde konnte der Pfarrer sich nicht enthalten, seinen halb analphabetischen Famulus zu einem Zweikampf herauszufordern. Balaam's|donkey|called|astonished|||return|||||less|biblically knowledgeable||explaining|||two thousand||had|||similar|miracle|occurred|||silent||suddenly||||wisdom|found||Despite||advanced|||||||refrain||half|illiterate|servant|||duel|to challenge Mirko schlug auch ihn mit Leichtigkeit.Er spielte zäh, langsam, unerschütterlich, ohne ein einziges Mal die gesenkte breite Stirn vom Brette aufzuheben. |struck||||ease|||tough|slowly|unwaveringly|||single|||lowered|broad|forehead||board|to lift Aber er spielte mit unwiderlegbarer Sicherheit; weder der Gendarmeriewachtmeister noch der Pfarrer waren in den nächsten Tagen imstande, eine Partie gegen ihn zu gewinnen. ||||irrefutable|certainty|neither|||||||||||||||||to win Der Pfarrer, besser als irgend jemand befähigt, die sonstige Rückständigkeit seines Zöglings zu beurteilen, wurde nun ernstlich neugierig, wieweit diese einseitige sonderbare Begabung einer strengeren Prüfung standhalten würde. ||||||enabled||other|backwardness||pupil||to judge|||seriously||how far|this|one-sided|strange|gift||stricter|examination|withstand|would Nachdem er Mirko bei dem Dorfbarbier die struppigen strohblonden Haare hatte schneiden lassen, uni ihn einigermaßen präsentabel zu machen, nahm er ihn in seinem Schlitten mit in die kleine Nachbarstadt, wo er im Café des Hauptplatzes eine Ecke mit enragierten Schachspielern wußte, denen er selbst erfahrungsgemäß nicht gewachsen war. After|||||village barber||scruffy|straw-blond|hair||cut|have|to||somewhat|presentable||to make|took|||||sleigh||||small|neighboring town|where|||café||main square's||corner||enraged|chess players|knew|whom|||based on experience||equal| Es erregte bei der ansässigen Runde nicht geringes Staunen, als der Pfarrer den fünfzehnjährigen strohblonden und rotbackigen Burschen in seinem nach innen getragenen Schafspelz und schweren, hohen Schaftstiefeln in das Kaffeehaus schob, wo der Junge befremdet mit scheu nieder geschlagenen Augen in einer Ecke stehenblieb, bis man ihn zu einem der Schachtische hinrief. It|aroused|||resident|circle||considerable|astonishment|||||fifteen-year-old|||rosy-cheeked|boy||||inward|worn|sheepskin|||high|knee-high boots|||coffee house|pushed||||bewildered||shy|down|downcast|eyes||||remained|until||||||chess table|called In der ersten Partie wurde Mirko geschlagen, da er die sogenannte Sizilianische Eröffnung bei dem guten Pfarrer nie gesehen hatte. ||first||||||||so-called|Sicilian|opening||||||seen| In der zweiten Partie kam er schon gegen den besten Spieler auf Remis. ||second||came|||||best|player||draw Von der dritten und vierten an schlug er sie alle, einen nach dem andern. ||third||fourth||hit|||all||||each Nun ereignen sich in einer kleinen südslawischen Provinzstadt höchst selten aufregende Dinge; so wurde das erste Auftreten dieses bäuerlichen Champions für die versammelten Honoratioren unverzüglich zur Sensation. Now|occur||||small|South Slavic|provincial town|highly|rarely|exciting|things|so|||first|||peasant|champion|||gathered|notables|immediately||sensation Einstimmig wurde beschlossen, der Wunderknabe müßte unbedingt noch bis zum nächsten Tage in der Stadt bleiben, damit man die anderen Mitglieder des Schachklubs zusammenrufen und vor allem den alten Grafen Simczic, einen Fanatiker des Schachspiels, auf seinem Schlosse verständigen könne. Unanimously||decided||wonder boy|should|necessarily|||||day|||city|stay|so that||||members||chess club|to summon|||especially||old|count|Simczic||fanatic||chess|||castle|inform|can Der Pfarrer, der mit einem ganz neuen Stolz auf seinen Pflegling blickte, aber über seiner Entdeckerfreude doch seinen pflichtgemäßen Sonntagsgottesdienst nicht versäumen wollte, erklärte sich bereit, Mirko für eine weitere Probe zurückzulassen. |pastor||||||pride|||ward|||over||discovery joy|still||obligatory|Sunday service||miss|wanted|declared||ready||||further|rehearsal|to leave behind Der junge Czentovic wurde auf Kosten der Schachecke im Hotel einquartiert und sah an diesem Abend zum erstenmal ein Wasserklosett. |||||costs||chess||hotel|quartered||saw|||evening||first||water closet Am folgenden Sonntagnachmittag war der Schachraum überfüllt. |following|Sunday afternoon|||chess room|overcrowded Mirko, unbeweglich vier Stunden vor dem Brett sitzend, besiegte, ohne ein Wort zu sprechen oder auch nur aufzuschauen, einen Spieler nach dem andern; schließlich wurde eine Simultanpartie vorgeschlagen. |motionless||hours||||sitting|defeated|||word||to speak|||only|to look up||||||finally|||simultaneous game|proposed Es dauerte eine Welle, ehe man dem Unbelehrten begreiflich machen konnte, daß bei einer Simultanpartie er allein gegen die verschiedenen Spieler zu kämpfen hätte. |lasted||wave|before|||uninformed|understandably||||||||alone|||various|||to fight| Aber sobald Mirko diesen Usus* begriffen, fand er sich rasch in die Aufgabe, ging mit seinen schweren, knarrenden Schuhen langsam von Tisch zu Tisch und gewann schließlich sieben von den acht Partien. |||this|custom|understood|found|||quickly|||task|went||||creaking|shoes|||table||||won|finally|seven|||eight|games Nun begannen große Beratungen. |began|large|discussions Obwohl dieser neue Champion im strengen Sinne nicht zur Stadt gehörte, war doch der heimische Nationalstolz lebhaft entzündet. Although|||champion||strict|sense||||belonged||||native|national pride|vividly|ignited Vielleicht konnte endlich die kleine Stadt, deren Vorhandensein auf der Landkarte kaum jemand bisher wahrgenommen, zum erstenmal sich die Ehre erwerben, einen berühmten Mann in die Welt zu schicken. ||finally||||whose|presence|||map|barely||so far|perceived|||||honor|to acquire||famous|man|||world||send Ein Agent namens Koller, sonst nur Chansonetten und Sängerinnen für das Kabarett der Garnison vermittelnd, erklärte sich bereit, sofern man den Zuschuß für ein Jahr leiste, den jungen Menschen in Wien von einem ihm bekannten ausgezeichneten kleinen Meister fachmäßig in der Schachkunst ausbilden zu lassen. ||named|Koller|otherwise||chansonettes||singers|||cabaret|of the|garrison|mediating|||||||grant||||contributes|||young people||Vienna|||||excellent||master|professionally||||to train|| Graf Simczic, dem in sechzig Jahren täglichen Schachspieles nie ein so merkwürdiger Gegner entgegengetreten war, zeichnete sofort den Betrag. Count||||sixty||daily|chess game||||strange|opponent|confronted||wrote|immediately||amount Mit diesem Tage begann die erstaunliche Karriere des Schiffersohnes. |||began||astonishing|||son of a sailor