Das rechte Phantom - Betroffen sind mehrere Parteien
Jahrelang hat ein kleiner Kreis von Personen versucht,
konservative und rechte Parteien zu gründen oder zu unterwandern.
Wollten sie unsere Gesellschaft politisch nach rechts verschieben?
Betroffen sind mehrere Parteien: unter anderem die NPD und ganz massiv die AfD.
Teilweise sind sogar sehr hochkarätige Vertreter dieser Parteien involviert und wurden beeinflusst,
zum Beispiel die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, die Parteigründer
oder der damalige Vorsitzende der Jugendorganisation der AfD.
Am Rande des Systems haben wir aber auch Kontakte gefunden
zu Lokalpolitikerinnen und -politikern von FDP und CDU.
Eine große Rolle in dem System spielt Tom R. Er ist ein 52-jähriger Politikberater und sein
Markenzeichen ist eine tiefschwarze Sonnenbrille. Er selbst hat Kontakte zu Rechtsextremen, aber
auch zu einem Passbetrüger oder zu Geheimagenten. Er hat die Politiker angesprochen und hat sie
eingeladen, zum Beispiel in teure Luxushotels. Diese Politiker und Politikerinnen hat Tom
R. politisch beraten und einige von ihnen auch mit Geld versorgt.
Das ging entweder darüber, dass er ihnen Honorare bezahlt hat für Auftritte,
zum Beispiel dem CDU-Politiker Max Otte, der für einen Vortrag mal 4.000 Euro
bekommen hat plus Spesen. Oder sie haben für dubiose
Nachrichtenseiten aus dem Reich von Tom R. Artikel geschrieben und in Rechnung gestellt.
Und all das können wir belegen über Verträge, Rechnungen und interne Mails, die uns vorliegen.
Andere Politiker hat Tom R. zu Gesellschaftern oder Geschäftsführern von kleinen Firmen gemacht.
Und obwohl die Geschäftstätigkeit dieser Firmen meistens überschaubar blieb,
wurden von außen ganz große Summen Geld in diese Unternehmen gepumpt.
Woher das Geld kam, ist oft unklar. Diese Unternehmen sind Teil
eines komplexen Firmennetzwerks. Sie heißen zum Beispiel Artemis Invest, Popularen,
Optimaten oder Magna Aurelia. Sie werden von einer kleinen
Gruppe von Menschen im Hintergrund gesteuert. Sichtbar ist vor allem Tom R., der Politikberater.
Und er ist es auch, der den Kontakt hält zu den Geldgebern und auf der
anderen Seite den Politikern. Die Frage ist nun, gab es eine
geheime Finanzierung der Politiker durch geheime Geldgeber im Hintergrund?
Was wir bei unseren Recherchen gefunden haben, ist, dass ein
Teil des Geldes von Kleinanlegern stammte. Denen haben Finanzberater versprochen, dass ihr
Geld in Gold investiert wird oder eine Flugschule, aber eigentlich floss es dann in dieses System
zur Finanzierung von Politikern. Besonders interessant fanden wir
eine Firma aus Liechtenstein: Über sie sind große Summen
in das System geflossen. Und die Firma wurde über
einen Treuhänder verwaltet, das bedeutet, die Hinterleute konnten anonym bleiben.
Und ähnliche Firmen haben wir auch gefunden zum Beispiel in Österreich,
in England oder in der Schweiz. In dem von uns aufgedeckten System sind
auch sehr hochrangige Politiker involviert. Auch Alice Weidel, die Fraktionsvorsitzende
der AfD im Bundestag, hatte Kontakt zum Strippenzieher Tom R.
Das hat sie uns in einem persönlichen Gespräch sogar bestätigt.
Sie sagt aber, sie hat nie auf die Ratschläge dieses Beraters gehört,
und sieht sich eher als Opfer denn als Profiteurin.
Der Politikberater Tom R. hat sich aber nicht nur Alice Weidel angeboten,
sondern auch vielen weiteren Politikern der AfD auf Landesebene oder auf Bundesebene.
Für sie hat er dann versucht, Mehrheiten zu beschaffen, hat sie politisch beraten,
hat intrigiert in der Partei und so einige Karrieren befördert und andere verhindert.
Wie funktionierte das System der geheimen Finanzierung von Politikern aber konkret?
Dazu ein Beispiel: Dettleff W. Schilde ist ein verurteilter Betrüger aus Bayern.
Schon ein paar Jahre vor der AfD-Gründung hat er FDP-Politiker und CDU-Leute zusammengebracht
und wollte mit ihnen eine „liberal-konservative Bewegung im Bundestag“ etablieren.
Zwei Jahre später gründete er dann einige Landesverbände der AfD,
zum Beispiel in Bayern, Bremen, in Sachsen-Anhalt oder in Brandenburg.
Das Problem war nur, Schilde hatte kein Geld, um sich diese politische Arbeit leisten zu können.
Interessanterweise wird er dann aber im Jahr der AfD-Gründung
dann aber plötzlich Geschäftsführer eines Verlages, den Tom R. aus dem Hintergrund steuerte,
der Alpe Nordsee Verlag GmbH. Kurz darauf tritt Schilde aber aus der AfD aus
und bietet sich Tom R. für einen neuen Auftrag an. Er bietet an, er könnte drei Landesverbände der
rechtspopulistischen Partei BZÖ in Österreich gründen.
Als Lohn fordert Schilde für diesen Auftrag 7.000 Euro monatlich,
einen Sitz im EU-Parlament und finanzielle Umzugshilfen,
weil er ja nach Österreich umziehen musste. Berater Tom R. bestätigt ihm das und sagt,
geht alles klar, er soll loslegen. Für diesen Auftrag wurde Dettleff
Schilde dann wieder als Verleger eines kleinen Verlages eingesetzt,
der dubiose Internetseiten betrieben hat. In diesen Verlag sind in dem Jahr, in dem er
Geschäftsführer wurde, 135.000 Euro geflossen. Nur aus dem EU-Mandat wird nichts,
denn die BZÖ ist so erfolglos, dass sie gar nicht ins EU-Parlament einzieht.
Woher stammen die Informationen für diese Geschichte, für diese Behauptungen?
Wir, das ist ein Team von WDR, NDR und ZEIT, haben über drei Jahre für diese Recherche gearbeitet:
Wir haben in über acht Ländern recherchiert, mit Hunderten
Informanten und Informantinnen gesprochen. Wir haben interne Dokumente ausgewertet, Verträge,
Kontoauszüge, Kreditkartenabrechnungen. Außerdem liegen uns Hunderte von
WhatsApp- und Chat-Nachrichten vor, die Tom R. mit Spitzenpolitikerinnen
und Spitzenpolitikern ausgetauscht hat. Und natürlich haben wir am Ende der Recherche
versucht, mit allen Menschen, die in diesem Video vorkommen,
Kontakt aufzunehmen, um ihnen die Chance
zu geben für eine Stellungnahme. Die meisten von ihnen wollten nicht mit uns reden.