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2021 Tagesschau, tagesthemen 19.10.2021, 22:15 Uhr - Hintergründe zum Rauswurf von "Bild"-Chefredakteur Reichelt, Die Meinung, Lieferengp

tagesthemen 19.10.2021, 22:15 Uhr - Hintergründe zum Rauswurf von "Bild"-Chefredakteur Reichelt, Die Meinung, Lieferengp

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (19.10.2021)

Guten Abend.

Die Zeitung mit den dicken Lettern ist es nicht gewohnt,

in die Schlagzeilen zu geraten.

Doch genau das geschah jetzt, sogar in den USA.

Und mit solcher Wucht, dass Europas mächtigster Medienkonzern

heute auch unser Tagesthema ist.

Um diese Geschichte würde sich ein Boulevardblatt wie die Bild reißen,

ginge es nicht um den eigenen Chefredakteur.

Eine Geschichte um Sex, um Lügen, um Macht und viel Geld.

Und nicht zuletzt um den Wert einer freien Presse.

Sie bekommt heute so viele Anrufe und Nachrichten,

dass sie nicht mehr hinterherkommt: die Journalistin Juliane Löffler.

Ihre Recherchen brachten einen der mächtigsten Medienmänner Deutschlands

zu Fall: Julian Reichelt -

bis gestern der Chefredakteur der Bild.

Er habe seine Macht missbraucht und Verhältnisse mit Frauen gehabt,

die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm standen, so die Recherche.

Der Schutz der betroffenen Frauen sei bei dieser Recherche wichtig.

Es ist prinzipiell so, dass bei MeToo-Geschichten

die Angst vor den mutmaßlichen Tätern sehr groß ist.

In diesem Fall gab es eine besonders große Angst

vor Julian Reichelt als Person.

Einige der Betroffenen waren extra zu der Zeit nicht in der Stadt,

als wir Springer erstmals mit den Vorwürfen konfrontierten.

Und fast wäre ihre Recherche gar nicht in Deutschland erschienen.

Denn die Ippen-Gruppe, für die Löffler arbeitet,

stoppte die Geschichte zunächst – trotz Protest des Reporterteams.

Die Begründung des Verlegers:

Man wolle nicht den Eindruck erwecken,

dem Mitbewerber Springer wirtschaftlich schaden zu wollen.

Für die betroffenen Frauen war diese Mitteilung sehr hart.

Ich habe Personen gehabt, die sehr emotional waren am Telefon.

Warum sind wir diejenigen, die wieder nicht gehört werden?

Zuerst veröffentlichte am Sonntag die New York Times,

die parallel recherchiert hatte.

In Deutschland erschienen gestern im Spiegel die Recherchen

von Löffler.

Das Hamburger Nachrichtenmagazin hatte schon im Frühjahr

über interne Ermittlungen gegen Reichelt berichtet.

Auch damals ging es um Machtmissbrauch.

Nach zwölf Tagen Freistellung kehrte er zurück.

Es hat uns doch erstaunt, dass er so schnell wieder da war.

Auf eine andere Art dann auch nicht, weil es schon zeigt,

dass es ein Problem der Unternehmenskultur ist.

Nach den aktuellen Veröffentlichungen heißt es von Springer:

Reichelt habe sein Fehlverhalten offenbar fortgesetzt.

Reichelt selbst äußerte sich nach seiner Freistellung nicht.

Medienexperten glauben,

Springer wolle sein Geschäft in den USA nicht gefährden.

Erst heute schloss der Verlag den Kauf der Mediengruppe Politico ab.

Machtmissbrauch werde in den USA geächtet.

Es gab eine Welle nach der anderen.

So viele Männer, auch in der Medienbranche,

haben ihren Job wegen Metoo-Fällen verloren.

Und viele dieser Vorwürfe waren viel harmloser

als die gegen Julian Reichelt.

Auch Vorstandsvorsitzender Döpfner steht nun unter Druck.

Er habe Reichelt geschützt.

Der New York Times-Reporter zitiert dazu aus Döpfners

privater Kommunikation:

Reichelt sei in der Corona-Debatte "der letzte und einzige Journalist,

der noch mutig gegen den neuen DDR- Obrigkeits-Staat aufbegehre."

Laut Springer eine polemische Formulierung,

aus dem Kontext gerissen, geäußert unter Bekannten.

Der Fall um Reichelt wirft viele Fragen auf,

auf die der mächtige Springer-Verlag Antworten finden muss.

Das wollen wir vertiefen

mit dem Medienjournalisten Stefan Niggemeier.

Er hat die Arbeit bei Bild kritisch beobachtet.

Männliche Chefs fördern junge Frauen,

wenn sie mit ihnen ins Bett gehen, und glauben dann auch noch:

Das kommt nicht raus.

War es naiv, zu glauben, dass nach der MeToo-Debatte

so ein Machtmissbrauch in Führungsetagen nicht mehr vorkommt?

Das wäre naiv, das zu glauben.

Aber diese MeToo-Debatte in Deutschland

gab es noch nicht im großen Stil.

Vor einigen Monaten gab es Recherchen einiger Kolleginnen.

Sie haben viele Fälle aus deutschen Medien dokumentiert.

Sie haben alltäglichen Sexismus erlebt.

Chefs sagten, komm doch mit aufs Hotelzimmer.

Es ist ein großes Problem.

Und das wurde noch nicht diskutiert.

Die Vorwürfe gegen Julian Reichelt waren nicht neu.

Als sie erstmals auftraten, hieß es bei Springer:

Alles halb so wild, es lägen keine strafrechtlichen Vorwürfe vor.

Die gibt's jetzt auch nicht. Was ist jetzt anders?

Es gibt einen neuen Fall, was auch Springer bestätigt.

Dass Julian Reichelt nach dem Compliance-Verfahren

eine Beziehung zu einer jungen Kollegin gehabt haben soll.

Früher hat Springer gesagt,

dass es keine expliziten Regeln dagegen gab.

Als Reichelt wieder ins Amt kam, hat Döpfner gesagt,

dass er es für nicht akzeptabel hält,

wenn es innerhalb einer Hierarchie solche Beziehungen gibt.

Julian Reichelt hat sich darüber anscheinend hinweggesetzt.

Das muss inakzeptabel gewesen sein.

Spielt es keine Rolle,

dass Springer den amerikanischen Markt erobern will?

Das spielt sicher eine Rolle.

Es muss für das amerikanische Publikum schockierend gewesen sein.

Da wird ein Sittenbild gezeichnet von einem merkwürdigen Verlag

mit einer merkwürdigen Kultur.

Es spricht viel dafür, dass Döpfner jetzt handeln musste

und Reichelt opfern, um seine Position zu retten.

Welche Rolle spielt der Vorstandsvorsitzende dabei?

Er hätte auch im Frühjahr bei der Untersuchung

am liebsten schon nicht so genau hingesehen.

Er wollte Reichelt unbedingt halten.

Er ist auch einverstanden mit seinen journalistischen Praktiken.

Das ist nicht das übliche Bild-Zeitung-Repertoire.

Es ist ein besonders harter und radikaler Anti-Regierungskurs.

Er geht über nötige Kritik an der Regierung hinaus.

Es gab den Verdacht,

dass Döpfner damals Reichelt hätte entlassen müssen.

Aber er wollte ihn nicht verlieren.

Döpfner lobte Reichelt als den letzten Kämpfer

gegen einen "neuen autoritären DDR-Staat".

Warum wird Mathias Döpfner, der für alle Verleger Deutschlands spricht,

so wenig kritisiert?

Liegt das auch an der Macht der Bild-Zeitung?

Das kann man vermuten.

Es kann eine Macht von Springer sein.

Viele zögern, sich damit anzulegen.

Aber es ist umgekehrt auch praktisch,

wenn man jemanden hat mit einem so mächtigen Verlag an der Spitze.

Dann drückt man ein Auge zu.

Ein anderer mächtiger Verleger in Deutschland ist Dirk Ippen.

Er stoppte die Reichelt-Recherche seiner eigenen Leute,

angeblich um einem Konkurrenten nicht auf die Füße zu treten.

Aber üblicherweise mischt sich ein Verlag

nicht in redaktionelle Entscheidungen ein.

