×

LingQをより快適にするためCookieを使用しています。サイトの訪問により同意したと見なされます cookie policy.


image

2021 Tagesschau, nachtmagazin 03.12.2021, 00:35 Uhr - Die Rolle der STIKO im Zusammenhang mit der Booster-Impfkampagne, Großer Zapfenstre

nachtmagazin 03.12.2021, 00:35 Uhr - Die Rolle der STIKO im Zusammenhang mit der Booster-Impfkampagne, Großer Zapfenstre

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit dem nachtmagazin.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitel (03.12.2022)

♪ Für mich soll's rote Rosen regnen ♪

Abschied für Angela Merkel am Abend in Berlin.

Beim Großen Zapfenstreich regnete es für sie

zwar nur musikalisch rote Rosen:

Doch sie verließ die Zeremonie mit einer Rose in der Hand.

Guten Abend zum nachtmagazin.

Schön, dass Sie dabei sind.

Gleich mehr zum Zapfenstreich.

Aber zuerst zu einem anderen Termin der Noch-Kanzlerin am Mittag,

ein sehr wichtiger.

Es ging um neue Corona-Regeln.

Bund und Länder berieten:

Wie kriegt man die Zahlen runter,

entlastet Intensivstationen und verhindert noch mehr Todesfälle?

Herausgekommen sind vor allem Einschränkungen für Ungeimpfte.

Entspanntes Weihnachtsshopping wird es für Ungeimpfte nicht geben.

Die verschärften Maßnahmen bedeuten quasi

einen Lockdown für alle Piks-Verweigerer.

Ein Schritt, der nötig war – aus Sicht der Kanzlerin.

Sie sehen an den Beschlüssen, dass wir verstanden haben,

dass die Lage sehr ernst ist.

Dass wir durch Maßnahmen zusätzlich zu den getroffenen

im Infektionsschutzgesetz noch einmal handeln wollen.

Das sind die neuen Maßnahmen:

2G im öffentlichen Leben.

Im Einzelhandel gilt dann:

Nur Geimpfte und Genesene haben Zutritt.

Ausnahmen bleiben Geschäfte des täglichen Bedarfs –

wie Supermärkte, Apotheken und Drogerien.

Für Ungeimpfte wird es Kontaktbeschränkungen geben:

Ein Haushalt darf sich mit maximal zwei Personen

eines anderen Haushalts treffen.

In Schulen gilt für alle Klassenstufen eine Maskenpflicht.

Veranstaltungsorte dürfen nur bis zu 50 % ausgelastet sein:

Draußen, wie im Stadion,

soll die Obergrenze bei 15.000 Besuchern liegen.

Drinnen dürfen es maximal 5000 sein.

Auf bundesweite Geisterspiele

konnten sich Bund und Länder nicht einigen.

Für Söder ein Wehmutstropfen.

Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg haben gesagt:

Keine Zuschauer in den Stadien.

Warum?

Fußball ist eine überregionale Großveranstaltung,

Fans bewegen sich durch ganz Deutschland.

Aus Gebieten mit niedriger in Gebiete mit hoher Inzidenz.

Wir bleiben dabei:

Wir halten Geisterspiele für sinnvoll,

wir setzen das im bayerischen Kabinett um.

Dann wird es Geisterspiele in Bayern ab dem Wochenende geben.

Auch das Verkaufsverbot von Feuerwerkskörpern

soll wie im letzten Jahr verhindern, dass zu viele zusammenkommen.

Ein weiterer Teil der verschärften Maßnahmen:

Die Impfoffensive -

30 Mio. Impfungen sollen bis Jahresende verteilt werden.

Es müssen sich die durchringen, sich impfen zu lassen,

die es nicht gemacht haben.

Das ist mein Appell,

dass wir alle überzeugen, den Schritt jetzt zu gehen.

Es hat eine Konsequenz, dass viele ungeimpft sind.

Das muss sich ändern.

Zur Impfpflicht wird der Ethikrat

bis Ende des Jahres eine Empfehlung aussprechen.

Erst dann will der Bundestag darüber abstimmen.

Ab Februar 2022 könnte sie kommen.

Die Beschlüsse bedeuten:

Jetzt sollen schnell viele Menschen geimpft werden.

Aktuell gibt es dabei Probleme:

Manche Impfwillige bekommen keinen oder einen späten Termin.

Manche müssen stundenlang in der Warteschlange stehen,

manche werden sogar wieder nach Hause geschickt.

Vielleicht wäre die Lage eine andere,

wenn die Stiko das Boostern für alle schon früher empfohlen hätte.

Nicht erst vor zwei Wochen.

Ihr Chef Mertens räumte Fehler ein.

