Sendung: tagesschau 14.12.2020 20:00 - Nawalny: Ich weiß, wer mich töten wollte
Themen der Sendung: Bundespräsident Steinmeier ruft zur Einhaltung der Lockdown-Maßnahmen auf, Unterschiedliche Regelungen zu Schulschließungen in den Bundesländern, USA und Kanada beginnen mit Corona-Impfungen, CDU-Parteivorstand einigt sich auf Online-Parteitag zur Wahl des neuen Vorsitzenden, US-Wahlleute stimmen über neuen Präsidenten ab, Offenbar Verhandlungen mit Entführern von mehr als 330 Schülern in Nigeria, Russische Agenten sollen hinter Giftanschlag auf Kreml-Kritiker Nawalny stecken, Auslosung der Champions League und Europa League, Frauen-Handball-Nationalmannschaft verliert EM-Hauptrundenspiel gegen Niederlande, Autor John le Carré gestorben, Chefsprecher Jan Hofer nimmt nach fast 36 Jahren Abschied von der tagesschau, Das Wetter Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau. Heute im Studio: Jan Hofer
Guten Abend, ich begrüße Sie zur tagesschau.
Kurz vor dem harten Lockdown hat Bundespräsident Steinmeier
die Menschen aufgerufen, die Corona-Maßnahmen zu unterstützen.
Sonst drohe das Infektionsgeschehen außer Kontrolle zu geraten.
Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI binnen 24 Stunden
16.362 Neuinfektionen, etwa 4000 mehr als vor einer Woche.
Die Werte sind montags meist niedriger,
unter anderem, weil am Wochenende weniger getestet wird.
Die Zahl der Toten stieg um 188.
Countdown im Weihnachtsgeschäft.
Nur noch zwei Tage bis zum Lockdown.
Der große Ansturm blieb aus, aber mancherorts,
wie hier in Berlin, war es doch zu voll:
Die Schlange hier war schon sehr lang.
Ich habe eine andere Kasse gefunden.
Ich würde mich nicht noch mal ins Getümmel stürzen.
Ich habe Verständnis, dass die Kaufhäuser geschlossen werden.
Für den Einzelhandel finde ich es schwierig.
Es ist unvernünftig, aber man braucht Weihnachtsgeschenke.
Ich find es nicht so gut, alles online zu kaufen.
Man muss die Läden schon noch unterstützen.
Auf Weihnachtsgeschenke verzichten, Gutscheine schenken -
das hatte Wirtschaftsminister Altmaier empfohlen.
Damit Geschäfte den Lockdown überleben,
will die Regierung ab Januar die Überbrückungshilfe III zahlen.
Eine Rezession fürchtet Altmaier nicht.
Wir haben umfassende Wirtschaftshilfen bereitgestellt.
Wir möchten, dass die Einzelhändler in den Innenstädten überleben.
Sie sind Teil unserer Einkaufskultur.
Im Augenblick müssen wir soziale Kontakte reduzieren,
es trifft auch den Einzelhandel hart.
Besonders in Sachsen: Leere in der Leipziger Innenstadt.
Hier gilt der Lockdown schon seit heute.
Bundespräsident Steinmeier machte klar:
Deutschland befinde sich in historischer Ausnahmesituation.
Er appellierte an die Eigenverantwortung.
Es hängt an uns - und wir wissen, was zu tun ist.
Feiern lassen sich nachholen.
Und über Geschenke freuen sich Verwandte und Freunde
auch später noch.
Weniger Konsum, mehr Nachdenklichkeit.
Das ist das Motto dieser Vorweihnachtszeit.
Schon heute sind viele Schüler*innen in Deutschland zu Hause geblieben.
Ab Mittwoch sind die meisten Schulen geschlossen
oder die Präsenzpflicht wird ausgesetzt.
Die Regelungen in den Bundesländern sind unterschiedlich.
Online, auf Distanz.
Unterricht,
wie er in dieser Lockdown-Woche mehrheitlich aussehen sollte.
Karen Schneider ist froh, dass ihre Schule vorbereitet war.
