Sendung: tagesschau 17.03.2020 17:00 Uhr - Coronavirus verbreitet sich schneller
Themen der Sendung: Coronavirus verbreitet sich in Deutschland zunehmend schneller, Pressekonferenz des Bundeslandwirtschaftsministeriums: Hamsterkäufe sind unnötig, EU-Sondergipfel per Videokonferenz, Volkswagenkonzern kündigt vorübergehende Werksschließungen in Europa an, Frankreich verhängt Ausgangssperre, Fußball-Europameisterschaft verschoben, Das Wetter
---------------------------------------------
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Susanne Holst
Willkommen zur tagesschau.
Auch in Deutschland breitet sich
das Coronavirus schneller aus:
Mehr als 7500 Infektionen
sind laut Johns Hopkins Universität
bestätigt.
17 Menschen sind gestorben.
Das Robert Koch-Institut stuft
das Risiko für die Bevölkerung
inzwischen als hoch ein.
RKI-Präsident Wieler betonte,
man müsse die Ausbreitung eindämmen,
damit das Gesundheitssystem
nicht überlastet werde.
Krankenhäuser stellen sich
auf eine drastische Zunahme
von Corona-Patienten ein.
Das Virus verbreitet sich.
Häufig weiß man nicht,
wo Patienten sich angesteckt haben.
Das Robert Koch-Institut
änderte die Einstufung des Risikos
für die Bevölkerung:
Es gilt als "hoch".
Sogar gut aufgestellte
Gesundheitsämter
und Universitätskliniken haben
Probleme mit steigenden Fallzahlen.
Darunter sind auch
schwere und sehr schwere Fälle
auf den Intensivstationen.
Bayern verstärkt
seine Gesundheitsbehörden
um 400 Mitarbeiter.
Krankenhäuser dürfen
vorerst nur medizinisch
notwendige Operationen durchführen,
um Kapazitäten freizuhalten.
Bayerns Ministerpräsident
nennt die Corona-Krise
einen Charaktertest.
Deswegen bitte auch:
keine Hamsterkäufe zu machen,
keine Sonderbargeldabhebungen.
Der reguläre Verlauf,
das reguläre Leben geht weiter.
Gesundheitsminister Spahn ruft
zu Solidarität und Zuversicht auf.
Es gebe Anlass zur Sorge,
aber keinen Grund zur Panik.
Es werden politische Entscheidungen
getroffen,
die für viele Bürgerinnen und Bürger
sehr ernsthafte Folgen haben.
Das reicht von der Aufgabe,
im Homeoffice zu arbeiten
und die Kinder zu betreuen
bis zu der Unsicherheit
der Zukunft des Arbeitsplatzes.
Morgen trifft der Arbeitsminister
mit Arbeitgebervertretern
und Gewerkschaften zusammen.
Es geht um Möglichkeiten
der Lohnfortzahlung für Beschäftigte,
die wegen Kinderbetreuung
länger ausfallen.
Ich erwarte von den Arbeitgebern,
dass diese Woche
Lohnfortzahlung geleistet wird.
Wir arbeiten an Lösungen für
Schließungen von Schulen und Kitas,
damit Eltern
keine Gehaltseinbußen haben.
Mehrere Tausend deutsche Urlauber
sitzen etwa in Marokko fest,
weil Reiseländer
Beschränkungen verfügt haben.
Die Bundesregierung stellt 50 Mio.
Euro für eine Rückholaktion bereit.
Dafür hat das Auswärtige Amt gestern
mit kommerziellen Fluganbietern
ein einmaliges Programm vereinbart.
Damit können wir
im Laufe der nächsten Tage
deutsche Pauschalreisende
zurückholen.
Der Außenminister warnt
vor nicht notwendigen Reisen.
Mit zunehmenden
drastischen Einschränkungen
müsse überall gerechnet werden.
Hamsterkäufe
führen derzeit in Supermärkten
vorübergehend zu leeren Regale.
Viele Verbraucher decken sich
mit Hygieneartikeln,
haltbaren Lebensmitteln wie Mehl,
Nudeln oder Konserven ein.
Das schade nur,
so Landwirtschaftsministerin
Klöckner auf einer Pressekonferenz.
Die Landwirtschaftsministerin
stellt klar:
Die Lebensmittelversorgung
sei gesichert.
Sie und der Handelsverband
warnen vor Hamsterkäufen.
Ruhe und Augenmaß seien gefragt.
Vorsorge zu treffen,
das ist wichtig.
Aber bitte
kaufen Sie bedarfsgerecht ein.
Es gibt keinen Grund,
Lebensmittel zu horten.
Wir haben einen Appell
an die Kunden,
den Haupteinkauf nicht
aufs Wochenende zu verlegen.
So können Regale
wieder aufgefüllt
und die Waren den Menschen
angeboten werden.
