BRKN über Deutschrap, Soul und Haltung zeigen | GERMANIA
In den Medien sieht man immer nur zwei Arten von Migranten-Kids oder Ausländern.
Man sieht entweder die, die im Knast landen, oder die, die 1,0-Abi
gemacht haben und Jahrgangsbeste in ihrem Bezirk waren. Aber man sieht nichts
dazwischen und anscheinend interessiert es die Medien nicht, wenn einfach ein ganz
normales Mädel mit Kopftuch Medizin studiert. Man sieht nur die Leute,
die Scheiße bauen und die Leute, die Impfstoffe entwickeln. Mein Name ist
Berkan, ich bin Musiker und ich komme aus Berlin-Kreuzberg. Mein Vater ist damals
aus der Nähe von Adapazar hergezogen. Es ist nicht weit weg von Istanbul.
Meine Mama konnte es Adana. Meine Mama ist mit 17 hergekommen. Sie hatte schon
eine große Schwester hier und die haben sich in der Volkshochschule kennengelernt.
Als mein Bruder geboren wurde, hat meine Familie in Steglitz gewohnt tatsächlich,
das habe ich erst vor ein paar Jahren erfahren, wollten meine Eltern gar nicht
aus Steglitz weg. Die wollten aber ins Vorderhaus ziehen, weil sie im Hinterhaus
gewohnt haben. Sie haben die Wohnung nicht bekommen, weil er wollte keine Türken
im Vorderhaus. Also ich habe die Erfahrung gemacht, also vor allem, weil ich früher
viel Fußball gespielt habe in meiner Jugend. Und wenn wir dann gegen Pankow,
Marzahn, Hohenschönhausen, Hellersdorf gespielt haben, war das immer sehr,
sehr rassistisch auf dem Spielfeld. Wir sind zu denen, die Zuschauer, die Spieler.
Das war schon immer sehr hart, also auch dann mit Gewalt verbunden. Meistens ist
es dann immer irgendwie ausgeartet und ich glaube, man ist oder ich bin -
auch in Deutschland, auch in Berlin, auch wenn ich hier aufgewachsen bin,
auch wenn ich einen deutschen Pass habe - bin ich immer noch Ausländer
und in der Türkei genauso. In der Türkei bin ich dann halt der Deutsche
und das sieht man am Erscheinungsbild, an dem Stil, wie man sich gibt, wie man
redet. Ich glaube, Leute, die in Kreuzberg aufgewachsen sind, uns verbindet so
ein bisschen was. Und da ist auch so ein bisschen Nostalgie mit drin, weil es halt
so krass sich verändert hat. Aber an sich ist ja auch nichts Schlechtes daran
zu sagen: dieser Bezirk ist kaputt, die Häuser sind kaputt, die Straßen sind
dreckig. Lass uns das ein bisschen schöner machen. Aber wir wissen ja,
was da passiert. Ich würde es gegen nichts in der Welt eintauschen, in Kreuzberg
aufgewachsen zu sein. Anscheinend war es so, dass ein Freund meines Vaters
in eine kleinere Wohnung gezogen ist und kein Platz mehr für sein Klavier hatte,
mein Vater dann "Dann nehmen wir das", gesagt hat. Dann haben mein Bruder
und ich darauf rumgeklimpert und dann waren die so: Okay, dann schicken
wir die beiden zum Unterricht. Ja, das war dann Klavierunterricht,
Saxofonunterricht und irgendwann kam der erste Kumpel mit irgendeinem
Beats-Programm und dann habe ich sehr, sehr viele Beats gemacht in meiner Jugend
- sehr viele. Und dann natürlich, als dann die Deutschrap-Welle kam, Assad,
Aggro-Berlin und Bushido und hier und da, das hat uns natürlich alle mies geflasht.
Da haben wir alle angefangen zu rappen, Beats zu machen. Und irgendwann bin
ich auch so langsam wieder zurück zum Singen gekommen. Ich glaube, ich hab immer
gerne gesungen, aber wenn man dann 14 ist,rappt, dann wollen alle cool sein.
