Sendung: tagesschau 19.06.2020 20:00 Uhr - tausende Jobs in Gefahr
Themen der Sendung: Filial-Schließungen bei Galeria-Karstadt-Kaufhof bringt tausende Jobs in Gefahr, Corona-Fälle bei Tönnies: Kritik an Firmenleitung und Politik, Corona-Krise: Bundestagsdebatte über Konjunkturpaket, EU Beratungen über Corona-Hilfsprogramm bleiben ohne Einigung, Wehrbericht: Bundestag debattiert über Mangelwirtschaft und Peronallücken, Eilantrag: Kalbitz darf vorerst in der AfD bleiben, Bilanzskandal bei Finanzdienstleister Wirecard: Vorstandschef zurückgetreten, Trauer um spanischen Schrifsteller: Carlos Ruiz Zafon gestorben, Das Wetter
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Judith Rakers
Guten Abend,
ich begrüße Sie zur tagesschau.
Ein schwarzer Tag für Mitarbeiter
des Warenhauskonzerns
"Galeria Karstadt Kaufhof":
Die Kette will 62
ihrer 172 Filialen schließen.
Laut Betriebsrat werden
über 5000 der 28.000 Mitarbeiter
ihre Arbeit verlieren.
Betroffen sind Häuser in allen
Bundesländern, außer in Thüringen.
Es trifft große und kleine Städte.
Am Stammsitz in Essen
sollen beide Innenstadt-Filialen
von Galeria Karstadt Kaufhof
geschlossen werden.
Am Nachmittag
wurden die Mitarbeiter informiert.
Auch Reisebüros werden geschlossen.
Offen ist das Schicksal
der Karstadt-Sports-Häuser.
Mehr als zwei Drittel der rund
30 Filialen gelten als gefährdet.
Die Mitarbeiter von Deutschlands
letzter Warenhauskette
demonstrierten bis zuletzt
für ihre Zukunft.
Für die Betroffenen
soll es Abfindungen geben.
Für sechs Monate können sie
in einer Transfergesellschaft
beschäftigt werden.
Arbeitsminister Heil
hat den Konzern aufgefordert,
auf betriebsbedingte Kündigungen
zu verzichten.
Das wollen auch die Gewerkschaften.
6000 Männer und Frauen haben
das Unternehmen mit aufgebaut.
Sie haben Menschen bedient,
gerne gearbeitet.
Sie werden in die
Perspektivlosigkeit geschickt.
Der Druck zu sanieren war groß.
Seit Jahren
gab es immer weniger Kunden.
Das hat sich
durch die Pandemie verschärft.
Der Städte- und Gemeindebund
befürchtet,
dass die Innenstädte veröden.
Das sind 1A-Lagen in der Regel.
Daran hängen
auch die anderen Geschäfte.
Man geht ins Kaufhaus
und danach ins Restaurant.
Zehntausende Jobs
bei Einzelhändlern
könnten durch die Schließungen
auch bedroht sein, fürchtet ver.di.
Deutsche Fleischfabriken
geraten nach dem Corona-Ausbruch
bei Marktführer Tönnies unter Druck.
Aus dem Arbeitsministerium hieß es,
man arbeite
an Verschärfungen beim Arbeitsschutz.
NRW will
mit einer Bundesratsinitiative
Niedrigpreise
für Fleisch unterbinden.
Bei Tönnies ist die Zahl der
Infektionen auf rund 800 gestiegen.
Tests von 3000 Mitarbeitern
stehen noch aus.
Die Bundeswehr rückt heute
bei Tönnies bei Gütersloh an.
Die Soldaten helfen,
Mitarbeiter des Schlachtbetriebs
auf Corona zu testen.
Es steht viel auf dem Spiel
in Nordrhein-Westfalen.
Die Arbeiterinnen und Arbeiter
wohnen in der Region verteilt.
Das erhöht die Gefahr,
dass sich das Virus verbreitet.
Noch können wir das
Infektionsgeschehen lokalisieren.
Sollte sich dies ändern,
könnte ein Lockdown
notwendig werden.
Kritik hat dieses Video ausgelöst:
Zu dicht sitzt die Belegschaft
in der Tönnies-Kantine zusammen.
Die Bezirksregierung Detmold
erklärte heute:
Sie habe im Mai
auch zu wenig Abstand festgestellt.
Die Mängel
seien aber behoben worden.
Im Fokus stehen
die Arbeitsbedingungen der Branche.
Die Verbraucherschutzministerin
in NRW
will auch das Preisdumping
an Fleischtheken bekämpfen.