Einen Kilometer anstehen für die Booster-Impfung.

Plötzlich ist wieder Impf-Chaos.

Alle müssen jetzt schnell ran,

nachdem monatelang fast nichts passierte.

Wie alt sind Sie?

Zwei ...

Einundachtzig.

81? Ja.

Haben Sie Ihren Hausarzt nicht gefragt?

Er kriegt den Termin erst zum 15. Januar - zu spät.

Es gibt keinen früheren Termin, Auffrischung ist wichtig.

Das ist das nackte Chaos.

Wir wussten lange, dass wir geboostert werden müssen.

Unverschämtheit!

Warum ging das Boostern so spät los?

Die Politik wartete wieder auf die Ständige Impfkommission -

kurz Stiko.

Die arbeitet gründlich aber langsam.

Ronni Gamzu leitete die erfolgreiche Impfkampagne in Israel,

mit der Stiko kooperiert.

Er sagt, die sei völlig überfordert.

Was ist die Verantwortung solcher Gremien?

Die Stiko ist kein Gremium, um eine Pandemie zu bekämpfen.

Sie soll Empfehlungen zu Impfungen zu geben -

aber in ruhigen Zeiten.

Kann man in diesem Krieg gegen die Pandemie von der Stiko erwarten,

dass sie an der Front steht?

Das ist nicht ihre Aufgabe.

Israel fing im Juli an zu boostern,

im August/September starteten Großbritannien und die USA.

Die Stiko wartete aber ab - bis Oktober.

Bisher hatte der Stiko-Vorsitzende, Thomas Mertens,

die Entscheidung verteidigt.

Doch jetzt räumt er Fehler ein.

Sind die Zahlen und Todesfälle unter den Betagten

eine Folge davon, dass wir so spät angefangen haben?

* Atmet durch *

Aus heutiger Sicht wäre es wahrscheinlich günstiger gewesen,

früher mit dem Boostern anzufangen.

Fakt ist:

Die Politik hat die Stiko immer alleingelassen.

Eine folgenreiche Fehlentscheidung.

Etwa 4,6 Mio. Menschen

fehlt in Deutschland die Booster-Impfung.

Ihr Impfschutz hat bereits nachgelassen.

Angela Merkel wird die Corona- Politik als Bürgerin verfolgen,

mitentscheiden nicht mehr.

In einer Woche ist die Ära Merkel zu Ende:

Am Mittwoch soll Olaf Scholz zu ihrem Nachfolger gewählt werden.

16 Jahre lang war sie im Amt,

eine ganze Generation kennt nur sie als Kanzlerin.

Für sie eine Zäsur, so wie für Menschen in meinem Alter,

als Helmut Kohl nach 16 Jahren kein Kanzler mehr war.

Kohl hatte sich für seinen Großen Zapfenstreich

die Ode an die Freude gewünscht, Merkel heute einen DDR-Schlager.

Fast hätte die Kanzlerin hier mitgesungen.

Ihr Wunschlied Nummer eins.

Ein DDR-Schlager aus den Siebzigern.

♪ (Melodie) Du hast den Farbfilm vergessen ♪

Zum Vergleich das Original.

♪ Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael ♪

Nina Hagen hat sich damit die Tristesse der DDR vom Leib gesungen.

Das Musikkorps der Bundeswehr hatte mit diesem Song gut zu tun.

Die Noten dafür mussten sie sich erst organisieren.

Die Botschaft der Kanzlerin:

Nie die Freude verlieren, wie beengt auch immer die Welt sein mag.

So habe ich es immer gehalten.

In meinem Leben in der DDR und erst recht

unter den Bedingungen der Freiheit.

Das wünsche ich uns und unserem Land für die Zukunft.

Wissenschaft und Politik: Das war die Musik ihres Lebens.

Sie geht nach 16 Jahren.

Pathos ist nicht Merkels Welt, rote Rosen dagegen schon.

♪ Für mich soll's rote Rosen regnen ♪

Die Knef - Merkels Wunschlied Nummer zwei.

Welche Wunder ihr noch begegnen werden?

Sie gibt ihren Nachfolgern einen Wunsch mit.

Die Pandemie habe gezeigt, wie verletzlich Politik ist.

Unsere Demokratie lebt davon, dass überall, wo Hass und Gewalt

als Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen erachtet werden,

unsere Toleranz als Demokraten seine Grenze finden muss.

Man müsse immer versuchen, die Sichtweise des anderen zu verstehen.

Das hat sie als Tochter eines Pfarrers geprägt.

Ihr letzter Musikwunsch -

ein Kirchenlied: Großer Gott, wir loben dich.