Dass es jetzt hier funktioniert, ist ein großes Glück.
Wir haben viel Arbeit reingesteckt,
dass wir auch um 8 Uhr heute Morgen sagen konnten: läuft.
Solche vollen Klassenzimmer wie an dieser Iserlohner Grundschule
sollen vermieden werden.
Nicht alle Eltern konnten kurzfristig Ersatzbetreuung organisieren.
Die Präsenzpflicht ist in NRW und den meisten anderen Bundesländern
für viele Stufen aufgehoben.
Weil das die letzte Woche vor den Ferien war, ist das nicht schlimm.
Wäre das vor drei Woche passiert, wär's anders.
Man hätte sowieso vorher keinen Unterricht gehabt.
Aber immer wieder ist Unterricht ausgefallen.
Anders plant Sachsen: Schüler*innen lernen zu Hause.
Die Schulen sind seit heute geschlossen.
Bayern schließt Mittwoch -
womöglich sollen Notbetreuungen organisiert werden:
Wir werden es recht großzügig ausgestalten.
So, dass den Zielen der Kontaktbeschränkung
Genüge geleistet wird.
Also nicht alle zusammenpacken, die Notbetreuung wollen.
Entsprechend trennen.
Trotzdem:
In vielen Bundesländern sollen Klausuren
vor allem in den Prüfungsjahrgängen noch stattfinden.
Bis die Schulen wieder öffnen können,
ist es noch eine große Herausforderung für alle.
Regelungen für die Schulen in den einzelnen Bundesländern
finden Sie auf tagesschau.de.
Mehr zum Lockdown gibt es in einem ARD extra
im Anschluss an diese tagesschau.
In den USA und Kanada begannen die Impfungen gegen das Corona-Virus.
In beiden Ländern erhielt das Mittel des Mainzer Unternehmens Biontech
und seines US-Partners Pfizer eine Notzulassung.
Die erste Impfung bekam eine Krankenschwester in New York.
In allen US-Bundesstaaten soll heute eine Impfkampagne anlaufen.
Seit Beginn der Pandemie starben in den USA
fast 300.000 Menschen in Zusammenhang mit dem Virus.
Nach einer Hängepartie wegen der Corona-Pandemie
will die CDU ihren neuen Vorsitzenden Mitte Januar wählen.
Abgestimmt werden soll digital - mit abschließender Briefwahl.
Als Kandidaten für die Nachfolge von CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer
bewerben sich:
NRW-Ministerpräsident Laschet,
Ex-Fraktionschef Merz und der Außenexperte Röttgen.
Kandidatencheck im Adenauer-Haus.
Öffentliches Schaulaufen bei der CDU.
Ich möchte die Führung der CDU in diesem Superwahljahr.
Voller Motivation und Energie.
Das christliche Menschenbild in jede Zeit zu übersetzen,
das brauchen wir jetzt.
In den letzten Jahren blieb kein Stein auf dem anderen.
Es wird weiter Umbrüche geben.
So ähnlich könnte es auch auf dem Parteitag ablaufen.
Die Kandidaten stellen sich vor.
Die Delegierten stimmen digital ab.
Der Sieger wird dann per Briefwahl bestätigt.
Die Partei betritt so Neuland.
Die CDU ist die erste Partei Deutschlands,
die auf einem digitalen Parteitag einen Vorstand wählt.
Die Staatsrechtlern Schönberger hat Zweifel an der Rechtssicherheit.
Die Absicherung per Briefwahl ist ein Pro-forma-Akt.
Die eigentlich Willensbildung ist digital erfolgt.
Das ist vom Gesetzt wohl nicht gedeckt.
Das Problem:
Auch nach der digitalen Vorauswahl haben andere das Recht,
sich wählen zu lassen.
Die CDU spielt auf Risiko.
Der Parteitag kann nur gelingen, wenn sich alle disziplinieren.
Alles andere wäre eine Blamage.
Knapp sechs Wochen nach der US-Wahl kann Joe Biden
einen weiteren Schritt auf dem Weg ins Weiße Haus machen.
