Honecker, Ulbricht, Mielke - die Wandlitz-Siedlung | Geheimnisvolle Orte | Dokumentation | DDR - YouTube (3)
Das Misstrauen in der Waldsiedlung wächst, mit jedem Tag mehr.
Erich Honecker regiert an Zentralkomitee und Politbüro vorbei,
bespricht alles nur im engsten Zirkel,
vor allem mit Günter Mittag,
und zieht sich wie alle zurück, die Sitzungen in Berlin sind kurz.
So fährt er oft schon dienstags zur Jagd nach "Wildfang".
Wenn er sagte, wir fahren zur Jagd, war klar:
Es wird Bestimmtes eingepackt, bestellt.
Die wussten, was alles dazu gehört, dann standen da Kartons,
die luden wir ein und fuhren sie ins Jagdhaus, nach "Wildfang".
Es ist kennzeichnend für die soziale Atmosphäre,
die in der Waldsiedlung herrschte, die war eigentlich menschenleer.
Tagsüber waren die Funktionäre in Berlin.
An den Wochenenden verschwanden alle aus der Siedlung.
Man ging sich auch kräftig aus dem Weg.
Bernd Brückner hat Erich Honecker 13 Jahre begleitet,
durch die ganze Welt und auch in die Schorfheide nach "Wildfang",
Honeckers Refugium.
Sein Rückzugsort mit der Familie
und eine heimliche Machtzentrale der DDR.
Hier werden die wichtigen Themen besprochen,
vor oder nach der Jagd.
Wenn Honecker und Mittag hier zur Jagd rausgingen,
waren wir mit 13—14 Mann als Sicherheit vor Ort,
haben die Jagd durchgeführt, die Jagd abgesichert.
Wenn Mielke hier ankam,
wurde die Schorfheide umzingelt von ca. 80 Mitarbeitern.
Der Minister für Staatssicherheit hatte also
ein höheres Sicherheitsbedürfnis als der erste Mann des Staates.
Die Jagd als Status der Macht.
Und Jäger, die auf alles schießen, was vor ihre Flinte getrieben wird?
Honecker habe ich in dem Fall ...
Nein, das erlebte ich nicht so.
Er hörte auch auf Hinweise von Jagdleitern.
Er konnte in Situationen, anders als der Mittag, reagieren,
er hat dann nicht geschossen.
Hier in der Nähe war das, da jagten beide Rotwild.
Sie kamen nach 1,5 Stunden wieder rein,
denn jeder hatte 4-5 Hirsche geschossen.
Die haben also das Jagen, diese Abteilung,
umfahren mit dem Jagdwagen, die Hirsche waren irritiert,
sie konnten gar nicht weg, da war hinten ja noch der Zaun.
Was also andere Jäger im Leben nicht geschossen haben,
haben die Jungs in knapp 1,5 Stunden geschossen.
Am 17. Oktober 1989 wird Erich Honecker
zum Rücktritt von allen Ämtern gezwungen,
unter anderem von seinem Jagdfreund Günter Mittag
und Stasi-Chef Erich Mielke.
Honecker, der gestürzte Partei-Chef,
geht begleitet von seinen Personenschützern
noch einige Male zur Jagd.
Am 8. November erlegt er seinen letzten Hirsch.
Am 9. November fällt die Mauer.
(Rufe) Tor auf! Tor auf!
(Mann) Dass wir das erleben dürfen! * Applaus *
(Mann) Wahnsinn! Wahnsinn!
Und in der Waldsiedlung gehen nach und nach die Lichter aus.
Im März 1990 arbeitet Paul Bergner als Gärtner in der Waldsiedlung.
Er muss die oft fluchtartig verlassenen Häuser
der Waldsiedlung ausräumen,
es soll Platz her für die Patienten der Reha-Klinik.
Das war der Brandplatz, heute kaum wiederzuerkennen.
Dort wird wochenlang
das zurückgelassene Erbe der Bewohner verbrannt.
Paul Bergner rettet Gemälde, Skulpturen,
Platten-Sammlungen, Bücher.
Es war ein barbarischer Umgang mit der Geschichte.
Es war für mich unverständlich, wieso Bücher mit Widmung
"für den lieben Herrn Honecker", "den lieben Herrn Stoph"
oder den "lieben Herrn Sindermann" verbrannt werden sollten.
Logisch, wenn Patienten einziehen, muss das Haus leergeräumt werden.
Aber die Frage ist: Muss man denn alles verbrennen?
Zur Geschichte des Ortes gehören auch die Bunker.
Einer davon liegt unweit des Brandplatzes,
der frühere Stabsbunker,
errichtet ab 1968 als einer der ersten in der DDR.
Dort sollten bis zu 135 Personen im Kriegsfall 7 Tage überleben können.
Wir haben über uns 40 cm Beton und 1,80 m Erde.
Also da ist nicht allzu viel.
Beim direkten Treffer bleibt hier nichts übrig.
Aber man ging davon aus, dass diese Bauwerke kaum bekannt waren.
Paul Bergner züchtet 1990 in den kilometerlangen Stollen Champignons.
Jahrelang bemüht sich Paul Bergner darum,
dass die Häuser der Waldsiedlung, die kostbaren Skulpturen,
die Bunker, die ganze Anlage unter Denkmalschutz gestellt werden,
als Zeitzeugnis.
Doch niemand will in den 1990ern
einen "Wallfahrtsort für eine Diktatur".
Weder die Stadt Bernau
noch der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe.
Unser Bewusstsein dafür, dass solche Orte
für eine historisch-politische Aufarbeitung
interessant sein können, dass man daran
Züge dieser DDR-Gesellschaft und ihrer Führung gut erklären kann,
setzte sich erst langsam durch.
Im Kunstraum Bernau stehen heute viele der wertvollen Skulpturen,
die einst Park und Häuser der Waldsiedlung zierten,
aufwendig restauriert.
Sie werden nach dem Mauerfall abmontiert,
manche zum Spottpreis verhökert,
oder sie verschwinden, einige für immer.
Andere tauchen erst nach Jahren wieder auf,
wie der Jaguar des Berliner Künstlers Heinrich Drake.
Der stand früher vor Mielkes Haus.
Der Sockel ist noch zu sehen, er bleibt verwaist.
Erst 2017 werden einzelne Häuser und der Funktionärsclub
vor weiteren baulichen Veränderungen geschützt.
Der Charakter der Waldsiedlung ist da jedoch längst überformt
von einer der größten Reha-Kliniken Brandenburgs.
Nur Stelen erinnern noch an die Bewohner von einst
und an die frühere Landschaft der Macht.
Das Beste, was Wandlitz passieren kann,
neben dem erfreulichen Denkmalschutz:
Dass es ein offener Ort bleibt
und man sich weiter mit diesem Ort auseinandersetzt.
Denn Wandlitz ist ein Ort, der deutlich macht,
wie Macht dazu verleiten kann, sich Privilegien zu sichern,
sich von Bedürfnissen des Volkes zu entfernen.
Da kann man in Wandlitz viel lernen, was nicht nur für die DDR zutrifft.
Die Waldsiedlung Wandlitz:
Ein Symbol für den Missbrauch von Macht.
Und die Angst der Mächtigen, dass das Volk
sie bei diesem Missbrauch irgendwann entlarvt.