Ja, das sollte die Regel sein.

Es gab keine inhaltlichen oder juristischen Einwände

gegen die Geschichte.

Der Verleger sagte einfach, das können wir nicht machen.

Er hat sich wohl nicht gefragt, wie es aussieht,

wenn er die Recherche verhindert.

Ich fürchte, dass dies ein Vorgehen ist,

was besonders ungeschickt war.

Es ist deswegen an die Öffentlichkeit gekommen,

weil die Recherchierenden laut aufgeschrieben haben.

Aber in anderen Fällen mag es nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Zum Fall Reichelt und zur Rolle der Medien

hat die Leiterin des Medienmagazins Zapp Anette Leiterer diese Meinung:

Die deutsche Medienszene besitzt ein gewisses Talent zur Aufregung

und ist seit Tagen im Ausnahmezustand - zu Recht.

Es geht nicht um Häme oder Schadenfreude.

Es zeigt sich:

Macht in Medienhäusern hat sich verschoben.

Das Unternehmen Axel Springer setzte Julian Reichelt

nach dem Compliance-Verfahren wieder als Chefredakteur ein.

Grund: "Es liegen keine strafrechtlichen Handlungen vor."

Aber damit ist heute eben noch nicht Schluss.

Heute sprechen betroffene Frauen, die meinen,

dass Machtmissbrauch im eigenen Haus offenbar wenig Folgen hat

mit JournalistInnen und finden dort Gehör:

Beim Investigativ-Team von Ippen, das intensiv recherchiert hat.

Dasselbe Team hat sogar die Stärke,

öffentlich gegen den eigenen Verleger Dirk Ippen aufzubegehren.

Als der entscheidet, nicht zu drucken,

"um keinem Mitbewerber auf dem Zeitungsmarkt zu schaden".

Das hat sich das Team nicht bieten lassen.

Und auch das ist heute anders: Redaktionen arbeiten zusammen.

In diesem Fall war es der Spiegel, der ebenfalls recherchierte

und die Recherchen gesammelt veröffentlichte.

Insgesamt stärkt es die Richtigen:

Frauen, die Machtmissbrauch aufzeigen,

unabhängigen Journalismus.

Ich finde das ganz gut.

Die Meinung von Anette Leiterer.

Etwas früh, jetzt schon an Weihnachten zu denken?

Eigentlich schon zu spät.

Denn Geschenke kommen bis dahin vielleicht gar nicht mehr an.

Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist,

dass pünktlich geliefert wird - und sei es über den halben Erdball.

Mittlerweile wird es eng auf den Handelsrouten.

In Häfen weltweit stauen sich die Containerschiffe.

Und Kaufleute stehen gleich vor dem nächsten Problem.

Julia Wacket:

Martin Sinß in Hamburg geht es wie vielen Fahrradhändlern:

Die Bestellungen für Weihnachten kommen rein,

aber sie können nicht liefern, denn Ersatzteile werden rar.

Zahnkränze, Fahrradketten, Felgen: Mangelware.

Darum müssen Kunden bis zu einem Jahr auf ihre Räder warten.

Ersatzteile sind sukzessiv immer nicht lieferbar.

Wir müssen nachgucken, wenn ein Kunde etwas haben möchte,

dass wir bestellen müssen: Gibt es das?

Wir können nicht pauschal sagen, dass wir's bestellen können.

Dan Leif Harde kennt das Problem.

Der 26-Jährige ist leidenschaftlicher Gamer.

Wie viele andere wünscht er sich eine Playstation 5.

Eigentlich ist die seit November 2020 im Handel.

Aber sie ist ausverkauft, selbst auf Ebay kaum zu bekommen.

Es ist verdammt schwierig, da ranzukommen,

weil die Preise auch enorm hoch sind.

Sobald die bei Media Markt zur Verfügung ist,

dauert das keine zwei Minuten, bis sie ausverkauft ist.

Die neue Mangelwirtschaft zeigt sich bei vielen Produkten,

ausgerechnet im Vorweihnachtsgeschäft.

Die Gründe für die Lieferengpässe sind vielfältig.

Bei manchen Produkten ist die Produktion gestört.

Das beobachten wir bei Unterhaltungselektronik,

bei Spielekonsolen.

Da sind Computerchips Mangelware.

Bei anderen Produkten läuft die Produktion.

Aber da ist die Nachfrage so stark explodiert,

dass die Produktion und der Transport nicht hinterherkommt.

Beispiel Hamburger Hafen:

Hier kommen die Containerschiffe mit bis zu zehn Tagen Verspätung an.

Grund sind die Folgen der Pandemie und die Blockade des Suezkanal.

Zudem fehlt in vielen Häfen Personal, um die Ladung zu löschen.

Züge müssen im Hafen warten müssen, bis der Container da ist.

Binnenschiffe können nicht rechtzeitig abgefertigt werden.

Lkw warten, um ihren Container abzuliefern.

Die ganze logistische Wertschöpfungskette ist gestört.

Die Binnenhäfen im Land, wie der in Frankfurt,

versuchen die Zeit aufzuholen.

Aber trotz eines 24-Stundenbetriebs kommen sie nicht nach.

Das hat Folgen, auch für das Weihnachtsgeschäft:

Ich möchte keine Panik machen.

Aber ich würde drauf schauen, es etwas früher anzugehen,

weil einige Sachen nicht pünktlich in den Regalen stehen werden.

Die Lage wird sich nach Einschätzung von Experten

frühestens nächstes Jahr bessern.

Fahrradhändler Martin Sinß hofft, dass er im Frühjahr

wieder mehr Kunden den Fahrradwunsch erfüllen kann.

Dieser Mann war 14,

als er mit Molotowcocktails gegen ein autoritäres Regime kämpfte.

Heute verteidigt er im EU-Parlament eine polnische Regierung,

die immer autoritärer agiert.

Die sich immer weiter von den Werten der EU entfernt.

Wer gehofft hatte, Polens Ministerpräsident Morawiecki

würde im Streit um das Verhältnis von EU-Recht Polens Recht einlenken:

Der wurde eines Besseren belehrt.

Selten ging es in Straßburg so laut, angespannt und ungemütlich zu.

Roman Rusch über eine Debatte und polnische Richter,

die ihr Land nicht mehr wiedererkennen.

Es ist kein leichter Gang für Polens Ministerpräsident

ins EU-Parlament.

Seit Polens Verfassungsgericht das eigene Verfassungsrecht

über EU-Recht stellte, ist viele im Parlament klar:

Polens Rechtsstaat wankt.

Wer das Primat des EuGH ablehnt, die EU als Rechtsgemeinschaft,

wer die Unabhängigkeit der Justiz ablehnt:

Der tritt faktisch aus der EU als Rechtsgemeinschaft aus.

Wie schwer es Richter in Polen haben,

davon konnte man gestern eine Ahnung bekommen.

Im Pressesaal berichteten sie von ihrem Alltag:

2019 startete die Regierung eine Hexenjagd gegen die Richter,

die sich an EU-Recht halten wollten.

Dabei hat die Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofes

die Rolle einer Inquisition, die die Richter suspendiert.

Über 100 Disziplinarverfahren seien von der Kammer

gegen unabhängige Richter angezettelt worden.

Anschuldigungen, die Premier Morawiecki zurückwies.

Polen habe das Recht, seine Justiz selbst zu organisieren.

Das eigentliche Problem: Die EU überschreite Kompetenzen.

Es kann nicht sein, dass man uns Regeln aufzwingt,

ohne rechtliche Grundlage.

Ich erlaube nicht, dass Politiker Polen erpressen.

Viele Redner fordern, die Kommission müsse Polen den Geldhahn zudrehen.

Immerhin bekommt das Land

rund 12 Mrd. Euro jährlich mehr aus dem EU-Haushalt, als es einzahlt.

Schluss mit dem Appeasement gegenüber der autoritären Rechten.

Deren Politik darf nicht mit EU-Geldern finanziert werden.

Kommissionspräsidentin von der Leyen sagt, sie prüfe diese Option.

Funktioniere der Rechtsstaat nicht, sei das EU-Geld nicht sicher.

Polen müsse die Freiheit der Justiz wieder herstellen.

Dazu zählt der Abbau der Disziplinarkammer,

der Abbau des Disziplinarregimes.