306 Wahlfrauen und -männer sind von den Demokraten nominiert,
232 von den Republikanern.
Die Abstimmung gilt als Formalie.
Vier Monate nach dem Anschlag auf den Kreml-Gegner Nawalny
sind neue Erkenntnisse bekanntgeworden.
Nach Medien-Recherchen
sollen mindestens acht russische Agenten das Attentat verübt haben.
"Der Spiegel" veröffentlichte die Namen
der mutmaßlichen Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes FSB.
Nawalny war nach der Vergiftung
mit einem Nervenkampfstoff zusammengebrochen.
Der 44-Jährige wurde in der Berliner Charite behandelt.
Eine Recherche, die es in sich hat:
Acht Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes FSB
sollen hinter dem Giftanschlag auf Nawalny stecken.
Monatelang werteten Investigativ-Journalisten
Daten aus, unterstützt von Medien wie dem "Spiegel" und CNN.
In wechselnder Besetzung
hätten diese Agenten Nawalny begleitet und überwacht.
Einer habe in seinem Wohnblock gewohnt.
Unter den Männern seien Ärzte und Chemiker gewesen.
Da waren auch Chemiewaffenexperten dabei, einer hat früher
in dem Geheimlabor gearbeitet, das Nowitschok herstellte.
Solche Leute schickt man nicht auf eine Beschattung.
Auch auf Nawalnys Sibirien-Reise, auf der er vergiftet wurde,
sollen drei dabei gewesen sein.
Er wurde später in der Berliner Charite behandelt.
Er ist noch immer in Deutschland.
Heute meldete er sich auf seinem populären Videokanal.
Ich weiß jetzt, wer mich umbringen wollte.
Ich weiß, wo sie wohnen, wo sie arbeiten.
Ich kenne ihre echten und falschen Namen.
In den Stunden, in denen er das Gift wohl verabreicht bekam,
hätten die Männer mit einem Moskauer Labor telefoniert.
Russland hat bislang keine Ermittlungen eingeleitet.
Putin hatte am Donnerstag gesagt, er sehe dazu keine Voraussetzungen.
In der Fußball-Champions-League treffen die deutschen Mannschaften
im Achtelfinale auf Gegner aus England, Spanien und Italien.
Leipzig trifft auf Liverpool,
Mönchengladbach spielt gegen Manchester City.
Titelverteidiger Bayern München ist bei Lazio Rom.
In der nächsten Runde der Europa League
spielt Leverkusen bei den Young Boys Bern.
Und Hoffenheim beim Club Molde FK aus Norwegen.
Deutschlands Handballerinnen haben den zweiten Sieg
in der EM-Hauptrunde verpasst.
Die DHB-Auswahl verlor im dänischen Kolding
knapp gegen Weltmeister Niederlande mit 27:28
Sie muss nun um den Einzug ins Halbfinale zittern.
Er galt als Meister der Spannung und scharfer Beobachter:
Der Autor John Le Carre ist mit 89 Jahren gestorben.
60 Jahre lang entführte er seine Leserschaft
in Agentenwelten.
Garniert mit Lügen, Liebe und Verrat.
Weltbekannt wurde der Brite 1963
mit seinem Roman "Der Spion, der aus der Kälte kam".
US-Autor Stephen King würdigte ihn als literarischen Giganten.
Für einen Schriftsteller
war John le Carre oft auf dem roten Teppich.
Seine Spionage-Thriller waren oft Vorlage für einen Filme und Serien.
Der Meisterspion George Smiley ist seine berühmteste Erfindung.
Wie in "Dame, König, As, Spion": Smiley eine Art Gegenentwurf zu Bond.
Mehr gebeutelt, als heldenhaft.
Sein Faible für Schnüffelei ist kein Zufall.
John le Carre ist in den 60ern selbst im Geheimdienst tätig.
Was mich am meisten fasziniert hat, waren Verhöre.
Ich habe viele gemacht, immer auf freundliche Art.
Eher wie eine Besprechung.
Während er selbst spioniert, schreibt er schon Romane.
