Sendung: tagesschau 26.02.2020 17:00 Uhr - Bundesverfassungsgericht kippt Verbot
Themen der Sendung: Bundesverfassungsgericht kippt Verbot der organisierten Sterbehilfe, Reaktionen auf das Urteil, Neue Corona-Fälle in Deutschland, Die Börse, Schlagabtausch der Parteien beim Politischen Aschermittwoch, Wiedereröffnung der Dresdner Galerie "Alte Meister"
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Claus-Erich Boetzkes
Guten Tag, meine Damen und Herren.
Willkommen zur tagesschau.
Viele Menschen haben Angst
vor einem qualvollen Tod.
Viele wollen selbst bestimmen,
wann der Zeitpunkt gekommen ist.
Damit standen sie bisher allein da.
Das könnte sich ändern.
Das Verfassungsgericht hat das Verbot
organisierter Sterbehilfe gekippt.
Betroffene dürfen sich künftig
helfen lassen.
Das war verboten.
Die Richter entschieden:
Jeder Mensch hat das Recht,
selbstbestimmt zu sterben.
Nur die Anwälte von Helmut Feldmann
konnten zur Urteilsverkündung reisen.
Der Kläger leidet
an einer unheilbaren Lungenkrankheit.
Er will sein Lebensende
selbst bestimmen.
Das möchte ich nicht miterleben.
Diese Luftnot zu haben ...
Dass ich nicht mehr
kommunizieren kann.
Dann ist die Grenze
meiner Lebensqualität erreicht.
Dann möchte ich nicht mehr leben.
Ein Sterbehilfe-Verein sollte ihm
ein tödliches Medikament besorgen.
Doch der Gesetzgeber verbot
die geschäftsmäßige Sterbehilfe.
Das Bundesverfassungsgericht
hat das Verbot gekippt.
Es verstößt gegen das Recht
auf selbstbestimmtes Sterben.
Das Recht schließt die Freiheit ein,
sich das Leben zu nehmen,
hierfür Hilfe bei Dritten zu suchen
und in Anspruch zu nehmen.
Ohne Angebote der Sterbehilfe
sei der Einzelne darauf angewiesen,
einen Arzt finden,
der ihm das Medikament besorgt.
In der Praxis sei das kaum möglich,
so das Gericht.
Sterbehilfe-Vereine können nun
ihre Tätigkeit wiederaufnehmen.
Trotzdem darf der Gesetzgeber
die Suizid-Hilfe regulieren.
Der Wunsch, zu sterben,
muss auf freier Entscheidung beruhen.
Die Zuverlässigkeit von Anbietern
könnte zudem überprüft werden.
Dubiose Angebote
könnten verboten werden.
In Karlsruhe ist Kolja Schwartz.
Sind dem Suizid jetzt
Tür und Tor geöffnet?
Der Staat
darf nicht mehr darüber entscheiden,
wann ein Leben lebenswert ist.
Er darf die Menschen nicht zwingen,
im Leben zu bleiben.
Aber er darf sie überzeugen,
im Leben zu bleiben.
Der Gesetzgeber
darf Wartezeiten einführen.
Er darf auch Angebote ausbauen.
Sind Sterbehilfe-Vereine
nach dem Urteil ab sofort legal?
Das sind sie.
Das Gesetz ist jetzt nichtig.
Die Vereine dürfen ihre Arbeit
wiederaufnehmen.
Aber der Gesetzgeber
darf die Vereine kontrollieren.
Er darf sie auf Zuverlässigkeit
kontrollieren.
Wenn Vereine die Menschen
zum Suizid treiben -
dann dürfen sie das nicht.
Der Staat hat dann
eine Schutzpflicht.
Erleichterung auf der einen Seite,
Bedauern auf der anderen:
Das Urteil
zur organisierten Sterbehilfe
hat unterschiedliche Reaktionen
ausgelöst.
Die Bundesregierung kündigt an,
die Entscheidung zu prüfen.
Politiker von SPD und FDP fordern
ein liberaleres Sterbehilfegesetz.
Aus der Union
kamen verschiedene Stimmen.
