Leib-Seele-Problem · Philosophie der Neuzeit
Hi! Ab heute behandeln wir in einer Reihe von zehn Beiträgen ein Thema aus der Epoche der Neuzeit
und dem Bereich der Philosophie des Geistes.
Gemeint ist das sogenannte Leib-Seele-Problem.
Hier und jetzt gibt es einen kurzen Überblick, was es mit diesem Problem auf sich hat,
sowie die Klärung einiger Kernbegriffe. Auf geht's!
Wir beamen uns mitten ins 17. Jahrhundert, zum 6. Mai 1643.
Auf diesen Tag ist das erste Schreiben Elisabeths von der Pfalz an den Herrn René Descartes datiert.
Descartes – man spricht das T mit, hab' ich gelernt, danke an Rick!
Ich hatte nie Französisch und in meinem ersten Philosophie-Semester hab' ich den Herrn
tatsächlich Des-car-tes ausgesprochen – das war falsch.
Elisabeth von der Pfalz bat »Monsieur Descartes« jedenfalls um eine Erklärung.
Sie wollte wissen, »wie die Seele des Menschen die Geister des Körpers veranlassen kann,
willentliche Handlungen auszuführen« , denn sie – die Seele – sei ja nichts als eine denkende Substanz.
Fünf Jahre später richtet Frans Burman eine sehr ähnliche Frage an »Renati Des Cartes«
und bekommt zur Antwort, dass dies recht schwer zu erklären sei.
Damit sprechen die Prinzessin und der Theologe genau Thema an, um das es in dieser Reihe gehen soll,
nämlich die psychophysische Wechselwirkung zwischen Körper und Geist.
Heißt: Die Interaktion zwischen der Psyche und der Physis.
Dieses Thema ist in der Philosophie als das Leib-Seele-Problem bekannt, im Englischen als body-mind-problem.
Ausgehend von den englischen Begriffen »body« und »mind« sollen in den folgenden Beiträgen
die Übersetzungen »Körper« und »Geist« verwendet werden. Damit will ich einerseits unpassende
Nebenbedeutungen des deutschen Leibesbegriffes meiden, der ja auch theologisch aufgeladen ist.
Andererseits soll damit die im Deutschen geläufige Unterscheidung von der Seele als Bereich
des Emotionalen gegenüber dem Geist als Bereich des Rationalen umgangen werden.
Ausnahmen gibt's, wenn im Original explizit von »Seele« die Rede ist, also von »anima« im Lateinischen
oder »âme« im Französischen. Aussprache nicht anders sicher...
Zitiert wird nach der Gesamtausgabe von Charles Adam und Paul Tannery, die im Internet Archive verfügbar ist.
Für die deutschen Übersetzungen liegen die Ausgaben
der Philosophischen Bibliothek des Felix Meiner Verlags zugrunde. Für weitere Literaturhinweise einfach
einen Blick ins Skript zu diesem Beitrag werfen – ist unten verlinkt.
Fortan sei also mit Geist als Übersetzung von mind der Bereich des Mentalen gemeint
(abgeleitet vom Lateinischen »mens« – Geist).
Dieser umfasst geistige und seelische Phänomene gleichermaßen.
Statt Leib-Seele-Problem findet dementsprechend die Bezeichnung Körper-Geist-Problem Verwendung.
Das nur als kleine Begriffsklärung vorweg.
Die Auffassung von Körper und Geist als zweierlei eigenständige Substanzen entspricht der Position
des Substanzdualismus (vom Lateinischen »duālis« – zwei enthaltend).
Diese stellt eine von vier Hauptpositionen zum Körper-Geist-Problem dar.
Aber was ist überhaupt eine Substanz?
Als einer der wichtigsten Vertreter des Substanzdualismus definierte Descartes
den Begriff Substanz im Anhang zu den zweiten Erwiderungen. Das liest sich so:
In den »Principia Philosophiæ« von 1644 schreibt Descartes außerdem Folgendes:
Vertreten wurde der Substanzdualismus bereits von Platon.
Inwiefern sich das neuzeitliche Konzept vom antiken unterscheidet und gesagt werden kann,
das Körper-Geist-Problem habe im 17. Jahrhundert zu seiner heute bekannten Form gefunden,
das hängt mit einem Wandel zusammen, der als »Mechanisierung des Weltbildes« bezeichnet wird.
Dieser Wandel liefert, in zentralen Aspekten wiedergegeben, den historischen Kontext,
der für das Verständnis von Descartes' Konzept von Bedeutung ist.
Eine solche historische und auch systematische Einführung ins Thema gibt's im nächsten Beitrag
über Substanzdualismus seit Platon.
Danach widmen wir uns dann ausführlich dem Werk von René Descartes, der mit den
»Meditationes de prima philosophia« einen Neuanfang in der Philosophie unternimmt.
Sein Vorhaben besteht in einer grundlegenden Erörterung und Bestimmung des Verhältnisses
von Ich, Welt und Gott. Sein Anliegen ist ein Beweis
für »die Existenz Gottes und die Verschiedenheit der menschlichen Seele vom Körper«
(So lautet der Untertitel zur zweiten Auflage der Mediationen, der von Descartes korrigiert wurde,
nachdem der Untertitel zur ersten Auflage das Anliegen nicht ganz richtig wiedergab – doch dazu später mehr.)
Mit der Behauptung von Seele und Körper als verschiedene Substanzen geht die Frage
zur Interaktion einher: Wo und wie findet die psychophysische Wechselwirkung statt?
Ja, bitte! Erklärung!?
Descartes erläutert sein interaktionistisches Modell in der Abhandlung »Die Passionen der Seele« von 1649.
Darin stellt der die umstrittene Hypothese auf, dass die Zirbeldrüse im Gehirn derjenige Ort sei,
an dem die Seele auf den Körper einwirke.
Descartes' Modell zur Interaktion und seine Zirbeldrüsen-Hypothese bilden den Gegenstand
des letzten Beitrags dieser Reihe, über Psychophysische Wechselwirkung bei Descartes.
Soweit eine kleine Einleitung und Orientierung zu den kommenden Inhalten.
Wenn du dich für die Philosophie der Neuzeit, die Philosophie des Geistes als Disziplin oder ganz konkret
für Descartes' »Meditationen« interessierst, dann bist du hier richtig.
Wenn nicht, dann könnte es ein bisschen langweilig werden.
Das ist natürlich schwer vorstellbar, auf diesem Kanal.
Philosophie ist nie langweilig!
Ich sag' schon mal vielen Dank für die Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Mal!