tagesthemen 29.11.2021, 22:15 Uhr - Die Stimmen der Wissenschaft zur 4. Welle, Aktuelle Covid-Lage
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (29.11.2021)
Heute im Studio: Caren Miosga
Guten Abend.
Es ist mit dieser Welle wie mit denen zuvor:
Anstatt sich ihnen rechtzeitig in den Weg zu stellen,
laufen wir hinterher.
Und werden nun auch noch überrascht von einer neuen Virus-Variante,
die über den Haufen werfen könnte, was bislang versucht wurde,
um die Welle zu brechen.
Dabei bekommen wir schon das alte Virus nicht in den Griff.
Zwar geht heute erstmals die Zahl der Neuinfektionen etwas herunter,
doch die Inzidenz bleibt auf einem Höchststand.
Weil die Politik aus Sicht der Wissenschaft
dieselben Fehler macht:
Wenn etwas unternommen werden muss,
scheint es immer zu früh oder zu streng - bis es zu spät ist.
Die Mahnungen könnten klarer nicht sein.
Dieser Winter hängt von unserem Verhalten ab.
Und von der Entscheidung der Verantwortungsträger,
kontaktreduzierende Maßnahmen zu erlassen.
Wir brauchen sofort Kontaktbeschränkungen,
um die hohe Viruslast zu senken.
Diese Codes, 2G, 3G - mit denen hat man bisher
keine Erfahrung in einer Winterwelle gemacht.
Wir haben eine Differenzierung geimpft versus ungeimpft,
während wir gar nicht genau wissen,
wie die Restübertragung durch Geimpfte ist.
Wir denken, dass im Dezember der Peak erreicht ist,
wenn wir zügig impfen.
Wenn wir die 2G- bis 3G-Regelung mit Maske umsetzen.
Die Impfungen helfen zwar,
aber die werden zum Peak erst im Dezember führen.
Mitte Dezember vielleicht, dass wir eine Kehrtwende erleben.
Bis dahin kann man es nicht so weiterlaufen lassen.
Auch Geimpfte können Viren weitergeben
und können Viren z.B. im Nasen-Rachen-Raum haben.
Daher hilft es nicht,
wenn wir nur Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte machen.
Man muss die gesetzliche Möglichkeit haben,
auch ein Notschutzschalter
oder einen zügigen Lockdown zu verhängen.
Falls das notwendig sein sollte.
Sei es mit Omikron oder einer anderen Variante.
Sei es mit einem neuen Virus.
Lieber jetzt noch mal einen harten Lockdown,
der dann auch kürzer dauern kann.
Dann sind wir vielleicht schon vor Weihnachten draußen.
Als das wir jetzt so halbherzig handeln
und die Situation bis in den Januar schleppen.
Noch scheut die Bundespolitik diesen Schritt.
Forscher sagen heute auch:
Ein allgemeiner Lockdown sei noch zu verhindern,
wenn es uns gelänge, die Impfquote zügig zu steigern
und alle Regeln einheitlich und konsequent anzuwenden.
Doch statt an einem Strang zu ziehen:
Bislang warfen Bund und Länder sich gegenseitig vor,
nicht ausreichend zu handeln.
Nun aber zwingt die Not in vielen Krankenhäusern
alle Beteiligten dazu, sich zusammenzuraufen.
Morgen in einer Konferenz.
Der Baum ist da.
Er leuchtet schon vorm Bundestag.
Es ist diese Jahreszeit,
in der es kalt, nass, aber irgendwie doch schön ist.
Vorfreude auf Weihnachten, Lichter überall - Advent eben.
Doch wieder vermiest Corona die Stimmung.
Frohe Kunde hat Baden-Württembergs Ministerpräsident
keine mit ins Impfzentrum gebracht.
Keine Lebkuchen, kein Christstollen, dafür neue Corona-Maßnahmen.
Freizeit, Kultur und Sportveranstaltungen
sollen im Ländle massiv beschränkt, sogar untersagt werden.
Kontakte müssen reduziert werden, und zwar auch radikaler.
