Sendung: tagesschau 20.02.2020 12:00 Uhr - Nach tödlichen Schüssen im hessischen
Themen der Sendung: Nach tödlichen Schüssen im hessischen Hanau: Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen, Hessens Ministerpräsident Bouffier verurteilt die Gewalttat in Hanau, Reaktionen von Politikern aus Berlin, Fund von Videomaterial in der Wohnung des Täters, Hunderttausende Menschen wegen Krieg im Nordwesten Syriens auf der Flucht, Nach Raub einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus Berliner Bode-Museum: Berliner Landgericht verurteilt drei Angeklagte zu Haftstrafen, Das Wetter
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Susanne Holst
Guten Tag, willkommen zur tagesschau.
Hinter der Stadt Hanau in Hessen
liegt eine furchtbare Nacht:
Ein Mann hat
zwei Shisha-Bars aufgesucht
und dort mehrere Menschen getötet.
Auch auf ein Auto
soll er geschossen haben.
Neun Menschen wurden erschossen
und mehrere weitere verletzt.
Der mutmaßliche Täter
und seine Mutter
wurden später tot
in seinem Wohnhaus aufgefunden.
Hanau liegt östlich von Frankfurt.
Die betroffenen Shisha-Bars
liegen am Heumarkt und
am Kurt-Schumacher-Platz.
Dort in der Nähe ist auch
das Wohnhaus des mutmaßlichen Täters.
Die Ermittler gehen von einem Einzeltäter aus - und von einem
rechtsterroristischen Hintergrund.
Deswegen hat die Bundesanwaltschaft
den Fall übernommen.
Gegen 22 Uhr stürmt der Täter die erste Bar in der Hanauer Innenstadt. Er beginnt zu schießen
und tötet vier Menschen.
Dann greift er eine zweite Bar,
einen Kiosk und ein Auto an.
Er erschießt fünf weitere Menschen.
In dieser Gegend gibt es so was nicht. Das ist wie im Film.
Hinweise von Zeugen führen die Polizei zu dieser Adresse im Hanau-Kesselstadt. Daraufhin haben wir Spezialeinsatzkräfte in die Helmholtzstraße verlegt. An dieser Örtlichkeit wurden zwei getötete Personen gefunden. Der Tatverdächtige soll dabei gewesen sein. Bei der zweiten aufgefundenen Person soll es sich um die Mutter des mutmaßlichen Täters handeln.
Auf der Homepage des Mannes finden die Ermittler Videos teils abstrusen Inhaltes,
die eine Tendenz haben.
Nach jetzigen Erkenntnissen ist ein fremdenfeindliches Motiv gegeben. Über die Tatwaffe ist bisher wenig bekannt. Der Schütze war offenbar geübt im Umgang mit Waffen. Es ist wohl so, dass er legal Waffenbesitzer und Sportschütze war. Statt der turnusmäßigen Sitzung gedenkt das Landtag der Opfer mit einer Schweigeminute. Zudem ordnet die Landesregierung an öffentlichen Gebäuden Trauerbeflaggung an.
Wegen des mutmaßlich politischen Hintergrunds übernimmt die Bundesanwaltschaft
die Leitung der Untersuchung.
Im Laufe des Tages will sie sich
zum Ermittlungsstand äußern.
Der mutmaßliche Terroranschlag von
Hanau hat viele Menschen erschüttert.
Hessens Ministerpräsident Bouffier zeigte sich bestürzt und sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Ich habe vorhin mit der Kanzlerin telefoniert. Sie hat uns ihr Anteilnahme ausgedrückt. Nachher ist der Innenminister in Hanau. Kollege Beuth und ich
werden auch dort sein.
Jetzt ist die Stunde des Innehaltens. Dann kommt die Aufklärung.
Gegebenenfalls
müssen wir dann diskutieren,
wie wir damit umgehen.
Heute ist ein Tag der Trauer.
Ein Tag des Schreckens.
Bitte verstehen Sie,
dass wir alle persönlich
unter diesem Eindruck stehen.
Die Menschen in Hessen
denken alle an die Opfer von Hanau
und an die Angehörigen.
Dieses Mitgefühl
möge ihnen ein Trost sein.
Sebastian Kisters
ist vor einer der Bars.
Was passiert da gerade?
Wie ist die Lage vor Ort?
Es liegt eine große Stille über der Stadt. Menschen fallen sich weinend in die Arme. Angehörige werden von der Polizei betreut. Ministerpräsident Bouffier hat gesagt: Heute ist Altweiberfastnacht,
alle wollten feiern.