Da singt keiner. Also man muss natürlich dazu sagen, ich habe immer sehr viel Rap
gehört wegen meines großen Bruders. Der war halt sechs Jahre älter als ich.
Das heißt Wu-Tang, Busta Rhymes, alle möglichen Sachen, Sisqó, kannte ich alles
von ihm so. Das haben wir im Auto gehört, haben wir in seinem Zimmer gehört.
Teilweise gibt es Songs, an die ich mich erinnere, aus meiner Kindheit noch,
die mir immer noch im Ohr hängen aus dieser Zeit, wo mein Bruder diese Musik
gehört hat. Wenn du ein sechs Jahre älterer Bruder hast- Er war immer
der Coolste für mich, ich wollte immer so ein bisschen so sein wie er. Wollte so
reden, ich wollte das wissen, was er weiß. Und wenn er irgendwelche neuen
Slang-Wörter hatte, was ja auch immer noch so ist, dass alle paar Monate irgendein
neues Wort um die Ecke kommt, dann habe ich es auch versucht, so wie seine Freunde
und er zu reden. Irgendwann habe ich einen D'Angelo Song gehört und war so: Oh,
krass. Ich glaube es war Brown Sugar damals. Und es war so, das ist der shit,
das will ich machen, weil es hatte so eine Lockerheit, es hatte so eine smoothe
Atmosphäre, da war so eine Coolness drinne, die ich weder so beim richtigen
Rap noch beim normalen Jazz oder Soul gehört habe. Das war was, was nur da war.
Ich habe es so gesehen, das war so ein Typ in so einem Eishockey-Jersey,
wie er an einem Rolls so ganz entspannt sitzt und so sehr smooth einfach singt
und das aber trotzdem so eine Lockerheit hat, ohne dass es jetzt klassischer Jazz,
Gesang oder eine Ballade ist oder so, sondern es war irgendwas, was mich
gecatcht hat auf jeden Fall. Also wenn ich selber Musik mache, dann warte
ich eigentlich auf irgendwas, wenn ich so am Klavier sitze, was mir so einen Moment
verschafft, wo ich denke, ah da ist was, wo irgendwas knistert. Und das hat
ich sehr stark, als ich diese Musik gehört habe damals. Das weiß ich noch.
Die Sprache, die ich verwende in meinen Songs versuche ich eigentlich-
Ich versuche eigentlich, die Sprache, die wir auch sprechen, einfach in die Songs
einzubauen, also gerade, als ich angefangen habe, R'n'B und Gesang
auf Deutsch klang oft sehr schleimig, sehr sehr aufgesetzt. Deutsch ist
eine sehr harte Sprache. Sobald man die falsche Silbe zu lang zieht, wird
es sehr schnell unangenehm. Also zum Beispiel R'n'B oder Jazz und Soul-Musik
in Amerika, das kommt ja alles aus der schwarzen Kultur
und und auch von der Straße und geht daher auch mit einer gewissen Lockerheit
oder mit einem gewissen Flavour einher, der halt nicht so steif ist oder nicht so
aufgesetzt. Und ich hatte das Gefühl, in Deutschland war das nicht unbedingt so.
Das haben nicht viele Leute geschafft bis dahin. Also heutzutage ein bisschen
anders. Heute ist die R'n'B-Szene ein bisschen breiter gefächert. Aber damals
haben nicht viele Leute geschafft, das Deutsch so smooth klingen zu lassen.