Leider gilt das auch für Geimpfte.
Auch sie können die Infektion übertragen
und selber infiziert werden.
Auch im saarländischen Landtag:
Nicht mal ein Hauch von Vorweihnachtsstimmung.
Die Lage ist ernst.
Gegen die vierte Corona-Welle daher auch hier:
Weitreichende 2G-Regeln für Innenräume,
dazu Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte.
Diese Einschränkungen sind wir auch denen schuldig,
die sich krummlegen auf unseren Intensivstationen.
Wo sich wieder Ungeimpfte tummeln, weil sie schwer krank werden.
Daher setzen wir jetzt ein Stoppschild
vor die Nase derer, die nicht geimpft sind.
Ein romantischer Weihnachtsmarktbummel.
Adventsnormalität.
In Berlin geht das noch.
Aber sollte das auch?
Nein, heißt es in Brandenburg, Sachsen oder Bayern.
Die Infektionszahlen hoch, die Hütten dicht.
Vielleicht ist das erst der Anfang - Lockdown statt Glühwein?
Schon morgen könnte eine Bund-Länder-Telefonkonferenz
erste Schritte dafür einleiten.
Befürworter gibt es schon.
Die Leopoldina drängt uns zu weiteren Kontaktbeschränkungen.
Das muss eins der Themen sein, das wir besprechen werden.
Dazu kommt die Impfpflicht,
auch Wirtschaftshilfen für den Fall der Fälle.
Es sind v.a. solche Bilder,
die es auch durch eine Impfpflicht bald nicht mehr geben soll.
Intensivpatienten-Verlegung – wie hier im Erzgebirge.
Die Krankenhäuser am Limit.
Die Notversorgung in Gefahr.
Von FDP, SPD und auch Grünen vorsichtige, aber klare Signale –
inklusive Schulschließungsidee vor Weihnachten.
Angedacht werden muss auch,
ob die Weihnachtsferien vorgezogen werden müssen.
Die Vorbereitungen für eine Impfpflicht
müssen getroffen werden.
Es ist doch eigentlich diese schöne Zeit im Jahr:
Nass, kalt, aber mit wohligem Grundgefühl.
Mit Vorfreude aufs Fest, auf Feiern mit Familie und Freunden.
Doch wieder scheint das weit weg.
Die zweite Corona-Weihnacht steht an.
Es fühlt sich nicht viel anders an als beim ersten Mal.
Zugeschaltet ist mir der Gesundheitspolitiker der Grünen,
der selbst Mediziner ist, Janosch Dahmen.
Guten Abend. Guten Abend.
Die Ampel hat immer gesagt:
Einen bundesweiten Lockdown für Geimpfte wird es nicht geben.
Ist dieses Versprechen jetzt noch zu halten?
Ich halte nichts davon, dass wir irgendetwas ausschließen.
Die Pandemie stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen.
Deutlich ist:
Wir brauchen mehr Maßnahmen, um die vierte Welle zu brechen
und uns vor einer ansteckenderen Mutation zu schützen.
Was heißt das konkret?
Alle Bereiche,
in denen das Ansteckungsrisiko besonders hoch ist:
Veranstaltungen, Bars, Clubs, auch Restaurants - bundesweit zu?
Wir kommen um gezielte Schließungen nicht herum.
Überall dort, wo die Fallzahlen eklatant hoch sind.
Großveranstaltungen müssen abgesagt werden,
insbesondere, wo sie drinnen stattfinden.
Clubs, Bars und Gastronomie müssen geschlossen werden.
Regeln müssen konsequenter durchgesetzt werden.
In Bayern wird eine Trendwende erkennbar.
Die ist in Ostdeutschland nicht erkennbar.
Regeln, die schon gelten,
müssen in der Praxis durchgesetzt werden.
Weihnachtsferien vorziehen?
Das hat Robert Habeck heute vorgeschlagen.
Wenn es um das Vorziehen der Weihnachtsferien geht,
geht es um die Frage, ob Schulen offenbleiben.
Das kann nur das letzte Mittel sein.