"Der Spion, der aus der Kälte kam" ist ist 1963 sein Durchbruch.
Seine Roman-Agenten sind keine Helden wie er selbst auch nicht.
Fantasie gepaart mit Selbsterfahrung,
das sind die Zutaten seiner vielen Bestseller.
Le Carre ist auch politischer Geist, mit Sorgen über dem Brexit.
Ich bin besorgt über unseren Mangel an Verbündeten
und über unsere künftige Rolle in der Welt.
John le Carre heißt agententypisch: David Cornwell.
Nun ist er im Alter von 89 Jahren gestorben.
Wir sind nun hier zu zweit,
weil im Ersten Deutschen Fernsehen eine Ära zu Ende geht.
Jan Hofer präsentiert zum letzten Mal die tagesschau.
Kein Sprecher der bekanntesten deutschen Nachrichtensendung
war so viele Jahre am Stück zu sehen wie er.
Dabei begann seine tagesschau-Karriere
in den 1980er-Jahren unspektakulär:
Anfangs präsentierte er die Nachrichten oft zum Sendeschluss.
Mehr als 35 Jahre tagesschau.
Das waren auch mehr als 35 Jahre Zeitgeschichte und auch Mode.
Doch egal, was draußen in der Welt los war,
der erste Satz war immer derselbe:
Guten Abend, meine Damen und Herren.
Es begann unter anderem mit dem Wimbledonsieg eines 17-Jährigen.
Schon bald gab es offene Grenzen,
2001 bestimmten die Anschläge in den USA lange die Nachrichtenlage.
Doch es ging manchmal auch um das adäquate Krisenmanagement.
Etliche internationale Regierungschefs kamen und gingen,
nicht so in Deutschland:
Von 1985 bis heute hatte Hofer nur Kohl,
Schröder und Merkel in seinen Texten.
Ich verbinde insbesondere die 20 Uhr mit ihm.
Er ist ein so verlässlicher Begleiter.
Ich werden ihn sehr vermissen.
Unvergessen die Diskussion über sein vermeintlich
argentinisches Outfit Minuten vor Beginn des WM-Finales 2014.
Spätestens da hatte er verstanden, worum es auch geht:
Zum richtigen Zeitpunkt die richtige Krawatte zu tragen,
ob im Ersten Deutschen Fernsehen oder auf TikTok.
Lieber Jan, alles Liebe und Gute wünscht die Untertitel-Redaktion
Und nun die Wettervorhersage für morgen, Dienstag, den 15. Dezember.
Ein Atlantiktief lenkt milde Luft nach Deutschland.
Der Südosten profitiert noch von dem Balkanhoch.
Im Osten und Südosten
ist es nachts teils neblig oder wolkig, teils aufgelockert.
Sonst gibt's Wolken und gebietsweise Regen.
Morgen von der Lausitz bis zu den Alpen
mitunter etwas Sonne.
Im übrigen Land wolkenverhangen und zeitweise fällt Regen.
Später gibt's im äußersten Westen Wolkenlücken.
Um 22.30 Uhr meldet sich Ingo Zamperoni mit den tagesthemen.
Meine Damen und Herren,
das war nach fast 36 Jahren meine letzte tagesschau.
Ein großes Dankeschön dafür,
dass Sie uns und mir so viele Jahre die Treue hielten.
Danke auch für die vielen guten Wünsche,
die mich in den letzten Tagen erreichten.
Ich habe nicht mit dieser überwältigenden Anzahl gerechnet.
Ich bitte um Verständnis, dass ich nicht alle beantworten kann.
Aber ich habe jeden dieser Wünsche gelesen und gesehen.
Ein großer Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen:
Vor und hinter der Kamera, in der Redaktion,
in der Technik - und dem Sprecher- und Moderatorenteam.
Alle haben ein Bestreben:
Für Sie die beste Nachrichtensendung zu machen -
das wird auch so bleiben.
Für mich hieß es heute zum letzten Mal:
Guten Abend, meine Damen und Herren - machen Sie es gut.
Copyright Untertitel: NDR 2020