Die Ferien
Kurt und Helga Lehmann wollen während der Weihnachtsferien nicht in München bleiben. Am dreiundzwanzigsten Dezember haben sie ihren Sohn Florian nach der Schule mit dem Auto abgeholt und haben dann gleich die Stadt verlassen. Herr Lehmann ist auf die A8 gefahren, das ist eine Autobahn, die von München nach Salzburg führt.
Salzburg ist eine Stadt in Österreich, aber so weit will die Familie Lehmann nicht. Sie wollen zu ihrer Ferienwohnung, die in der Nähe des Städtchens Traunstein liegt. Das Land dort ist sehr hügelig und liegt unweit der Berge. Im Sommer ist das gut, wenn man gerne Wandern geht und im Winter kann man Skifahren.
Als die Lehmanns jedoch bei ihrer Ferienwohnung ankommen, sind sie alle ein bisschen enttäuscht. Es liegt kein Schnee mehr und alles ist grün und braun. Auch hier in Bergnähe war das Wetter so mild, dass der ganze Schnee geschmolzen ist.
Herr Lehmann zieht den Zündschlüssel aus dem Schloss und steigt aus. „Tja“, sagt er, „wenn wir Skifahren wollen, werden wir wohl hoch in die Berge müssen. Hier wird das nichts.“ Dann macht er den Kofferraum auf, damit sie alle ihre Taschen nehmen und zur Ferienwohnung tragen.
In der Ferienwohnung mieft es und es ist noch nicht geheizt. Frau Lehmann öffnet schnell alle Fenster, um zu lüften, während Herr Lehmann die Heizung einschaltet. Dann macht Herr Lehmann sich eine Tasse heißen Kaffee.
Das Thermometer in der Wohnung zeigt nur fünf Grad an, daher will er ein heißes Getränk um sich zu wärmen, bis die Heizung die Wohnung aufgewärmt hat. Doch Helga Lehmann will nicht so lange in der kalten Wohnung warten und entschließt sich spazieren zu gehen.
Rasch zieht sie sich einen warmen Mantel und dicke Stiefel an. Dann geht sie nach draußen an die frische Luft. Dass kein Schnee liegt, stört Helga überhaupt nicht. Skifahren macht ihr keinen Spaß und Rodeln schon gleich gar nicht. Außerdem sind die Straßen und Wege nicht rutschig, wenn weder Eis noch Schnee auf ihnen liegt.
Helga geht leidenschaftlich gerne auf dem Land spazieren. Sie geht zügig den Weg entlang und schon bald ist die Ferienwohnung nicht mehr zu sehen. Unweit der Ferienwohnung verläuft der alte Salinenweg. Im Mittelalter führte der Salzhandel an diesem Weg entlang. Salz war im Mittelalter so kostbar und begehrt, dass es ‚das weiße Gold‘ genannt wurde.
An bestimmten Streckenabschnitten sieht man auch heute noch die alten Rohre, durch die einst die Sole floss. Helga kennt die Geschichte des Salzhandels gut, denn sie interessiert sich sehr für Heimatgeschichte. Im Moment jedoch sind ihre Gedanken nicht im Mittelalter. Sie genießt den Blick auf die nahen Berge und die angenehm frische Bergluft. Der Himmel ist zwar bewölkt, doch als sich die Wolken auftun, verbreitet die Wintersonne ihr helles Licht.
Die alten Salinenrohre liegen auf einer Seite des Weges, auf der anderen Seite sind Felder und ein kleiner Fluss. Helga geht flott und kommt alsbald an einem Wasserrad vorbei das zu einem Sägewerk gehört. Mit dem Wasserrad wird die Säge betrieben. Im Sägewerk werden Bretter und Balken produziert. „Servus, Helga!“, begrüßt sie freundlich die Frau des Sägewerksbesitzers.
“Servus, Liesl. Wie geht's euch?“ „Gut, danke. Seid ihr wieder die Ferien über hier?“ „Ja, so rund vierzehn Tage.“ „Du, wart mal kurz. Ich mein‘ ich hätte was für euren Sohn.“ Liesl verschwindet schnell im Haus neben dem Sägewerk und kommt nach kurzer Zeit wieder raus. „Da schau mal, wär das nicht was für ihn?“, sagt sie und gibt Helga eine kleine Broschüre der Stadt Traunstein:
Salinenweg Bei der beliebten Salinenwegführung können die Teilnehmer in die Salzgeschichte Traunsteins eintauchen. Auf der rund eineinhalbstündigen Tour begibt sich Stadtführer und Salinenexperte Sepp Knott auf die Spuren des „weißen Goldes“. Nachgezeichnet wird ein Bild von der einstigen Bedeutung des Salzhandels und der Salzgewinnung in Traunstein.