Wir haben Kinder und Jugendliche
in der Pandemie stark zur Verantwortung gezogen.
Solange wir mit 50.000 Menschen in Fußballstadien sitzen,
die Kneipen offen sind,
kann es nicht sein, dass wir bei Schuhen anfangen.
Aber auszuschließen ist im Rahmen eine neue Mutation nichts.
Von uns allen sind konsequente Maßnahmen zu erwarten.
Dazu gehört jedes Mittel.
Auch einheitliche Maßnahmen?
Der grüne Gesundheitsminister von Baden-Württemberg, Manfred Lucha,
sagt heute:
Die Bundesnotbremse müsse zurückkommen,
auch die epidemische Lage nationaler Tragweite.
Wie bringen Sie das Ihrer Parteispitze
und dem Koalitionspartner FDP bei?
Wir haben da eine klare Haltung.
Wir brauchen Maßnahmen, die wirken.
Da ist Einheitlichkeit ein wichtiges Kriterium.
Wenn eine Lage schlimm ist,
müssen verlässlich Maßnahmen ergriffen werden.
Ich kann nicht nachvollziehen, wie in Sachsen-Anhalt
nicht flächendeckend 2G+ angewendet wird.
Dann braucht es vielleicht Regelungen vom Bund.
Sollte die epidemische Notlage noch diese Woche
im Bundestag festgestellt und die Notbremse verhängt werden?
Es ist gut und richtig, dass Bund und Länder zusammenkommen
und beraten, wie sie Schutz für die Menschen auf den Weg bringen können.
Man wird auch darüber beraten müssen,
welche Gesetzgebungsschritte dafür erforderlich sind.
Dann werden wir sie als Ampel auf den Weg bringen.
Das sind ganz andere Töne.
Wollen plötzlich alle in der Koalition
die allgemeine Impfpflicht?
Wir werden ein mehrstufiges Verfahren brauchen.
In einem ersten Schritt müssen wir
die einrichtungsspezifische Impfpflicht auf den Weg bringen.
Da geht es nicht um die Impfungsquote, sondern darum,
Menschen, die besonders gefährdet sind, zu schützen.
In einem nächsten Schritt
kommen wir um eine allgemeine Impfpflicht nicht rum.
Die werden wir in einem Gesetzgebungsverfahren beschließen.
D. h., die FDP ist auch dafür?
Die war immer dagegen.
Ich kann nicht für die FDP sprechen.
Wir Grüne tun alles, dass die Pandemie ein Ende hat.
Dafür brauchen wir eine höhere Impfquote.
Zu den Maßnahmen gehört auch eine allgemeine Impfpflicht.
Wir werden diese besprechen
und klären, wie sie umgesetzt werden kann.
Können Sie uns verraten, warum sich die Sozialdemokraten so schwer tun,
einen Gesundheitsminister zu benennen?
Damit der oder die endlich arbeiten kann,
besser gestern als morgen?
Sie haben mir die Antwort vorweggenommen.
Ich kann nicht für die SPD sprechen.
Nachdem FDP und Grüne ihr Personal benannt haben,
ist es gut, dass die SPD das auch tut.
Müssen wir das nicht längst wissen, wer das wird?
Der oder die müssten doch längst die Arbeit aufgenommen haben.
Ich kann verstehen, dass viele aufs Gesundheitsministerium schauen
und fragen, wer da Verantwortung übernehmen wird.
Diese Frage müssen Sie der SPD stellen.
Die wird sie zügig beantworten.
Danke für das Gespräch.
Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Deutschland im zweiten Corona-Winter und nichts gelernt?
Dazu hat Kristin Becker aus dem Hauptstadtstudio diese Meinung:
Ich bin so müde.
Ich bin so traurig, und ich bin so wütend.
Wie kann es sein, dass wir am Ende von Jahr zwei dieser Pandemie
wieder vor einem so düsteren Weihnachten stehen?
Klar, viele sind geimpft.
Auch klar: Es sind nicht genug.
Die Wissenschaft warnt,
und es passiert zu wenig, zu spät, zu zögerlich.
