Klare Abgrenzung zu Feinden der Demokratie
Trump ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Hass und politische Hetze meist zu Gewalt führen, meint Martin Ganslmeier. Eine klare politische Abgrenzung zu Feinden der Demokratie ist nötig - auch in Deutschland und Europa.
Ein Kommentar von Martin Ganslmeier, ARD-Hauptstadtstudio
Die fürchterlichen Ereignisse in Washington, der Sturm aufs Kapitol, haben der amerikanischen Demokratie schweren Schaden zugefügt. Seine Vorbildfunktion für Demokratien in aller Welt hat Amerika in den vergangenen Jahren verloren. Doch die klare Distanzierung von Donald Trump und dem Trumpismus darf nicht zu einer Abkehr von den USA führen. Im Gegenteil: Deutschland und Europa müssen in den kommenden Jahren alles tun, um die transatlantischen Beziehungen wieder zu vertiefen.
Austausch mit Biden-Regierung - und mit Republikanern
Amerika war für die junge deutsche Demokratie jahrzehntelang wie ein großer Bruder, auf den man sich verlassen konnte. Jetzt erlebt der große Bruder die größte politische Krise seit Jahrzehnten. Nicht Abkehr ist nun angesagt, sondern Unterstützung und Austausch: zum Beispiel durch intensivere Handelsbeziehungen und eine gerechtere Lastenverteilung in der NATO. Dabei sollte sich die deutsche Außenpolitik nicht nur um engen Austausch mit der künftigen Biden-Regierung kümmern. Gerade jetzt ist es wichtig, die in den Trump-Jahren abgerissenen Kontakte zu den Republikanern wieder zu beleben.
Keine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten
Es gibt eine weitere Lehre aus den Ereignissen in Washington: Rechtspopulistische Parteien und Bewegungen, die es auch in Europa und in Deutschland gibt, dürfen nicht verharmlost werden. Autokraten und andere Feinde der offenen Demokratie dürfen nicht durch Zusammenarbeit mit ihnen hoffähig gemacht werden. Eine klare politische Abgrenzung ist nötig. Trump ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Hass und politische Hetze meist zu Gewalt führen. Rechtspopulisten sind geistige Brandstifter.
Das darf aber nicht bedeuten, dass sich die Politik nicht mehr um die Anhänger rechtspopulistischer Parteien schert. Im Gegenteil: Hillary Clintons böse Bezeichnung vom "Haufen Verachtenswerter" entspricht genau jener überheblichen Geisteshaltung, die auch unter deutschen Eliten in linksliberal-urban geprägten Blasen vorkommt. Auch die deutsche Politik muss sich viel mehr als bisher um die Verlierer der Globalisierung kümmern, ihnen berufliche Perspektiven und Wertschätzung geben.
Starke Demokratien brauchen unabhängige Medien
Und noch eine wichtige Lehre: Eine viel zu wenig beachtete Ursache für die gefährliche politische Spaltung Amerikas seit Mitte der 1990er-Jahre ist die Spaltung der Medienlandschaft in den USA. Die fanatisierten Trump-Anhänger, die das Kapitol erstürmten, sind absolut überzeugt davon, dass sie richtig und wahrhaft patriotisch handeln. Ihre Überzeugung wird durch parteiische Medien bestärkt und im Netz millionenfach verbreitet. Und längst gibt es auch linke Propaganda in US-Medien.
In der überwiegend kommerziellen Medienlandschaft Amerikas sorgt harte Meinungsmache für höhere Quoten und mehr Geld als das Bemühen um möglichst objektive Berichterstattung. Als Folge gibt es in den USA kein mediales Lagerfeuer mehr, um das sich die Bürger versammeln, um das herum sie gemeinsam kommunizieren. Informationen aber sind die Währung der Demokratie, hat schon der dritte US-Präsident Thomas Jefferson erkannt. Starke Demokratien brauchen deshalb starke und unabhängige Qualitätsmedien.