Der Zügeltag in der Schweiz
Der Zügeltag in der Schweiz Für viele umzugswillige Mieter und Umzugsunternehmen in der Schweiz ist das letzte Wochenende im März stressig. Denn dann wird „gezügelt“. Das ist – je nach Region – nur maximal dreimal im Jahr möglich.
In einem Wohnquartier in Zürich. Möbelträger laden große Kartons von einem Laster auf einen Lift und hoch geht es mit der Fracht in eine Wohnung im vierten Stock. Es wird „gezügelt“, wie man in der Schweiz das Umziehen nennt. In diesen Tagen wird besonders häufig gezügelt, denn der 31. März ist offizieller Zügeltermin, sagt Ruedi Spöndlin vom Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverband:
„Das ist der Tag, auf den man ein Mietverhältnis kündigen kann und an dem man natürlich dann in der Regel auch auszieht.“
Wie in Deutschland müssen auch in der Schweiz Fristen und Termine zur Beendigung eines Mietverhältnisses, einer Kündigung, eingehalten werden. Der Kündigungstermin ist der Tag, an dem Mieterinnen und Mieter ausziehen möchten. Hierbei müssen Kündigungsfristen beachtet werden. Sind diese nicht im Mietvertrag festgelegt, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen von mindestens drei Monaten für möblierte und unmöblierte Wohnungen. Je nach Region beziehungsweise Kanton, einem von 26 Schweizer Bezirken im Alpenland, gibt es zwei – manchmal auch drei – feste Kündigungstermine pro Jahr, so Ruedi Spöndlin:
„In Zürich zum Beispiel sind die allermeisten Verträge so, dass man nur Ende März und Ende September – nur auf diese Termine – kündigen kann. So im Aargau, Solothurn, da ist's meistens noch der Juni, auch in gewissen ländlichen Bezirken; Kanton Zürich kann man Ende März, Ende Juni, Ende September [ausziehen].“
Früher wurden Zügeltermine streng eingehalten, aber mittlerweile können Mieterinnen und Mieter oft auch flexibler kündigen, wenn sie einen Nachmieter präsentieren. Dennoch sind Fragen rund um den Zügeltermin das zweithäufigste Thema am Beratungstelefon des Mieterinnen- und Mieterverbandes, erzählt Ruedi Spöndlin. Wie es zu der Regelung gekommen ist, kann auch er nicht genau erklären:
„Die sind seit alters überliefert. Ich denk', dass war ein gewisser Mieterschutz, dass man den Mietern nicht so oft kündigen kann.“
Von umzugswilligen Mieterinnen und Mietern erfordern die Zügeltermine eine rechtzeitige Planung, denn – so zeigt eine spontane Straßenumfrage:
„Das Problem ist, dass man keine Zügelwägen mehr findet, also wenn man irgendwas mieten will oder so, zu seinem Zeug transportieren. Kannst du vergessen! Ist alles vermietet. Auch die Zügelunternehmen, die sind ausgebucht an diesem Termin. / Man muss früh genug eine Zügelfirma organisieren, wenn man eine will, wenn man nicht selber will. Oder ein Auto mieten frühzeitig.“
Wer entspannt umziehen möchte, den Umzug also nicht selbst organisieren, keine Kisten kaufen und packen, keine schweren Möbel schleppen will, beauftragt eine Zügelfirma, so nennen Schweizer ein Umzugsunternehmen. Diejenigen, die das Geld dafür nicht aufbringen können, müssen sich einen Umzugswagen mieten. Die Größe der Zügelwagen richtet sich natürlich nach der Anzahl des Zeugs, der Dinge, die man transportieren will. Egal für welche Lösung man sich entscheidet: Sowohl bei einem Umzugsunternehmen als auch für einen Mietwagen muss man einen Termin vereinbaren. Und wenn sich diese Termine auf zwei bis drei im Jahr konzentrieren, ist manches Zügelunternehmen schon ausgebucht, hat keinen Termin mehr frei, mancher Mietwagen schon vermietet. Allerdings, so sagt Wolfgang Nägeli, der Gründer der gleichnamigen Züricher Umzugsfirma, hat sich die Situation im Vergleich zu früheren Jahren etwas entspannt. Noch vor wenigen Jahren, so sagt er, wuchs die Nachfrage rund um einen Zügeltermin um das Vier- bis Fünffache:
„In Monaten im Voraus ausgebucht. Man musste ja eigentlich Ende Oktober schon für den nächsten Frühling Ende März schon buchen, dass man noch 'ne Firma fand, die dann Zeit hatte.“
Für die Zügelunternehmen stellte und stellt sich laut Wolfgang Nägeli rund um den Zügeltermin ein weiteres Problem:
„Wir mussten viele Aushilfen kommen lassen, die Qualität ist nicht die gleiche. Man muss dann 50 Leute zusätzlich während zwei Wochen beschäftigen. Nachher läuft wieder nichts mehr.“
Für eine kurze Periode von nur zwei Wochen muss viel Personal gefunden werden. In der Regel handelt es sich dabei dann um ungelernte Aushilfen. Sie haben natürlich nicht die Erfahrung, die erfahrene Mitarbeiter der Firma haben. Die Qualität ist nicht die gleiche. Und nach der zweiwöchigen stressigen Zeit läuft nichts mehr, ist nicht mehr so viel Arbeit da. Verschärft wird die Lage, so Wolfgang Nägeli, wenn der Zügeltag ausgerechnet auf ein Osterwochenende fällt:
„Donnerstag bis Anschlag, Freitag ist dann zu, dann Samstag ziehen wir auch um. Das ist normal für uns. Und dann ist der Ostersonntag sowieso nicht, und Ostermontag auch nicht. Ja, das ist das Schlimmste. Uns fehlen zwei Tage und das merken wir.“
Karfreitag ist ebenso ein Feiertag, an dem nicht gearbeitet werden darf, wie Ostermontag auch. Es ist zu, die Geschäfte geschlossen. Dass zwei Arbeitstage fehlen, fällt auf. Deshalb wird am sogenannten Gründonnerstag bis zum Anschlag gearbeitet, bis zur Grenze des Möglichen.
So überholt der Schweizer Zügeltag anmuten mag, so belebend wirkt er auf den Wohnungsmarkt. Die Analyse eines Internet-Vergleichsdienstes ergab, dass zu den „ortsüblichen Kündigungsterminen“ das Wohnungsangebot am größten ist – und die Mietpreise am niedrigsten.