Mit Demut und Dankbarkeit, so sagt sie selbst,

verabschiedet sich Angela Merkel, doch ein bisschen gerührt.

Das Ende einer Ära, begleitet vom Farbfilm-Lied.

Sie hat es sich gewünscht,

weil es ein Highlight ihrer Jugend in der DDR war, sagte Merkel heute.

Im Text heißt es:

"Du hast den Farbfilm vergessen, nun glaubt uns kein Mensch,

wie schön's hier war."

Nun mag Michael den Farbfilm vergessen haben,

aber wir haben mehr als genug Farbfilme und -fotos.

Die zeigen Merkels Regierungszeit.

Wie schön und wohl deutlich häufiger schwierig die Kanzlerschaft war.

Die Physikerin musste in ihre Aufgaben erst hineinwachsen.

Ich wurde wahrlich nicht als Kanzlerin geboren

und nicht als Parteivorsitzende.

Die Zeit fließt zäh in der Akademie der Wissenschaften.

Ostberlin, 80er.

Physikerin Angela Merkel berechnet quantenchemische Zerfallsreaktionen.

Draußen zerfällt die DDR.

Der Mauerfall katapultiert die Unpolitische raus aus der Nische,

rein in die Politik.

Aufstieg einer Unwahrscheinlichen.

1991 ist Angela Merkel Ministerin.

Für "Gedöns", für Frauen.

Wie geht's?

Die ersten Schritte: tapsig, unbeholfen.

Machen Sie mal 'ne Veranstaltung.

Dann geht's schnell.

Kohls Mädchen bleibt sie nicht lange.

Befreit sich aus erdrückender Umarmung.

Frau aus dem Osten, undogmatisch, kein Stallgeruch, keine Perlenkette –

sie ist anders und nicht aus dem Fleische der Union.

Sie sind die Partei.

Mächtige Ministerpräsidenten, Männer im dunkeln Zwirn.

Mit Korpsgeist.

Sie stecken die Köpfe zusammen, tuscheln, lästern über sie.

Und das Girlscamp.

Merkel und ihre Vertrauten.

Muss man nicht ernst nehmen, oder?

Wer Angela Merkel unterschätzt, hat schon verloren.

Wenn ich als Regisseur besetzen müsste, als Kanzler:

Stimmt es, dass sie mir als Letzte einfiele.

Aber das gefällt mir.

Frau Dr. Merkel:

Sie sind die erste demokratisch gewählte Regierungschefin.

16 Jahre später - Zeit nachzufragen.

Bei Volker Schlöndorff, dem Regisseur.

Man traf sich in der Babelsberger Villa, diskutierte.

Er beobachtet, mit dem Profiblick für Hauptdarsteller und Wirkung.

Schlöndorff staunt.

Das hätte niemand vorhersagen können,

dass sie sich so beweist, in dieser Rolle.

Sie hat den Deutschen so wichtige Stabilität und Kontinuität gegeben.

Sie ließ das ganze Parteienbild explodieren.

Auch mit einem Satz, der bleiben wird:

Wir schaffen das.

Viele fühlen sich überfordert.

Zehntausende drängen ins Land.

Das habe die AfD groß gemacht, halten Kritiker Merkel vor.

Andere wollen genau so ein Deutschland.

Sie ist sonst nicht eine große Rednerin.

Das sind starke Sätze gewesen.

Die haben genau das auf den Punkt gebracht, worum es ging.

Das "Wir schaffen das" hätten Sie ihr ins Drehbuch geschrieben?

Ich wollte, ich hätte das schreiben können.

Horst Seehofer hätte das nie lesen wollen.

Er und seine CSU – schwierige Partner.

Auf dem Parteitag führt er sie vor. Öffentlich. 13 lange Minuten.

Sie erträgt die Demütigung.

Sie weiß, sie ist die Stärkere.

Sie wird ihn nicht mehr darauf ansprechen.

Es scheint, dass auch sie das nicht so hochgehängt hat,

wie das immer wieder bei euch der Fall ist.

Aber ich versteh das,

wenn ich Journalist wäre und hätte solche Bilder.

Das würde ich jede Woche senden.

16 Jahre Mächtige unter Mächtigen.

Sie mag die Queen.

Erduldet Vierbeiner und rüde Herrchen,

lächelt Pflegelhaftes weg.

Aus Respekt wird Freundschaft auf Augenhöhe.

Ihr Stil – unprätentiös, sattelfest im Detail, auf Kompromiss geeicht,

Krise ist ihre Disziplin, manch einer vermisst die Vision.

Trotzdem – Verehrer finden sich vielerorts.

Wie kann man Digne wirklich verändern?

