Meine Beziehung zu einem Autisten 😳😊 Storytime⎢Auf Klo
. Weil er eben nicht mag, dass Sachen wo liegen, wo sie nicht hingehören, nimmt er oft Zigarettenstummel, die am Boden, am Weg sind,
einfach auf und will sie essen.
Ich bin Verena, 20 Jahre alt
und ich wurde schon sehr früh mit Autismus konfrontiert.
Eigentlich seit ich ein Baby bin.
Denn mein Bruder ist autistisch.
Das größte Problem ist, dass er nicht weiß,
wie er sich verhalten soll in gewissen Situationen.
Oft endet das dann mit Selbstverletzungen.
Wenn z.B. ein Kind weint oder ein Mensch weint,
kann er das irgendwie nicht ertragen und er wird aggressiv.
Er fängt mitten in Geschäften an zu schreien aus keinem Grund.
Selbstverletzend hat sich in diesem Sinne auch ausgewirkt,
dass er sich die Fingernägel runterreißt.
Dann auch, dass er seinen Hoden zwischen Türen hält
und die Türe zuschlägt.
Er isst Steine.
Er hat auch den Drang gehabt, Sachen kaputt zu machen.
Er hat Fenster eingeschlagen, Spiegel eingeschlagen.
Weil er es eben nicht mag, dass Sachen wo liegen,
wo sie nicht hingehören,
nimmt er oft Zigarettenstummel, die am Boden, am Weg sind,
einfach auf und will sie essen.
Mein Bruder hatte sehr lange Zeit einen Privatlehrer.
Der eben spezialisiert ist auf Autismus.
Danach war er auf einer Schule für schwerbehinderte Kinder.
Da ist er rausgefallen, weil er einem anderen Kind
mit einem Stuhl den Kopf eingeschlagen hat.
Jetzt ist er in einem speziellen Heim für Autisten.
Es geht ihm gut.
Mein Bruder ist jetzt 28,
es liegen etwas weniger als 8 Jahre Altersunterschied zwischen uns.
Das Problem war, dass ich mit ihm aufgewachsen bin.
Ich war ein Kind, ich hab nicht das Denken gehabt, was ich heute hab.
Wenn etwas kaputt gegangen ist und ich das war
und meine Mutter mich darauf angesprochen hat,
hab ich immer gesagt, nein, das war der Benji, das war nicht ich.
Weil er keine Sprache hat, hat er sich nicht wehren können.
Aber man merkt, dass er ganz genau versteht, was ich sage.
Dann hat man gemerkt, dass er unruhig geworden ist.
Ist durchs Zimmer hin und her gerannt.
Dann ist er vor- und zurückgewippt, um zu zeigen, hey,
das war ich gar nicht.
Meine Mutter hat mir geglaubt, natürlich,
weil er ja regelmäßig Sachen kaputt gemacht hat.
Viele Freunde von mir wollten gar nicht mehr zu mir kommen,
wenn mein Bruder zu Hause war.
Das sind auch Kinder, die wissen auch nicht,
wie sie mit der Situation umgehen sollen,
die kennen diese Situation nicht.
Es war sehr schwer für mich zu akzeptieren,
dass jemand Angst vor meinem Bruder haben kann,
weil ich ihn ja trotzdem liebe.
Es war schon schwer. Einmal habe ich geweint.
Er hat mich hochgenommen und auf den Steinboden geschlagen.
Und das dreimal.
Als Kind bekam ich eine Aggression.
Doch je älter ich wurde, desto mehr habe ich verstanden,
es ist nicht, dass er mich nicht mag oder sonst irgendwas.
Es ist einfach, weil er einfach so ist.
Und dass er gut so ist, wie er ist.
Und dass ich ihn trotzdem lieben kann mit all den Problemen,
die er hat.
Mein Freund hat auch autistische Züge.
Seine Mutter hat mir das gesagt, auch er hat mir das gesagt.
Am Anfang habe ich gedacht, nein, niemals.
Das ist alles Blödsinn, das kann nicht sein.
Weil ich Autismus immer mit meinem Bruder verglichen habe.
Leute, die nicht reden können.
Leute, die sehr aggressiv sind. Bla bla bla.
Irgendwann bin ich darauf gekommen, es gibt mehrere Arten.
Es ist nicht alles nur schwarz und weiß.
Mit meinem Freund ist es so, dass er immer die Wäsche aufhängen muss.
Weil die Wäsche muss... er hat mir das erklärt:
Die Wäsche muss eine gerade Linie unten haben.
Dann trocknet die Wäsche schneller. So. Und ich kriege das nicht hin.
Gut. Ich könnte jetzt einen Streit anfangen und sagen,
denkst du, ich bin zu blöd, die Wäsche aufzuhängen?
Mache ich nicht.
Ich sage, wenn du gerne die Wäsche aufhängen willst, mach es.
Genauso, wie du es gerne machen willst.
Und es gibt gar keine Probleme, überhaupt nicht.
Es ist einfach gegenseitige Akzeptanz.
Wir haben gegenseitige Kompromisse,
und so funktioniert unser Zusammenleben ohne Probleme.
Ein Vorurteil, das mich sehr stört, ist, dass man sagt,
dass Autisten keine Liebe zeigen.
Das finde ich überhaupt nicht.
Immer, wenn ich meinen Bruder besuche und die Tür aufmache,
steht er vor der Türe, hüpft auf und ab und klatscht in die Hände.
Er strahlt von einer Seite zur anderen.
Es ist auf jeden Fall eine Art zu zeigen,
dass er mich liebt. Er zeigt es einfach anders.
Man muss die Augen ein bisschen weiter aufmachen.
Und man sieht, dass sie es schon zeigen.
Dass sie es nur anders zeigen. Auf eine andere Weise.
Ich habe viel für mein eigenes Leben mitgenommen,
weil ich eben aufgewachsen bin mit einer beeinträchtigten Person.
Ich weiß, dass beeinträchtigte Leute auch Sachen alleine machen können,
dass sie nicht dauerhaft meine Hilfe brauchen.
Dass ich nicht überfreundlich zu denen sein muss
und ich weiß, dass die ganz normale Menschen sind.
Wie ich auch und du auch und jeder auch.
Das war schon meine Seite.
Ich bin froh, meine Sicht weitergeben zu können
und euch zu zeigen,
dass man manchmal einfach nur die Augen etwas weiter aufmachen muss
und keine Vorurteile gegenüber anderen haben muss.
Ich hoffe, das merkt ihr euch. Tschüss.
Untertitel: ARD Text im Auftrag von FUNK, 2018
Indem er eben auf einmal... Oh.
(Lachen im Hintergrund und jemand sagt: oh nein!)
Hahaha... Ich hab nichts getan, ich bin unschuldig.