Faourouz Sadaoutchi | GERMANIA
Ich hab mal mit 'ner älteren deutschen Dame
so 'ne Diskussion gehabt.
Dann habe ich auch gesagt: "Ja, für mich... ich bin ja beides."
Dann hat sie gesagt: "Nein, wieso, du hast doch 'nen deutschen Pass.
Du bist deutsch, du kannst nicht sagen, du bist beides."
Da habe ich gesagt: "Du hast leicht reden, du bist nur deutsch.
Du bist nur das."
* Titelmusik *
* Funk music *
Ich bin Faourouz Sadaoutchi.
Ich bin 26 Jahre alt.
Lebe derzeit in Wiesbaden, komme aber ursprünglich aus Togo.
Und arbeite als Flugbegleiterin und Modedesignerin.
Der Frankfurter Flughafen hat schon 'ne besondere Bedeutung für mich.
Weil ich damals das erste Mal in Frankfurt angekommen bin.
Und dadurch, dass ich auch als Flugbegleiterin
vom Frankfurter Flughafen immer abfliege
und da immer ankomme wieder nach Deutschland,
ist das irgendwie so 'n Symbol geworden für mich.
Egal, wo ich hingehe, ich komme immer in Frankfurt an.
Als mein Vater in den späten 80ern geflüchtet ist,
war meine Mutter mit mir schwanger.
Als es dann hieß, sie kann kommen, aber alleine,
hat sie mich dann bei meinen Großeltern gelassen.
Ungefähr bis vier, fünf Jahre alt.
Und dann bis fast sieben in Togo bei meiner Tante.
Von da sind wir dann nach Deutschland geflogen.
Ich kann mich nur erinnern, wie wir am Frankfurter Flughafen
ausgestiegen sind und meine Eltern dastanden.
Und meine Schwester dann gesagt hat: Das ist Mama!
Das wusste ich ja nicht.
Ich wusste ja nie, wer meine Mutter ist.
Sie ist dann natürlich auf mich zugestürmt,
hat mich in den Arm genommen und geweint.
Für mich war dann: Okay, das ist halt Mama jetzt.
Wenn ich meine Geschichte erzähle, wie ich aufgewachsen bin,
habe ich immer das Gefühl, dass die Menschen von mir erwarten,
dass ich 'nen psychologischen Knacks habe oder so.
Ich muss die dann halt immer enttäuschen.
Dadurch, dass es bei uns in der Kultur normal ist,
dass das Kind vielleicht bei den Tanten aufwächst
oder bei den Großeltern, hab ich auch nie damit gestruggelt oder so.
Ich war immer sehr kreativ.
Schon als Kind hab immer viel gezeichnet und so.
Mir war immer bewusst, dass ich was Künstlerisches machen möchte.
Als ich meine Mittlere Reife gemacht habe, war klar,
ich will Designerin werden.
In der afrikanischen Kultur ist das, was die Eltern sagen, Gesetz.
Man muss studieren, Architekt oder Arzt werden.
Ich bin froh, dass ich diese deutsche Kultur mitbekommen hat.
Nur deswegen habe ich mich getraut, zu sagen:
"Nein, ich mache das, was ich machen will."
Hätte ich das nicht gemacht, hätte ich niemals zu mir selbst gefunden.
Meistens sagen die Leute, Mode ist oberflächlich.
Aber ich hab z.B. eine Kollektion gemacht über Mädchen-Beschneidung.
Weil viele immer noch nicht wissen, dass das passiert.
Da haben die Leute nachgefragt, so konnte ich informieren.
So mache ich etwas, was ich liebe, was mir Spaß macht,
und versuche doch ein bisschen, die Welt zu verbessern.
Ich bin mit 26 jetzt das erste Mal wieder zurück nach Togo,
nach 19 Jahren.
Am Anfang, das Schwierigste für mich war,
dass die Menschen dort sehr langsam sind.
Sehr entspannt.
Alles hat Zeit, was nicht gleich passiert, passiert später.
Und das ist halt überhaupt nicht deutsch.
Ich kann mich da nicht anpassen,
das sind Urinstinkte, die in einem drin sind.
Auf der anderen Seite habe ich auch gemerkt,
dass ich auch sehr afrikanisch bin.
Z.B. meine Lebensfreude, meine positive Energie.
Meine Kontaktfreudigkeit zu Menschen, diese Offenheit.
Ich glaub, das war für meine Identitätsfindung sehr wichtig,
weil ich mich danach irgendwie komplett gefühlt hab.
Ich denke, Integration kann nur funktionieren,
wenn es wirklich um Integration geht und nicht nur um Assimilation.
Ich würde niemals meine togolesische Herkunft verleugnen.
Und sagen: Ich bin deutsch. Denn ich bin beides.
Meine Eltern wollten diese Integration auch.
Sie haben bei Würzburg gelebt, in einem kleinen Dörfchen.
Die Leute haben uns mit offenen Armen aufgenommen.
Wir waren die einzige Schwarze Familie dort.
2500 Einwohner, jeder kannte jeden.
Und wir haben so viel gespendet bekommen.
Keiner hat uns irgendwie komisch behandelt,
weil wir jetzt anders waren.
Wir sind muslimisch.
Wenn bei uns Opferfest war, waren die bei uns, haben mit uns gegessen.
Weihnachten wurden wir immer zu Bekannten eingeladen,
haben Weihnachten mit denen zusammen verbracht.
Ich erinnere mich, Weihnachten habe ich mich immer
am meisten übers Plätzchenbacken gefreut.
Das haben wir immer gemacht.
Und auch... ähm... Schnee, als Kind mochte ich Schnee.
Wir sind raus und haben gerodelt in den Weinbergen.
Das war immer schön. Und natürlich die Weihnachtsgans.
Mit Klößen, Rotkraut durfte nicht fehlen.
Weihnachten ist ein Fest der Liebe, das spürt man auch.
Selbst wenn man nicht christlich ist.
Allein wenn man durch die Straßen geht.
Und es dunkel wird und die ganzen Lichter überall.
Das ist einfach warm und kuschelig.
Man bekommt das selber mit, dass es ein Fest der Liebe ist.
* Titelmusik *
* Flughafendurchsage *
Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2018)