Wir fliegen Patienten durch die Republik
und lassen in vollen Stadien das Virus Fußball spielen.
Schulen mühen sich mit Teststrategien
und scheitern an überlasteten Laboren und Gesundheitsämtern.
Und wer sich zum dritten Mal oder endlich impfen lassen will,
steht teils stundenlang in der Kälte.
Weil die Verteilung weder rechtzeitig noch gut organisiert wurde.
Es ist eine Schande.
Währenddessen schieben Politiker von Bund und Ländern,
von neuer Ampel und alter GroKo, Schuldzuweisungen hin und her.
Ich kann es nicht mehr hören.
Morgen wollen sich Kanzlerin, künftiger Kanzler
und die Ministerpräsidenten zusammenschalten.
Ich erwarte endlich Klarheit und Verbindlichkeit.
Wenn wir die Intensivstationen nicht überlasten wollen,
wird es ohne stärkere Beschränkungen und Impfpflicht nicht gehen.
Das sagen Wissenschaftler.
Klingt ernüchternd nach all der Zeit und den Mühen,
die viele auf sich genommen haben,
um die Pandemie in den Griff zu bekommen.
Es ist aber wahrscheinlich eine letzte Chance, um zu verhindern,
dass wir wieder alles dichtmachen müssen.
Die Meinung von Kristin Becker.
Die Covid-19-Pandemie ist, wie das Wort schon sagt,
eine weltweite.
Und so ist die Erkenntnis eigentlich banal,
dass nur wir gemeinsam den Weg heraus finden.
In der Realität aber fühlen sich viele arme Länder im Stich gelassen.
Nicht zuletzt in Afrika,
wo nur ein Bruchteil der Bevölkerung geimpft ist.
Wo nun obendrein Tourismus und Wirtschaft hart getroffen werden.
Hier tauchte nun die womöglich gefährliche neue Virus-Variante auf.
Und Europa zögerte nicht,
Reisebeschränkungen gegen Südafrika und seine Nachbarn zu verhängen.
Ausgerechnet gegen das Land,
das sich bei der Entdeckung von Omikron vorbildlich verhalten hat.
Nur wenige Besucher vor dem früheren Haus von Nelson Mandela.
Ein einsamer Tänzer am Straßenrand.
Südafrikas Tourismus liegt am Boden.
Unsere Tourismus-Industrie ist in ein Loch gefallen.
Wir merken das sofort, sobald schlechte Nachrichten kommen.
Es sind ja nicht nur Fernflüge ausgefallen,
sondern auch alle Flüge aus den Nachbarländern Südafrikas.
Die Touristen-Meile in Soweto – verwaist.
Vom Tourismus leben in Südafrika über 1,5 Mio. Menschen.
Für sie jetzt: Stillstand.
Die Frühstückspension von Conway Falkener
war während der Corona-Krise zehn Monate geschlossen.
Jetzt sieht er einer ungewissen Zukunft entgegen.
Die Reisebeschränkungen: für ihn eine Frechheit.
Die Briten haben uns zuerst so hirnlos behandelt.
Mich hat überrascht,
dass die anderen Europäer mitgezogen haben.
Das war eine Überreaktion.
Die Südafrikaner fühlen sich dafür bestraft,
dass ihre Wissenschaftler so schnell und transparent
mit der Entdeckung der neuen Variante umgegangen sind.
Auch der Staatspräsident ist gegen Reisebeschränkungen.
Das Einzige, was Reisebeschränkungen erreichen, ist,
dass unsere Wirtschaft weiteren Schaden erleidet.
Sie werden Südafrikas Anstrengungen, sich von der Pandemie zu erholen,
zunichte machen.
Ramaphosa forderte seine Landsleute erneut auf, sich impfen zu lassen.
Die Impfkampagne verlief bis jetzt schleppend.
Die Infektionszahlen der letzten Wochen
blieben dennoch auf niedrigem Niveau.
In Kapstadt kann man sich jetzt auch im Auto impfen lassen.
Der Andrang aber auch hier überschaubar.
Virologen warnen vor einer raschen Zunahme der Infektionszahlen.