Derzeit werde noch nicht
darüber nachgedacht,
den Zugang zu Supermärkten
zu beschränken.
Kunden nur vereinzelt
ins Geschäft zu lassen.
Es gibt keine Hinweise
vom Robert Koch-Institut,
auf Vereinzelung zu dringen.
Wir haben viele Bereiche,
wo Menschen in Kontakt kommen.
Da wurde bisher
die Notwendigkeit nicht gesehen,
die Menschen stark zu vereinzeln.
Das Lebensrisiko,
etwa vom Auto überfahren zu werden,
besteht weiterhin.
Statt Supermarkt
Einkaufen an der frischen Luft,
wie auf diesem Wochenmarkt in Mainz.
Denn auch die Märkte
sind weiter geöffnet.
Für viele Landwirte
stellt sich aber die Frage:
Wer hilft demnächst auf dem Feld?
2019 gab es 300.000 Saisonarbeiter.
Das hat für uns höchste Priorität.
Die Pflanzen sind bestellt
und müssen raus.
Bei Jungpflanzen haben Sie ein
Zeitfenster von drei, vier Tagen.
Dann müssen die aufs Feld,
sonst wachsen die nicht mehr an.
Ein weiterer Härtetest
wird auch die Spargelsaison.
Eine Lösung war heute
noch nicht in Sicht.
Ein EU-Gipfel per Videokonferenz:
In Zeiten der Corona-Krise
greifen die Regierungschefs
erneut zu dieser Maßnahme.
Thema ist erneut die Corona-Pandemie
und wie die Mitgliedsländer
die Verbreitung bremsen können.
Es geht es auch darum:
EU-Kommissionspräsidentin
von der Leyen schlägt vor,
Einreisen in die EU
für 30 Tage weitgehend zu stoppen.
Markus Preiß in Brüssel.
Was verbirgt sich hinter
dem Vorschlag, wie kommt er an?
Man will für 30 Tage unnötige
Reisen in die EU stoppen.
Frankreichs Präsident Macron
hat gesagt,
er wird das sofort einführen.
Von der Leyen geht davon aus,
dass alle Regierungschefs mitziehen.
Für EU-Mitglieder und Familie
gilt der Vorschlag nicht.
Geredet wird auch über
ein EU-Konjunkturprogramm.
Wird man da heute weiterkommen?
Ich habe heute
mit Diplomaten gesprochen.
Die gehen nicht davon aus.
Es ist noch nicht klar,
was man genau braucht.
Die Krise wird uns
noch länger beschäftigen.
Man hat in den USA gesehen:
Die Zentralbank hat drastisch
die Zinsen gesenkt,
das hatte nur einen Panikeffekt.
Man wird sich eher darum kümmern,
dass Menschen
an innereuropäischen Grenzen
nicht mehr gestrandet sind.
Der VW-Konzern reagiert auf
die Corona-Krise
und schließt viele europäische Werke
für zwei bis drei Wochen.
Es gibt Produktionsunterbrechungen
bereits in Spanien, Portugal,
Italien und in der Slowakei.
Die meisten anderen europäischen
Standorte sollen bis Freitag folgen.
Das VW-Stammwerk in Wolfsburg -
noch kommen Mitarbeiter zur Arbeit.
Ab Freitag stehen die Bänder
in den meisten VW-Fabriken still.
Die Reaktionen: gemischt.
Bei VW sind wir
in einer komfortablen Lage.
Ich bin nicht selbstständig,
nicht Restaurantbetreiber.
Die werden das für uns regeln.
Ich weiß nicht,
wie lange das sein wird.
Was danach kommt.
Wir sind erst
am Anfang der Entwicklung.
Der weltgrößte Autokonzern fährt
die Produktion europaweit auf null.
Wegen der Corona-Krise
werden Autoteile knapp,
Lieferketten funktionieren nicht,
Käufer bleiben zu Hause.
Die Pandemie bringt operative
und finanzielle Herausforderungen.
Zudem sind nachhaltige
Konjunktureinflüsse zu befürchten.
Bei der Konzernmarke Audi arbeiten
in der Produktion 30.000 Menschen.
VW will für Teile der Belegschaft
Kurzarbeitergeld beantragen.
Für uns steht die Gesundheit
der Menschen an oberster Stelle.
Aber wir wollen die finanziellen
Auswirkungen minimieren.
Wir hoffen, dass uns da
das Unternehmen entgegenkommt.
Die deutsche Auto-Industrie:
im Ausnahmezustand.
Der Produktionsstopp bei VW
trifft viele Zuliefer-Unternehmen.
Die finanziellen Folgen
kann niemand überblicken.
Klaus-Rainer Jackisch in Frankfurt.
Deutschlands Schlüsselindustrie
stellt teils den Betrieb ein.
Wie wird das
an der Börse aufgenommen?
Das sieht man hier
mit großen Sorgen.
