Schwarze Linien im Licht? Was sie verraten! | Harald Lesch
Woher wissen wir eigentlich überhaupt was von den Sternen? Die sind so weit weg, nur Punkte am Himmel.
Damit hat alles angefangen. Damit beginnt die moderne Astronomie. Damit beginnt sogar das Problem,
das später von der Quanten- mechanik gelöst wird, nämlich:
Was ist eigentlich die Natur des Lichts? Wie kommen schwarze Linien ins Licht?
[Intro-Musik]
Wir sind hier in der Ausstellung "Natur- wissenschaften um 1800" und hier kann man lernen,
wie Naturwissenschaften um 1800 angefangen haben, sich mit dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren
zu beschäftigen. Das Spektrum hier, von Joseph von Frauenhofer 1814 veröffentlicht,
stammt eigentlich aus einer Untersuchung darüber, wie man Linsen optimal schleifen kann, sodass
sie, möglichst unabhängig von der Farbe, das Licht so brechen, wie sie es tun sollen.
Und dabei entdeckte er im Sonnenlicht, also dem Spektrum der Sonne, hauchdünne schwarze Linien.
Wie sich rausstellen wird, sind es Absorptionslinien, die dadurch entstehen, dass Licht verschluckt wird.
Angefangen hat alles damit, dass Isaac Newton Licht durch ein Prisma geschickt hat.
Und dann wurde aus dem weißen Licht das hier. Alle waren begeistert, was das Glas mit dem Licht macht!
Dann hat Newton ein zweites Prisma genommen, hat nur das rote Licht durchgeschickt und es blieb rot.
Es war nicht das Prisma, was das Licht farbig machte, sondern das sind die Bestandteile von weißem Licht.
Aber was hat es mit den Linien auf sich? Dunkle Linien im Spektrum der Sonne.
Was ist denn das? Wir haben auf der einen Seite den Körper, der strahlt, nämlich die Sonne, und
offenbar hat die Sonne noch eine Atmosphäre, die sogenannte Photosphäre. Die Sonne ist ein ziemlich
großer Gas-Ball - 700.000 km Radius und eine Temperatur von über 5.700 Kelvin. Und über ihr ist
eine Atmosphäre aus dünnerem Gas. Also das dichte Gas der Sonne produziert ein kontinuierliches
Spektrum und die Atmosphäre darüber verschluckt in Teilen das Licht, das von diesem Gas-Ball kommt.
Fast 50 Jahre später werden andere feststellen, dass es nicht nur Absorptionslinien gibt, sondern
auch Emissionslinien. Das heißt, es wird Licht verschluckt oder abgegeben. Man hat zwei verschiedene
Arten, wie Licht von Atomen aufgenommen wird. Und dann erkannte man Mitte des 19. Jahrhunderts,
dass jede dieser Linien mit chemischen Elementen zusammenhängt. Das ist gar nicht so lange her,
dass wir begriffen haben, dass es wirklich Atome gibt und dass diese Atome Licht in einer bestimmten
Form aufnehmen und abgeben. Und zwar nicht kontinuierlich, sondern im Gegenteil. Das war der
Beginn der Quantenmechanik. Weil man nämlich fest- stellte, dass es in jedem Atom nur bestimmte
Zustände gibt, die von Energie aufnehmenden oder abgebenden Elektronen eingenommen werden können.
Wenn sie im Grundzustand sind, können sie Energie aufnehmen, z. Bsp. auf einen anderen Zustand springen.
Wenn sie dann da oben sind, gibt es eben dieses grundlegende Prinzip in der Physik: Wenn ein System
angeregt ist, wird es sich möglichst schnell wieder auf den Grundzustand niedrigster Energie abregen.
Dann wird es die gleiche Menge Energie, die es aufgenommen hat, wieder abgeben. Und da das Licht
in eine zufällige Richtung wieder abgegeben wird, fehlt dieser Teil des Spektrums in der
ursprünglichen Richtung des Lichts und das zeigt sich als Absorptionslinie.
Je mehr Elektronen in einem chemischen Element verteilt sind, umso vielfältiger
kann das Spektrum sein. Jedes Element hat sein charakteristisches Muster und kann über diese
Linien identifiziert werden. Bei den einfachsten Elementen, Wasserstoff und Helium,
ist das Spektrum zwar auch schon vielfältig, aber längst nicht so wie bei vielen anderen chemischen
Elementen, weil da einfach viel mehr Elektronen in der Hülle sind.
Das ist tatsächlich der Beginn der Untersuchung der Materie auf einer Längenskala, die für
uns unsichtbar ist. Wir reden über Teilchen, die winzig sind. Atome sind total winzig.
Wenn wir 1 Gramm von unserem Finger abschneiden, haben wir eine Quadrillion Atome drin.
Atome müssen unglaublich klein sein. Und doch gelingt es, die Dynamik und die Physik dieser
Atome damit zu verstehen, dass man das abgegebene Licht genauer untersucht.
Damit hat man ein molekulares Skalpell, um Materie auf einer ganz kleinen Längenskala zu untersuchen.
Was macht man heute in der Astronomie mit diesen Emissions- und Absorptionslinien?
Man findet Planetensysteme um andere Sterne herum! Weil nämlich dadurch, dass ein Planet sich
um einen Stern herum bewegt, der Stern vom Planeten genauso angezogen wird, wie umgekehrt,
das heißt, die bewegen sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt.
Der Stern eiert ein wenig, das heißt, er torkelt um diesen Schwerpunkt herum.
Und diese Bewegung kann man in den Linien sehen. Die Blau- oder Rotverschiebung des gesamten
Spektrums ohne die schwarzen Linien wären in der Praxis viel zu schwer zu messen.
Bei Frauenhofer war das noch unmöglich, der hat stationäre Spektren beobachtet. Aber wir können
heute Spektren so weit auseinander ziehen und dabei ganz feine Bewegungen von Spektralen
beobachten und auf diese Weise direkt darauf schließen, ob um einen anderen Stern herum sich
ein Planetensystem bewegt. Wir können aber auch entdecken, ob etwas zwischen uns und den Sternen ist.
Ob da ein Material ist, das das Licht der Sterne verschluckt. Und zwar vor allen Dingen dann, wenn sich
diese Linien nicht bewegen. So wurde das inter- stellare Medium entdeckt. Anhand von nicht bewegten
Absorptionslinien. Da beobachtete jemand ein Doppelsternsystem, also ein Stern der um einen
anderen kreist und da gab es abwechselnd Rot- und Blauverschiebungen und dazwischen waren
Linien, die sich nicht bewegt haben. Während alle anderen Linien sich hin und her bewegt haben,
waren da Calcium-Absorptionslinien, die sich einfach nicht bewegt haben. Und damit war klar, dass
zwischen dem Beobachter und dem Stern ein Material sein muss, dass Teile des Lichts verschluckt
aber in keiner Weise mit der Bewegung des Sterns zusammenhängt. Das interstellare Medium war
entdeckt. Man hat sogar so das interstellare Medium anderer Galaxien entdeckt. Und, noch viel
toller: Man kann anhand bestimmter Linien gar die Rotation von Galaxien beobachten.
Also die Gesamtbewegung eines Objektes, das mehrere 100.000 Lichtjahre groß ist.
Und man kann sehen, wie sich das Material um schwarze Löcher herum bewegt und vieles anderes mehr.
Also die Entdeckung der Absorptions- linien im Spektrum unserer Sonne war der
Beginn einer unglaublichen Entdeckungsreise der Astronomie.