Und die Wiedereinsetzung der entlassenen Richter.

Das ist die Voraussetzung.

Ich habe gehört, dass Sie das planen. Tun Sie es.

Am Ende einer harten Debatte verfestigt sich der Eindruck,

dass die EU-Kommission auf einen härteren Kurs umschwenkt.

Ob den auch die Regierungschefs mitgehen,

zeigt sich beim EU-Gipfel in zwei Tagen.

Welches Grauen sich vor mehr als 75 Jahren hier abgespielt hat,

man wird es wohl auch in diesem Prozess nur erahnen können.

Einer Sekretärin, die im KZ Stutthof bei Danzig Dienst tat,

wird Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen vorgeworfen.

Spät kommt dieser Prozess gegen die Angeklagte.

Das hat damit zu tun, dass sich erst seit einigen Jahren

auch die vor Gericht verantworten müssen,

denen keine konkrete Tat nachgewiesen werden kann.

Dass dies spät geschieht, heißt nicht, dass es zu spät wäre.

Denn das Leid der Opfer verjährt nie.

Corinna Below.

Dieses Mal soll sie nicht fliehen können.

Eine Stunde vor Prozessbeginn lässt das Gericht Irmgard F.

im Pflegeheim abholen, an den Händen elektronisch gesichert.

Nun kann die Staatsanwaltschaft

die Anklage gegen die 96-Jährige verlesen.

Beihilfe zum versuchten Mord und Beihilfe zum Mord

in mehr als 11.000 Fällen.

Ihr Anwalt kündigt an, sie werde sich dazu nicht äußern.

Aus ihrer Sicht träfe sie keine Schuld.

Er war als Sechsjähriger mit seiner Familie interniert

im Konzentrationslager Stutthof.

Josef Salomonovic ist einer der 30 Nebenkläger im Prozess.

Es ist eine Schande,

dass sie nicht mal ihre Einstellung ändern kann.

Das wäre das Minimum, was man erwarten kann.

Aber sie möchte nicht.

Sie bleibt bei ihren Überzeugungen.

Vor 80 Jahren beginnt sein Leidensweg mit der Deportation

von Prag ins Ghetto Lodz über Auschwitz nach Stutthof.

Seitdem quälen ihn Erinnerungen.

Wenn ich sage, es war schrecklich.

Alle sieben Lager waren schrecklich.

Aber Stutthof war für mich am schlimmsten,

weil dort mein Vater ermordet wurde.

Mit seiner Mutter und seinem Bruder

überlebt Josef Salomonovic das KZ Stutthof.

65.000 Jüdinnen und Juden und politisch Verfolgte

überleben das Lager nicht:

Durch die Genickschussanlage,

die lebensbedrohlichen Bedingungen oder die Gaskammer.

Irmgard F. will von alldem nichts mitbekommen haben.

Dabei arbeitete sie nachweislich von 1943 bis 1945 in der Kommandantur

als Schreibkraft - mit Blick auf den Appellplatz.

Die Nebenklage beantragte eine Besichtigung der Gedenkstätte.

Wenn Sie nach Stutthof kommen, sehen Sie, wie klein der Platz ist.

Wenn Sie das Gebäude sehen, in dem die Angeklagte gearbeitet hat,

übersehen Sie von dort im Wesentlichen das Lager.

Sie schauen auf den großen Kamin.

Man kann sich auch vorstellen, dass man das riecht,

was wir als Worte in vielen Verfahren gehört haben.

Immer kommt die Frage:

Hast du gesehen die Leute, die aufgehängt wurden?

Nein, ich hab keine aufgehängten Leute gesehen.

Meine Mutter und alle anderen haben's gesehen.

Ich hab nur den Rücken vom Vorderen gesehen.

Ich war zu klein.

Sein Anwalt wünscht sich,

dass er als Zeuge gegen Irmgard F. aussagt.

Er weiß es noch noch nicht, denn er will ihr nicht begegnen.

Doch seine Aussage könnte wichtig sein für den Ausgang

in einem der vielleicht letzten NS-Prozesse in Deutschland.

Zur deutschen Politik.

Voraussichtlich Donnerstag beginnen SPD, Grüne und FDP

ihre Koalitionsverhandlungen zur Regierungsbildung.

Erste Eckpunkte wurden vereinbart.

Die Koalitionsverhandlungen sollen in 22 Arbeitsgruppen geführt werden.

Beabsichtigt ist, strittige Themen, wie im Bereich der Finanzen,

dort zu klären.

SPD und Grünen sprachen sich dafür aus, Investitionen durch eine

in der Schuldenbremse erlaubte Finanzierung per Kredit zu erlauben.

In Berlin ist der Weg frei für die Fortsetzung von Rot-Rot-Grün.

Nach SPD und Grünen stimmte am Abend stimmte auch die Linkspartei

auf einem Sonderparteitag für Koalitionsverhandlungen.

Sie könnten am Freitag beginnen.

Nach langen Turbulenzen

hat der Flughafen Frankfurt-Hahn Insolvenz angemeldet.

Trotz jüngster Zuwächse im Fracht- und Erholung im Passiergeschäft.

Der Flughafenbetrieb soll laut Insolvenzverwalter weiterlaufen.

Näheres von Anja Kohl aus der Frankfurter Börse.

Der Flughafen Hahn machte schon vor Corona Verlust.

Zudem verringerte Ryanair die Zahl seiner Flüge dort deutlich.

Besonders heikel:

Hahn liegt im Hunsrück, einer strukturschwachen Region.

Etwa 11.000 Arbeitsplätze hängen vom Flughafen ab.

Rheinland-Pfalz hatte seinen Anteil

an den Staatskonzern HNA aus China verkauft.

Der ist seit Februar insolvent.

Zweiter Großaktionär ist mit 17,5 % das Land Hessen.

Auch kleine Flughäfen haben hohe Betriebskosten.

Man sei ohne Hilfen und ohne Kurzarbeit durch die Krise gekommen,

hieß es vor Kurzem.

Nun ist kein Geld mehr da,

und es will wohl keiner welches zuschießen.

Die Länder äußerten sich nicht.

Wohl auch, weil ab 2024 Beihilfen für EU-Flughäfen nicht erlaubt sind.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte

hat die Türkei wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt.

Das Gericht forderte von Ankara

eine Änderung des Gesetzes zum Schutz des Präsidenten vor Kritik.

Im konkreten Fall wurde 2017 ein Mann zu einem Jahr Haft verurteilt,

weil er zwei Satire-Beiträge über Präsident Erdogan gepostet hatte.

Das juristische Vorgehen des Mannes war erfolglos geblieben.

Einen Monat nach Beginn der Vulkanaktivitäten

auf La Palma ist ein Ende der Eruptionen nicht absehbar.

Schäden in Höhe von mindestens 400 Mio. Euro sind entstanden.

Etwa 7000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen.

Die ausströmenden Gase

können wegen der Witterungsbedingungen nicht abziehen.

Daher wurden die Bewohner der Ortschaft El Paso aufgefordert,

sich nicht im Freien aufzuhalten.

Es werden wieder Menschen kommen zur Frankfurter Buchmesse.

Auch hier hatte das Virus eine klaffende Leerstelle hinterlassen.

An dem wichtigsten Buchtreffen der Welt teilhaben zu können,

ist also großes Glück.

Für manche aber auch das Ergebnis einer großen Qual.

Bis sie es dorthin geschafft haben, sind viele junge Poeten und Autoren

nur reich an Hoffnung, dass ein Verlag ihr Buch verlegen wird.

Alex Jakubowski über eine junge Autorin

und die Mühsal mit dem Geschäft der Worte.

Das Manuskript auf dem Tisch, der Blick prüfend.

Julia Becker aus Hamburg arbeitet an ihrem Roman.

Seit einem Jahr hat sie ihn im Kopf, sitzt jeden Tag am Schreibtisch.

Der Text nimmt Gestalt an.

Kommendes Jahr soll er fertig sein und hoffentlich verkauft werden.

Einen Verlag finden ist immer eine Herausforderung.

Ich glaube, dass auch erfahrene Autoren,

die viel veröffentlicht haben, nicht sagen würden: kein Problem.

Man muss immer wieder mit seiner Idee überzeugen.

