Kapitel 6
Pamina will sich aus Schmerz töten. Sie denkt, Tamino liebt sie nicht. Doch Sarastro führt die beiden zusammen.
24. Auftritt
Da ist die Alte wieder da.
„Da bin ich schon, mein Engel!“ Sie stützt sich auf einen Stock und tanzt.
„Du hast meine Worte gehört und hast Mitleid mit mir?“, fragt Papageno erstaunt.
„Ja, mein Engel!“
„Das ist ein Glück!“
„Und wenn du mir versprichst, mir ewig treu zu bleiben, dann sollst du sehen, wie zärtlich dein Frauchen dich lieben kann.“
„Ei, du liebes Frauchen!“
„O, wie will ich dich umarmen, dich liebkosen, dich an mein Herz drücken!“, schmeichelt die Alte.
„Auch ans Herz drücken?“
„Komm, reich mir zum Pfand unsers Bundes deine Hand!“
„Nur nicht so schnell, lieber Engel! Ich muss erst nachdenken!“ Papageno zögert.
„Papageno, ich rate dir, zögere nicht. Deine Hand! Oder du bist auf immer hier eingesperrt.
„Eingesperrt?“
„Wasser und Brot sollen dann dein Essen sein. Du musst ohne Freunde und ohne Freundinnen leben!“
„Wasser trinken? Keine Freundin haben? Nein, da will ich doch lieber eine Alte nehmen, als gar keine. Nun, da hast du meine Hand: Ich will dir immer treu bleiben!“ Aber zu sich sagt er leise: „So lange ich keine schönere sehe.“
„Das schwörst du?“
„Ja, das schwöre ich!“
In diesem Moment geschieht ein Wunder: Die Alte verwandelt sich in eine junge Frau. Sie ist genauso gekleidet wie Papageno.
„Pa - Pa - Papagena!“ Er will sie umarmen.
Aber er darf sie noch nicht in die Arme nehmen.
25. Auftritt
Ein Priester nimmt das junge Mädchen an der Hand und führt es weg.
„Komm, junge Frau! Papageno darf dich noch nicht haben.“
Papageno will ihr nachgehen, aber der Priester sagt: „Zurück!“
Papageno schimpft2: „Bevor ich zurückgehe, soll die Erde mich verschlingen!“
In diesem Moment ist Papageno verschwunden.
Man hört ihn noch von weitem rufen: „O ihr Götter!“
26. Auftritt
Die Bühne verwandelt sich in einen kleinen Garten.
Die Sonne geht auf. Die drei Knaben erscheinen und sehen in die Sonne:
„Die Sonn betritt ihre goldene Bahn. Schon kommt der Tag und es wird hell. Bald siegt der weise Mann. O Ruhe, kehre wieder in die Herzen von den Menschen! Dann ist die Erde ein Himmelreich und die Menschen sind wie Götter. Doch seht, Pamina ist verzweifelt!“
„Wo ist sie denn?“, fragt der erste Knabe.
„Dort. Sie ist verrückt!“, sagt der zweite Knabe.
Pamina hält einen Dolch in der Hand.
„Sie leidet. Sie denkt, Tamino liebt sie nicht. Doch sie kommt näher! Gehen wir ein bisschen weg. Wir wollen sie beobachten. Was macht sie?“
27. Auftritt
Pamina sieht den Dolch an.
„Du bist also mein Bräutigam? Ich beende durch dich meinen Schmerz. Geduld, mein Freund! Ich bin dein. Bald sind wir verbunden!“
Die drei Knaben sind besorgt: „Die Arme ist wahnsinnig. Was sagt sie da? Sie will Selbstmord begehen . Sie will sich selbst töten. O nein! Liebes Mädchen, sieh uns an!“
„Ich will sterben. Der Mann hat mich verlassen. Ich kann ihn nicht hassen.“
Dann zeigt sie auf den Dolch: „Der Dolch ist von meiner Mutter.“
Die Knaben mahnen sie:„Gott bestraft den Selbstmord.“
„Ich will lieber durch diesen Dolch sterben. Der Kummer ist zu groß. Mutter, ich leide durch dich und dein Fluch verfolgt mich.“
Die Knaben rufen: „Mädchen, willst du nicht mit uns gehen?“
„Nein, mein Schmerz ist zu groß! Falscher Jüngling, lebe wohl!
Sieh, Pamina stirbt durch dich. Dieses Eisen tötet mich.“
Sie holt mit der Hand aus.
Die Knaben springen zu ihr und halten ihren Arm fest.
„Halt, Unglückliche! Der Jüngling liebt nur dich allein.“
Pamina schaut auf.