Eigentlich dürfen Lebensmittel
nicht billiger angeboten werden,
als die Produktion kostet,
dem "Einstandspreis".
Es gibt zu viele Ausnahmen,
das ist der eine Punkt.
Der andere ist,
dass der Einstandspreis
nicht vernünftig definiert ist.
Ob schlechte Arbeitsbedingungen
Grund für den Ausbruch sind,
ist noch unklar.
NRW-Gesundheitsminister Laumann
kündigte an,
sein Ministerium wolle die Ursachen
wissenschaftlich untersuchen.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld
ermittelt:
Wegen des Verdachts
fahrlässiger Körperverletzung
und Verstoßes
gegen das Infektionsschutzgesetz.
Der Bundestag debattierte heute
über das Corona-Konjunkturpaket
des Bundes.
Finanzminister Scholz warb um
Zustimmung fürs Milliarden-Programm,
aus der Opposition
kam auch Kritik.
Vorgesehen ist eine Senkung
der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 %,
beim ermäßigten Satz von 7 auf 5 %,
befristet bis zum Jahresende.
Familien sollen für jedes Kind
einen Bonus von 300 Euro erhalten.
Und der Bund gibt 2,5 Mrd. Euro
für den ÖPNV.
Es sieht fast so aus, als müsse
Olaf Scholz sich selbst beistehen:
Bei 218,5 Milliarden neuen Schulden
werde manchem schwummerig,
sagt der Finanzminister.
Sein Konjunkturpaket solle
der Wirtschaft aber breit helfen.
Restaurants und Bars,
Busunternehmen, Reisebüros,
Jugendherbergen, Mittelständler
und Solo-Selbständige:
Alle kriegen Unterstützung,
das ist eine gute Entscheidung.
Die abgesenkte Mehrwertsteuer
sei ein zweiter wichtiger Pfeiler,
betont die Koalition.
Die Union begegnet der Kritik,
die Hilfe sei zu beliebig.
Nennen Sie es Gießkanne.
Aber es ist richtig, dass wir
etwas für alle in Deutschland tun.
Insgesamt immer wieder Lob
der Opposition für die Corona-Hilfen.
AfD und FDP aber kritisieren
zu geringe steuerliche Entlastung.
Jedem Kundigen ist klar:
Zur Sicherung von Liquidität
und Rentabilität von Unternehmen
sind steuerliche Erleichterungen
der Königsweg.
Doch dazu finden sich
nur wenige Maßnahmen.
Es wäre richtig,
wie die Union selbst gefordert hat,
den Solidaritätszuschlag
rückwirkend zum 1.1. abzuschaffen.
Auch kleine und mittlere
Einkommen zahlen ihn 2020.
Die Grünen monieren,
der soziale Ausgleich fehle.
Wir geben Milliarden aus
für die Rettung der Lufthansa,
für die Rettung der Autoindustrie,
und das ist auch richtig.
Aber für die Ärmsten
gibt's nicht mal
einen temporären Hartz-IV-Aufschlag.
Die Linkspartei bewegt,
wer die Verschuldung zurückzahlt.
Sind es wieder die, die jetzt
den Laden am Laufen halten?
Meine Fraktion meint:
Es muss es eine Vermögensabgabe
geben für Milliardäre
wie die Quandts und Klattens.
Für die Ausschussarbeit
herrscht Zeitdruck.
Vor dem Sommer soll
der Bundestag das Gesetz beschließen.
Beim EU-Gipfel zum Wiederaufbaufonds
wurde ist kein Durchbruch erzielt.
Bundeskanzlerin Merkel
sagte nach einer Videokonferenz,
es bestünden noch tiefgreifende
Differenzen zwischen den EU-Staaten.
Uneins ist man sich über
das Volumen des Milliardenprogramms.
Außerdem gibt es Zweifel
an den vorgesehenen Kriterien
für die Verteilung der Gelder.
Die Verhandlungen
sollen Mitte Juli fortgeführt werden.
Schnell noch ein Gruß
aus dem Elysee-Palast.
"Bon jour, wie geht's?"
sagt Frankreichs Präsident Macron.
Dann geht's los.
Mehr als vier Stunden saßen sich
die Regierungschefs heute gegenüber.
Sie besprachen eins
der weitreichendsten Projekte
der EU-Geschichte.
Es geht um 750 Mrd. Euro.
Eine grundsätzliche Frage
haben die Kanzlerin und ihre Kollegen
offenbar schon abgeräumt.
Der EU-Kommission soll erlaubt
werden, große Kredite aufzunehmen.
