Von AfD bis Vox - Rechtsruck durch Europa - ARTE Europa
19 Prozent für die AfD. Wenn jetzt Bundestagswahl wäre, würde sie zweitstärkste Kraft sagen Umfragen. Überrascht? Die extreme Rechte ist längst nicht nur in Deutschland auf dem Vormarsch. Die Debatte über rechte Tendenzen in Deutschland läuft gerade auf Hochtouren. Neue Studien sagen, jeder zweite stimme muslimfeindlichen Aussagen zu. Und sieben Prozent der Ostdeutschen hätten ein geschlossen rechtsextremes Weltbild. Rechtsradikale Parteien gewinnen gerade nicht nur bei uns an Einfluss, sondern auch in anderen EU-Ländern. Drei aktuelle Wahlen seht ihr hier im Schnelldurchlauf. Europa rückt nach rechts. Jüngster Vorstoß in Thüringen Ende Juni. Die AfD gewinnt die Landratswahl mit 53 Prozent der Stimmen. Ihre Parolen populistisch und rückwärts gewandt. In der Stichwahl setzte sich AfD-Mann Sesselmann gegen seinen CDU-Konkurrenten durch. Der Landkreis Sonneberg schreibt Geschichte. Die AfD ist nunmehr als Volkspartei hier im Kommunalbereich in Thüringen und auch in der Bundesrepublik Deutschland angekommen. Daraufhin grenzen sich jedoch alle anderen Parteien klar von der AfD ab. Diese Tendenz aber bröckelt in Europa. Einige konservative Parteien schrecken nicht mehr davor zurück, Bündnisse mit rechtsextremen Parteien einzugehen. Schauen wir auch auf die Wahlen in Griechenland. Dort setzte sich im Juni die liberal-konservative Nea Demokratia klar durch. Mit mehr als 40 Prozent der Stimmen ein klarer Sieg. Sie kann alleine regieren. Aber auch das ist passiert. Drei rechtsextreme Parteien zogen ins griechische Parlament ein mit 12 Prozent der Stimmen. Darunter die Spartaner, die von einem ehemaligen Mitglied der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte unterstützt wird, hier bei seiner Verhaftung. Er sitzt wegen Mordes im Gefängnis. Im Parlament daher der Parteichef der Spartiates. Es hat lange gedauert, aber endlich wird eine nationalistische Stimme, unsere Stimme im griechischen Parlament zu hören sein. Meine Bewegung, die Spartaner, vertritt alle Ideale des Hellenismus. Werte, die unserem Land heute fehlen. Wir sind nicht im Parlament, um zu spalten. Wir sind im Parlament, um alle Kräfte zu vereinen. Auch in Finnland breitet sich braunes Gedankengut aus. Jetzt auch bis in die Regierung und ins Parlament. Neuer Parlamentssprecher ist Jussi Halla-Aho, der Partei der wahren Finnen. Der ehemalige rechtsextreme Blogger wurde mehrfach wegen rassistischer Äußerungen verurteilt. Er verdankt sein neues Amt diesem Mann. Konservativer Premier, der ein Bündnis mit den Rechtsextremen einging. Ein anderer hat sich nicht lange gehalten. Wilhelm Junila sollte für zwei Jahre Wirtschaftsminister sein. Nach zehn Tagen trat er zurück. Er war dann doch zu umstritten. Natürlich kann man nicht alle Parteien am rechten Rand des politischen Spektrums über einen Kamm scheren. Aber die Linie ist klar. Völkischer Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, eine ablehnende Haltung zu demokratischen Institutionen und so weiter. In Spanien werden solche Ideen von der Partei Vox vertreten. Das ist ihr Chef, Santiago Abascal. Und der sieht sich schon in der nächsten Regierung, so gut läuft es für seine Partei. Bei den Parlamentswahlen im Juli hofft er vor allem auf Stimmen vom Land. Über Castilians Weiden braut sich Unmut zusammen. Die Herden von Viehzüchtern wie Juan Luis Delgado unterliegen strengen Gesundheitskontrollen. Madrid ergreift rigorose Maßnahmen, um die Rindertuperkulose zu bekämpfen und auszurotten. Ich habe 300 bis 400 Kühe. Mein Betrieb wird alle sechs Monate kontrolliert. Bei einem einzigen positiven Fall darf ich kein einziges Kalb mehr verkaufen. Die Inzidenzrate von Rindertuperkulose in Spanien ist in Castilien am höchsten. Doch die Regionalregierung, die sich aus konservativen und der rechtspopulistischen Partei Vox zusammensetzt, hat dieses Protokoll gegen den Rat der Tierärzte gelockert. Spaniens Regierung hat die Entscheidung umgehend blockiert. Wütend stürmten Delgado