Die Autorin kennt sich in der Branche aus.

Sie arbeitet als Lektorin, ist Ghostwriterin,

schrieb als Auftragsarbeit einen Liebesroman in Corona-Zeiten.

Das eigene Buch aber ist etwas Besonderes.

Das Thema: der Wahn zur Selbstoptimierung –

und was er mit uns macht.

Es ist total wichtig, dass man bei sich bleibt.

Das Buch nicht für einen Verlag schreibt.

Im Zweifel würde das der Verleger spüren,

so 'n Buch möchte er nicht haben.

Viel zu viele Manuskripte, die sie nicht haben will,

bekommt die Programmchefin des S.Fischer-Verlags.

10.000 Texte im Jahr landen hier – unaufgefordert.

Sie haben keine Kontrolle darüber, was Sie geschickt kriegen.

Oft ist die Qualität unterirdisch, das muss man sagen.

Es gehört ganz viel Glück dazu.

Da kann durchaus Tolles dabei sein.

Aber dass das jemand rausfischt und erkennt und sagt:

"Das ist ein Megatext" oder "Das ist das, was ich suche!

oder es passt in die Zeit - diese Chancen sind gering.

Helfen könnte Literaturagentin Petra Hermanns.

Sie sichtet Manuskripte, begleitet Autoren, verhandelt Verträge.

Im Erfolgsfall bekommt sie Provision.

Die Agentin ist in der Branche bestens vernetzt.

Schlägt sie ein Buch vor, wissen die Verlage, es hat Qualität.

Sie hat die richtige Spürnase.

So würde ich mich sehen, Trüffelschwein und Türöffner.

Die Kontakte sind 'ne Währung, die Agenturen haben sollten,

als Vorsprung gegenüber den Autoren.

Die sitzen am Schreibtisch und kennen niemanden.

Ob Julia Becker sich einer Literaturagentin anvertraut,

hat sie noch nicht entschieden.

Noch ist sie mit dem Buch nicht weit genug.

Es muss Substanz da sein.

Ich glaube, ich kann das bald in die Hand nehmen und jemandem zeigen.

In der Hoffnung, dass ihr Roman nicht in der Schublade verschwindet -

wie die Manuskripte Tausender anderer jährlich.

Zum Schluss machen wir einen Ausflug zu jenen wunderbaren Inseln,

die vom Untergang bedroht sind: die Halligen im Wattenmeer.

Man kann sich vorstellen, wie schnell das Wasser

diese kleinen Flecken verschluckt, wenn der Meeresspiegel steigt.

Und er wird weiter steigen.

Damit sie trotzdem bleiben können,

haben die Menschen auf Langeneß eine "Klimawarft" aufgeschüttet.

Auf dem Hügel sollen ein Supermarkt, eine Krankenstation

und ein Gemeindezentrum entstehen - wenn sie sich das leisten können.

Denn das Pilotprojekt des Landes Schleswig-Holstein

frisst schon jetzt Millionen.

Das zeigt die mittendrin-Reportage von Lukas Knauer.

Hallig Langeneß – ein Kleinod im nordfriesischen Wattenmeer.

219 Menschen leben hier auf 18 Warften.

Zweimal die Woche kommt der Lieferdienst auf die Hallig

und bringt alles an Lebensmitteln, was die Bewohner brauchen.

Drei Stunden und 15 Minuten hat Andreas Borchers nun Zeit,

seine Waren auszuliefern.

Dann muss er mit der Fähre zurück ans Festland.

Familie Veith? Ja. Ja, guck mal.

Großer Aufwand für die kleine Hallig.

Seit 2013 ist der Hallig-Kaufmann dicht.

Rene und Nicole Veith machen das erste Mal Urlaub auf Langeneß

und schätzen den Lieferdienst.

Einen festen Supermarkt fänden sie trotzdem super.

Es wäre noch besser, wenn man das vor Ort hat.

Dann könnte man direkt einkaufen oder das als Beschäftigung nutzen.

Auch bei den älteren Bewohnern

ist der Wunsch groß nach einem Supermarkt um die Ecke.

Ich fänd das gut, wenn das wiederkommt,

allein für die Gäste.

Die können vormittags 'n bisschen schnacken da.

Ich fände es gut, aber das dauert ja noch.

Hier soll der neue Supermarkt gebaut werden: auf Warft Treuberg.

In den letzten zwei Jahren

wurden hier 93.000 Kubikmeter Sand aufgeschüttet.

Auf Treuberg sollen auch Dauerwohnungen, ein Gemeindezentrum

und eine Krankenstation entstehen.

Die Klimawarft ist sechs Meter hoch, zwei Meter höher als die alte,

und damit sicher vor einem Meeresspiegelanstieg.

Das ist ein ganz tolles Gefühl.

Das ist ein Stück weit Sicherheit

und ein Stück weit zukunftsträchtig für den demografischen Wandel.

Selbst wenn ich die Bebauung nicht mehr beenden kann.

Inzwischen sind Kommunalwahlen.

Aber für kommende Generationen ist es ein Bauwerk,

das für die Zukunft gedacht ist.

9 Mio. Euro hat die Warftverstärkung gekostet.

Noch mal so viel wird wohl der Bau der Gebäude verschlingen.

Jetzt müssen die Architekten ihren Entwurf überarbeiten.

Teilweise war da geplant,

eine Überdachung innerhalb der Bebauung umzusetzen.

Die Gemeindevertreter befürchteten, dass die windanfällig ist,

Beschädigungen mit sich bringt und dann kostenintensiv ist.

Stürme, Sturmfluten, Extremwetter:

Der Klimawandel begegnet uns auf Langeneß überall.

17 weitere Warften gibt es auf der Hallig.

Auch sie müssen befestigt werden.

Doch weil sie bewohnt sind,

können sie nicht einfach erhöht werden.

Hier müssen andere Lösungen her.

Virginia Karau betreibt ein Cafe auf der Ketelswarft.

Ich finde es sehr mutig vom Land Schleswig-Holstein,

so viel Geld in die Hand zu nehmen und eine ganz neue Warft zu bauen.

Der Klimawandel ist in vollem Gange,

und wer weiß, wie lange wir hier leben können.

Umso optimistischer ist das.

Optimistisch sind die Bewohner von Langeneß trotz aller Probleme.

Und so lange der neue Supermarkt noch nicht fertig ist,

steuert der Hallig-Lieferdienst Langeneß weiter an.

Fehlt noch der Wetter-Lieferdienst. Claudia, wie wird's morgen?

Ich liefere Sturm.

Den gibt es in den nächsten Tagen, vor allem am Donnerstag.

Davon ist auch die Deutsche Bucht betroffen.

Es wird eine Sturmflut geben.

Das bekommen wir dreimal.

Flut ist alle zwölf Stunden, genauso wie Ebbe.

Wir haben es eh mit Springfluten zu tun.

Die drei Fluten, am Donnerstag und am Freitag zwei,

werden höher sein als normal.

Windig wird es dazu und stürmisch an der Küste.

Das gilt für weite Teile Deutschlands.

Den heftigsten Wind haben wir von NRW bis Sachsen.

Dort gibt es schwere Sturmböen teilweise.

Am heftigsten wird es auf den Bergen.

Das sind Orkanböen.

Donnerstag ist der heftigste Sturm.

Morgen und am Freitag wird es schon sehr windig.

In der Nacht im Süden ruhig und locker bewölkt.

Aus dem Nordwesten kommen dichtere Wolken.

Die bringen Schauer.

Im äußersten Nordwesten sind auch Gewitter dabei.

In Bayern bleibt es am längsten trocken.

Danach kommt kältere Luft zu uns.

Dann kommen Schauer und Gewitter.

Am Freitag starker Wind, Schauer und Gewitter.

Danke, Claudia.

Hier geht's weiter mit der Talkshow Club 1.

Hannes Ringlstetter hat Andre Rieu, Maria Höfl-Riesch, Ingolf Lück

und Rocko Schamoni zu Gast.

Ich sitz da auch, was nicht heißt, dass ich mich rüberbeame,

sondern die Sendung ist aufgezeichnet.

Live gibt's die tagesthemen morgen um 22.15 Uhr. Bis dahin.