Wir erwarten eine höhere Rate an Durchlässigkeit,
eine rasche Zunahme an Infektionen - das deutet sich bereits an.
Wenn das geschieht, erwarte ich etwa 10.000 neue Fällen pro Tag,
am Ende dieser Woche.
Allerdings:
Bisher hat Omikron in Südafrika nur milde Symptome ausgelöst.
Infiziert haben sich bis jetzt nur junge Menschen.
Und so fühlten sich heute ein paar US-Touristen sicher genug,
den Tänzern vor dem Mandela-Haus einen Fototermin zu bescheren.
Ganz ohne Maske.
Dass alles immer nur teurer wird, das Gefühl kennen wohl viele.
Aber lange war es auch nur ein Gefühl.
Über viele Jahre
war die Preisentwicklung in Deutschland stabil.
Doch das ändert sich gerade.
Nicht nur die Preise für Heizöl und Benzin steigen rasant.
Auch was im Einkaufswagen landet, kostet tatsächlich mehr.
So ist handfest beim Blick ins Portemonnaie zu spüren,
was heute das Statistische Bundesamt verkündete:
Erstmals seit 29 Jahren
liegt die Inflationsrate wieder über 5 %.
Besonders schmerzhaft treffen die hohen Preise die,
die ohnehin wenig haben.
Das erfuhr unser Mittendrin-Team auch im rheinland-pfälzischen Kusel.
Der Landkreis Kusel, eine strukturschwache Gegend.
Aber auch diese Region mitten im Sog steigender Preise.
Schon am Morgen gibt es bei der Tafel viel zu tun.
In ein paar Stunden werden Lebensmittel ausgegeben.
Supermärkte spenden, was übrig ist.
Hier erfahre ich: Die Inflation hat die Lage verschärft.
Es kommen immer mehr.
Die Armut nimmt zu - extrem.
V.a. alleinerziehende Frauen, ne? Das kann man sagen.
In den letzten Monaten sind viele dazu gekommen.
Das merkt man schon.
Die Preise, die so anziehen ...
Wo sollen die Leute was herbekommen,
wenn nicht noch hier die letzte Möglichkeit ist?
Auch Wolfram Schreiner hilft hier.
Er erzählt:
Durch die Inflation werde für viele das Leben unbezahlbar.
Nachdem sich auch Lebensmittel teils massiv verteuert haben,
hätten sich auch die Wünsche verändert.
Die fragen jetzt mehr nach Grundnahrungsmitteln:
Mehl, Öl, Butter.
"Ist das nicht drin? Habt ihr nicht das noch?"
Da merkt man, dass die Leute das brauchen.
Das hat sich extrem verändert.
Der Inflationsdruck hat nun auch die erreicht,
die bislang mit ihrem Geld zurechtkamen.
Aber die Spritpreise
sind für immer mehr eine finanzielle Herausforderung.
Für die Region gilt: ohne Auto, keine Arbeit.
Jennifer Knobloch arbeitet als Schuhverkäuferin
und als Putzfrau.
Wenn ich tanke und seh, wie das Geld so davongeht ...
Im Moment ist es für mich Luxus.
Ich denk immer:
Wieviel Stunde muss ich arbeite, für Tanke zu fahre?
Wenn ich noch dran denk, dass das noch viel weiter steigt,
und das wird's sicher, da könnt ich heule.
Aber nicht nur die Spritpreise machen Sorgen.
Beim Putzen im Gemeindehaus macht sie sich grundsätzliche Gedanken,
und das, obwohl auch ihr Mann verdient.
Wie wird das sein, wenn meine Kinder erwachsen sind?
Können die sich mal was leisten? Können die sich mal ein Haus bauen?
Da hat man als Mama richtig Angst.
Ein paar Straßen weiter treffe ich Bettina Heintz.
Bei der Feuerwehr hilft sie ehrenamtlich.
Ihren Job als Sanitätsfachfrau hat sie in der Pandemie verloren.
Ihr Mann hat zwar Arbeit,
die Inflation nagt aber am Familienbudget.
