Sendung: tagesschau 31.03.2020 17:00 Uhr - Neuunfektionen in der Türkei
Themen der Sendung: Robert-Koch-Institut veröffentlicht aktuelle Zahlen zu Infizierten, Corona-Pandemie: Diskussion über Schutzmaskenpflicht, Projekt im Kreis Heinsberg: Forscher der Uni Bonn befassen sich mit Ausbreitung von Coronavirus, Arbeitsmarkt in der Corona-Krise: Hunderttausende Betriebe beantragen Kurzarbeit, Zahl der Neuunfektionen in der Türkei steigt rasant an, Die Börse, Spielpause der Fußball-Bundesliga vorerst bis zum 30. April verlängert, Das Wetter
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Claus-Erich Boetzkes
Guten Tag,
willkommen zur tagesschau.
Vergleicht man die Zahl
der Corona-Toten weltweit,
fällt die niedrige Sterberate
in Deutschland auf.
Das werde nicht so bleiben, kündigte
heute das Robert Koch-Institut an.
Denn es gebe mittlerweile
vermehrt Infektionen
in Pflege- und Altenheimen.
Laut RKI-Statistik
gibt es in Deutschland
fast 62.000 gemeldete Infizierte.
Es ist die erste Pressekonferenz
des Robert Koch-Instituts
seit sechs Tagen.
Einen Durchbruch hat RKI-Präsident
Lothar Wieler nicht zu verkünden.
Die Zahl der Neuinfektionen
ist weiter hoch.
Die Pandemie werde
noch Monate weitergehen, aber:
Mein Optimismus ist noch da -
und ich denke, er ist begründet.
Lassen Sie uns warten,
bis wir handfeste Zahlen haben.
Ich gehe davon aus,
dass wir bis Ostern sehen werden,
wie der Trend ist.
Bis dahin müsse man
die Anti-Corona-Strategie fortführen:
Behandlungskapazitäten erhöhen,
Alte und chronisch Kranke schützen,
Ausbreitung des Virus eindämmen.
Dabei richtet sich der Blick
auch nach Südkorea.
Die Nutzung von Handydaten
habe dazu beigetragen,
die Zahl der Ansteckungen
dort zu senken.
Auch in Deutschland werden
entsprechende Apps entwickelt.
Der Datenschutzbeauftragte
formuliert Grundbedingungen:
Das fängt bei der Freiwilligkeit an.
Aber auch das Design,
die Architektur dieser Lösung
muss datenschutzfreundlich sein.
Man kann Daten
lokal auf den Geräten halten.
Dass für den Fall,
dass keine Infektion vorliegt,
nirgendwo zentral gespeichert wird.
Kritik an der Nutzung von Handydaten
kam von FDP, Linken und Grünen -
aber auch aus der SPD.
Inzwischen signalisieren
die SPD-Justizministerin
und Vize-Kanzler Scholz
Unterstützung.
Wenn das so gelingt,
wie es uns signalisiert wird,
wäre das ein großer Fortschritt.
Wir würden modernste Technik
im großen Stil einsetzen können.
Möglicherweise mit einem Konsens
von fast 100 % der Bürger.
Besser ginge es nicht.
Voraussetzung wäre,
dass die Bürger eine App
freiwillig aufs Handy laden.
Ein möglicher Weg,
um die Corona-Einschränkungen
absehbar zu reduzieren.
Menschen, die Schutzmasken tragen -
in der Öffentlichkeit sieht man
immer mehr von ihnen.
Ob der Mund- und Nasenschutz
ein gutes Mittel im Kampf
gegen das Coronavirus ist,
darüber gibt es eine Diskussion.
Die WHO sieht keinen Nutzen in einer
allgemeinen Schutzmasken-Pflicht.
Andere Wissenschaftler glauben,
dass sie geeignet ist,
die Ausbreitung des Virus
zu verlangsamen.
Hanau heute Mittag.
Manche Menschen
sind mit Masken unterwegs.