Selbst, wenn sie manche nicht verstehen,

die Öffentlichkeit nicht versteht?

Weil der Teufel im Detail liegt,

weil man genau an dieser Stellschraube geändert hat.

Das ist, was viele große Veränderungen herbeigebracht hat.

Das ist die Leitlinie für meine politische Arbeit.

Sie hat viel für Respekt und für die Gleichstellung von Frauen erreicht.

Ja, die 16 Jahre haben viel verändert.

Übrigens zum Positiven.

In der letzten Kabinettssitzung macht ein dürres Bäumchen Karriere.

Ein Geschenk für die scheidende Kanzlerin.

Es trägt den schönen Namen – Carpe Diem.

Genieße den Tag, übersetzen Lustmenschen –

Angela Merkel würde wohl sagen: Nutze den Tag.

Auch dieser Mann zieht sich aus der Politik zurück,

aber unter ganz anderen Umständen.

Österreichs einstiger Kanzler Kurz

war lange die Galionsfigur der Konservativen.

Manch CDUler wünschte sich auch in Deutschland einen so,

wie Sie es sahen, charismatischen Politiker statt Merkel.

Aber so schnell Kurz aufgestiegen war,

so schnell und so tief ist er gefallen.

Rücktritt als Kanzler vor zwei Monaten,

weil die Korruptionsermittler hinter ihm her sind.

Nun der komplette Rückzug aus der Politik.

Abschied als Politiker.

Am Mittag verkündet Kurz seinen Rückzug von allen politischen Ämtern.

Als Motiv nennt er private Gründe.

Insbesondere bei der Geburt des eigenen Kindes

ist mir bewusst geworden:

Es gibt viel Schönes und Wichtiges außerhalb der Politik.

Kurz' Karriere war beispiellos.

Mit 24 Staatssekretär.

Bald darauf Außenminister.

Als 31-Jähriger Parteichef und jüngster Kanzler Österreichs.

Den Grund für den Rückzug

sehen Beobachter vor allem in den Korruptionsermittlungen.

Er betont seine Unschuld.

Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher.

Es dürfte zu einer größeren Regierungsumbildung kommen.

Der bisherige Kanzler Schallenberg stellt sein Amt zur Verfügung

und soll wieder Außenminister werden.

Innenminister Nehammer wird Parteichef der ÖVP und Bundeskanzler.

Laut Experten will so die ÖVP ihre Macht sichern:

Natürlich versucht man sich da, zu konsolidieren.

Mit einem weiterhin harten sicherheitspolitischen Kurs.

Aber man hat diesen dramatischen Rückgang in den Umfragen zu stoppen.

Morgen trifft sich die ÖVP-Spitze.

Dann könnte die Regierungsumbildung beginnen.

An den Frisuren und den Trikots erkennt man es:

Dieses Foto ist aus den 90er Jahren,

und es zeigt den letzten Erfolg für die deutschen Handball-Frauen:

1993 wurden sie Weltmeisterinnen.

Sehr lange her, damals eine große Überraschung.

Ähnlich überraschend wäre es,

wenn die Frauen dieses Kunststück wiederholen könnten.

Bei der Weltmeisterschaft in Spanien.

Das Team gehört nicht zur Weltspitze und so nicht zu den Favoriten,

aber zumindest ist ein guter Anfang gemacht, gegen Tschechien.

Ein überzeugender Auftritt zum Start ins WM-Turnier!

Bereits früh übernahm man die Kontrolle

und führte nach 13 Minuten mit drei Toren.

Bis zur Halbzeit wuchs der Vorsprung weiter an, auf 17:10.

Die Stimmung war also gut.

Im zweiten Abschnitt blieb die deutsche Mannschaft

weiter hoch konzentriert.

Sie konnte den Vorsprung auf zwölf Treffer ausbauen,

ehe sie es in den letzten 20 Minuten ruhiger angehen ließ.

Ein 6:1-Tore-Lauf der Tschechinnen

ließ den Vorsprung auf sieben Tore schrumpfen.

Aber spannend wurde es nicht mehr.

So siegt Deutschland souverän mit 31:21.

Gucken wir noch aufs Wetter:

Winterlich kalt ist es.

Sonne bekommen nur wenige Glückliche ab.

Hier die Vorhersage.

Heute Nacht von der Mitte bis in den Osten Glättegefahr

durch überfrierende Nässe.

An den Alpen schneit es noch länger, im Norden ein paar Schauer.

Am Tag im Südosten öfter Sonne.

Sonst dichte Wolken und von der Nordsee her Schneeregen und Regen.

Das war das nachtmagazin für heute.

