War der Atombombenabwurf über Hiroshima notwendig? | Terra X
Die erste Atombombe der Menschheitsgeschichte bringt Tod und Zerstörung.
Mit ihrem Abwurf endet aber auch fast gleichzeitig der Zweite Weltkrieg. Bis heute stellt sich die Frage: war Hiroshima notwendig?
Im Sommer 1945 tobt noch der 2. Weltkrieg im Pazifik. Während Deutschland bereits kapituliert hat, kämpft sein Verbündeter Japan mit allen Mitteln weiter.
Sogar mit Selbstmordeinsätzen von Kamikazefliegern.
Die amerikanischen Truppen haben sich seit Kriegsbeginn über den Pazifik vorgekämpft,
Insel für Insel, Mann gegen Mann, oft in verbissenem Nahkampf.
Für die Landung auf Japans Hauptinseln rechnen die US Militärs mit erbittertem Widerstand.
Hunderttausende amerikanische Soldaten könnten dabei fallen.
Dr. Shuntaro Hida arbeitet zu dieser Zeit im Militärhospital von Hiroshima.
Zu seinen Aufgaben gehört es, Sanitäter zu Selbstmordattentätern auszubilden.
Wir brachten ihnen bei, wie sie sich mitsamt einem feindlichen Panzer in die Luft jagen sollten. Das war Teil unserer Ausbildung.
Nicht nur das Militär, sondern die gesamte Bevölkerung wird auf die bevorstehende Entscheidungsschlacht eingeschworen und ist entschlossen weiterzukämpfen.
Gleichzeitig findet über 10.000 Kilometer entfernt eine Zeitenwende statt.
In der Wüste von New Mexico wird am 16.07.1945 die erste Atombombe getestet.
Am folgenden Tag versammeln sich die Alliierten Hauptmächte in Potsdam:
Die USA, Großbritannien und die Sowjetunion. Es geht um die Aufteilung des besiegten Deutschlands und den andauernden Krieg im Pazifik.
Doch es werden bereits Risse im Bund der Westmächte mit der Sowjetunion deutlich.
Für die Amerikaner steht der Rang als Weltmacht auf dem Spiel.
Die neue Bombe soll im Ringen der Großmächte ihre Überlegenheit demonstrieren.
Bereits zwei Stunden nach dem ersten erfolgreichen Atombombentest verlässt die Bombe den Hafen von San Francisco in Richtung der Insel Tinian, nahe Japan.
Die Amerikaner wollen von hier den Angriff starten.
In Hiroshima hat die Japanische Zweite Armee ihr Hauptquartier.
Bei der erwarteten Invasion soll sie eine Schlüsselrolle in der japanischen Verteidigungsstrategie übernehmen.
Für die Zivilbevölkerung in Hiroshima endet am Abend des 5. August ein Kriegstag ohne besondere Vorkommnisse.
Was sie nicht ahnen, ihre Stadt wurde nicht ohne Grund von konventionellen Angriffen bisher verschont.
Wahrscheinlich wollten die Amerikaner die Wirkung ihrer neuen Waffe an einer intakten Stadt testen.
Dr Shuntaro Hida lässt an diesem Abend den Tag bei einem Umtrunk mit Kollegen in geselliger Runde ausklingen.
Dann, mitten in der Nacht, kam ein alter Mann mit dem Fahrrad aus seinem Dorf an und wollte mich dringend sprechen.
Wachen Sie auf! Meine Enkelin hat einen Hitzschlag!
Dort wo er wohnte, gab es keine Ärzte mehr. Sie waren alle an der Front. Ich war noch sehr betrunken, aber es half nichts, ich musste mit.
Zu der Zeit gab es keine Autos, so setzte ich mich einfach hinten auf sein Fahrrad. Auf diese Weise habe ich überlebt.
Während in den folgenden Morgenstunden des 6. August tausende hier stationierte Soldaten mit ihren Morgenübungen beginnen,
nähert sich mit zwei Begleitflugzeugen ein B29 Bomber. An Bord der Enola Gay: die Bombe, codename „little boy“.
Im Cockpit laufen die letzten Vorbereitungen unter dem Kommando von Paul Tibbets. Die Kriegserfahrene Crew macht Ihren Job.
Okay, wir beginnen jetzt mit dem Zielanflug… Schutzbrillen auf!
Ich war 29 und viel zu schockiert um die ganze Tragweite zu ermessen.
Bei seinem Krankenbesuch hat Dr. Hida freien Blick über den ganzen Talkessel.
Ich sah ein Flugzeug am Himmel über Hiroshima auftauchen, klein, wie ein Silbertropfen.
Mir war sofort klar, dass es ein amerikanisches Flugzeug war, japanische Maschinen konnten damals noch nicht in dieser Höhe fliegen.
Es war ein einzelnes Flugzeug. Daher nahm ich an, dass es wie üblich nur vorüberfliegen würde.
Um 8:14 Uhr öffnet sich eine Luke. Bombe fällt!
Nach dem Abwurf dauerte es ungefähr noch 45 Sekunden bis zur Explosion. Es gab wohl keinen im Flugzeug, der nicht auf die Uhr sah oder zählte.
Ich dachte, die Bombe ist bestimmt ein Blindgänger. Ich war sicher, dass sie nicht funktionieren würde.
Nach 43 Sekunden Fall setzen die Luftdruck- und Zeitauslöser den Zündmechanismus in Gang.
Im Inneren der Bombe wird eine Urankugel gegen einen Uranblock geschossen.
Und löst damit die nukleare Kettenreaktion aus. Die unkontrollierte Kernspaltung setzt gewaltige Energien frei.