Dass die Kommission
Anleihen aufnimmt,
wurde nicht infrage gestellt.
Nach dem Treffen
sind viele Fragen offen:
Etwa, ob es 750 Mrd. Euro
sein müssen.
Einige finden das Volumen zu hoch.
Einige wollen nur Zuschüsse
oder finden Zuschüsse
besser als Garantien.
Andere sind voll
auf Garantien ausgerichtet.
Dazu zählt auch Dänemarks
Regierungs-Chefin Frederiksen,
mit den Niederlanden,
Schweden und Österreich.
Wir wollen,
dass das Budget im Rahmen bleibt.
So dass es Europa hilft, aber nicht,
dass der dänische Steuerzahler
eine hohe Rechnung zahlt.
Mitte Juli wird weiter verhandelt.
Ohne Pixel, ganz real in Brüssel.
Es dürfte hart verhandelt werden -
aber nicht kompromisslos.
Heute war viel Zuversicht zu spüren,
dass man sich am Ende einigen wird
auf ein Hunderte Milliarden Euro
schweres Hilfspaket.
Die Wehrbeauftragte Högl
hat im Bundestag
den Bericht zum Zustand
der Bundeswehr vorgestellt.
Darin werden
viele Mängel aufgelistet:
Materialknappheit, Personallücken
und zu viel Bürokratie.
Zu den jüngsten Vorwürfen
über rechte Umtriebe sagte Högl,
sie wolle dem nachgehen,
es gebe aber keinen Generalverdacht.
Es gibt einfachere Momente,
als Wehrbeauftragte zu beginnen
als in einer Diskussion
über Rechtsextremismus in der Truppe.
Eva Högl will
keine Zweifel aufkommen lassen.
Rechtsextremismus hat
in der Bundeswehr keinen Platz.
Es widerspricht
Ehre und Kameradschaft.
Deswegen muss aufgeklärt werden
und müssen Reformvorschläge
auf den Weg gebracht werden.
Besonders das Kommando Spezialkräfte
scheint ein Problem zu sein.
Hitlergrüße, Waffenfunde:
Es ermittelt
der Militärische Abschirmdienst.
Aber es gibt Hinweise,
dass von dort Ermittlungsdetails
an Soldaten weitergegeben wurden.
Die Verteidigungsministerin
verspricht rigoroses Vorgehen
gegen Rechtsextreme und verspricht:
Dass alle diejenigen
in der Bundeswehr erkannt werden.
Dass sie
aus der Bundeswehr entfernt werden.
Dass wir alle Rahmenbedingungen
für solches Verhalten abstellen.
Die Mängel
bei der Materialbeschaffung
waren sonst
das große Thema beim Wehrbericht.
Sie kommen eher am Rande zur Sprache.
Das Material ist als Basis
für die Einsatzbereitschaft
nicht zufriedenstellend.
Einsätze können nur
zu Lasten des Grundbetriebs
und des Ausbildungsbetriebs
durchgeführt werden.
Kurzfristig bleibt das Problem
aber der Rechtsextremismus.
Eva Högl ist Teil der Arbeitsgruppe,
die Lösungen entwickeln soll.
Der bisherige Brandenburger
AfD-Landeschef, Kalbitz,
darf vorerst Mitglied
seiner Partei bleiben.
Das LG Berlin gab seinem Eilantrag
gegen Annullierung
seiner Parteizugehörigkeit statt.
Das gelte bis zum Entscheid
des AfD-Bundesschiedsgerichts.
Der Bundesvorstand hatte Kalbitz'
Mitgliedschaft im Mai aufgehoben.
Eine frühere Mitgliedschaft
in einer rechtsextremen Vereinigung
soll er verschwiegen haben.
Kalbitz bestreitet dies.
Der mit Lobbyismus-Vorwürfen
konfrontierte Philipp Amthor, CDU,
hat weitere
politische Konsequenzen gezogen.
Er werde nicht für den
Landesvorsitz in MV kandidieren,
hieß es nach einem Treffen
des CDU-Landesvorstands.
Zuvor hatte Amthor seinen Sitz
im Amri-Untersuchungsausschuss
des Bundestags geräumt.
Beim DAX-Konzern Wirecard
ist Vorstandschef Braun mit
sofortiger Wirkung zurückgetreten.
Hintergrund ist der Skandal um
möglicherweise gefälschte Bilanzen
beim Zahlungsdienstleister
aus Aschheim bei München.
Wirtschaftsprüfer finden
1,9 Mrd. Euro nicht mehr auf,
die auf Treuhandkonten
bei Banken in Asien liegen sollen.