Die großen Kirchen
zeigten sich enttäuscht.
In China gibt es
die meisten Corona-Infektionen.
Doch immer mehr Länder
melden Ansteckungsfälle,
aber in geringer Zahl.
Von 81.000 Infizierten weltweit
geht die WHO mittlerweile aus.
Auch in Deutschland
sind fünf weitere Personen erkrankt,
zwei in Nordrhein-Westfalen,
drei in Baden-Württemberg.
Im Kanzleramt beraten Experten
über geeignete Strategien.
Die Patienten in Nordrhein-Westfalen
sind isoliert in Düsseldorf.
Nun ist bekannt,
wo sich das Ehepaar aufgehalten hat.
Es gab Kontakt zu vielen Menschen,
auch zu Kindern.
Das Ehepaar hat teilgenommen
am gesellschaftlichen Leben.
An diesem Wochenende
war Karneval im Rheinland.
Die Frau ist Kindergärtnerin.
Sie hat im Kindergarten gearbeitet.
Kinder und Eltern
sollen zu Hause bleiben.
Eine Arztpraxis wurde geschlossen.
Das Ehepaar hatte sie aufgesucht.
Der erkrankte Mann wurde ambulant
in der Kölner Uniklinik behandelt.
Patienten und Personal
wurden informiert.
Eine Klinikmitarbeiterin
zeige erste Symptome.
Das sind
recht unspezifische Symptome.
Die können aber einhergehen
mit der Coronavirus-Erkrankung.
Wir haben aber
viele andere Viren und Bakterien.
Die können auch Durchfall und Husten
hervorrufen.
Der Kreis Heinsberg,
aus dem die Corona-Patienten stammen,
hat Schulen und Kitas und Ämter
geschlossen.
Auch in Baden-Württemberg infizierten
sich drei Personen mit dem Virus.
Sie sollen zusammen
eine Italien-Reise gemacht haben.
Ihr Gesundheitszustand
sei unkritisch.
Ich begrüße Marylyn Addo.
Sie ist Professorin in Hamburg
am Universitätsklinikum Eppendorf.
Sie ist Leiterin
der Infektionsabteilung.
Wie besorgt sind Sie
über die Entwicklung?
Wir haben uns
auf diese Situation vorbereitet.
Wir wussten,
dass wir Einzelfälle sehen werden.
Wir müssen
das natürlich beobachten.
Das Ganze ist näher zu uns gerückt.
Wir haben in Italien
viele Patienten.
Und wir wissen nicht,
wer der Index-Patient ist.
Wir können in Deutschland
die Infektionskette nachvollziehen.
In Nordrhein-Westfalen nahmen
Infizierte am Karneval teil.
Lässt sich da
eine Infektionskette nachvollziehen?
Wir müssen das alles beobachten.
Wir haben stündlich
neue Informationen.
Die Gesundheitsämter sind gefragt.
Es heißt über die Corona-Infektion,
die Sterblichkeit sei
zehnmal so hoch wie bei der Grippe.
Die Zahlen
sind schwierig zu interpretieren.
Es werden im Moment
nur die Menschen getestet,
die Symptome zeigen.
Die Sterblichkeit ist im Moment
deshalb noch sehr hoch.
Bei Grippe gehen wir von einem Toten
bei 1000 Patienten aus.
Bei Corona ist es deshalb noch
eine höhere Sterblichkeit.
Was kann jeder Einzelne tun,
um sich zu schützen?
Wir sollten Ruhe bewahren.
Wir sollten besonnen reagieren.
Jeder Einzelne kann sich schützen.
Das ist wie bei der Grippe.
Man sollte die Hände waschen.
Man sollte in den Arm niesen.
Und Abstand halten
von symptomatischen Patienten ...
Ich gebe deshalb nicht die Hand.
An der Börse
herrschte schwarze Stimmung.
Die Kurse
fielen den dritten Tag in Folge.
Das Minus beim DAX
lag bei 400 Punkten.
Doch die Situation begann sich
im Laufe des Tages zu beruhigen.
Bettina Seidl, wo stehen wir jetzt?
Die Kursverluste sind beinahe weg.