Copyright Untertitel: NDR 2021


tagesthemen 19.10.2021, 22:15 Uhr - Hintergründe zum Rauswurf von "Bild"-Chefredakteur Reichelt, Die Meinung, Lieferengp tagesthemen 19.10.2021, 22:15 Uhr - Background on the sacking of "Bild" editor-in-chief Reichelt, Die Meinung, Lieferengp

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (19.10.2021)

Guten Abend.

Die Zeitung mit den dicken Lettern ist es nicht gewohnt,

in die Schlagzeilen zu geraten.

Doch genau das geschah jetzt, sogar in den USA.

Und mit solcher Wucht, dass Europas mächtigster Medienkonzern

heute auch unser Tagesthema ist.

Um diese Geschichte würde sich ein Boulevardblatt wie die Bild reißen,

ginge es nicht um den eigenen Chefredakteur.

Eine Geschichte um Sex, um Lügen, um Macht und viel Geld.

Und nicht zuletzt um den Wert einer freien Presse.

Sie bekommt heute so viele Anrufe und Nachrichten,

dass sie nicht mehr hinterherkommt: die Journalistin Juliane Löffler.

Ihre Recherchen brachten einen der mächtigsten Medienmänner Deutschlands

zu Fall: Julian Reichelt -

bis gestern der Chefredakteur der Bild.

Er habe seine Macht missbraucht und Verhältnisse mit Frauen gehabt,

die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm standen, so die Recherche.

Der Schutz der betroffenen Frauen sei bei dieser Recherche wichtig.

Es ist prinzipiell so, dass bei MeToo-Geschichten

die Angst vor den mutmaßlichen Tätern sehr groß ist.

In diesem Fall gab es eine besonders große Angst

vor Julian Reichelt als Person.

Einige der Betroffenen waren extra zu der Zeit nicht in der Stadt,

als wir Springer erstmals mit den Vorwürfen konfrontierten.

Und fast wäre ihre Recherche gar nicht in Deutschland erschienen.

Denn die Ippen-Gruppe, für die Löffler arbeitet,

stoppte die Geschichte zunächst – trotz Protest des Reporterteams.

Die Begründung des Verlegers:

Man wolle nicht den Eindruck erwecken,

dem Mitbewerber Springer wirtschaftlich schaden zu wollen.

Für die betroffenen Frauen war diese Mitteilung sehr hart.

Ich habe Personen gehabt, die sehr emotional waren am Telefon.

Warum sind wir diejenigen, die wieder nicht gehört werden?

Zuerst veröffentlichte am Sonntag die New York Times,

die parallel recherchiert hatte.

In Deutschland erschienen gestern im Spiegel die Recherchen

von Löffler.

Das Hamburger Nachrichtenmagazin hatte schon im Frühjahr

über interne Ermittlungen gegen Reichelt berichtet.

Auch damals ging es um Machtmissbrauch.

Nach zwölf Tagen Freistellung kehrte er zurück.

Es hat uns doch erstaunt, dass er so schnell wieder da war.

Auf eine andere Art dann auch nicht, weil es schon zeigt,

dass es ein Problem der Unternehmenskultur ist.

Nach den aktuellen Veröffentlichungen heißt es von Springer:

Reichelt habe sein Fehlverhalten offenbar fortgesetzt.

Reichelt selbst äußerte sich nach seiner Freistellung nicht.

Medienexperten glauben,

Springer wolle sein Geschäft in den USA nicht gefährden.

Erst heute schloss der Verlag den Kauf der Mediengruppe Politico ab.

Machtmissbrauch werde in den USA geächtet.

Es gab eine Welle nach der anderen.

So viele Männer, auch in der Medienbranche,

haben ihren Job wegen Metoo-Fällen verloren.

Und viele dieser Vorwürfe waren viel harmloser

als die gegen Julian Reichelt.

Auch Vorstandsvorsitzender Döpfner steht nun unter Druck.

Er habe Reichelt geschützt.

Der New York Times-Reporter zitiert dazu aus Döpfners

privater Kommunikation:

Reichelt sei in der Corona-Debatte "der letzte und einzige Journalist,

der noch mutig gegen den neuen DDR- Obrigkeits-Staat aufbegehre."

Laut Springer eine polemische Formulierung,

aus dem Kontext gerissen, geäußert unter Bekannten.

Der Fall um Reichelt wirft viele Fragen auf,

auf die der mächtige Springer-Verlag Antworten finden muss.

Das wollen wir vertiefen

mit dem Medienjournalisten Stefan Niggemeier.

Er hat die Arbeit bei Bild kritisch beobachtet.

Männliche Chefs fördern junge Frauen,

wenn sie mit ihnen ins Bett gehen, und glauben dann auch noch:

Das kommt nicht raus.

War es naiv, zu glauben, dass nach der MeToo-Debatte

so ein Machtmissbrauch in Führungsetagen nicht mehr vorkommt?

Das wäre naiv, das zu glauben.

Aber diese MeToo-Debatte in Deutschland

gab es noch nicht im großen Stil.

Vor einigen Monaten gab es Recherchen einiger Kolleginnen.

Sie haben viele Fälle aus deutschen Medien dokumentiert.

Sie haben alltäglichen Sexismus erlebt.

Chefs sagten, komm doch mit aufs Hotelzimmer.

Es ist ein großes Problem.

Und das wurde noch nicht diskutiert.

Die Vorwürfe gegen Julian Reichelt waren nicht neu.

Als sie erstmals auftraten, hieß es bei Springer:

Alles halb so wild, es lägen keine strafrechtlichen Vorwürfe vor.

Die gibt's jetzt auch nicht. Was ist jetzt anders?

Es gibt einen neuen Fall, was auch Springer bestätigt.

Dass Julian Reichelt nach dem Compliance-Verfahren

eine Beziehung zu einer jungen Kollegin gehabt haben soll.

Früher hat Springer gesagt,

dass es keine expliziten Regeln dagegen gab.

Als Reichelt wieder ins Amt kam, hat Döpfner gesagt,

dass er es für nicht akzeptabel hält,

wenn es innerhalb einer Hierarchie solche Beziehungen gibt.

Julian Reichelt hat sich darüber anscheinend hinweggesetzt.

Das muss inakzeptabel gewesen sein.

Spielt es keine Rolle,

dass Springer den amerikanischen Markt erobern will?

Das spielt sicher eine Rolle.

Es muss für das amerikanische Publikum schockierend gewesen sein.

Da wird ein Sittenbild gezeichnet von einem merkwürdigen Verlag

mit einer merkwürdigen Kultur.

Es spricht viel dafür, dass Döpfner jetzt handeln musste

und Reichelt opfern, um seine Position zu retten.

Welche Rolle spielt der Vorstandsvorsitzende dabei?

Er hätte auch im Frühjahr bei der Untersuchung

am liebsten schon nicht so genau hingesehen.

Er wollte Reichelt unbedingt halten.

Er ist auch einverstanden mit seinen journalistischen Praktiken.

Das ist nicht das übliche Bild-Zeitung-Repertoire.

Es ist ein besonders harter und radikaler Anti-Regierungskurs.

Er geht über nötige Kritik an der Regierung hinaus.

Es gab den Verdacht,

dass Döpfner damals Reichelt hätte entlassen müssen.

Aber er wollte ihn nicht verlieren.

Döpfner lobte Reichelt als den letzten Kämpfer

gegen einen "neuen autoritären DDR-Staat".

Warum wird Mathias Döpfner, der für alle Verleger Deutschlands spricht,

so wenig kritisiert?

Liegt das auch an der Macht der Bild-Zeitung?

Das kann man vermuten.

Es kann eine Macht von Springer sein.

Viele zögern, sich damit anzulegen.

Aber es ist umgekehrt auch praktisch,

wenn man jemanden hat mit einem so mächtigen Verlag an der Spitze.

Dann drückt man ein Auge zu.

Ein anderer mächtiger Verleger in Deutschland ist Dirk Ippen.

Er stoppte die Reichelt-Recherche seiner eigenen Leute,

angeblich um einem Konkurrenten nicht auf die Füße zu treten.

Aber üblicherweise mischt sich ein Verlag

nicht in redaktionelle Entscheidungen ein.

Ja, das sollte die Regel sein.