und rund 100 weitere Viehzüchter den Sitz der Regionalregierung. Diese Bilder zeigen unsere Wut. Ich möchte diese Reaktion nicht rechtfertigen, aber wir haben unsere Gründe. Wir können nicht mehr. Manche Betriebe werden ständig kontrolliert. Die Maßnahmen gehen nicht in die richtige Richtung. Diese Kontrollen sind unverhältnismäßig. Für die öffentliche Gesundheit ist Rindertuperkulose inzwischen keine Gefahr mehr. Der Aufstand der Viehzüchter ist Wasser auf die Mühlen von Vox. Wenige Wochen vor den Parlamentswahlen macht der Parteivorsitzende Santiago Abascal persönlich in Madrid Wahlkampf mit dem Thema Landwirtschaft. Wir werden Spanien von dieser Regierung befreien, die unsere Landwirtschaft ruiniert. Sie will, dass wir unsere Herden opfern, wenn nur eine einzige Kuh krank ist. Sie will nicht, dass wir kranke Tiere einfach nur isolieren. Das ist gegen den gesunden Menschenverstand. Auch für Reis aus Valencia oder für Tomaten gibt es neue Regeln. Aber Produkte aus Nicht-EU-Ländern dürfen bei uns ohne Auflagen verkauft werden. Auch in Videoclips nimmt Vox immer wieder Bezug auf die Landwirtschaft. Durch diesen Agrarpopulismus etabliert sich die Partei in ganz Spanien. Das ist ein ausgeklügeltes, politisches Kalkül. Vox hat sehr früh erkannt, dass sich die ländlichen Regionen im Stich gelassen fühlen. Ja, sogar herabgestuft, verurteilt durch die politischen Eliten. Umfragen zufolge könnte Vox am 23. Juli die drittstärkste politische Kraft des Landes werden und Spanien in einer Koalition mit den konservativen Regieren. Rechtsradikale in der Regierung oder im Parlament, das gibt es in mehr EU-Ländern, als man so denkt. Klar, Beispiele wie Italien machen immer wieder Schlagzeilen, aber andere geraten schnell in Vergessenheit. Wir haben uns eine Karte geschnappt und zeigen euch die Details. Von allen Parlamenten am rechtsextremsten ist derzeit in Europa das Italienische. Mit 26% der Stimmen wurden die Fratelli d'Italia hier 2022 stärkste Partei und regieren seitdem, angeführt von Regierungschefin Giorgia Meloni. Vom Wahlerfolg der Partei Die Finnen habt ihr eben schon gehört. Als Koalitionspartner stellen sie in Finnland seit Juni die stellvertretende Ministerpräsidentin. Auch in Lettland ist eine Partei mit an der Regierung, die als rechtspopulistisch bis rechtsextrem gilt, die Nationale Allianz. In Schweden sind die rechtsextremen Schwedendemokraten seit 2022 zweitstärkste Kraft. Die konservative Minderheitsregierung braucht sie, um Gesetze zu beschließen, was die Schwedendemokraten nutzen, um ihre Themen durchzubringen. Doch es gibt auch viele Länder, in denen Rechtsextreme und Rechtsradikale zwar nicht in der Regierung sitzen, aber trotzdem viele Sitze im Parlament haben. Für das Rassemblement National stimmten in Frankreich zuletzt mehr als 17% der WählerInnen. Spitzenkandidatin Marine Le Pen schaffte es sogar bis in die Stichwahl der letzten beiden Präsidentschaftswahlen. Mit 16% der Stimmen haben auch die FPÖ in Österreich und die rechtsradikale istnische konservative Volkspartei eine recht große Wählerbasis. Anderswo sind die Zahlen nicht ganz so hoch. Dennoch, auch in Belgien, den Niederlanden und Deutschland schafften es rechtsradikale bis rechtsextreme Parteien zuletzt auf mehr als 10%. Und wenn man konservative Parteien mitzählen will, die viele rechtspopulistische Ideen aufgreifen, dann gehören auch die PiS in Polen oder die Fidesz in Ungarn dazu. Wir wollten wissen, warum die extreme Rechte im Moment so viele Leute überzeugt und was uns bei der nächsten Europawahl blüht. David Arnold hat mit dem Politologen Thierry Chopin gesprochen. Herr Chopin, die extreme Rechte ist in vielen europäischen Ländern immer erfolgreicher. Warum? An erster Stelle steht der sozioökonomische Faktor. Dieser kam nach der Finanzkrise 2008 ins Spiel. Aber weitergefasst geht es auch um die internationale wirtschaftliche Öffnung und eine Konkurrenz, die sich verstärkte. Die extreme Rechte hat sich in vielen europäischen Ländern etabliert. Sie versteht