Der Feuerball erzeugt eine Hitze von 4 000 Grad Celsius. Hitzewellen brennen die Schatten ein.
Umrisse von Leitern, Geländern, selbst von Menschen, bleiben auf Stein gebannt. Wer sich im Brennpunkt aufhält, verdampft innerhalb eines Augenblicks.
Gleichzeitig sendet der Blitz starke Infrarot- und Gammastrahlen aus.
Sie dringen durch Mauern und Wände bis in die Zellen menschlicher Körper.
Ich bin kein emotionaler Mensch. Mein erster verdammter Gedanke war, das kann ich Ihnen sagen: Ich hab meinen Job erledigt.
Und ich war so erleichtert, dass er erfolgreich war, das können Sie nicht verstehen.
Mehrere zehntausend Menschen verglühen auf der Stelle. Die genaue Zahl der Toten kennt niemand.
Für die, die überleben, beginnt jetzt erst der Leidensweg, gezeichnet von Verletzungen, sehr häufig Verbrennungen.
Dr. Hida ist es gelungen sich aus den Trümmern des von der Druckwelle zerstörten Hauses vor der Stadt zu befreien.
Er sieht noch einmal nach dem Kind und macht sich dann auf den Weg in die Hölle.
Von dort bis nach Hiroshima sind es gut sechs Kilometer.
Auf halbem Weg tauchte plötzlich eine seltsame Kreatur aus dem Nichts vor mir auf.
Es war Sommer, und wäre es ein Mensch gewesen, hätte er weiße Kleidung getragen.
Was ich sah, war aber schwarz, von oben bis unten. Pechschwarz. Ich fand das merkwürdig.
Oben hatte er etwas rundes, wie einen Kopf. Das Wesen hatte auch Schultern, und dann folgte etwas, das einem Rumpf ähnlich sah.
Aber da wo sonst das Gesicht war, war alles schwarz.
Der Bereich um die Augen war zugeschwollen, es hatte keine Nase, die untere Hälfte des Gesichtes schien nur aus einem Mund zu bestehen. Es war unheimlich.
Als Arzt fühlt man als erstes den Puls. Aber als ich die Hand nahm, war da keine Haut. Ich konnte nichts festhalten.
Ich stand auf und sagte nur hilflos: Reiß dich bitte zusammen. Die Person erschauderte kurz, dann rührte sie sich nicht mehr.
Sie war tot, drei Kilometer weit geflohen, dann gestorben. Dieser Mensch war das erste Todesopfer der Bombe, das ich sah.
Die US-Piloten bekommen von all dem nichts mit. Sie blicken nach vorn.
Später auf dem Rückflug gingen die Gespräche in die Richtung, dass der Krieg jetzt vorbei sei, als Ergebnis dieses Bombenangriffs.
Doch Japan kämpft weiter. Als das Kaiserreich drei Tage nach dem Angriff noch immer nicht kapituliert, machen die Amerikaner auf der Insel Tinian eine zweite Bombe einsatzbereit.
US-Präsident Truman verliest im Radio eine Drohung:
Die Welt wird registrieren, dass die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen wurde, einen Militärstützpunkt.
Wenn Japan nicht kapituliert, müssen weitere Bomben auf seine Industriezentren abgeworfen werden.
Ich ersuche die japanischen Zivilisten, die Industriestädte sofort zu verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen.
Mir ist die tragische Bedeutung der Atombombe durchaus bewusst. Da wir diese Waffe haben, haben wir sie auch eingesetzt.
Wir haben sie eingesetzt, um die Qualen des Krieges zu verkürzen, um das Leben von Tausenden und Abertausenden junger Amerikaner zu retten.
Die USA werfen eine zweite Atombombe auf die Stadt Nagasaki, mit ebenso schweren Folgen.
Es ist auch eine Machtdemonstration in Richtung Sowjetunion.
Am 2. September 1945 unterzeichnen der japanische Außenminister und ein hochrangiger Militär auf einem amerikanischen Schlachtschiff die bedingungslose Kapitulation.
Damit endet der 2. Weltkrieg.
Ungeachtet der Zahl der Menschen, die wir getötet haben, haben wir doch noch viel mehr davor bewahrt,
in diesem Krieg getötet zu werden, auf amerikanischer wie auf japanischer Seite.
Eine mehr als umstrittene These. Vermutlich mehr als 70.000 Menschen werden allein bei dem Angriff auf Hiroshima sofort getötet.
Noch einmal so viele Bewohner der Stadt sterben an den Folgen der Atomexplosion.
Und die, die überleben, leiden noch Jahrzehnte später an der Wirkung der radioaktiven Strahlung.
Die Strahlenkrankheit ist die tödliche Hinterlassenschaft der Bombe. Ihre Erfinder waren sich dieser Wirkung bewusst.
Aber das tatsächliche Ausmaß schockiert Japan und die Welt.
Die Bilder der Opfer werden jahrzehntelang unter Verschluss gehalten.
Ebenso die ergebnisse der Untersuchungen, die amerikanische Abgesandte im Auftrag der US-Armee vor Ort vornehmen.
Der Schauplatz der Atomzündung ist auch ein riesiges Forschungsfeld – unter Realbedingungen.
Die Atommächte scheuen den erneuten Einsatz dieser Waffe. Hiroshima und Nagasaki schrecken bis heute ab.
War der Einsatz der Bombe der einzige Weg, den Frieden zu erzwingen? Oder wollten die USA der Sowjetunion ihre Überlegenheit demonstrieren?
Waren die Abwürfe gar ein Experiment, und war die Bombe überhaupt notwendig? Die Debatte darüber hält an.
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