Es gab keine inhaltlichen oder juristischen Einwände

gegen die Geschichte.

Der Verleger sagte einfach, das können wir nicht machen.

Er hat sich wohl nicht gefragt, wie es aussieht,

wenn er die Recherche verhindert.

Ich fürchte, dass dies ein Vorgehen ist,

was besonders ungeschickt war.

Es ist deswegen an die Öffentlichkeit gekommen,

weil die Recherchierenden laut aufgeschrieben haben.

Aber in anderen Fällen mag es nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Zum Fall Reichelt und zur Rolle der Medien

hat die Leiterin des Medienmagazins Zapp Anette Leiterer diese Meinung:

Die deutsche Medienszene besitzt ein gewisses Talent zur Aufregung

und ist seit Tagen im Ausnahmezustand - zu Recht.

Es geht nicht um Häme oder Schadenfreude.

Es zeigt sich:

Macht in Medienhäusern hat sich verschoben.

Das Unternehmen Axel Springer setzte Julian Reichelt

nach dem Compliance-Verfahren wieder als Chefredakteur ein.

Grund: "Es liegen keine strafrechtlichen Handlungen vor."

Aber damit ist heute eben noch nicht Schluss.

Heute sprechen betroffene Frauen, die meinen,

dass Machtmissbrauch im eigenen Haus offenbar wenig Folgen hat

mit JournalistInnen und finden dort Gehör:

Beim Investigativ-Team von Ippen, das intensiv recherchiert hat.

Dasselbe Team hat sogar die Stärke,

öffentlich gegen den eigenen Verleger Dirk Ippen aufzubegehren.

Als der entscheidet, nicht zu drucken,

"um keinem Mitbewerber auf dem Zeitungsmarkt zu schaden".

Das hat sich das Team nicht bieten lassen.

Und auch das ist heute anders: Redaktionen arbeiten zusammen.

In diesem Fall war es der Spiegel, der ebenfalls recherchierte

und die Recherchen gesammelt veröffentlichte.

Insgesamt stärkt es die Richtigen:

Frauen, die Machtmissbrauch aufzeigen,

unabhängigen Journalismus.

Ich finde das ganz gut.

Die Meinung von Anette Leiterer.

Etwas früh, jetzt schon an Weihnachten zu denken?

Eigentlich schon zu spät.

Denn Geschenke kommen bis dahin vielleicht gar nicht mehr an.

Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist,

dass pünktlich geliefert wird - und sei es über den halben Erdball.

Mittlerweile wird es eng auf den Handelsrouten.

In Häfen weltweit stauen sich die Containerschiffe.

Und Kaufleute stehen gleich vor dem nächsten Problem.

Julia Wacket:

Martin Sinß in Hamburg geht es wie vielen Fahrradhändlern:

Die Bestellungen für Weihnachten kommen rein,

aber sie können nicht liefern, denn Ersatzteile werden rar.

Zahnkränze, Fahrradketten, Felgen: Mangelware.

Darum müssen Kunden bis zu einem Jahr auf ihre Räder warten.

Ersatzteile sind sukzessiv immer nicht lieferbar.

Wir müssen nachgucken, wenn ein Kunde etwas haben möchte,

dass wir bestellen müssen: Gibt es das?

Wir können nicht pauschal sagen, dass wir's bestellen können.

Dan Leif Harde kennt das Problem.

Der 26-Jährige ist leidenschaftlicher Gamer.

Wie viele andere wünscht er sich eine Playstation 5.

Eigentlich ist die seit November 2020 im Handel.

Aber sie ist ausverkauft, selbst auf Ebay kaum zu bekommen.

Es ist verdammt schwierig, da ranzukommen,

weil die Preise auch enorm hoch sind.

Sobald die bei Media Markt zur Verfügung ist,

dauert das keine zwei Minuten, bis sie ausverkauft ist.

Die neue Mangelwirtschaft zeigt sich bei vielen Produkten,

ausgerechnet im Vorweihnachtsgeschäft.

Die Gründe für die Lieferengpässe sind vielfältig.

Bei manchen Produkten ist die Produktion gestört.

Das beobachten wir bei Unterhaltungselektronik,

bei Spielekonsolen.

Da sind Computerchips Mangelware.

Bei anderen Produkten läuft die Produktion.

Aber da ist die Nachfrage so stark explodiert,

dass die Produktion und der Transport nicht hinterherkommt.

Beispiel Hamburger Hafen:

Hier kommen die Containerschiffe mit bis zu zehn Tagen Verspätung an.

Grund sind die Folgen der Pandemie und die Blockade des Suezkanal.

Zudem fehlt in vielen Häfen Personal, um die Ladung zu löschen.

Züge müssen im Hafen warten müssen, bis der Container da ist.

Binnenschiffe können nicht rechtzeitig abgefertigt werden.

Lkw warten, um ihren Container abzuliefern.

Die ganze logistische Wertschöpfungskette ist gestört.

Die Binnenhäfen im Land, wie der in Frankfurt,

versuchen die Zeit aufzuholen.

Aber trotz eines 24-Stundenbetriebs kommen sie nicht nach.

Das hat Folgen, auch für das Weihnachtsgeschäft:

Ich möchte keine Panik machen.

Aber ich würde drauf schauen, es etwas früher anzugehen,

weil einige Sachen nicht pünktlich in den Regalen stehen werden.

Die Lage wird sich nach Einschätzung von Experten

frühestens nächstes Jahr bessern.

Fahrradhändler Martin Sinß hofft, dass er im Frühjahr

wieder mehr Kunden den Fahrradwunsch erfüllen kann.

Dieser Mann war 14,

als er mit Molotowcocktails gegen ein autoritäres Regime kämpfte.

Heute verteidigt er im EU-Parlament eine polnische Regierung,

die immer autoritärer agiert.

Die sich immer weiter von den Werten der EU entfernt.

Wer gehofft hatte, Polens Ministerpräsident Morawiecki

würde im Streit um das Verhältnis von EU-Recht Polens Recht einlenken:

Der wurde eines Besseren belehrt.

Selten ging es in Straßburg so laut, angespannt und ungemütlich zu.

Roman Rusch über eine Debatte und polnische Richter,

die ihr Land nicht mehr wiedererkennen.

Es ist kein leichter Gang für Polens Ministerpräsident

ins EU-Parlament.

Seit Polens Verfassungsgericht das eigene Verfassungsrecht

über EU-Recht stellte, ist viele im Parlament klar:

Polens Rechtsstaat wankt.

Wer das Primat des EuGH ablehnt, die EU als Rechtsgemeinschaft,

wer die Unabhängigkeit der Justiz ablehnt:

Der tritt faktisch aus der EU als Rechtsgemeinschaft aus.

Wie schwer es Richter in Polen haben,

davon konnte man gestern eine Ahnung bekommen.

Im Pressesaal berichteten sie von ihrem Alltag:

2019 startete die Regierung eine Hexenjagd gegen die Richter,

die sich an EU-Recht halten wollten.

Dabei hat die Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofes

die Rolle einer Inquisition, die die Richter suspendiert.

Über 100 Disziplinarverfahren seien von der Kammer

gegen unabhängige Richter angezettelt worden.

Anschuldigungen, die Premier Morawiecki zurückwies.

Polen habe das Recht, seine Justiz selbst zu organisieren.

Das eigentliche Problem: Die EU überschreite Kompetenzen.

Es kann nicht sein, dass man uns Regeln aufzwingt,

ohne rechtliche Grundlage.

Ich erlaube nicht, dass Politiker Polen erpressen.

Viele Redner fordern, die Kommission müsse Polen den Geldhahn zudrehen.

Immerhin bekommt das Land

rund 12 Mrd. Euro jährlich mehr aus dem EU-Haushalt, als es einzahlt.

Schluss mit dem Appeasement gegenüber der autoritären Rechten.

Deren Politik darf nicht mit EU-Geldern finanziert werden.

Kommissionspräsidentin von der Leyen sagt, sie prüfe diese Option.

Funktioniere der Rechtsstaat nicht, sei das EU-Geld nicht sicher.

Polen müsse die Freiheit der Justiz wieder herstellen.

Dazu zählt der Abbau der Disziplinarkammer,

der Abbau des Disziplinarregimes.