Die Schnäppchenjäger
sind gelockt worden.
Deshalb sind die Kurse gestiegen.
Aber erleichtert ist noch niemand.
Die Nervosität ist groß.
Deshalb schwanken die Kurse so.
Ein Arbeitstag mit Stillstand
kann viel Wachstum kosten.
Schon jetzt leiden die Unternehmen.
Die Lufthansa
verschiebt Neueinstellungen.
Wenn in den Karnevalshochburgen
die tollen Tage vorbei sind,
dann beginnt die Fastenzeit.
Doch zuvor wird am Aschermittwoch
gut zugelangt.
Das gilt für das Bier
und für die politischen Reden.
Die meisten Veranstaltungen
finden in Bayern statt.
CSU-Chef Söder nutzte seine Rede
für Seitenhiebe -
gegen die SPD und gegen die Grünen.
Politischer Aschermittwoch in Passau:
für Söder ein Heimspiel.
Ordentlich austeilen und dem
politischen Gegner einschenken.
Bei Söder ist es Spott
für die Grünen.
Die Grünen sind schon nervös:
"Söder umarmt jeden Baum."
Bäume umarme ich gern.
Aber das ist das einzig Grüne,
was ich umarmen will.
Schwarz-Grün erteilt er eine Absage.
Wenn die Deutschen
einen grünen Kanzler hätten:
Sie bekämen nichts Neues.
Für den Grünen-Vorsitzenden
ist Söder ein brüllender Löwe -
der als Kätzchen in Berlin ankommt.
Er kann sich nicht einmal
gegen Kramp-Karrenbauer durchsetzen.
Und selbst diese Union
pfeift auf die CSU.
Einig sind sich beide
im Kampf gegen den Rechtsextremismus.
Klare Kante zeigt auch die SPD.
Die AfD
ist der Feind der Demokratie.
Nazis bleiben Nazis.
Bei der AfD sieht man sich
als Opfer von Verleumdung.
Hanau ist nicht Ergebnis
der politischen Diskussion.
Gregor Gysi fordert zum Umdenken
gegenüber seiner Partei auf.
Die Union
muss mehr Demokratie wagen.
Es gab am Aschermittwoch
wieder viele laute Töne.
Rembrandt, Rubens,
Raffael und Michelangelo
sind klangvolle Namen der Kunstszene.
Sie sind Teil der Alten Meister,
die die Dresdner Gemäldegalerie
bei ihrer Wiedereröffnung feiert.
Fast sieben Jahre lang
dauerte die Sanierung des Semperbaus.
50 Millionen Euro hat sie gekostet.
700 Gemälde und 420 Skulpturen
warten auf die Besucher.
Das wohl berühmteste Gemälde
der Sammlung:
Die Sixtinische Madonna von Raffael.
Seit dem 18. Jahrhundert gehört sie
zur Gemäldegalerie Alte Meister.
In den letzten sieben Jahren
wurde sie für 50 Millionen Euro
modernisiert und neu gestaltet.
Die Zeit der Schließung
nutzten auch die Restauratoren.
Wir haben 50 Bilder restauriert
und 140 teilrestauriert.
Wir haben 300 Rahmen restauriert
und neue nachschnitzen lassen.
Wir haben viele Skulpturen
gereinigt und restauriert.
Eine einzigartige Reise
durch europäische Kunstgeschichte -
das versprechen
die Ausstellungsmacher.
Die Klassiker der Malerei
werden neu präsentiert.
Die antiken Skulpturen
sind näher an die Gemälde gerückt.
Durch Rückbeziehung auf die Antike
kann man viel erfahren:
Wie wurde das Menschenbild
in verschiedenen Zeiten inszeniert?
Erleben sollen das Besucher mit
mehr Licht und besserer Orientierung.
Die Farbe der Räume
steht für die verschiedenen Epochen.
Die neue Ausstellung soll für Dresden
ein Ausrufezeichen setzen.
Hier folgt "Brisant".
Um 20 Uhr
kommt die nächste tagesschau.
Einen schönen Abend noch.
Copyright Untertitel: NDR 2020