Z.B. in meiner ersten war Rauchen allein ein No-Go.
Dann bin ich in die neue 10. Klasse gekommen
in einem anderen Stadtteil von Herford,
wo jeder aus der Klasse geraucht hat.
Und 2/3 der Klasse gekifft haben.
Dann nen erschütterndes Ereignis in der Familie gewesen.
Dann ist es zum regelmäßigen Konsum gekommen.
Weil die Möglichkeit schneller da war, an das Zeug ranzukommen.
Ich hab 3-mal die Schule gewechselt, wir sind immer wieder umgezogen.
Bei dem 3. Schulwechsel
musste ich zum ganzen sozialen Umfeld Kontakt abbrechen,
weil es eine zu große Entfernung war.
Dann bin ich auf der anderen Schule
direkt auf die schiefe Bahn abgerutscht.
Und hab mich den Chaoten angeschlossen.
So kam es bei mir zum Kiffen.
Einer der Patienten will mir mehr von sich erzählen.
Wir sollen ihn Milo nennen.
Er ist 26 und für 16 Wochen hier.
Es ist seine 4. Therapie.
Diesmal will er es schaffen.
Ich hab 2 Monate lang Kokain und MDMA konsumiert.
Dadurch hab ich mich psychisch so weit verändert,
dass es rapide bergab ging.
Ich hab eigentlich immer nach einem normalen Leben gestrebt.
Aber dann gab es eine Trauma-Geschichte familiär,
möchte ich nicht weiter drauf eingehen.
Und das war für mich der Grund,
wo ich stark mit den Drogen abgerutscht bin.
Für den Einstieg zum Kiffen
hat für Milo das schulische Umfeld eine Rolle gespielt.
Wie vielen geht das so?
Zurück an der Gesamtschule.
Das Motto eines Abschlussjahrgangs:
Mit der Schultüte fing alles an.
Sicher mit einem Augenzwinkern.
Aber in den letzten Jahren wurde das Thema Drogen hier drängender.
Hallo zusammen. (alle) Hallo Herr Krause.
Schön, euch zu sehen. - Gleichfalls.
Tobias Krause ist Lehrer für Englisch und Religion,
heute in der Oberstufe.
Wie reagiert er, wenn er den Verdacht hat,
ein Schüler könnte ein Drogenproblem haben?
Kommt das vor?
Dass ich schon gemerkt hatte, dass sich Schüler verändert haben,
in sich gekehrt haben, das kam schon mal vor.
Es ist immer sehr individuell.
Ist das nur eine Phase?
Ist das vielleicht etwas, was in der Pubertät mal normal ist,
dass sich Leute mal verändern?
Das war auch ein Schüler bei mir aus der Klasse,
den hab ich in einer ruhigen Minute mal drauf angesprochen.
Das war... Die 1. Reaktion war sehr ablehnend.
Nö, stimmt nicht, ist alles normal.
Da kam aber hinterher heraus,
jetzt haben Sie mich schon drauf angesprochen,
dann wurde das geschildert.
Dass da durchaus Probleme zu dem Zeitpunkt zu Hause waren,
dass das so eine Geschichte war.
Guido Olier ist einer von 4 Sozialpädagogen an der Gesamtschule.
Er hat eine offene Sprechstunde für die Schüler*innen,
die mit ganz verschiedenen Anliegen zu ihm kommen.
Welche Rolle spielt die Drogenaufklärung in seinem Alltag?
Ja, die hat auch ne hohe Priorität.
Wir führen es durch sofern es uns möglich ist
vom zeitlichen Rahmen z.B.
Aber es soll einmal im Jahr auf jeden Fall stattfinden.
Daneben haben wir viele andere Themen auch in der Schule.
Da geht es vielfach um Vernachlässigung
von Kindern in den Familien und auch um Gewalt.
♪ Trink ne Flasche Luft in der S-Bahn,
Steilgang mit den Brüdern und den Schwestern,
alles ist gut, hoffe, dass sich nichts verändert. ♪
Ich treffe noch mal Milo, ich will mehr von ihm erfahren.