In dieser Branche arbeiten
830.000 Menschen in Deutschland.
Wegen der Umstellung
auf die E-Mobilität
ist sie sowieso in Turbulenzen.
Opel hat ebenfalls seine Werke
geschlossen in Deutschland.
Auch die deutsche Tochter
von Ford hat das vor.
Die Konjunkturaussichten
sind schlecht.
Der DAX kann sich
dennoch stabilisieren.
Man sollte da nichts
hineininterpretieren.
Die Nervosität ist groß.
Nach Italien und Spanien schränkt
auch Frankreich die Bewegungsfreiheit
seiner Bürger drastisch ein.
Präsident Macron sagte gestern
in einer TV-Ansprache,
alle müssten möglichst
zu Hause bleiben.
Raus dürfen die Menschen
nur noch für Lebensmitteleinkäufe
oder Arztbesuche -
oder um zur Arbeit zu kommen.
Die Ausgangssperre
soll zunächst zwei Wochen dauern
und streng kontrolliert werden.
Seit 12 Uhr gilt die Ausgangssperre.
Paris im Ausnahmezustand.
Kaum Menschen, kaum Verkehr.
Gestern Abend
hatte der französische Präsident
angesichts der Corona-Krise
drastische Worte gewählt:
Jede Aktion der Regierung
und des Parlaments
dient dem Kampf gegen die Epidemie.
Nichts wird uns davon abhalten.
Noch am Wochenende waren viele
Franzosen unbekümmert unterwegs.
Jetzt darf man seine Wohnung
nur noch verlassen, um einzukaufen,
zur Apotheke oder zum Arzt zu gehen.
Oder wenn man am Arbeitsplatz
unabkömmlich ist.
Überall im Land werden das mehr
als 100.000 Polizisten überwachen.
Bei Verstößen drohen Strafen
bis 135 Euro.
Mehr noch:
Die Kommunalwahlen wurden verschoben,
geplante Gesetze auf Eis gelegt.
Der Automobilkonzern PSA legte
die Produktion still, ebenso Airbus.
Macron hat Garantien über 300 Mrd.
Euro für Unternehmen angekündigt.
Dazu gibt es 45 Mrd. Soforthilfe.
Ich rufe alle Akteure in Politik,
Wirtschaft, Gesellschaft,
alle Franzosen auf:
Wir brauchen
den Zusammenhalt der Nation,
mit dem unser Land
auch frühere Krisen gemeistert hat.
Das öffentliche Leben in Frankreich
steht still.
Wie lange, weiß niemand.
Das Corona-Virus hat nicht nur den
Ligenbetrieb im Fußball gestoppt.
Der europäische Fußballverband
verschiebt die EM um ein Jahr.
Das entschied das Exekutivkomitee
der UEFA.
Das Turnier sollte
in europäischen Ländern
zwischen dem 12. Juni und 12. Juli
ausgetragen werden.
Jetzt werden die Spiele
im Sommer 2021 stattfinden.
Sie werden leer bleiben
diesen Sommer, die EM-Stadien.
Durch die Verlegung der EM
um ein Jahr
will die UEFA den nationalen Ligen
Zeit verschaffen.
Der Spielbetrieb wird gerade
ausgesetzt wegen des Coronavirus.
Nach einer Videokonferenz
teilte UEFA-Präsident Ceferin mit:
Die Euro soll am 11. Juni 2021 mit
dem Eröffnungsspiel in Rom starten.
Ein Jahr später.
Für den deutschen Spielort München
ist die Verlegung ernüchternd.
Ich verstehe die Enttäuschung
der vielen Tausend Fußballfans.
In München gibt es auch
viele Tausende Enttäuschte,
die gerne die Fußballnationalelf
hier gesehen hätten.
Ich kann das 100 Prozent
nachvollziehen.
Ich bin aber als Oberbürgermeister
auch in diversen Corona-Krisenstäben
und die Entscheidung
war unvermeidbar.
Die Verlegung auch alternativlos.
Denn es ist unklar, wann es wieder
Spiele mit Publikum gibt.
Die deutschen Clubs fürchten
finanzielle Turbulenzen,
falls nationale Ligen
nicht zu Ende gespielt werden.
Die UEFA hofft, ihre finanziellen
Verluste kompensieren zu können.
Zum Wetter: Morgen lässt sich
die Sonne wieder blicken.
In der Nacht im Südosten anfangs
Schauer.
Sonst ist es trocken und klar.
Im Verlauf bildet sich
im Süden und in der Mitte Nebel.
Nach Nebelauflösung
scheint die Sonne.
Später bilden sich Quellwolken.
Im Norden breiten sich
dichte Wolken aus.
Daraus regnet es an den Küsten.
Um 20 Uhr haben wir
eine neue tagesschau für Sie.
Copyright Untertitel: NDR 2020