Irgendwann sind auch die Rücklagen weg.
Und dann muss man rechne – von zwei Gehälter auf eines.
Die Spülmaschine - wisse mer net, wie lang se noch hält.
400 Euro für 'ne neue Spülmaschine ist jetzt mal net drin.
Klar kann man sagen: Dann spül mit der Hand.
Machen wir, aber da braucht man mehr Wasser.
Also, am Ende vom Jahr mehr Kosten.
Sie fühle sich hilflos.
Das trübe auch ihre Vorfreude auf Weihnachten.
Für sie eine neue Erfahrung.
Das Familiäre, das Zusammensein, das geht unter,
weil zu viel hinten dran steht, wo man sich doch Sorgen macht.
Es wird kleiner ausfallen wie die Jahre zuvor.
Zurück zur Tafel.
Am Nachmittag kommt die Kundschaft.
Vor der Kamera über die Folgen der Teuerung reden, will niemand.
Es herrschen Scham und Unsicherheit.
Auf die Zukunft angesprochen,
finden dagegen die Helfer der Tafel klare Worte.
Es wird noch schlechter werden.
Es kommen ja fast jede Woche Leute dazu.
Ich wüsst net, wie sich das bessern sollte.
Da fehlt mir die Fantasie dafür, muss ich ehrlich sagen.
Die Politik verspricht:
Die hohe Inflation sei nur vorübergehend.
Aber was, wenn nicht?
Diese bange Frage stellen sich immer mehr Menschen in der Region Kusel.
Wir uns auch.
Was, wenn die hohe Inflation nicht nur vorübergehend ist
und länger anhält?
Wenn der Druck zu groß wird,
weil Unmengen Geldes in den Markt gepumpt worden sind?
Dann ist es an der EZB,
die richtigen Knöpfe zu drücken und Luft rauszulassen.
Doch die hält sich bislang zurück.
Das ist der Ort, der die Inflation in Schach halten soll.
Die Europäische Zentralbank in Frankfurt/Main.
Sie peilt eine Preissteigerungsrate von 2 % an.
Die Inflation in Deutschland ist mehr als doppelt so hoch.
Dennoch erwarten die Währungshüter 2022 einen deutlichen Rückgang.
Wir gehen davon aus,
dass der Höhepunkt der Inflationsentwicklung erreicht ist.
Dafür gibt es mehrere Gründe.
Lieferengpässe werden sich allmählich auflösen.
Die Energiepreise
werden nicht mehr so stark steigen wie in diesem Jahr.
Und es werden einige statistische Sondereffekte
aus der Berechnung fallen.
Dazu gehört etwa die Senkung und Wiederanhebung der Mehrwertsteuer,
was die Preise zeitweise in die Höhe trieb.
Alles Auswirkungen der Pandemie, wie auch weiterer Grund,
der laut Volkswirten für einen Rückgang der Inflation sorgen könnte.
Die Haushalte geben im Moment auch gerne Geld aus,
weil sie auf hohen Ersparnissen sitzen.
Sie konnten ja während der Lockdowns nicht konsumieren.
Irgendwann wird das vorbei sein.
Dann kann man den Euro wieder nur einmal ausgeben.
Ist das Ersparte weg, sinkt die Nachfrage
und dann auch die Preise, so die Argumentation.
Doch die optimistische EZB-Position stellen andere Experten infrage.
Wir denken, die Zentralbank wird mit dieser Aussage falschliegen.
Die Inflation wird höher sein,
als sie sich das im Moment vorstellt.
Das liegt v.a. daran, dass die Pandemie für Lieferengpässe gesorgt
und Rohstoffkosten nach oben katapultiert hat.
Dieser Effekt kommt erst jetzt voll beim Verbraucher an.
Die Erzeugerpreise
befinden sich auf dem höchsten Stand seit 1951.
Das wird bei den Unternehmen dazu führen,
dass sie versuchen, die Preise an Verbraucher weiter zu wälzen.
Zugleich versucht man, auch mehr lokal zu produzieren.
Das ist viel teurer als Ware aus Billig-Lohn-Ländern.