Der Oberbürgermeister will,
dass alle Menschen in seiner Stadt
sie ab heute tragen.
Wir sehen die Notwendigkeit.
Wir sehen steigende Zahlen –
wie im Rest der Republik auch.
Wenn wir sagen,
es muss alles getan werden –
auch wenn der letzte Beweis
noch nicht erbracht ist:
Dann müssen wir
uns daran beteiligen.
Überall im Land
werden einfache Masken genäht,
wie hier am Theater in Koblenz.
Die Feuerwehr verteilt sie.
Fachleute sagen:
Tragen sollten diese Masken
vor allem Menschen,
die möglicherweise krank sind.
Das ist ein Schutz des anderen,
kein Selbstschutz.
Man kann damit aber
zusätzlich Sicherheit erzeugen.
Wo es immer geht:
Abstand einhalten und Hände waschen.
Das muss bestehen bleiben.
Drängendstes Problem sei,
professionelle Masken zu besorgen,
wie sie in Krankenhäusern
gebraucht werden.
Am Wochenende kam eine Lieferung
aus China in Frankfurt an.
Das reiche nicht.
Viele Krankenhäuser
fahren schon auf Sicht,
auf ein oder zwei Tage -
die Vorräte gehen zu Ende.
Glück hat, wer eine Spende bekommt -
wie die Stadt Frankfurt.
Die Deutsche Bank hatte von
der letzten SARS-Krise noch Masken,
die sie Feuerwehr und Polizei
überlässt.
Wir müssen eine nationale
Notfallproduktion bekommen.
Die den Praxen,
Krankenhäusern und Altersheimen
einen Vorrat liefert.
Von einer Maskenpflicht
in der Öffentlichkeit
halten die meisten Politiker
und Fachleute wenig.
In NRW sind nach jetzigem Stand
gut 15.000 Infektionen
mit dem Coronavirus nachgewiesen,
fast 1300 davon im Kreis Heinsberg.
Nur in Köln gibt es mehr Infizierte.
In Heinsberg könnte
eine Karnevalsveranstaltung
für die schnelle Ausbreitung
gesorgt haben.
Deshalb suchten sich Forscher
der Uni Bonn diese Region aus,
um die Verbreitung
des Virus nachzuverfolgen.
Der Kreis Heinsberg ist von Corona
besonders betroffen.
Und er ist zwei Wochen länger
mit dem Ausbruch des Virus
beschäftigt als Deutschlands Rest.
Die Hoffnung:
Ausgehend von hier könnte man
der Politik Fakten liefern,
wie man mit dem Virus
besser umgehen könnte.
Wir sind nicht nur diejenigen,
die im Fokus standen für die Frage:
Wo ist es besonders schlimm?
Vielleicht stehen wir
auch im Fokus bei der Frage:
Wo geht man besonders gut damit um?
Die Anzahl Infizierter,
die in Krankenhäuser gebracht werden,
stagniert dort.
Getroffene Maßnahmen,
wie eine schnelle Schließung
von Kita und Schulen,
waren offenbar erfolgreich.
Von 1000 repräsentativen Bewohnern
werden
Speichel- und Blutproben genommen.
Und Fragebögen verteilt,
z.B. zu ihrem Alltagsverhalten.
Die Studie wird
im Ort Gangelt gemacht.
Mitte Februar begann dort alles
bei einer Karnevalssitzung.
Was ist dort, was es sonst
im normalen Leben nicht gibt?
Können wir daraus
Handlungsanweisungen ablesen?
Helfen die vielleicht,
Ausgangsbeschränkungen
ein wenig zu reduzieren?
Ziel der Studie soll es auch sein,
die Dunkelziffer
von Infizierten herauszufinden.
Und Antworten
auf Alltagsfragen zu liefern.
Darf ich mein Handy
nicht mehr weitergeben?
Welche Türklinken darf ich anfassen?
Oder:
Was muss ich alles desinfizieren?
