Die Weisheit der Hundertjährigen | Kulturjournal | NDR
Wie werden wir gesund und glücklich alt?
Können wir etwas dafür tun, für ein erfülltes Leben,
bis wir 90 oder 100 sind?
Gibt es ein Patentrezept?
Welche Rolle spielen Ernährung,
Bewegung, Beziehungen, unser Umfeld und unsere Gene?
Auf der Suche nach Antworten haben Ex-"Spiegel"-Chefredakteur
Klaus Brinkbäumer und seine Frau Samiha Shafy die Welt bereist.
Ihre Frage: Warum manche Menschen viel älter werden als andere?
Besuch bei der ältesten Buchhändlerin in Deutschland.
Guten Tag.
Ich suche einen kleinen, günstigen Roman.
Helga Weyhe aus Salzwedel.
Sie ist fast 100 und steht sechs Tage die Woche in ihrem Laden.
Jetzt ist ihr ein Kapitel in einem Buch gewidmet.
Samiha Shafy und ihr Mann Klaus Brinkbäumer interessierten sich
für ihre Geschichte.
Wollten Sie so alt werden? Hatten Sie sich das gewünscht?
Ich wollte, dass ich in ein neues Jahrtausend komme.
Wie alt wollte ich werden irgendwann mit 60? 78?
Das wollte ich werden.
Als junge Frau hatte Helga Weyhe den Traum, die Welt zu sehen.
Doch durch den Krieg und die DDR wurde ihr Leben nicht
durch das Reisen erfüllt, sondern durch die Heimat:
Ihrer kleinen Buchhandlung in Salzwedel.
Der Weisheit der 100-Jährigen auf der Spur.
Die Autoren recherchieren, wo besonders alte Menschen leben.
Sie wollen wissen:
Was ist das Geheimnis eines langen, glücklichen Lebens?
Sie reisen über alle Kontinente, etwa nach Okinawa.
In Japan, Okinawa, gibt es das Zauberwort Ikigai.
Ikigai bedeutet: Du brauchst einen Sinn deinem Tun.
Du brauchst was, was dich morgens aufstehen lässt.
Du brauchst einen Grund zu leben, auch mit 100 Jahren.
Die Menschen auf Okinawa sagen, dass das nicht funktionieren kann,
wenn man mit 63, 65 oder 67 in die Rente geht.
Wenn man den Freundeskreis verliert durch den Ruhestand
und einen wesentlichen Sinn im Leben.
Die Reise geht weiter.
Eine 100-Jährige verschläft das Interview,
andere sprühen vor Lebensfreude wie Hilde Hefti (98) in der Schweiz.
♪ Langsame Musik ♪
Sie tanzt und schreibt noch Gedichte.
Dass sie so alt geworden ist, sei pures Glück.
Hilde Hefti war schon auf einem Viehwaggon Richtung KZ,
als sie ein Soldat aus dem fahrenden Zug schmiss.
Ein bewegtes Leben.
Mein guter Rat lautet:
Gib nie auf, an dich zu glauben und an das Gute im Mitmenschen.
Samiha Shafy und Klaus Brinkbäumer sprachen auch mit Wissenschaftlern.
Von ihnen wissen sie:
Zu 30 % entscheiden die Gene darüber, wer 100 wird.
70 % können wir selbst mit gesundem Lebensstil beeinflussen.
Wie sieht ein gelungenes Leben aus?
Männer sprachen gern von beruflichen Erfolgen.
Sie bedauerten aber zugleich,
Familie und Freunde darüber aus dem Blick verloren zu haben.
Besonders ans Herz gewachsen ist den Autoren Roger Angell,
der letzte Woche 99 geworden ist.
Roger Angell in New York haben wir immer wieder besucht.
Er ist ein tabuloser, frei denkender Intellektueller.
Den haben wir ständig besucht,
weil er uns in neue Bereiche geführt hat.
Er hat über das Altwerden in allen Formen und Facetten
mit uns gesprochen hat.
Den haben wir über fünf Jahre beim Altern begleitet.
"Das kluge, lustige, gesunde, ungebremste,
glückliche, sehr lange Leben", so der Titel des Buches.
"Roger Angell bestreitet,
dass kurz vor dem Tod die Triebe schwänden."
"Es ist die größte aller Überraschungen des Alters,
dass alte Menschen wie er nach Zärtlichkeit, intimer Liebe
und Nähe dürstete."
Die Recherche führt auch in den Dschungel Thailands.
Dort lebt eine 112-Jährige.
Wie nahezu alle 100-Jährigen betont Pliao Phetphang,
wie wichtig soziale Beziehungen im Leben sind.
Es ist wissenschaftlich bewiesen: Einsamkeit tötet.
Glaubt diese Thailänderin an ein Leben nach dem Tod?
Sie weiß, dass es ein Leben nach dem Tod gibt.
Sie sagt, wir wissen das doch, wir sind doch Buddhisten.
Wieso fragt sie?
Beeindruckt hat mich bei den Frauen dieses Bereuen,
dass sie nicht genug für ihre Wünsche eingestanden sind.
Dass sie nicht mutig waren und dafür gekämpft haben,
z.B. zur Schule zu gehen.
Oder einen Beruf auszuüben,
obwohl es nicht der Rollenerwartung damals entsprach.
Mutig sein: Davon können wir viel lernen.
Das machen,
was wir machen wollen mit der Zeit, die wir haben, auf dieser Welt.
Das Autorenpaar hat 50 100-Jährigen besucht.
Sie lehren uns,
die Prioritäten im Leben zu überdenken.