Die tagesschau bleibt hellwach und Ralph Baudach

versorgt Sie in gegen 2.25 Uhr mit den neuesten Infos.

Gute Nacht.

Copyright Untertitel: NDR 2021


nachtmagazin 03.12.2021, 00:35 Uhr - Die Rolle der STIKO im Zusammenhang mit der Booster-Impfkampagne, Großer Zapfenstre

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit dem nachtmagazin.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitel (03.12.2022)

♪ Für mich soll's rote Rosen regnen ♪

Abschied für Angela Merkel am Abend in Berlin.

Beim Großen Zapfenstreich regnete es für sie

zwar nur musikalisch rote Rosen:

Doch sie verließ die Zeremonie mit einer Rose in der Hand.

Guten Abend zum nachtmagazin.

Schön, dass Sie dabei sind.

Gleich mehr zum Zapfenstreich.

Aber zuerst zu einem anderen Termin der Noch-Kanzlerin am Mittag,

ein sehr wichtiger.

Es ging um neue Corona-Regeln.

Bund und Länder berieten:

Wie kriegt man die Zahlen runter,

entlastet Intensivstationen und verhindert noch mehr Todesfälle?

Herausgekommen sind vor allem Einschränkungen für Ungeimpfte.

Entspanntes Weihnachtsshopping wird es für Ungeimpfte nicht geben.

Die verschärften Maßnahmen bedeuten quasi

einen Lockdown für alle Piks-Verweigerer.

Ein Schritt, der nötig war – aus Sicht der Kanzlerin.

Sie sehen an den Beschlüssen, dass wir verstanden haben,

dass die Lage sehr ernst ist.

Dass wir durch Maßnahmen zusätzlich zu den getroffenen

im Infektionsschutzgesetz noch einmal handeln wollen.

Das sind die neuen Maßnahmen:

2G im öffentlichen Leben.

Im Einzelhandel gilt dann:

Nur Geimpfte und Genesene haben Zutritt.

Ausnahmen bleiben Geschäfte des täglichen Bedarfs –

wie Supermärkte, Apotheken und Drogerien.

Für Ungeimpfte wird es Kontaktbeschränkungen geben:

Ein Haushalt darf sich mit maximal zwei Personen

eines anderen Haushalts treffen.

In Schulen gilt für alle Klassenstufen eine Maskenpflicht.

Veranstaltungsorte dürfen nur bis zu 50 % ausgelastet sein:

Draußen, wie im Stadion,

soll die Obergrenze bei 15.000 Besuchern liegen.

Drinnen dürfen es maximal 5000 sein.

Auf bundesweite Geisterspiele

konnten sich Bund und Länder nicht einigen.

Für Söder ein Wehmutstropfen.

Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg haben gesagt:

Keine Zuschauer in den Stadien.

Warum?

Fußball ist eine überregionale Großveranstaltung,

Fans bewegen sich durch ganz Deutschland.

Aus Gebieten mit niedriger in Gebiete mit hoher Inzidenz.

Wir bleiben dabei:

Wir halten Geisterspiele für sinnvoll,

wir setzen das im bayerischen Kabinett um.

Dann wird es Geisterspiele in Bayern ab dem Wochenende geben.

Auch das Verkaufsverbot von Feuerwerkskörpern

soll wie im letzten Jahr verhindern, dass zu viele zusammenkommen.

Ein weiterer Teil der verschärften Maßnahmen:

Die Impfoffensive -

30 Mio. Impfungen sollen bis Jahresende verteilt werden.

Es müssen sich die durchringen, sich impfen zu lassen,

die es nicht gemacht haben.

Das ist mein Appell,

dass wir alle überzeugen, den Schritt jetzt zu gehen.

Es hat eine Konsequenz, dass viele ungeimpft sind.

Das muss sich ändern.

Zur Impfpflicht wird der Ethikrat

bis Ende des Jahres eine Empfehlung aussprechen.

Erst dann will der Bundestag darüber abstimmen.

Ab Februar 2022 könnte sie kommen.

Die Beschlüsse bedeuten:

Jetzt sollen schnell viele Menschen geimpft werden.

Aktuell gibt es dabei Probleme:

Manche Impfwillige bekommen keinen oder einen späten Termin.

Manche müssen stundenlang in der Warteschlange stehen,

manche werden sogar wieder nach Hause geschickt.

Vielleicht wäre die Lage eine andere,

wenn die Stiko das Boostern für alle schon früher empfohlen hätte.

Nicht erst vor zwei Wochen.

Ihr Chef Mertens räumte Fehler ein.

Einen Kilometer anstehen für die Booster-Impfung.

Plötzlich ist wieder Impf-Chaos.