Die Ergebnisse der Studie sollen
für ganz Deutschland relevant sein.
Ab nächster Woche
könnten sie vorliegen.
Corona hat auch den Alltag
der Arbeitsagentur
durcheinander gewirbelt.
In den vergangenen Wochen gingen
470.000 Anträge auf Kurzarbeit ein.
Arbeitsminister Heil sagte,
man könne nicht jeden
einzelnen Arbeitsplatz schützen.
Die Arbeitslosigkeit
werde auch steigen.
Dennoch zeigte er sich optimistisch:
Die Bundesagentur für Arbeit
habe milliardenschwere Rücklagen.
Die Filialen des Reiseunternehmens
Wörlitz in Berlin sind dicht.
90 % der 200 Mitarbeiter mussten
in Kurzarbeit geschickt werden.
Das Unternehmen braucht
nicht nur das Kurzarbeitergeld,
sondern auch staatliche Darlehen.
Wir brauchen dieses Geld,
um eine Chance zu haben,
die nächsten Wochen zu überstehen.
Lufthansa und TUI haben ebenfalls
Kurzarbeit angemeldet.
Insgesamt
wurden 470.000 Anträge gestellt.
Wie viele Menschen Kurzarbeitergeld
in Anspruch nehmen werden,
lässt sich nicht abschätzen.
Wir gehen davon aus,
dass es mehr werden als 2008/9.
Die Höchstmarke lag da
bei 1,4 Mio. Menschen.
Insgesamt sei damit zu rechnen,
dass die Arbeitslosigkeit
wieder steigen werde.
Der Vorsitzende
der Bundesagentur für Arbeit betont,
dass genügend Geld vorhanden sei.
Wir haben überplanmäßige Ausgaben
in Höhe von 10 Mrd. beantragt.
Damit sind wir in diesem Jahr
langfristig zahlungsfähig.
Der Gewerkschaftsbund kritisiert,
dass das Kurzarbeitergeld
für viele Menschen zu wenig sei.
Dass Menschen nur noch
60 % ihres Einkommens erhalten,
werden sie nicht verkraften.
Sie müssen ihre Mieten bezahlen,
sie haben laufende Kosten.
Kredite müssen bedient werden.
Wir wollen doch verhindern,
dass diese Menschen auch noch
Grundsicherung beantragen müssen.
Um die Anträge zu bearbeiten, werden
in der Bundesanstalt für Arbeit
4500 Mitarbeiter
Kurzarbeit abrechnen.
Bisher waren es 800.
Menschenleere Straßen in Istanbul.
Lange sah es so aus,
als sei die Türkei von der
Corona-Pandemie verschont geblieben.
Die offiziellen Zahlen
waren vergleichsweise niedrig.
Kritiker befürchteten aber früh,
dass das eher an fehlenden Tests
als an tatsächlichen Infektionen lag.
Die Bevölkerung ist verunsichert
und zieht sich
aus dem öffentlichen Leben zurück.
Die Haupteinkaufsstraße Istiklal
in Istanbul.
Sonst flanieren hier Tausende.
Die Türkei hat Schulen, Restaurants,
Moscheen und Teehäuser geschlossen,
aber keine Ausgangssperre verhängt.
Nach Aufrufen der Regierung
bleiben viele freiwillig zu Hause.
Der Dienstleistungssektor entspricht
etwa 40 % der türkischen Wirtschaft.
Viele Unternehmer mussten schließen,
Einnahmen und Gehälter fallen aus.
Gestern erklärt
der türkische Staatspräsident,
man helfe anderen Ländern
mit medizinischer Ausrüstung.
Zugleich fordert er
von seinen Landsleuten,
Geld auf ein Spendenkonto
zu überweisen.
Ich habe die Hilfskampagne
mit der Spende von
sieben Monatsgehältern initiiert.
Seine sieben Gehälter
entsprechen knapp 80.000 Euro.