Wirecard sieht sich
als mögliches Opfer eines Betrugs.
Eigentlich läuft es gut für Wirecard.
Das Unternehmen
bietet Dienstleistungen
zum Zahlen ohne Bargeld
in Läden und online.
Das Geschäft boomt, aber der Konzern
kommt nicht zur Ruhe.
Gestern wollte Wirecard seine
Jahreszahlen für 2019 vorstellen,
musste die Präsentation
aber wieder verschieben.
Wirtschaftsprüfer hatten Zweifel
an vorgelegten Unterlagen
für 1,9 Mrd. Euro
auf Treuhandkonten Wirecards.
Die Aktie stürzte massiv ab.
Auch heute
ging der Kurs weiter nach unten.
Heute der nächste Paukenschlag:
Der langjährige Vorstandsvorsitzende
Braun räumt seinen Posten.
Braun zieht Konsequenzen
aus chaotischen Monaten.
Dem Konzern wurden Bilanzfälschung,
Marktbeeinflussung
und Missmanagement vorgeworfen.
Die Banken auf den Philippinen,
wo die 1,9 Mrd. Euro liegen sollen,
teilten mit, mit Wirecard
keine Geschäftsbeziehungen zu führen.
Die Belege seien gefälscht.
Der Rücktritt Brauns -
für Beobachter ein Schritt
in die richtige Richtung.
Der Rückzug soll vor allem
zerdeppertes Porzellan
wieder zusammenkehren.
Das funktioniert am besten
mit neuen Besen.
Der neue Vorstand scheint
von seiner Expertise als Jurist
geeignet dafür zu sein, was jetzt
an Klagen auf Wirecard zukommt.
Der Interimschef James Freis
hat nun die Aufgabe,
kreditgebende Banken zu beruhigen.
Sie dürften
nach der verschobenen Bilanz
2 Mrd. Euro an Krediten
vom Konzern zurückverlangen.
Das könnte die Insolvenz bedeuten.
Der spanische Schriftsteller
Carlos Ruiz Zafon
ist mit 55 Jahren gestorben.
Er erlag einem Krebsleiden,
wie sein Verlag mitteilte.
Er galt als einer der erfolgreichsten
spanischen Autoren der Gegenwart.
Der Roman "Der Schatten des Windes"
war einst der Durchbruch.
Carlos Ruiz Zafon lebte
seit mehr als 25 Jahren in den USA,
aber seine Geburtsstadt Barcelona
ließ ihn nicht los.
Mit ihren engen Gässchen
und verwunschenen Orten
war es in vielen seiner Bestseller
die heimliche Hauptdarstellerin.
Egal, worum es sonst noch ging:
Liebe, Tod, Engel oder Dämonen.
Das Barcelona, das ich beschreibe,
ist lebendig, mysteriös, romantisch.
Das Barcelona von früher.
Nicht das touristische Barcelona
von heute.
Mit Beobachtungsgabe und Gespür
für Spannung und Dramaturgie
landete Ruiz Zafon Welterfolge.
Manche Kritiker fanden seine Mischung
aus Krimi, Mystery und Liebesdrama
zu oberflächlich –
seinen Lesern war das egal.
Im berühmtesten Roman
"Der Schatten des Windes" heißt es:
"Jedes einzelne Buch hat eine Seele".
Die Seele seiner Bücher
berührte Millionen.
Nun die Wettervorhersage für morgen,
Samstag, den 20. Juni.
Von Südwesten nähert sich
der Keil eines Azorenhochs.
Noch bleibt es aber wechselhaft.
Heute Nacht regnet es
zwischen Ostsee und Lausitz
sowie im östlichen Bayern.
Sonst meist trocken.
Auch morgen gibt es im Osten
und Nordosten Wolken mit Regen.
Im übrigen Land
gibt es Sonne und Wolken
und vor allem im Süden
Schauer oder Gewitter.
Am Sonntag ganz im Osten
anfangs letzte Tropfen.
Sonst häufig Sonne.
Später im Westen und Nordwesten
wolkiger und vereinzelt Schauer.
Am Montag am Alpenrand Regen,
sonst freundlich.
Dienstag sonnig,
im Nordosten wolkiger, Schauer.
Ingo Zamperoni meldet sich
um 21.45 Uhr mit diesen Tagesthemen:
Kahlschlag bei Karstadt -
wie sich die Innenstädte
verändern könnten.
Naturgenuss contra Motorradlärm -
"Tagesthemen mittendrin"
im südlichen Schwarzwald.
Ihnen einen schönen Abend.
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