Beckenvenensyndrom - Krankheit mit später Diagnose | Frau TV | WDR
Eigentlich liebt es Jennifer Ruhe,
mit ihren Kindern im Garten zu toben.
Doch seit sie diese Schmerzen im Bauch hat, geht das nicht mehr.
Als ich vor 3 Jahren meinen jüngsten Sohn abgestillt hab,
kam die Menstruation wieder zurück.
Und da begann die schlimmste Zeit meines Lebens.
Ich hatte einfach nur noch starke Schmerzen
und heftige Regelblutungen.
Je länger der Tag ist, desto schlimmer wird es.
Es fing immer links an mit den Schmerzen.
Daraus entwickelte sich ein riesengroßer Blähbauch,
starke Blasenprobleme, Verstopfung, Druck.
Ihre Gynäkologin verschreibt ihr Schmerzmittel und Hormone.
Ich bin immer wieder zur Gynäkologin hin,
weil ich starke Nebenwirkungen von den Pillen und Hormonen hatte.
Die Pille wurde einfach 3-monatlich durchgewechselt.
Wie aufm Basar wurde mir jedes Mal eine andere Packung angeboten,
die ich ausprobieren sollte.
Sie nimmt Tabletten, hat aber trotzdem Schmerzen.
Jennifer Ruhe ist 30.
Obwohl die Ärzte organisch nichts feststellen
und Endometriose vermuten, raten sie zu einem drastischen Schritt.
Dann wurde mir kein anderer Weg aufgezeigt,
als dass man die Gebärmutter entfernt.
Weil da sollte die Endometriose drinstecken.
Wenn die rauskommt, dann...
...ist halt alles gut.
Und es war überhaupt nichts gut.
Die Schmerzen sind heftiger als zuvor.
Für Jennifer Ruhe beginnt eine Odyssee.
Sie rennt zu 11 verschiedenen Ärzten.
Und jedes Mal bin ich beim Arzt fast zusammengebrochen,
hab geweint, weil wieder nichts gefunden wurde.
Am schlimmsten ist für sie, nicht ernst genommen zu werden.
Es wurde gesagt, vielleicht haben Sie zu viel Stress im Leben
und bilden sich die Schmerzen ein.
Kommen Sie mal runter, gehen Sie eine Runde joggen,
dann wird schon alles besser.
Ein normales Familienleben ist unmöglich.
Meistens, ab 17 Uhr, ging bei mir gar nichts mehr.
Ich musste nur noch liegen und Wärme drauf machen.
Für die Kinder kann sie aktiv kaum noch da sein.
Ihre Bilder spiegeln ihr schmerzhaft,
wie sie die Mutter im Alltag erleben.
Die Lage hat sich nachher so zugespitzt,
dass ich selbst beim Geschlechtsverkehr Schmerzen hatte.
Ich wusste einfach nicht mehr, was ist los in meinem Unterleib.
Was ihr guttut in dieser Zeit, ist...
...dass meine Familie hinter mir stand,
dass ich mit meinen Freundinnen darüber reden konnte.
Jeder hat mich aufgefangen.
Das hat mich immer vorangetrieben,
weiterzumachen, durchzuhalten und an mich zu glauben.
Aufgeben ist für sie keine Option.
Tabletten schlucken auch nicht.
Jennifer Ruhe will endlich wissen, was sie hat, forscht selber nach.
Durch Zufall bin ich auf das Beckenvenensyndrom gestoßen
und hab mich da eins zu eins wiedererkannt.
Ich hab gedacht, das sind doch alles meine Beschwerden, die ich habe,
das könnte passen.
Und wieder wird sie nicht ernst genommen.
Die Ärzte kannten das quasi nie.
Sie wussten nicht, was das ist,
und deshalb konnten sie damit nichts anfangen und mir helfen.
Sommer 2019. Freundin Susi ist zu Besuch.
Sie macht ihr Mut.
Da hat Susi für mich den Termin vereinbart und gesagt,
du gehst da jetzt hin und versuchst es noch einmal.
Da hab ich dann all meinen letzten Mut zusammengenommen
und bin dann noch mal dahingegangen.
Jennifer Ruhe trifft in der Frauenklinik in Bielefeld
den Gynäkologen Moritz Hartog.
Können Sie mir etwas zu Ihren Unterbauchschmerzen erzählen?
Wie fühlen die sich an?
Es tut meistens unten links weh.
Nach 15 min Anamnese bin ich fast vom Stuhl gefallen,
weil Herr Hartog zu mir gesagt hat,
das hört sich für mich an wie das Beckenvenensyndrom.
Frauen können unheimlich gut in sich reinhören.
Wenn sie Schmerzen haben, sie bilden sich das nicht ein, die sind da.
Aber wenn ihnen immer wieder gesagt wird,
dass sie sich die nur vorstellen,
das ist das Erstaunliche, viele glauben das dann.
Haben die Schmerzen, glauben aber, ich bild sie mir ein.
Das ist ein Mechanismus, der erstaunlich ist, dass das geht.
Wie eine Art kleine Gehirnwäsche.
Der Gynäkologe entdeckt bei Jennifer Ruhe
eine versteckte, abgeknickte Vene im Bauch.
Die Ovarialvene führt links von den Eierstöcken zur Nierenvene
und soll Blut nach oben transportieren.
Wird sie durch ein Hindernis gestaut,
sackt das Blut wie bei einer Krampfader
ins gesamte kleine Becken, was zu massiven Beschwerden führen kann.
Charakteristika des Beckenvenensyndroms sind
der Blähbauch, der starke Blähbauch, das Ziehen in den Leisten,
das Ziehen im Rücken, Schwierigkeiten beim Stuhlgang,
Schmerzen und Schwierigkeiten beim Wasserlassen v.a. in der Frequenz.
Ziehen ins Bein und gestaute Beine.
Betroffen sind meist Frauen unter 45, die geboren haben.
Nur wenige Ärzte sind geschult, das Beckenvenensyndrom zu erkennen.
Das Syndrom ist schwammig, es betrifft fast alles.
Es kann denken lassen an die Gebärmutter, den Eierstock,
den Blinddarm, generell die Gefäße im kleinen Becken,
die Nerven im kleinen Becken.
All dieses ist in diesem Bereich
und könnte ebenfalls ähnliche Symptome machen.
Daher ist es so schwierig einzuordnen.
Im November 2019 wird Jennifer Ruhe operiert.
Ein minimalinvasiver Eingriff.
Seitdem ist sie schmerzfrei.
Für mich ist das wie ein neues Leben.
Ich hatte 3 Jahre einfach nur einen Horrortrip hinter mir,
und jetzt blüh ich auf, jetzt gehts vorwärts.