„Was? Er fühlt Gegenliebe und versteckt seine Gefühle? Er schaut mich nicht an. Warum spricht er nicht mit mir?“
„Dieses müssen wir verschweigen! Doch wir wollen ihn dir zeigen und du kannst mit Staunen sehen: Sein Herz schlägt nur für dich und er hat keine Angst vor dem Tod.“
„ Führt mich zu ihm, ich möcht ihn sehen!“
„Komm, wir wollen zu ihm gehen. Keine Menschenmacht kann zwei liebende Herzen trennen. Die Feinde können sie nicht zerstören. Die Götter selbst schützen sie.“
28. Auftritt
Die Bühne verwandelt sich in zwei große Berge. In dem einen ist ein Wasserfall. Man hört sausen und brausen. Der andre spuckt Feuer aus. Jeder Berg hat ein Gitter. Dahinter sieht man Feuer und Wasser. Über dem Feuer leuchtet der Horizont hellrot, über dem Wasser liegt schwarzer Nebel.
In der Mitte steht eine Pyramide. Zwei Männer in schwarzer Rüstung führen Tamino herein. Auf ihren Helmen brennt Feuer. Auf einer Pyramide befindet sich eine transparente Schrift. Tamino ist leicht gekleidet. Er hat keine Schuhe an.
Die Männer lesen Tamino die Schrift vor: „Wer diese Straße mit Mühe wandert, wird rein durch Feuer, Wasser, Luft und Erde. Kann er den Schrecken des Todes überwinden, steigt er von der Erde zum Himmel. Er ist erleuchtet und kann sich ganz den Mysterien der Isis weihen.“
Tamino ruft: „Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich bin ein Mann! Ich gehe den Weg der Tugend weiter. Schließt mir die Türen auf!“
Da hört er Pamina von innen rufen: „Tamino, halt, ich muss dich sehen!“
„Was höre ich, die Stimme von Pamina? Ja, ja, das ist Paminas Stimme! Nun kann sie mit mir gehen. Nun trennt uns kein Schicksal mehr! Darf ich mit ihr sprechen?“
„Ja, du darfst jetzt mit ihr sprechen“, sagen die Männer. „Welches Glück! Nun könnt ihr froh Hand in Hand in den Tempel gehen. Pamina hat keine Angst vor der Nacht und dem Tod. So eine Frau ist es wert und gehört zu den Eingeweihten!“
Die Tür öffnet sich. Tamino und Pamina umarmen sich.
„Tamino mein! O welch ein Glück!“
„Pamina mein! O welch ein Glück!“
Sie nimmt ihn an der Hand. „Ich will überall an deiner Seite sein. Ich selbst führe dich. Die Liebe leite mich! Wir gehen jetzt durch die Türen des Schreckens. Not und Tod nähern sich. Aber die Liebe bestreut den Weg mit Rosen. Doch Rosen haben aber immer Dornen. Dann spiel du die Zauberflöte! Mein Vater hat sie in einer Zauberstunde aus einer tausendjährigen Eiche bei Blitz und Donner, Sturm und Braus geschnitzt. Sie schützt uns auf unserem Weg.“
„Gut, ich komme und spiele auf der Flöte.“
Die zwei Männer wünschen ihnen: „Die Flöte leite euch auf eurem schrecklichen Weg!“
So wandern Tamino und Pamina mit der Macht der Flöte froh durch die düstere Nacht des Todes.
Die Türen schließen sich hinter ihnen. Feuer prasselt vom Himmel. Tamino bläst seine Flöte. Tamino und Pamina kommen aus dem Feuer heraus und umarmen sich.
Der Wind heult, es donnert und man hört weit unten Wasser rauschen. „Dein Ton schützt uns auch vor Wasser, Tamino“, ermutigt ihn Pamina. „Nur Mut, gehen wir weiter!“
Tamino bläst. Sie steigen hinunter und kommen nach einiger Zeit wieder herauf. Sogleich öffnet sich eine Tür zu einem Tempel. Er ist hell erleuchtet. Es herrscht feierliche Stille. Dann erklingen Trompeten und Pauken.
Tamino und Pamina sind sehr bewegt: „Ihr Götter, welch ein Augenblick! Erlaubt ist uns Isis Glück!“
Die Priester begrüßen sie: „Triumph, du edles Paar! Ihr habt die Gefahr besiegt! Isis gibt euch nun die Weihe. Kommt, tretet in den Tempel ein!“
29. Auftritt
Die Bühne verwandelt sich wieder in den Garten.
Papageno steht alleine da und ruft mit seinem Pfeifchen: „Papagena! Frauchen! Täubchen! Meine Schöne! – Vergebens! Ich habe die Probe verloren. Ich habe geredet. Das war schlecht. Es ist umsonst! Ich will sterben!“
Papageno nimmt einen Strick und geht zu einem Baum.
„An diesen Baum will ich mich erhängen. Das Leben gefällt mir nicht mehr. Gute Nacht, du schwarze Welt! Du behandelst mich schlecht. Du schickst mir kein schönes Mädchen. Es ist aus, ich sterbe: Schöne Mädchen, denkt an mich! Vielleicht will sich eine noch um mich Armen erbarmen! Dann will ich mich nicht erhängen. Ruft nur: ja, oder nein! – Keine hört mich. Alles still!“