Ich bin rumgelaufen wie ein amerikanischer Gangster.
Ich hatte mein Hosenbein hochgekrempelt,
von wegen ich hab 20, 30.000 Euro auf Tasche,
mir kann keiner was, dieses Überhebliche.
Der ist auf jeden Fall brutal, heftige Felgen.
Hat eine schöne Front, schön bullig gebaut.
Ist das, worauf du früher drauf abgefahren bist?
Definitiv, heute würde ich ihn auch noch gerne fahren,
aber mehr auf dem legalen Weg, nicht auf dem illegalen Weg.
Damals wollte ich illegal das Geld beschaffen,
damit ich so ein Auto haben kann.
Habs leider nicht geschafft und dann hab ich es auch aufgegeben.
Würde es jetzt auch hinter mir lassen gerne.
Aber trotzdem auf legalem Weg versuchen,
ein schönes Auto zu kaufen.
Der ist auch gut, ist ein schönes Sportauto, knapp 60.000.
Ich wüsste andere Sachen, die ich mit dem Geld machen würde.
Was würden Sie denn damit machen?
Ich glaube, ich würde mir einen alten Bauernhof kaufen
und den so richtig schön machen. - Echt?
N paar Hühner da rein und so. - Krass.
So ein Landei-Lifestyle.
Nee, also ich bin schon mehr der Stadttyp, gerne in der Stadt.
Ich hab früher auch mal auf dem Dorf gewohnt, mir war das zu langweilig.
In seiner Freizeit rappt Milo.
Früher über sein Gangsterdasein, heute über sein neues Leben.
Ich hab die ganzen Rapper auch als Idole angesehen.
Speziell war es früher Bushido,
dadurch, dass ich auch ohne Vater aufgewachsen bin.
Und so hat sich das entwickelt, wollte selber Rapper werden.
♪ Komm, ich zeig dir meine Welt, Krisen kehre ich den Rücken,
ohne Rückkehr, komme jeden Tag ein kleines Stück meinem Glück näher.
Leute glauben, dass ich verrückt wäre,
heute bin ich Produzent und Künstler. ♪
Seit 3 Monaten lebt er in der "Adaption",
einer Rehabilitation für Suchtkranke.
Hier lernt er, wieder einen geregelten Alltag zu führen
und bekommt Unterstützung, um einen Job oder eine Ausbildung zu finden.
Ich hab 4, 5, 6 Psychiatrieaufenthalte hinter mir,
4 Therapiebesuche,
eine Adaption jetzt.
Und, ich sag mal so, nach ganzen 10 Jahren,
hab ich den Absprung geschafft.
Und auch gesagt, ich bin bereit dafür.
Als Milo 18 war, gab es ein Ereignis in der Familie,
das ihn aus der Bahn geworfen hat.
Bei mir hat sich viel gedreht, auch wegen der Trauma-Geschichte,
dass ich mich mehr aus dem Leben scheppern will.
Gar nix von der Realität wahrnehmen will, der Realität entfliehen.
Dementsprechend hat sich mein Drogenkonsum angestiegen.
Dadurch dass man eine gewisse Toleranzgrenze entwickelt,
irgendwann braucht der Körper dann mehr,
um wieder dieses Wegdröhnen zu bekommen.
So hat es auch angefangen mit der Kriminalität.
Vorstrafen haben sich aufgebaut, Gewaltdelikte,
immer wieder wegen Körperverletzung aufgefallen.
Die Drogen haben, wie bei vielen,
auch bei Milo psychische Probleme ausgelöst.
Ich hab Stimmen im Kopf gehört, mich verfolgt gefühlt.
Dann bin ich in den Entzug gegangen.
Seit 2013 haben mir die Ärzte
immer wieder verschiedene Medikamente gegeben.
Die haben mich so gerädert,
dass ich meinen Alltag nicht mehr geschissen bekommen hab.
Dann hab ich die immer wieder abgesetzt.