Aber diese Stimmung
ist wie weggeblasen.
Der Oberbürgermeister von Hanau
hat gesagt:
Alle Menschen mögen sich um 18 Uhr
in der Stadt versammeln,
um ihre Solidarität und
Fassungslosigkeit zu zeigen.
Wie reagieren die Menschen auf das,
was heute Nacht geschehen ist?
Es ist sehr still in dieser Stadt.
Die Ermittlungen dauern noch an.
Die Tatorte waren gut
mit dem Auto zu erreichen.
Die Shisha-Bars liegen
in Fußgängerzonen.
Der mutmaßliche Täter wohnte
fußläufig von hier entfernt.
In der Wohnung des mutmaßlichen
Täters ist noch die Spurensicherung.
Man versucht, Dinge zu finden,
die die Frage beantworten,
was hier passiert ist.
Danke, Sebastian Kisters.
Der Generalbundesanwalt
hat die Ermittlungen übernommen.
Frank Bräutigam in Karlsruhe:
Welche Rückschlüsse lässt das zu?
Der Generalbundesanwalt
ist in Fällen immer dann zuständig,
wenn der Fall
eine besondere Bedeutung hat.
Wenn rassistische Motive,
wenn rassistischer Hintergrund
möglich ist.
Diesen Anhaltspunkt muss
die Behörde gehabt haben.
Zum Beispiel Videos, die
rassistische Motive andeuten.
Der mutmaßliche Täter, Tobias R.,
soll 43 Jahre alt sein.
Er soll ein eher
unbeschriebenes Blatt gewesen sein.
Wie geht es weiter?
Am Nachmittag
wird es ein Statement geben
von der Generalbundesanwaltschaft.
Die Ermittlungen
laufen weiter auf Hochtouren.
Da wird noch viel an
Aufklärungsarbeit zu leisten sein.
Das Entsetzen über die mutmaßlich
rechtsradikale Tat in Hanau ist groß.
Anteilnahme kommt aus
der Gesellschaft und aus der Politik.
Michael Stempfle in Berlin:
Wie reagiert das politische Berlin
auf die Tat in Hanau?
Die Kanzlerin und der Innenminister
haben ihre Termine abgesagt.
Der Innenminister ist
mit Justizministerin Lambrecht
auf dem Weg nach Hanau.
Dort gibt es ein Lagezentrum.
Es gibt Bestürzung
über die Morde von Hanau.
Man drückt Mitgefühl aus.
Man will,
dass der Fall aufgeklärt wird.
Vom Zentralrat der Juden hören wir,
die Gefahr von Rechst
sei unterschätzt worden.
Was hat die Bundesregierung
bisher getan,
um solche Straftaten zu verhindern?
Es gibt Strafverschärfungen.
Zum Beispiel beim Waffenrecht.
Es ist schwerer für Extremisten,
an Waffen zu kommen.
Aber die Person
muss eben auch auffallen.
Der mutmaßliche Täter
war wohl ein Sportschütze.
Dann braucht man
eine Gesellschaft, die das erkennt.
Schärfere Gesetze allein
reichen nicht aus.
Die Sicherheitsbehörden
müssen auch entsprechend vorgehen.
Man braucht auch Personal,
etwa in den Gerichten.
Sicherheitskräfte haben in
der Wohnung des mutmaßlichen Täters
Videomaterial gefunden.
Zu sehen ist der 43-Jährige
offenbar in seiner Wohnung.
Auf Englisch
spricht er die US-Bürger direkt an,
sagt, die USA stünden unter
der Kontrolle geheimer Mächten.
Bei mir ist Patrick Gensing
von den ARD-faktenfindern.
Es gibt noch mehr Videos
vom mutmaßlichen Täter im Netz.
Da fallen Parallelen auf zu anderen Terroranschlägen, etwa von Halle oder von Christchurch.
Diese Verschwörungstheorien,
wie speisen sich die?
Wir haben Videos und Dokumente angeschaut. Daraus spricht deutlich,
dass er der Ansicht ist:
Er sei von Geheimdiensten überwacht worden. Er glaubt an eine geheime Schattenregierung. Er glaubt an geheime Kräfte, die
Muslime nach Deutschland bringen.
Er erklärt auch
persönlichen Misserfolg
über Verschwörungstheorien.
Zum Beispiel geht es um Misserfolg bei Frauen. Diese Verschwörungstheorien plus Rassismus, das sind Motive, die wir auch aus
Halle und Christchurch kennen.
Es gibt vermutlich viele Menschen,
die ähnlich im Netz unterwegs sind.