Alle müssen jetzt schnell ran,

nachdem monatelang fast nichts passierte.

Wie alt sind Sie?

Zwei ...

Einundachtzig.

81? Ja.

Haben Sie Ihren Hausarzt nicht gefragt?

Er kriegt den Termin erst zum 15. Januar - zu spät.

Es gibt keinen früheren Termin, Auffrischung ist wichtig.

Das ist das nackte Chaos.

Wir wussten lange, dass wir geboostert werden müssen.

Unverschämtheit!

Warum ging das Boostern so spät los?

Die Politik wartete wieder auf die Ständige Impfkommission -

kurz Stiko.

Die arbeitet gründlich aber langsam.

Ronni Gamzu leitete die erfolgreiche Impfkampagne in Israel,

mit der Stiko kooperiert.

Er sagt, die sei völlig überfordert.

Was ist die Verantwortung solcher Gremien?

Die Stiko ist kein Gremium, um eine Pandemie zu bekämpfen.

Sie soll Empfehlungen zu Impfungen zu geben -

aber in ruhigen Zeiten.

Kann man in diesem Krieg gegen die Pandemie von der Stiko erwarten,

dass sie an der Front steht?

Das ist nicht ihre Aufgabe.

Israel fing im Juli an zu boostern,

im August/September starteten Großbritannien und die USA.

Die Stiko wartete aber ab - bis Oktober.

Bisher hatte der Stiko-Vorsitzende, Thomas Mertens,

die Entscheidung verteidigt.

Doch jetzt räumt er Fehler ein.

Sind die Zahlen und Todesfälle unter den Betagten

eine Folge davon, dass wir so spät angefangen haben?

* Atmet durch *

Aus heutiger Sicht wäre es wahrscheinlich günstiger gewesen,

früher mit dem Boostern anzufangen.

Fakt ist:

Die Politik hat die Stiko immer alleingelassen.

Eine folgenreiche Fehlentscheidung.

Etwa 4,6 Mio. Menschen

fehlt in Deutschland die Booster-Impfung.

Ihr Impfschutz hat bereits nachgelassen.

Angela Merkel wird die Corona- Politik als Bürgerin verfolgen,

mitentscheiden nicht mehr.

In einer Woche ist die Ära Merkel zu Ende:

Am Mittwoch soll Olaf Scholz zu ihrem Nachfolger gewählt werden.

16 Jahre lang war sie im Amt,

eine ganze Generation kennt nur sie als Kanzlerin.

Für sie eine Zäsur, so wie für Menschen in meinem Alter,

als Helmut Kohl nach 16 Jahren kein Kanzler mehr war.

Kohl hatte sich für seinen Großen Zapfenstreich

die Ode an die Freude gewünscht, Merkel heute einen DDR-Schlager.

Fast hätte die Kanzlerin hier mitgesungen.

Ihr Wunschlied Nummer eins.

Ein DDR-Schlager aus den Siebzigern.

♪ (Melodie) Du hast den Farbfilm vergessen ♪

Zum Vergleich das Original.

♪ Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael ♪

Nina Hagen hat sich damit die Tristesse der DDR vom Leib gesungen.

Das Musikkorps der Bundeswehr hatte mit diesem Song gut zu tun.

Die Noten dafür mussten sie sich erst organisieren.

Die Botschaft der Kanzlerin:

Nie die Freude verlieren, wie beengt auch immer die Welt sein mag.

So habe ich es immer gehalten.

In meinem Leben in der DDR und erst recht

unter den Bedingungen der Freiheit.

Das wünsche ich uns und unserem Land für die Zukunft.

Wissenschaft und Politik: Das war die Musik ihres Lebens.

Sie geht nach 16 Jahren.

Pathos ist nicht Merkels Welt, rote Rosen dagegen schon.

♪ Für mich soll's rote Rosen regnen ♪

Die Knef - Merkels Wunschlied Nummer zwei.

Welche Wunder ihr noch begegnen werden?

Sie gibt ihren Nachfolgern einen Wunsch mit.

Die Pandemie habe gezeigt, wie verletzlich Politik ist.

Unsere Demokratie lebt davon, dass überall, wo Hass und Gewalt

als Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen erachtet werden,

unsere Toleranz als Demokraten seine Grenze finden muss.

Man müsse immer versuchen, die Sichtweise des anderen zu verstehen.

Das hat sie als Tochter eines Pfarrers geprägt.

Ihr letzter Musikwunsch -

ein Kirchenlied: Großer Gott, wir loben dich.

Mit Demut und Dankbarkeit, so sagt sie selbst,

verabschiedet sich Angela Merkel, doch ein bisschen gerührt.