Wo ich mit dem Koks aufgehört hab,
hab ich auch jegliche Medikamente abgelehnt.
Nach 5, 6, 7 Wochen hat sich das wieder normal eingependelt.
Und heute kann ich so weit ohne Medikamente leben.
Milo sagt, was sein Konsum auf jeden Fall verstärkt hat war,
dass er so viel mit seinem Dealer rumhing,
und die Drogen somit immer verfügbar waren.
Ist das auch ein Problem der Gesamtschule?
5 min von ihr entfernt liegt der Busbahnhof,
der als Hotspot gilt.
Mit Ronja will ich da zusammen hingehen.
Sie sagt, dass hier immer Leute anzutreffen sind.
Und tatsächlich treffen wir Jungs,
die selbst dealen oder gedealt haben.
Ob sie auch an Schüler verkaufen?
Nein, wo ich hier unterwegs war, hab ich darauf geachtet,
dass kein Kind was bekommen hat.
Bei jedem ist es unterschiedlich,
aber man sollte aufpassen, an wen man was verkauft.
Aber dann gibt es ein paar Leute, die vergiften die Kleinen.
Macht das nicht so Gewissenskonflikte,
wenn man so was verkauft, weil man weiß, dass man quasi Sucht verkauft?
Ich weiß, auf was du hinaus möchtest.
Aber im Endeffekt entscheidet doch jeder selber, würde ich sagen.
Wir zwingen keinem was auf.
Jeder kommt selber holen und weiß, was für Risiken daraus entstehen.
Er weiß, dass man auch davon abhängig sein kann, er weiß alles.
Und wenn er kommen möchte, soll er kommen.
Im Endeffekt liegt es an denen. Nicht an uns.
Ist die Polizei denn hier nicht unterwegs und kontrolliert euch?
Die Polizei ist oft da, aber die Dealer sind ja schlau,
die sind nicht von gestern, die wissen, wo sie ihre Verstecke haben.
Die Gefahr bei illegalen Rauschmitteln:
Man weiß einfach nicht, was drin ist und wie hoch sie dosiert sind.
3 Teenager sind in Deutschland im letzten 1/2 Jahr
an Ecstasy gestorben.
Auch Vero stand kurz vor dem Tod.
Sie heißt eigentlich anders, aber sie möchte unerkannt bleiben.
Vero ist Anfang 20
und hat das Gymnasium abgebrochen wegen ihres massiven Drogenkonsums.
Ich lag mit einem multiplen Organversagen im Krankenhaus.
Es waren viele Organe, die nicht mehr so gut funktioniert haben.
Ich hatte einen Suchtdruck, dass ich mich selbst entlassen wollte.
Und das Ganze nicht so schlimm gesehen hab.
Da hat der Arzt mir klargemacht:
Wenn du dich selbst entlässt, gebe ich dir noch ein paar Tage,
ohne ärztliche Hilfe wirst du das nicht schaffen.
Dann hab ich mich im Krankenhaus mit Antibiotika versorgen lassen.
Ich bin da liegen geblieben und hab mich direkt darum kümmert,
dass ich eine Entgiftung und eine Therapie machen kann.
Welche Drogen waren das, die dazu geführt haben,
dass deine Organe versagt haben?
Am meisten Ecstasy und Speed.
Weil ich hab das schon sehr exzessiv konsumiert.
Was heißt exzessiv? Wie viel?
Das war ein Dauerzustand.
Ich bin auch drauf zur Schule gegangen.
Ich hab mir in jeder Pause ein, 2 Näschen gezogen,
um die nächste Schulstunde zu überleben.
Da war ich so 16, 17.
Hattest du den Eindruck, dass deine Lehrer das gemerkt haben,
wenn du zugedröhnt in den Unterricht gekommen bist?
Zwischendurch ja, aber die meiste Zeit nicht.
Man hat das gut verstecken können.
Ich hatte fast immer meinen Finger oben in der Schule.
Also das hat man mir sehr schlecht, sehr spät erst angemerkt.