Warum ist es für die Behörden
so schwierig einzuschätzen,
wer gefährlich werden kann
und wer nicht?
Viele der Attentäter
sind nie aufgefallen.
Sie haben sich im Netz radikalisiert. Man müsste diese Foren im Internet
viel ernster nehmen.
Man müsste schauen, welche Leute
könnten Attentäter werden.
Die Entwicklungen zur Tat in Hanau
können Sie in unserem Liveblog
bei tagesschau.de verfolgen.
Im Anschluss an diese Sendung
übertragen wir bei tagesschau24
eine Stellungnahme
von Kanzlerin Merkel.
Die Lage in den Kriegsgebieten
Syriens spitzt sich dramatisch zu.
Die Kämpfe rund um die Stadt Idlib
haben noch einmal Hunderttausende
Menschen in die Flucht getrieben.
Das Regime von Machthaber Assad
bombardiert mit Russlands Hilfe
weiter Stellungen in der Region.
Derweil stehen viele ehemalige
Bewohner der Region vor dem Nichts.
Ein Flüchtlingslager
in der syrischen Stadt Idlib,
40 km entfernt
von der türkischen Grenze.
1300 Menschen sind hier
seit einem Monat untergebracht.
Sie kommen aus
einer 30 km entfernten Stadt.
Die Truppen
des syrischen Regimeführers Assad
hatten sie von dort vertrieben.
Wie lange sie in Idlib
bleiben können, ist ungewiss.
Assads Soldaten kämpfen
wenige Kilometer vor den Toren Idlibs
gegen Rebellen der
islamistischen Organisation HTS.
Unterstützt von
der russischen Luftwaffe, sagt man.
Die Lage ist beängstigend,
weil das Regime immer näher kommt.
Die russische Luftwaffe
bombardiert die Stadt
und macht kein Unterschied zwischen
Zivilisten und bewaffneten Kämpfern.
Russland sieht uns als Ziel.
Überall im Grenzgebiet
sind Syrer auf der Flucht:
Von Süd nach Nord, von Ost nach West.
Assad-Truppen sind auf dem Vormarsch,
wie es scheint.
Auf ein Dorf feuerte gestern offenbar
das syrische Regime-Militär.
Ein Krankenhaus sei
vor drei Tagen bombardiert worden.
Auf syrischem Boden
soll es immer mehr Gefechte geben:
Zwischen türkischen Truppen,
die die HTS unterstützen,
und dem aus Damaskus
geschickten Militär.
Es war ein spektakulärer Diebstahl
mit einer Beute im Millionenwert:
Vor drei Jahren wurde eine
100 kg schwere kanadische Goldmünze
aus dem Berliner
Bode-Museum gestohlen.
Vier Männer wurden festgenommen.
Die riesige Münze ist verschwunden.
Nun ist das Urteil
gegen die Angeklagten gefallen.
Jugendstrafen zwischen
drei Jahren, vier Monaten
und viereinhalb Jahren
und ein Freispruch.
Damit endet der Indizienprozess
um den Diebstahl der Goldmünze
aus dem Bode-Museum.
Bei den drei Angeklagten hat
das Gericht sich darauf gestützt,
dass an Werkzeugen
DNA gefunden wurde.
Oder an anderen Mitteln,
zum Beispiel DNA an einem Zettel.
So konnte es der Tat
unmittelbar zugeordnet werden.
Hinter der Tat stecken
nach Überzeugung des Gerichts
Mitglieder
einer polizeibekannten Großfamilie.
Sie sollen die Münze zerteilt haben.
Vermutlich wurden
die Einzelteile eingeschmolzen.
Für den Schaden sollen
zwei der Verurteilten aufkommen.
Wichtig ist auch noch,
dass Wertersatz angeordnet wurde.
Und zwar gegen zwei der Angeklagten.
Wertersatz in Höhe
von 3,3 Millionen Euro.
Das Gericht hat sich dabei
am Goldwert orientiert.
Die Staatsanwaltschaft
hatte gefordert,
alle vier Angeklagten zu verurteilen.
Die Verteidigung
hatte auf Freispruch plädiert.
Prozessbeobachter gehen davon aus,
dass beide Seiten gegen das Urteil
Revision einlegen werden.
Dann müsste sich
der Bundesgerichtshof
mit dem Fall beschäftigen.
Die Wetteraussichten:
Meist viele Wolken,
hier und da Regen.
Im südlichen Baden-Württemberg
und Bayern kommt die Sonne durch.
Die tagesschau meldet sich
wieder um 14 Uhr.
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