Stationen der Salinenwegführung sind unter anderem das Heimathaus mit seinem historischen Stadtrelief, der Lindlbrunnen, der Maxplatz mit dem Rupertusbrunnen, die Salzmaierstiege, die Salinenkapelle, der Rupertistadel und die Nepomukkapelle. Unter anderem sind bei diesem besonderen Stadtspaziergang Teile des Triftrechens und eine Wassersäulenmaschine aus dem 19. Jahrhundert zu bestaunen.
Im Anschluss an die Führung wird traditionell in jenes Gasthaus eingekehrt, in das früher auch die Salinenarbeiter gingen. Im Wirtshaus ‚Zum Aubräu‘ erzählt Stadtführer Sepp Knott dann Geschichten über das Leben und den Alltag der Salinenarbeiter. Gleichzeitig können Interessierte die Salzgeschichte Traunsteins auch kulinarisch entdecken, denn der Wirt hat eine besondere Köstlichkeit auf der Speisekarte:
Er serviert seinen Gästen den Traunsteiner Salzkrustenbraten mit Knödel und Speck-Krautsalat. Die Traunsteiner Salinenwegführung kostet fünf Euro pro Person, Kinder bis 14 Jahre sind frei. Mit Verköstigung des Salzkrustenbratens kostet die Tour auf den Spuren des „weißen Goldes“ 15 Euro pro Person.
Als Helga alles gelesen hat, sagt sie: „Ja, das schaut interessant aus. Ich glaube, Kurt und mir würde es auch gefallen. Dankeschön.“ „Bitte, keine Ursache. Aber ich muss jetzt wieder zurück an die Arbeit. Ich wünsch‘ euch noch einen schönen Aufenthalt hier. Servus!“
Bis Helga wieder in die Ferienwohnung zurückkehrt, ist es dort angenehm warm geworden. Kurt hat heißen Tee gemacht und auf dem Esstisch steht eine Dose mit Lebkuchen. „Ach, du bist ein Schatz“, sagt Helga, als sie ins Wohnzimmer kommt, die Lebkuchen sieht und den aromatischen Tee riecht.
„Das ist genau das Richtige nach einem langen Spaziergang.“ Die drei setzen sich an den Tisch. Kurt gießt heißen Tee in die Tassen, dann nimmt er einen langen Löffel, öffnet ein Glas mit großen Kandiszuckerstücken in Rum, und gibt Helga und sich Zucker mit Rum in den Tee. Florian allerdings ist noch nicht alt genug dafür. Er muss sich mit normalem Zucker begnügen.
In der Dose liegen drei verschiedene Sorten von Lebkuchen: mit Zuckerguss, mit Schokolade und pur. Florian hat Lebkuchen mit Schokolade oder Zuckerguss am liebsten, seine Mutter jedoch hat sie lieber pur, und Kurt isst alle Arten von Lebkuchen gerne.
Ein paar Tage später stehen Kurt und Florian früh auf. Es ist noch dunkel draußen, doch bis sie gefrühstückt haben, ist die Morgendämmerung bereits zu sehen. Dann ziehen die beiden ihre Skianzüge an und tragen ihre Skistiefel und Skier zum Auto. Da der Schnee nur hoch oben auf den Bergen liegt, müssen sie von der Ferienwohnung aus noch ein gutes Stück Weg zurücklegen.
Auf den Straßen ist viel Verkehr, da alle Urlauber den gleichen Gedanken wie Kurt haben. Kurt und Florian sind ungeduldig, sie wollen endlich Skifahren, aber es hilft alles nichts. Es gibt sehr viel Verkehr und sie kommen nur langsam voran. Erst gegen halb zehn kommen sie am Skigebiet an. Hier liegt auf den Bergen noch Schnee und an den Skiliften herrscht reger Betrieb.
Kurt Lehmann parkt sein Auto auf dem riesigen Parkplatz. Er hat Glück, noch einen freien Platz zu finden. Dann kauft er für Florian und sich zwei Tagespässe, mit denen sie den ganzen Tag lang die Skilifte benützen dürfen. Jetzt ist es endlich soweit: Sie ziehen ihre Skistiefel an und gehen mit ihren Skiern zum ersten Skilift. Sie hängen ihre Skier an der Kabine auf und steigen ein.