Das Ende einer Ära, begleitet vom Farbfilm-Lied.

Sie hat es sich gewünscht,

weil es ein Highlight ihrer Jugend in der DDR war, sagte Merkel heute.

Im Text heißt es:

"Du hast den Farbfilm vergessen, nun glaubt uns kein Mensch,

wie schön's hier war."

Nun mag Michael den Farbfilm vergessen haben,

aber wir haben mehr als genug Farbfilme und -fotos.

Die zeigen Merkels Regierungszeit.

Wie schön und wohl deutlich häufiger schwierig die Kanzlerschaft war.

Die Physikerin musste in ihre Aufgaben erst hineinwachsen.

Ich wurde wahrlich nicht als Kanzlerin geboren

und nicht als Parteivorsitzende.

Die Zeit fließt zäh in der Akademie der Wissenschaften.

Ostberlin, 80er.

Physikerin Angela Merkel berechnet quantenchemische Zerfallsreaktionen.

Draußen zerfällt die DDR.

Der Mauerfall katapultiert die Unpolitische raus aus der Nische,

rein in die Politik.

Aufstieg einer Unwahrscheinlichen.

1991 ist Angela Merkel Ministerin.

Für "Gedöns", für Frauen.

Wie geht's?

Die ersten Schritte: tapsig, unbeholfen.

Machen Sie mal 'ne Veranstaltung.

Dann geht's schnell.

Kohls Mädchen bleibt sie nicht lange.

Befreit sich aus erdrückender Umarmung.

Frau aus dem Osten, undogmatisch, kein Stallgeruch, keine Perlenkette –

sie ist anders und nicht aus dem Fleische der Union.

Sie sind die Partei.

Mächtige Ministerpräsidenten, Männer im dunkeln Zwirn.

Mit Korpsgeist.

Sie stecken die Köpfe zusammen, tuscheln, lästern über sie.

Und das Girlscamp.

Merkel und ihre Vertrauten.

Muss man nicht ernst nehmen, oder?

Wer Angela Merkel unterschätzt, hat schon verloren.

Wenn ich als Regisseur besetzen müsste, als Kanzler:

Stimmt es, dass sie mir als Letzte einfiele.

Aber das gefällt mir.

Frau Dr. Merkel:

Sie sind die erste demokratisch gewählte Regierungschefin.

16 Jahre später - Zeit nachzufragen.

Bei Volker Schlöndorff, dem Regisseur.

Man traf sich in der Babelsberger Villa, diskutierte.

Er beobachtet, mit dem Profiblick für Hauptdarsteller und Wirkung.

Schlöndorff staunt.

Das hätte niemand vorhersagen können,

dass sie sich so beweist, in dieser Rolle.

Sie hat den Deutschen so wichtige Stabilität und Kontinuität gegeben.

Sie ließ das ganze Parteienbild explodieren.

Auch mit einem Satz, der bleiben wird:

Wir schaffen das.

Viele fühlen sich überfordert.

Zehntausende drängen ins Land.

Das habe die AfD groß gemacht, halten Kritiker Merkel vor.

Andere wollen genau so ein Deutschland.

Sie ist sonst nicht eine große Rednerin.

Das sind starke Sätze gewesen.

Die haben genau das auf den Punkt gebracht, worum es ging.

Das "Wir schaffen das" hätten Sie ihr ins Drehbuch geschrieben?

Ich wollte, ich hätte das schreiben können.

Horst Seehofer hätte das nie lesen wollen.

Er und seine CSU – schwierige Partner.

Auf dem Parteitag führt er sie vor. Öffentlich. 13 lange Minuten.

Sie erträgt die Demütigung.

Sie weiß, sie ist die Stärkere.

Sie wird ihn nicht mehr darauf ansprechen.

Es scheint, dass auch sie das nicht so hochgehängt hat,

wie das immer wieder bei euch der Fall ist.

Aber ich versteh das,

wenn ich Journalist wäre und hätte solche Bilder.

Das würde ich jede Woche senden.

16 Jahre Mächtige unter Mächtigen.

Sie mag die Queen.

Erduldet Vierbeiner und rüde Herrchen,

lächelt Pflegelhaftes weg.

Aus Respekt wird Freundschaft auf Augenhöhe.

Ihr Stil – unprätentiös, sattelfest im Detail, auf Kompromiss geeicht,

Krise ist ihre Disziplin, manch einer vermisst die Vision.

Trotzdem – Verehrer finden sich vielerorts.

Wie kann man Digne wirklich verändern?

Selbst, wenn sie manche nicht verstehen,

die Öffentlichkeit nicht versteht?

Weil der Teufel im Detail liegt,

weil man genau an dieser Stellschraube geändert hat.