Ein weiterer Preistreiber aus Sicht der EZB-Kritiker
ist der Umbau der Energieversorgung als Folge der Klima-Politik.
Vieles ist derzeit wegen der Pandemie-Entwicklung noch unklar.
Doch sollten die Kritiker Recht behalten,
wird der EZB nur übrigbleiben, ihre Geldpolitik zu ändern.
Auch wegen steigender Preise fordern Gewerkschaften
mehr Geld für Beschäftigte im öffentlichen Dienst.
Darüber wurde mit Vertretern der Länder verhandelt.
Heute gab es eine Einigung.
Weitere Nachrichten mit Susanne Daubner.
Mehr als eine Million Beschäftigte im öffentlichen Dienst
bekommen ab Dezember 2022 höhere Gehälter.
Zudem soll eine Corona-Sonderzulage ausgezahlt werden.
An Schulen, in Verwaltungen und Unikliniken
hatte es in den vergangenen Wochen immer wieder Warnstreiks gegeben.
Pflegekräfte auf Intensivstationen
sollen von dem Tarifabschluss besonders profitieren.
Nach drei Verhandlungsrunden hatten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften
auf höhere Gehälter im öffentlichen Dienst geeinigt.
Das Tarifergebnis ist nicht vollständig befriedigend,
aber es ist respektabel, es hat starke Seiten.
Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber sagte:
Die Tarifeinigung
werde die Bundesländer rund 2,2 Mrd. Euro kosten.
Wenn's beiden Seiten weh tut, ist es meist ein guter Kompromiss -
so auch in diesem Fall.
Wir haben gezeigt, dass wir uns bewegen können.
Der Tarifabschluss gilt bis Ende September 2023.
Zwei Monate nach der Abgeordnetenhauswahl in Berlin
haben SPD, Grüne und Linke ihren Koalitionsvertrag vorgestellt.
Zentrale Ziele der Landesregierung sind der Bau von mehr Wohnungen,
besserer Klimaschutz sowie der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.
Bürgermeisterin Giffey sagte, der Entwurf zeichne den Weg
zu einer "ökosozialen Weiterentwicklung" der Stadt.
Hochrangige Diplomaten haben einen neuen Vermittlungsversuch
im Atomstreit zwischen dem Iran und den USA begonnen.
Die Verhandler kamen in Wien zusammen,
um das Atomabkommen mit dem Iran von 2015 wiederzubeleben.
Die USA waren 2018 unter Präsident Trump
aus dem Vertrag ausgestiegen.
Vermitteln wollen nun Deutschland, Frankreich, Großbritannien,
Russland und China.
Nach dem Schwarzen Freitag Ende letzter Woche,
als Investoren auf die Verbreitung der Omikron-Variante reagiert
und für Kursverluste gesorgt hatten, hat sich die Börse zwar erholt.
Es bleibt aber Skepsis bei den Anlegern.
Die Hoffnungen
ruhen auf den Impfstoff-Herstellern Biontech und Moderna.
Näheres von Anja Kohl.
Noch ist unklar, ob es sich bei Omikron um eine Variante handelt,
auf die bestehende Impfstoffe nicht oder schlecht reagieren.
Was Kontaktbeschränkungen und Lockdowns nach sich ziehen könnte,
mit allen negativen Folgen für die Konjunktur.
Für Erleichterung sorgt:
Impfstoff-Hersteller sind schon dabei,
ihre Impfstoffe anzupassen.
Ein neues Serum wäre binnen sechs Wochen einsetzbar
und in 100 Tagen auslieferbar.
Denn immer klarer wird,
dass diese Virus-Variante nicht die letzte sein dürfte.
Neuen Corona-Wellen
kann nur mit mehr Impfungen der Garaus gemacht werden.
Heißt: In den nächsten Jahren wird noch viel Impfstoff gebraucht.
Der Vulkanausbruch auf La Palma dauert unvermindert an.
Begleitet von Erdbeben
öffneten sich im Vulkangestein weitere Ausbruchskanäle.