Und deswegen zum einen, weil ich niemand anders sein will, wenn ich auf der Bühne
stehe oder ein Video drehe oder oder was auch immer. Und zum anderen,
weil ich das rüberbringen wollte, wo wir herkommen und weil ich mich nicht
verstellen will. Ich will halt ehrliche Musik machen und die von meinem Herzen
irgendwie ist und womit ich mich identifizieren kann. Und deswegen versuche
ich in meinen Texten eigentlich keine andere Sprache zu verwenden,
als wenn wir beide reden oder so. Wobei ich sagen muss, ich glaube im echten Leben
ist meine Sprache noch ein bisschen schlimmer, als in meinen Texten. Es gab
eine Zeit, da gab es nur GangstaRap und natürlich gibt es Gangster-Rap immer noch,
aber mittlerweile gibt es Platz für ganz viele andere Sachen. Und den gab es früher
nicht. Und auch das Spektrum, wo man sich als einzelner Künstler bewegen kann,
ist größer geworden. Natürlich hängt es damit zusammen, dass wir in der Popmusik
angekommen sind. Aber wenn früher irgendein Gangster noch am nächsten Tag
irgendwo am Strand ein Liebes-Pina-Colada-Song rausgebracht
hätte, dann wäre er von allen Seiten ausgelacht worden. Und heute gibt's so
ein breites Spektrum und so viele verschiedene Nischen und es hat sich ja
komplett selbstständig gemacht. Es gibt irgendwie für alle einen Platz für,
hoffentlich. Haben unsere Eltern jemals so mit uns über Rassismus oder so geredet?
Ich glaube nicht. Wenn ich jetzt ein Kind hätte, ich glaube man müsste
das irgendwann so hinsetzen und dem erklären, das ein paar Sachen komisch sind
in der Welt. Das kann es ja nicht verstehen. Oder wie mit Leuten, die nicht
weiß sind oder nicht männlich sind oder nicht hetrosexuell sind, umgegangen wird.
Das ist natürlich schmerzhaft, aber ich glaube, man müsste das einem Kind
erklären. Aber ich weiß nicht, ob das bei uns jemals passiert ist. Also ich habe,
durch den Sport und dadurch, dass ich Trainer bin, kenne ich auch viele,
die jetzt so 20 gerade sind oder 19. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die schon
mehr integriert sind als wir damals. Aber ich weiß auch, dass es immer noch
diese ganzen Probleme gibt, die es damals auch schon gab. Die sind jetzt nicht
von der Welt. Ich glaube es ist ein Thema, was so von Generation zu Generation
irgendwie lösbar ist, aber nicht von heute auf morgen. Für manche Leute kommen
wir niemals in der Mitte der Gesellschaft an. Da können wir so viel Geld verdienen
und so viel studieren und so viele Läden aufmachen, wie wir wollen. Da darf man
sich nicht- Das darf man nicht von anderen Leuten bestimmen lassen. Wir haben beide
unseren Job, wir haben beide unsere Wohnung, wir zahlen unsere Miete,
wir zahlen unsere Steuern. Wie sehr sollen wir noch in die Mitte der Gesellschaft
rutschen. Ich habe eine Vorbildfunktion, ob ich will oder nicht.
Beziehungsweise habe ich ein Sprachrohr und mir hören ein paar Leute zu.
Und da ist es glaube ich absolut wichtig, dass man auch mal zu manchen Themen nicht
seine Schnauze hält. Was viele Leute machen, glaube ich, aus Angst sich
zu positionieren und auf der einen oder anderen Seite Fans zu verlieren oder so.
Aber das ist ein bisschen heuchlerisch. Die Leute gucken halt mehr aufs Geld
als auf alles andere. Bei all der Liebe für wo meine Eltern herkommen
und wo meine Großeltern gelebt haben, weiß ich, dass das hier in Berlin meine Heimat
ist. Das war meine Folge bei Germania. Falls euch eine Sache richtig gut gefallen
oder berührt hat oder falls euch irgendwas an mir richtig auf den Sack gegangen ist,
dann schreibt es in die Kommentare und ansonsten abonniert den Channel genau
hier. Und falls ihr noch eine andere GERMANIA-Folge sehen wollt, die richtig
gut ist, dann drückt hier drauf. Ansonsten habt einen schönen Tag!