Schon geht es los. Die Kabine hängt an einem langen Seil, das sie in steter Fahrt einen hohen Berg hinaufbefördert. Als sie oben ankommen, schnallen sie ihre Skier an und fahren vom Skilift zum Abhang. Hinter ihnen ist der Skilift. Vor ihnen liegt die steile Abfahrt mit Skipiste. „Schau dir diesen herrlichen Blick an“, sagt Kurt zu seinem Sohn. „Ja, toll, Papa. Von hier aus kann man bestimmt ganz Bayern sehen.“
„Also ganz Bayern sicherlich nicht, aber weit sehen kann man schon. Und was mir im Moment am besten gefällt, ist die Skipiste. Schau wie steil die ist. Da können wir runter rasen wie zwei Düsenjäger.“
Florian setzt langsam seine Skibrille auf. Die braucht er, damit der Fahrtwind bei der Abfahrt nicht in seine Augen bläst. Florian ist sich nicht sicher, ob der steile Abhang wirklich so toll ist. Er ist seit einem Jahr nicht Ski gefahren und er hat etwas Angst, da die Piste steil ist.
„So, Florian. Auf geht's“, sagt sein Vater und fährt los. Florian will nicht alleine zurückbleiben und fährt seinem Vater nach, obwohl er Angst hat. Sie fahren sehr schnell und der Fahrtwind saust ihnen um die Ohren. Die Skipiste ist nicht nur steil, sie ist auch stark vereist, aufgrund der vielen Skifahrer. Das macht es noch schwieriger, die Skier zu beherrschen. Als die Piste noch steiler wird, verliert Florian die Kontrolle. Er versucht noch, seine Skier seitlich zu drehen um zu bremsen, aber es ist zu spät.
Er fällt hin und rutscht weit den eisigen Abhang hinunter. Dabei überschlägt er sich mehrmals. Als er schließlich zum Halten kommt, lacht er laut. „Na, was machst du denn für Sachen?“, fragt sein Vater, als er neben Florian anhält. Er ist nicht besorgt, denn er hat Florian lachen gehört. „Ich bin ausgerutscht, aber ich habe mir nicht weh getan“, sagt Florian lachend.
Florian hat recht. Sein Skianzug ist dick und weich. Deshalb ist er gut gepolstert. Als er hinfällt und den Hang hinab rutscht, macht ihm das Spaß. Er steht schnell wieder auf und schnallt die Skier an. Daraufhin fährt er mit seinem Vater weiter. Sie haben dabei eine Riesengaudi. Die nächsten Stunden fahren sie immer wieder mit verschiedenen Skiliften die Berge hoch und sausen die Pisten hinab.
Um dreizehn Uhr haben sie Hunger und kehren auf einer Almhütte ein. Eine Almhütte ist wie ein Bauernhaus auf einem Berg und in manchen gibt es ein Lokal, in dem Bergwanderer im Sommer und Skifahrer im Winter essen und trinken können. Draußen ist die Bergluft kalt und trocken, aber als sie die Tür der Almhütte aufmachen und eintreten, ist es angenehm warm und die Luft ist feucht.
An den Tischen sitzen viele andere Skifahrer. Lautes Gelächter hallt durch den Raum. Es ist offensichtlich, dass sich alle ganz wunderbar vergnügen. Kurt und Florian finden trotz des Andrangs noch zwei freie Plätze und setzen sich. Kurt bestellt für sie beide Pfannkuchensuppe. Das ist ein Gericht aus einer Fleischbrühe von Rindfleisch mit Streifen von Pfannkuchen als Einlage. „Mensch, hab‘ ich einen Kohldampf“, sagt Florian. „Ja, ich auch. Da sind wir heute ganz toll skigefahren. Ich freue mich schon auf den Nachmittag.“
Da kommt schon die Bedienung mit zwei Tellern Pfannkuchensuppe und ihren Getränken. Kurt und Florian essen schnell auf und als Kurt die Bedienung wieder sieht, sagt er: „Die Rechnung, bitte.“ „Ja, gerne. Das macht achtzehn Euro siebzig zusammen.“
Kurt gibt ihr zwanzig Euro und sagt: „Stimmt so.“ „Danke, und einen schönen Tag noch.“ Danach fahren Kurt und Florian noch für einige Stunden Ski und haben viel Spaß dabei. Erst als es dämmrig wird, gehen sie zum Auto zurück und fahren wieder zur Ferienwohnung.