Kurz darauf entzündet sich
in den sozialen Medien
eine Debatte über den
finanziellen Zustand des Staates.
Die Opposition ist alarmiert.
Ich hoffe, man erkennt jetzt,
dass unser Land für solche Fälle
Geld zur Seite legen muss.
Es darf nicht für die Rettung
von Bauunternehmern ausgeben werden.
Die türkische Ärztevereinigung
fordert mehr Transparenz.
Denn der Staat veröffentlicht nicht,
in welchen Provinzen und Bezirken
positiv getestet wurde.
Die Informationen
müssten viel umfangreicher sein.
Man müsste Wissenschaftlern
und Gesundheitsbehörden
die Informationen geben,
die sie für ihre Arbeit benötigen.
Die Gesellschaft
müsste besser aufgeklärt werden.
Verbreiten lässt der Palast
diese Bilder.
Erdogan hört einem Muezzin zu.
Dazu heißt es, man hoffe,
wieder gemeinsam
in Moscheen beten zu können.
Die Europäische Zentralbank möchte,
dass die jährliche Teuerung
bei leicht unter 2 % liegt.
Die aktuelle Inflationsrate
fiel aber im Euroraum
auf nur noch 0,7 %.
Klaus-Rainer Jackisch,
was ist Grund für dieses Abrutschen?
Auch das ist eine Folge
der Corona-Pandemie.
Die hat zu Ausgangssperren geführt.
Viele Geschäfte sind geschlossen.
Dadurch wird weniger konsumiert.
Die Preise werden so gedrückt.
Besonders stark
trifft das den Energiesektor.
Diese Entwicklung könnte
zu deflationären Tendenzen führen.
Dann wäre auch
eine Euro-Krise nicht weit.
Die Anlieger haben nervös reagiert.
Der DAX hat eingebüßt:
Die Nervosität
ist aber deutlich gestiegen.
Der Ball ruht,
und das auch weiterhin.
Die 36 Profi-Vereine entschieden,
dass die Unterbrechung
des Spielbetriebs
bis 30. April verlängert wird.
Und danach?
Der Chef der DFL sagte,
es sei unrealistisch,
dass man vor Ende der Saison
vor vollen Stadien spielen werde.
Ungewisse Zeiten
für die Deutsche Fußball Liga.
Seit dem 12. März
ruht der Spielbetrieb.
Alle 36 Vertreter
der Erst- und Zweitligaklubs
einigten sich darauf:
Diese Maßnahme werde mindestens
bis Ende April Bestand haben.
Die Klubs folgten einstimmig
der Empfehlung des Präsidiums,
dass der Spielbetrieb bis mindestens
zum 30.04. ausgesetzt bleibt.
Und bis zum 05.04. sollte das
Mannschaftstraining unterbleiben,
um die Maßnahmen der Bundesregierung
zu unterstützen.
Die Hoffnung,
dass ab Mai vor leeren Rängen
wieder gespielt werden kann.
Bei einem Abbruch der Saison
droht ein Verlust von 750 Mio. Euro.
Ein Großteil davon
Einnahmen aus TV-Geldern.
Zudem laufen im Sommer
viele Verträge aus.
Deshalb soll die Spielzeit
spätestens zum 30. Juni beendet sein.
Es kann unter gewissen Bedingungen
möglich sein,
eine Situation
in den Juli hinein zu verlängern.
Irgendwann hat aber auch
eine neue Saison zu beginnen.
Da gibt es auch Fragen:
Wer steigt ab, wer steigt auf?
Der Ball muss schnellstmöglich
wieder rollen.
ARD extra 20.15 Uhr in DGS
auf tagesschau24.
Die Wetteraussichten:
Mittwoch im Süden
und der Mitte sonnig.
Im Norden stark bewölkt
mit etwas Regen.
Das war die tagesschau um fünf.
Hier folgt "Brisant", um 20 Uhr
kommt die nächste tagesschau.
Einen schönen Abend.
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