sich als Stimme jener, die mit wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten kämpfen. Das führt uns zum zweiten Punkt, der vor allem politischer Natur ist. Es gibt ein großes Misstrauen gegenüber Eliten. Eliten in der Politik, der Verwaltung, aber auch in der Wirtschaft, der Kultur und in den Medien. Und drittens, genauso wichtig, es geht um Kultur und Identitäten. Es ist offensichtlich, dass die Migrationskrise seit 2015 von den Rechtsextremen instrumentalisiert wurde. Sie haben es geschafft, dass es heute um ihre Themen geht, die Sicherheit an den Grenzen und der Schutz vor Einwanderung. Werden damit auch europäische Werte in Frage gestellt? Es ist klar, dass die extreme Rechte, aber auch einige, sagen wir nationale, populistische, souveränistische und nationalistische Parteien, einen Kampf um Werte führen. Nicht nur, was die politische und rechtliche Dimension dieser Werte angeht, die ich gerade erwähnt habe, sondern auch in Bezug auf Kultur und Gesellschaft. Das heißt, sie greifen die Rechte von Minderheiten ein, insbesondere die der LGBT-Community, und das alles offensichtlich, um Stimmen zu gewinnen. Dabei nutzen sie die Spaltung der Gesellschaften, die auf der einen Seite konservativ, wenn nicht sogar reaktionär sind, und auf der anderen Seite progressiv. Wie erklären Sie sich, dass klassische Mitte-Rechtswähler heute weniger Scheu haben, die extreme Rechte zu wählen? Die Hemmschwelle sinkt. Das hat was mit dem Phänomen der Banalisierung zu tun. Und das geschieht sowohl in den Parteien, als auch bei den Wählern. Die extreme Rechte verfolgt eine Strategie, sich respektabel und achtbar zu zeigen. Dies erklärt, warum die gemäßigte Rechte sich mit extremen Rechten zusammentut. Diese Strategie funktioniert auch bei der Wählerschaft, die sich immer weniger schämt und immer weniger Hemmungen hat, ihre Stimme letzten Endes diesen Parteien zu geben. Was erwartet uns in Zukunft? Nächstes Jahr sind Europawahlen. Wie sieht es da für die extreme Rechte aus? Viele Kommentatoren gehen in ihren Analysen davon aus, dass es zu einem Bündnis zwischen der gemäßigten Rechten und der extremen nationalen, souveränistischen Rechten kommen könnte. Es stimmt, dass sich dieses Szenario auf nationalem Niveau in vielen Ländern bereits häuft. Ich glaube allerdings, dass ein solches Bündnis nach den nächsten Europawahlen zum jetzigen Zeitpunkt nicht wahrscheinlich ist. Zumindest zeigen dies die Meinungsumfragen. Nichtsdestotrotz sollte man wachsam bleiben. Sollte sich diese Entwicklung, diese ideologische Annäherung zwischen der gemäßigten und der extremen Rechten verfestigen, wäre dies in der Tat ein Risiko für die EU. Tja, wann fällt die Brandmauer? Zum Abschluss machen wir jetzt noch einen Abstecher in die Welt der Pressekarikaturen. Der Vormarsch der extremen Rechten hat viele Zeichner zu frechen Kommentaren inspiriert. Hier unsere kleine Auswahl. Legen wir mit dem Titelblatt des satirischen Wochenblattes Charlie Hebdo los. Eine sehr eigene Hommage an den gerade verstorbenen Silvio Berlusconi. Ende der 1990er ebnete er den Rechtspopulisten in Italien den Weg an die Macht. Er inspirierte so einige Georgia Meloni, Victor Orban und auch Marine Le Pen. Weiter geht's mit dem Griechen Ilias Kassidiaris, Gründer der neofaschistischen Partei Goldene Morgenröte. Von seiner Zelle aus zieht er weiter die Fäden der Rechtsextremen. Der Werther meint nur alles in Ordnung, er spielt ganz in Ruhe. Und Bundeskanzler Scholz stolpert über die AfD. Dabei hatte er die Bundestagswahlen 2025 fest im Blick. Das Bein stellte ihm Putin. Eine Anspielung auf die Nähe der AfD zum Kremlherrscher. Tatsächlich forderte sie im Wahlkampf etwa billigeres Gas aus Russland. Und zum Abschluss eine Karikatur aus Spanien. Hier sind die Rechtsextremen drauf und dran, die Rechte der Menschen zu beschneiden. Und das war's für heute. Danke, dass ihr dabei wart. Das war diesmal keine einfache Kost. Ich hoffe, ihr konntet was mitnehmen und seid nächstes Mal wieder dabei. Macht's gut!