Und die Wiedereinsetzung der entlassenen Richter.

Das ist die Voraussetzung.

Ich habe gehört, dass Sie das planen. Tun Sie es.

Am Ende einer harten Debatte verfestigt sich der Eindruck,

dass die EU-Kommission auf einen härteren Kurs umschwenkt.

Ob den auch die Regierungschefs mitgehen,

zeigt sich beim EU-Gipfel in zwei Tagen.

Welches Grauen sich vor mehr als 75 Jahren hier abgespielt hat,

man wird es wohl auch in diesem Prozess nur erahnen können.

Einer Sekretärin, die im KZ Stutthof bei Danzig Dienst tat,

wird Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen vorgeworfen.

Spät kommt dieser Prozess gegen die Angeklagte.

Das hat damit zu tun, dass sich erst seit einigen Jahren

auch die vor Gericht verantworten müssen,

denen keine konkrete Tat nachgewiesen werden kann.

Dass dies spät geschieht, heißt nicht, dass es zu spät wäre.

Denn das Leid der Opfer verjährt nie.

Corinna Below.

Dieses Mal soll sie nicht fliehen können.

Eine Stunde vor Prozessbeginn lässt das Gericht Irmgard F.

im Pflegeheim abholen, an den Händen elektronisch gesichert.

Nun kann die Staatsanwaltschaft

die Anklage gegen die 96-Jährige verlesen.

Beihilfe zum versuchten Mord und Beihilfe zum Mord

in mehr als 11.000 Fällen.

Ihr Anwalt kündigt an, sie werde sich dazu nicht äußern.

Aus ihrer Sicht träfe sie keine Schuld.

Er war als Sechsjähriger mit seiner Familie interniert

im Konzentrationslager Stutthof.

Josef Salomonovic ist einer der 30 Nebenkläger im Prozess.

Es ist eine Schande,

dass sie nicht mal ihre Einstellung ändern kann.

Das wäre das Minimum, was man erwarten kann.

Aber sie möchte nicht.

Sie bleibt bei ihren Überzeugungen.

Vor 80 Jahren beginnt sein Leidensweg mit der Deportation

von Prag ins Ghetto Lodz über Auschwitz nach Stutthof.

Seitdem quälen ihn Erinnerungen.

Wenn ich sage, es war schrecklich.

Alle sieben Lager waren schrecklich.

Aber Stutthof war für mich am schlimmsten,

weil dort mein Vater ermordet wurde.

Mit seiner Mutter und seinem Bruder

überlebt Josef Salomonovic das KZ Stutthof.

65.000 Jüdinnen und Juden und politisch Verfolgte

überleben das Lager nicht:

Durch die Genickschussanlage,

die lebensbedrohlichen Bedingungen oder die Gaskammer.

Irmgard F. will von alldem nichts mitbekommen haben.

Dabei arbeitete sie nachweislich von 1943 bis 1945 in der Kommandantur

als Schreibkraft - mit Blick auf den Appellplatz.

Die Nebenklage beantragte eine Besichtigung der Gedenkstätte.

Wenn Sie nach Stutthof kommen, sehen Sie, wie klein der Platz ist.

Wenn Sie das Gebäude sehen, in dem die Angeklagte gearbeitet hat,

übersehen Sie von dort im Wesentlichen das Lager.

Sie schauen auf den großen Kamin.

Man kann sich auch vorstellen, dass man das riecht,

was wir als Worte in vielen Verfahren gehört haben.

Immer kommt die Frage:

Hast du gesehen die Leute, die aufgehängt wurden?

Nein, ich hab keine aufgehängten Leute gesehen.

Meine Mutter und alle anderen haben's gesehen.

Ich hab nur den Rücken vom Vorderen gesehen.

Ich war zu klein.

Sein Anwalt wünscht sich,

dass er als Zeuge gegen Irmgard F. aussagt.

Er weiß es noch noch nicht, denn er will ihr nicht begegnen.

Doch seine Aussage könnte wichtig sein für den Ausgang

in einem der vielleicht letzten NS-Prozesse in Deutschland.

Zur deutschen Politik.

Voraussichtlich Donnerstag beginnen SPD, Grüne und FDP

ihre Koalitionsverhandlungen zur Regierungsbildung.

Erste Eckpunkte wurden vereinbart.

Die Koalitionsverhandlungen sollen in 22 Arbeitsgruppen geführt werden.

Beabsichtigt ist, strittige Themen, wie im Bereich der Finanzen,

dort zu klären.

SPD und Grünen sprachen sich dafür aus, Investitionen durch eine

in der Schuldenbremse erlaubte Finanzierung per Kredit zu erlauben.

In Berlin ist der Weg frei für die Fortsetzung von Rot-Rot-Grün.

Nach SPD und Grünen stimmte am Abend stimmte auch die Linkspartei

auf einem Sonderparteitag für Koalitionsverhandlungen.

Sie könnten am Freitag beginnen.

Nach langen Turbulenzen

hat der Flughafen Frankfurt-Hahn Insolvenz angemeldet.

Trotz jüngster Zuwächse im Fracht- und Erholung im Passiergeschäft.

Der Flughafenbetrieb soll laut Insolvenzverwalter weiterlaufen.

Näheres von Anja Kohl aus der Frankfurter Börse.

Der Flughafen Hahn machte schon vor Corona Verlust.

Zudem verringerte Ryanair die Zahl seiner Flüge dort deutlich.

Besonders heikel:

Hahn liegt im Hunsrück, einer strukturschwachen Region.

Etwa 11.000 Arbeitsplätze hängen vom Flughafen ab.

Rheinland-Pfalz hatte seinen Anteil

an den Staatskonzern HNA aus China verkauft.

Der ist seit Februar insolvent.

Zweiter Großaktionär ist mit 17,5 % das Land Hessen.

Auch kleine Flughäfen haben hohe Betriebskosten.

Man sei ohne Hilfen und ohne Kurzarbeit durch die Krise gekommen,

hieß es vor Kurzem.

Nun ist kein Geld mehr da,

und es will wohl keiner welches zuschießen.

Die Länder äußerten sich nicht.

Wohl auch, weil ab 2024 Beihilfen für EU-Flughäfen nicht erlaubt sind.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte

hat die Türkei wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt.

Das Gericht forderte von Ankara

eine Änderung des Gesetzes zum Schutz des Präsidenten vor Kritik.

Im konkreten Fall wurde 2017 ein Mann zu einem Jahr Haft verurteilt,

weil er zwei Satire-Beiträge über Präsident Erdogan gepostet hatte.

Das juristische Vorgehen des Mannes war erfolglos geblieben.

Einen Monat nach Beginn der Vulkanaktivitäten

auf La Palma ist ein Ende der Eruptionen nicht absehbar.

Schäden in Höhe von mindestens 400 Mio. Euro sind entstanden.

Etwa 7000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen.

Die ausströmenden Gase

können wegen der Witterungsbedingungen nicht abziehen.

Daher wurden die Bewohner der Ortschaft El Paso aufgefordert,

sich nicht im Freien aufzuhalten.

Es werden wieder Menschen kommen zur Frankfurter Buchmesse.

Auch hier hatte das Virus eine klaffende Leerstelle hinterlassen.

An dem wichtigsten Buchtreffen der Welt teilhaben zu können,

ist also großes Glück.

Für manche aber auch das Ergebnis einer großen Qual.

Bis sie es dorthin geschafft haben, sind viele junge Poeten und Autoren

nur reich an Hoffnung, dass ein Verlag ihr Buch verlegen wird.

Alex Jakubowski über eine junge Autorin

und die Mühsal mit dem Geschäft der Worte.

Das Manuskript auf dem Tisch, der Blick prüfend.

Julia Becker aus Hamburg arbeitet an ihrem Roman.

Seit einem Jahr hat sie ihn im Kopf, sitzt jeden Tag am Schreibtisch.

Der Text nimmt Gestalt an.

Kommendes Jahr soll er fertig sein und hoffentlich verkauft werden.

Einen Verlag finden ist immer eine Herausforderung.

Ich glaube, dass auch erfahrene Autoren,

die viel veröffentlicht haben, nicht sagen würden: kein Problem.

Man muss immer wieder mit seiner Idee überzeugen.