Ein neuer Lavastrom fließt Richtung Tal
und droht, weitere Landstriche zu zerstören.
Bislang mussten 7000 Menschen ihre Häuser verlassen.
Zum Schluss müssen wir Ihnen erzählen,
was sich hinter dieser Tür ereignet hat.
Eine Geschichte, die kaum englischer sein könnte,
spielt sie doch in einem Pub.
Der Soundtrack dazu stammt von einer DER Brit-Pop-Bands.
Nur typisch englisch regnen tut es in dieser Geschichte nicht.
Es hat geschneit und das nicht zu knapp.
Was dann passierte, sehen Sie selbst.
Über einen unverhofften Lockdown in verschneiter Oase.
Es gibt Schlimmeres, als wegen Corona in Quarantäne zu sitzen.
Zum Beispiel in einem Pub in Yorkshire eingesperrt werden,
mit einer Oasis-Cover-Band - viele Tage lang.
Sie stecken seit Freitag hier fest:
61 Briten, die eigentlich für ein schnelles Bier kamen.
Die Gäste haben sich auf dem Boden verteilt
und in Schlafsäcke eingerollt.
Manche wollten im Zelt schlafen, aber dafür war es doch zu kalt.
Ein Schneesturm hatte das "Tan Hill Inn",
das höchste Pub Yorkshires, kalt erwischt.
Dabei hätten sie es ahnen können.
Vor vier Jahren erst waren sie Hauptdarsteller eines Werbeclips,
der genau das vorwegnahm.
Aber statt Frust und Beschwerden macht man hier das Beste draus.
Wir sind schließlich in England.
Und der Engländer
entfaltet erst in der Krise seinen wahren Kern:
Humor, Improvisationskunst und Gelassenheit.
Wir haben Karaoke gesungen und spielen Karten.
Die Gäste haben abgewaschen
und ab und zu versucht, die Autos freizuschaufeln.
Es war fantastisch bislang.
So fantastisch, dass man schon jetzt beschlossen hat,
sich hier im nächsten Jahr wieder zu treffen.
Die Leute sind als Fremde hier angekommen
und gehen als Freunde.
Die zweite gute Nachricht kam heute am frühen Abend.
Ein Schneepflug, der ihrem unfreiwillig langen Wochenende
dann doch ein spätes Ende setzte.
Die mit eingeschneite Coverband hat sich übrigens gleich umbenannt -
von "Noasis" in "Snowasis".
Fragen wir Karsten Schwanke:
Wie sind die Aussichten,
in der Kneipe eingeschneit zu werden?
In bestimmten Gegenden gar nicht schlecht.
Schwarzwald, Allgäu und Bayerischer Wald.
Da dürfte es bis morgen Nachmittag einiges an Schnee geben.
Bis zu 30 Zentimeter sind möglich.
Wind kommt auch dazu.
Das ist ein wichtiges Stichwort für die Wetterentwicklung.
Morgen wird es wendiger.
Im Süden einige Sturmböen.
Am Mittwoch erreicht ein kleines Sturmtief den Norden.
Mittwoch um 20 Uhr wird der Höhepunkt des Warmluft-Vorstoßes erreicht.
Was heißt der Wind für die Wetterentwicklung?
Am Dienstag im Süden und Südosten kräftige Schneefälle.
Dann geht das in Regen über.
Sturm mit Orkanböen an der Nordsee und im Harz.
Aktuell Schneeschauer im Süden.
Morgen kommt die Warmfront, sie bringt mehr Regen.
An der Vorderseite ist es eher Schneefall.
Im Norden Regen.
Stürmisch und regnerisch am Mittwoch.
Donnerstag kälter mit Graupel und Gewitter.
Das waren die tagesthemen.
Hier folgt die Story im Ersten.
Die fragt, ob in unserem Gesundheitssystem
weniger der Mensch im Blickpunkt steht als das Geschäft.
Um 0.20 Uhr bringt Sie Constantin Schreiber
im nachtmagazin auf den neuesten Stand.
Wir sind morgen wieder für Sie da. Bis dahin, tschüss.
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