Erst wo es richtig schiefging. - Was hättest du dir gewünscht?
Wenn ich besser aufgeklärt worden wäre,
ich glaube, da wäre ich abgeschreckter gewesen,
als wenn ich einfach reingeschlittert wäre.
Nach der 1. Therapie war Vero 1/2 Jahr lang clean.
Chemische Drogen hat sie seitdem gar nicht mehr angefasst.
Aber mit Kiffen fing sie an, braucht jetzt eine 2. Therapie.
Die ganze Kifferei hat irgendwie was in mir verändert.
Ich bin gar nicht mehr dieses aufgeweckte, fröhliche Mädchen.
Ja, dadurch ist einiges schiefgegangen.
Jetzt komme ich aus diesem schluderigen Modus
gar nicht mehr so gut raus.
So wie Vero geht es vielen Abhängigen.
Die Psyche leidet unter dem Konsum.
Wo genau liegen die Gefahren?
Das will ich einen Experten fragen.
Dr. Nyhuis ist Chefarzt
am psychiatrischen St. Marien Hospital Eickel.
Er nimmt mich mit in den Gruppentherapieraum der Station,
wo er auch junge Erwachsene behandelt.
Was können illegale Substanzen für einen Einfluss
auf die Entwicklung von jungen Menschen haben?
Sie können vor allen Dingen eine Reifungsstörung machen,
eine Verzögerung der Persönlichkeitsentwicklung.
Diese jungen Menschen sind gar nicht mehr frei im eigentlichen Sinne,
sondern sind bestimmt durch den Drogenerwerb und -konsum.
Und Potenziale, die sich eigentlich entfalten könnten und müssten,
werden unterdrückt.
Welche Krankheiten können denn durch Drogen ausgelöst werden?
Am häufigsten sind sicherlich depressive Erkrankungen.
D.h. Rückzug, Antriebsstörungen, Verlust von Interessen.
Und letztlich ein absoluter Niedergang von Lebensqualität.
Es gibt aber auch eine andere große Gruppe
an psychischen Erkrankungen durch Drogenkonsum,
das sind psychotische Erkrankungen.
Also halluzinatorisches Erleben,
vor allen Dingen optische Halluzinationen unter Drogenkonsum.
Aber auch Wahnphänomene, die auftreten können.
Das sind in aller Regel ja
Akutzustände, Krisensituationen, medizinischer Notfall.
Situationen, wo die Patienten notfallmäßig
zu uns in die Klinik kommen.
Vielen Dank.
Ich hab mich jetzt mehrere Wochen mit diesem Thema beschäftigt,
hab viele Leute getroffen,
mit vielen gesprochen, die Drogen nehmen.
Mein Eindruck ist, es gibt viele junge Menschen,
die zumindest schon Drogen ausprobiert haben.
Es gibt sicher Leute, die kontrolliert konsumieren,
wie andere Bier trinken.
Aber es gibt auch welche, die darauf hängen bleiben,
sich körperlich und psychisch kaputt machen.
Die sich auch ihre Zukunft verbauen.
Ich treffe noch mal Milo.
Er hat heute einen Termin bei seiner Betreuerin zur Berufsberatung.
Sein Aufenthalt hier ist bald vorbei.
Wie soll es für ihn weitergehen?
Ich hatte mich beworben im kaufmännischen Bereich.
Das Problem ist, ich hab 2 Einträge im Führungszeugnis.
(Frau) Dann wirds nix. - Das wusste ich nicht.
Und jetzt bin ich am Umplanen.
Mit seinen Einträgen im Führungszeugnis
wird es für Milo nicht leicht, eine Ausbildung zu finden.
Aber er gibt nicht auf.
Natürlich, es gibt Vorwürfe, die ich mir mach.
Es gibt aber auch Dinge, die ich stolz ansehe.
Wenn ich in Betracht vom Führungszeugnis
und wie weit ich mir die Zukunft verbaut hab,
mach ich mir schon Vorwürfe.
Aber dass ich den Absprung geschafft hab und den geraden Weg gehe,