Die Autorin kennt sich in der Branche aus.

Sie arbeitet als Lektorin, ist Ghostwriterin,

schrieb als Auftragsarbeit einen Liebesroman in Corona-Zeiten.

Das eigene Buch aber ist etwas Besonderes.

Das Thema: der Wahn zur Selbstoptimierung –

und was er mit uns macht.

Es ist total wichtig, dass man bei sich bleibt.

Das Buch nicht für einen Verlag schreibt.

Im Zweifel würde das der Verleger spüren,

so 'n Buch möchte er nicht haben.

Viel zu viele Manuskripte, die sie nicht haben will,

bekommt die Programmchefin des S.Fischer-Verlags.

10.000 Texte im Jahr landen hier – unaufgefordert.

Sie haben keine Kontrolle darüber, was Sie geschickt kriegen.

Oft ist die Qualität unterirdisch, das muss man sagen.

Es gehört ganz viel Glück dazu.

Da kann durchaus Tolles dabei sein.

Aber dass das jemand rausfischt und erkennt und sagt:

"Das ist ein Megatext" oder "Das ist das, was ich suche!

oder es passt in die Zeit - diese Chancen sind gering.

Helfen könnte Literaturagentin Petra Hermanns.

Sie sichtet Manuskripte, begleitet Autoren, verhandelt Verträge.

Im Erfolgsfall bekommt sie Provision.

Die Agentin ist in der Branche bestens vernetzt.

Schlägt sie ein Buch vor, wissen die Verlage, es hat Qualität.

Sie hat die richtige Spürnase.

So würde ich mich sehen, Trüffelschwein und Türöffner.

Die Kontakte sind 'ne Währung, die Agenturen haben sollten,

als Vorsprung gegenüber den Autoren.

Die sitzen am Schreibtisch und kennen niemanden.

Ob Julia Becker sich einer Literaturagentin anvertraut,

hat sie noch nicht entschieden.

Noch ist sie mit dem Buch nicht weit genug.

Es muss Substanz da sein.

Ich glaube, ich kann das bald in die Hand nehmen und jemandem zeigen.

In der Hoffnung, dass ihr Roman nicht in der Schublade verschwindet -

wie die Manuskripte Tausender anderer jährlich.

Zum Schluss machen wir einen Ausflug zu jenen wunderbaren Inseln,

die vom Untergang bedroht sind: die Halligen im Wattenmeer.

Man kann sich vorstellen, wie schnell das Wasser

diese kleinen Flecken verschluckt, wenn der Meeresspiegel steigt.

Und er wird weiter steigen.

Damit sie trotzdem bleiben können,

haben die Menschen auf Langeneß eine "Klimawarft" aufgeschüttet.

Auf dem Hügel sollen ein Supermarkt, eine Krankenstation

und ein Gemeindezentrum entstehen - wenn sie sich das leisten können.

Denn das Pilotprojekt des Landes Schleswig-Holstein

frisst schon jetzt Millionen.

Das zeigt die mittendrin-Reportage von Lukas Knauer.

Hallig Langeneß – ein Kleinod im nordfriesischen Wattenmeer.

219 Menschen leben hier auf 18 Warften.

Zweimal die Woche kommt der Lieferdienst auf die Hallig

und bringt alles an Lebensmitteln, was die Bewohner brauchen.

Drei Stunden und 15 Minuten hat Andreas Borchers nun Zeit,

seine Waren auszuliefern.

Dann muss er mit der Fähre zurück ans Festland.

Familie Veith? Ja. Ja, guck mal.

Großer Aufwand für die kleine Hallig.

Seit 2013 ist der Hallig-Kaufmann dicht.

Rene und Nicole Veith machen das erste Mal Urlaub auf Langeneß

und schätzen den Lieferdienst.

Einen festen Supermarkt fänden sie trotzdem super.

Es wäre noch besser, wenn man das vor Ort hat.

Dann könnte man direkt einkaufen oder das als Beschäftigung nutzen.

Auch bei den älteren Bewohnern

ist der Wunsch groß nach einem Supermarkt um die Ecke.

Ich fänd das gut, wenn das wiederkommt,

allein für die Gäste.

Die können vormittags 'n bisschen schnacken da.

Ich fände es gut, aber das dauert ja noch.

Hier soll der neue Supermarkt gebaut werden: auf Warft Treuberg.

In den letzten zwei Jahren

wurden hier 93.000 Kubikmeter Sand aufgeschüttet.

Auf Treuberg sollen auch Dauerwohnungen, ein Gemeindezentrum

und eine Krankenstation entstehen.

Die Klimawarft ist sechs Meter hoch, zwei Meter höher als die alte,

und damit sicher vor einem Meeresspiegelanstieg.

Das ist ein ganz tolles Gefühl.

Das ist ein Stück weit Sicherheit

und ein Stück weit zukunftsträchtig für den demografischen Wandel.

Selbst wenn ich die Bebauung nicht mehr beenden kann.

Inzwischen sind Kommunalwahlen.

Aber für kommende Generationen ist es ein Bauwerk,

das für die Zukunft gedacht ist.

9 Mio. Euro hat die Warftverstärkung gekostet.

Noch mal so viel wird wohl der Bau der Gebäude verschlingen.

Jetzt müssen die Architekten ihren Entwurf überarbeiten.

Teilweise war da geplant,

eine Überdachung innerhalb der Bebauung umzusetzen.

Die Gemeindevertreter befürchteten, dass die windanfällig ist,

Beschädigungen mit sich bringt und dann kostenintensiv ist.

Stürme, Sturmfluten, Extremwetter:

Der Klimawandel begegnet uns auf Langeneß überall.

17 weitere Warften gibt es auf der Hallig.

Auch sie müssen befestigt werden.

Doch weil sie bewohnt sind,

können sie nicht einfach erhöht werden.

Hier müssen andere Lösungen her.

Virginia Karau betreibt ein Cafe auf der Ketelswarft.

Ich finde es sehr mutig vom Land Schleswig-Holstein,

so viel Geld in die Hand zu nehmen und eine ganz neue Warft zu bauen.

Der Klimawandel ist in vollem Gange,

und wer weiß, wie lange wir hier leben können.

Umso optimistischer ist das.

Optimistisch sind die Bewohner von Langeneß trotz aller Probleme.

Und so lange der neue Supermarkt noch nicht fertig ist,

steuert der Hallig-Lieferdienst Langeneß weiter an.

Fehlt noch der Wetter-Lieferdienst. Claudia, wie wird's morgen?

Ich liefere Sturm.

Den gibt es in den nächsten Tagen, vor allem am Donnerstag.

Davon ist auch die Deutsche Bucht betroffen.

Es wird eine Sturmflut geben.

Das bekommen wir dreimal.

Flut ist alle zwölf Stunden, genauso wie Ebbe.

Wir haben es eh mit Springfluten zu tun.

Die drei Fluten, am Donnerstag und am Freitag zwei,

werden höher sein als normal.

Windig wird es dazu und stürmisch an der Küste.

Das gilt für weite Teile Deutschlands.

Den heftigsten Wind haben wir von NRW bis Sachsen.

Dort gibt es schwere Sturmböen teilweise.

Am heftigsten wird es auf den Bergen.

Das sind Orkanböen.

Donnerstag ist der heftigste Sturm.

Morgen und am Freitag wird es schon sehr windig.

In der Nacht im Süden ruhig und locker bewölkt.

Aus dem Nordwesten kommen dichtere Wolken.

Die bringen Schauer.

Im äußersten Nordwesten sind auch Gewitter dabei.

In Bayern bleibt es am längsten trocken.

Danach kommt kältere Luft zu uns.

Dann kommen Schauer und Gewitter.

Am Freitag starker Wind, Schauer und Gewitter.

Danke, Claudia.

Hier geht's weiter mit der Talkshow Club 1.

Hannes Ringlstetter hat Andre Rieu, Maria Höfl-Riesch, Ingolf Lück

und Rocko Schamoni zu Gast.

Ich sitz da auch, was nicht heißt, dass ich mich rüberbeame,

sondern die Sendung ist aufgezeichnet.

Live gibt's die tagesthemen morgen um 22.15 Uhr. Bis dahin.

Copyright Untertitel: NDR 2021