Das ist, was viele große Veränderungen herbeigebracht hat.

Das ist die Leitlinie für meine politische Arbeit.

Sie hat viel für Respekt und für die Gleichstellung von Frauen erreicht.

Ja, die 16 Jahre haben viel verändert.

Übrigens zum Positiven.

In der letzten Kabinettssitzung macht ein dürres Bäumchen Karriere.

Ein Geschenk für die scheidende Kanzlerin.

Es trägt den schönen Namen – Carpe Diem.

Genieße den Tag, übersetzen Lustmenschen –

Angela Merkel würde wohl sagen: Nutze den Tag.

Auch dieser Mann zieht sich aus der Politik zurück,

aber unter ganz anderen Umständen.

Österreichs einstiger Kanzler Kurz

war lange die Galionsfigur der Konservativen.

Manch CDUler wünschte sich auch in Deutschland einen so,

wie Sie es sahen, charismatischen Politiker statt Merkel.

Aber so schnell Kurz aufgestiegen war,

so schnell und so tief ist er gefallen.

Rücktritt als Kanzler vor zwei Monaten,

weil die Korruptionsermittler hinter ihm her sind.

Nun der komplette Rückzug aus der Politik.

Abschied als Politiker.

Am Mittag verkündet Kurz seinen Rückzug von allen politischen Ämtern.

Als Motiv nennt er private Gründe.

Insbesondere bei der Geburt des eigenen Kindes

ist mir bewusst geworden:

Es gibt viel Schönes und Wichtiges außerhalb der Politik.

Kurz' Karriere war beispiellos.

Mit 24 Staatssekretär.

Bald darauf Außenminister.

Als 31-Jähriger Parteichef und jüngster Kanzler Österreichs.

Den Grund für den Rückzug

sehen Beobachter vor allem in den Korruptionsermittlungen.

Er betont seine Unschuld.

Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher.

Es dürfte zu einer größeren Regierungsumbildung kommen.

Der bisherige Kanzler Schallenberg stellt sein Amt zur Verfügung

und soll wieder Außenminister werden.

Innenminister Nehammer wird Parteichef der ÖVP und Bundeskanzler.

Laut Experten will so die ÖVP ihre Macht sichern:

Natürlich versucht man sich da, zu konsolidieren.

Mit einem weiterhin harten sicherheitspolitischen Kurs.

Aber man hat diesen dramatischen Rückgang in den Umfragen zu stoppen.

Morgen trifft sich die ÖVP-Spitze.

Dann könnte die Regierungsumbildung beginnen.

An den Frisuren und den Trikots erkennt man es:

Dieses Foto ist aus den 90er Jahren,

und es zeigt den letzten Erfolg für die deutschen Handball-Frauen:

1993 wurden sie Weltmeisterinnen.

Sehr lange her, damals eine große Überraschung.

Ähnlich überraschend wäre es,

wenn die Frauen dieses Kunststück wiederholen könnten.

Bei der Weltmeisterschaft in Spanien.

Das Team gehört nicht zur Weltspitze und so nicht zu den Favoriten,

aber zumindest ist ein guter Anfang gemacht, gegen Tschechien.

Ein überzeugender Auftritt zum Start ins WM-Turnier!

Bereits früh übernahm man die Kontrolle

und führte nach 13 Minuten mit drei Toren.

Bis zur Halbzeit wuchs der Vorsprung weiter an, auf 17:10.

Die Stimmung war also gut.

Im zweiten Abschnitt blieb die deutsche Mannschaft

weiter hoch konzentriert.

Sie konnte den Vorsprung auf zwölf Treffer ausbauen,

ehe sie es in den letzten 20 Minuten ruhiger angehen ließ.

Ein 6:1-Tore-Lauf der Tschechinnen

ließ den Vorsprung auf sieben Tore schrumpfen.

Aber spannend wurde es nicht mehr.

So siegt Deutschland souverän mit 31:21.

Gucken wir noch aufs Wetter:

Winterlich kalt ist es.

Sonne bekommen nur wenige Glückliche ab.

Hier die Vorhersage.

Heute Nacht von der Mitte bis in den Osten Glättegefahr

durch überfrierende Nässe.

An den Alpen schneit es noch länger, im Norden ein paar Schauer.

Am Tag im Südosten öfter Sonne.

Sonst dichte Wolken und von der Nordsee her Schneeregen und Regen.

Das war das nachtmagazin für heute.

Die tagesschau bleibt hellwach und Ralph Baudach

versorgt Sie in gegen 2.25 Uhr mit den neuesten Infos.

Gute Nacht.

Copyright Untertitel: NDR 2021