Non-binary: Weder Frau noch Mann! Wie sehr bestimmt das Geschlecht mein Leben?
. Ich finde es immer so blöd, wenn man online z.B. was beim Lieferservice bestellt,
und kann nur "Frau" oder "Herr" eingeben.
Warum müsst ihr wissen, welches Geschlecht ich habe?
In den letzten Wochen lernte ich Menschen kennen,
die sich bewusst gegen ein klischeehaftes Berufsbild,
männliches oder weibliches, entschieden haben.
Heute treffe ich jemanden,
der sich überhaupt nicht in eine Kategorie wie Mann oder Frau
einteilen lassen will, nämlich Cato. Cato hat sich bei uns gemeldet.
Ich bin total gespannt, wie er oder sie,
das muss ich, glaube ich, noch rausfinden, wie Cato sich wahrnimmt.
Hi. - Hi. Schön, dich zu sehen. - Ja, danke für die Einladung.
Das ist ja bunt hier. - Ja.
Aquarium. - Axolotl. - Ah, da hinten ist es.
Wenn ich mich hier umgucke und ich müsste sagen,
ob hier ein Boy oder ein Girl wohnt,
würde ich tendenziell eher sagen: Ihr wohnt ein Mädchen.
Ich merk' selbst, wie bescheuert das ist.
Wenn ich dann die anderen Wandtücher aufhänge
und eine andere Bettwäsche drauf mache,
ist es wieder 'ne ganz andere Frage.
Natürlich mit dem Himmelbett ist es schon eher weiblich,
aber mit 'ner anderen Bettwäsche und anderen Wandbehängen
würde man vielleicht denken: eher ein Kerl.
Dann schaut man zum Make-up: nee, kein Kerl.
Aber warum schminken sich Kerle nicht?
Es ist cool. Es macht Spaß, man sieht gut aus:
Poren weg, schöne Augen, keine Augenringe.
Ist doch geil. Warum macht man das nicht?
Weiß nicht. Ich hab mich nie geschminkt.
Ein bisschen Augenringe wegmachen ist ja schön. - Hab ich Augenringe?
Ein bisschen. - Autsch.
Non-binary, was würdest du sagen bedeutet es?
Dass ich mich nicht
in diese Geschlechterrollen männlich und weiblich einordnen kann.
Non-binary ist dieser Begriff für nichtbinär,
also nicht männlich, nicht weiblich, also die ganze Spanne dazwischen.
Woran macht man Weiblichkeit und Männlichkeit fest?
Wenn man darüber nachdenkt, merkt man: Man weiß es gar nicht richtig.
Alles was einem einfällt, sind Klischees.
Ich habe ein Kinderbild von mir.
Man merkt,
dass ich nicht geschlechterspezifisch angezogen wurde.
Meine Mutter hat versucht mich in Kleider zu stecken, auch ins Ballett.
Da bin ich rausgeflogen. Dann durfte ich zum Fußball.
Dann habe ich noch ein Bild von mir mit 14.
Das war die Zeit, wo ich mich eher als Junge gesehen habe.
So war ich mit 14.
Da habe ich mir die Haare lang wachsen lassen,
hab mich nicht so wirklich wohlgefühlt.
Dann habe ich mir Dreadlocks gemacht. - Krass.
Ich wollte lange Haare haben, aber wollte die androgyner gestalten,
damit ich so aussehe wie ich mich fühle.
Was ist das für ein Gefühl in einem, dass man sagt:
Ich fühle mich nicht richtig männlich, nicht weiblich.
Wie würdest du das Gefühl beschreiben?
Ich habe beide Rollen ausprobiert.
Ich habe festgestellt, dass beides nicht zu mir passt.
Dann habe ich sehr viel selbstreflektierende
Selbstfindungsphasen, auf das Geschlecht bezogen, durchlebt
und festgestellt:
Wer bin ich eigentlich, was bin ich, wie möchte ich sein?
Ich sehe ganz oft die Leute, wenn sie mich anschauen.
Dann mustern sie mich.
Dann schauen sie in den Brustbereich,
auf meine Fingernägel, in mein Gesicht.
Und ich sehe... - ...große Verwirrung. - Ja.
* Musik *
Ich würde auch sagen,
dass ich jetzt nicht aus rein ur- typisch männlichen Klischees bestehe,
aber ich bin mir sicher, dass ich ein Mann bin.
Genau das gleiche, was du mit "ich bin ein Mann" fühlst,
sagst, das ist einfach so, ist für mich:
Ich bin keine Frau, ich bin kein Mann.
Körperliches Geschlecht und Geschlechtsidentität
sind auch 2 verschiedene Sachen. Im Englischen ist es Sex und Gender.
Das haben wir im Deutschen nicht. Da haben wir nur Geschlecht.
Was in der Hose ist, macht keine Aussage darüber,
wie du dich fühlst.
Das Geschlecht ist mir tatsächlich in meinem Leben gar nicht so wichtig,
weil ich ich selbst sein kann
und auf die ganzen Klischees und Rollenbilder scheißen kann.
* Musik *
Das ist 41. Aber das sind halt Frauengrößen.
Schade, hätte eine Premiere sein können.
Auch wieder Sachen, die man eher als Frau anziehen würde,
aber was 'nem Mann auch gut steht.
Mein Freund sieht darin auch sehr gut aus.
Ich trage meist einen Binder. - Was heißt Binder?
Das ist ein Oberteil, was die Brüste abbindet,
weil ich selber meine Brüste nicht so mag.
Ich fühle mich halt flach. Deswegen trage ich das so.
Ich habe auch noch einen kleineren Binder.
Das ist ein Hemd mit Verschluss an der Seite,
was es halt ein bisschen wegdrückt.
Das ziehst du dann an und merkst, dass du dich direkt wohler fühlst,
weil es ja alles flacher ist. - Ja. Das bin halt ich.
Das ist mein Inneres nach außen.
Aber das ist nur bei meinen Brüsten so.
Mit dem restlichen Körper bin ich voll zufrieden.
Das ist nur ein persönliches Ding.
Auf dem Weg habe ich überlegt: Ist Cato eine Sie, ein Er?
Wie bezeichne ich dich am besten, immer nur als Personen?
Oder rede ich von dir als Cato?
Manche brauchen ein extra Pronomen.
Sier ist in Deutschland eins. - Sier? - Ja. Zusammengeschrieben.
"Es" ist meistens eher beleidigend gemeint
oder nehmen viele als Beleidigung, weil es 'ne Versachlichung ist.
Für mich brauche ich das gar nicht. Z.B. Pronomen sind mir egal.
Cato ist aber nicht dein richtiger Name.
Nee, das ist mein Spitzname.
Mich nennen auch fast alle so, auch in der Schule.
Auch auf den ganzen Schuldokumenten steht überall Cato drauf.
Das ist mein Name. Der klingt weder männlich noch weiblich.
Es war mir wichtig, einen Namen zu finden, der geschlechtslos ist.
Wie wichtig ist dir das Schminken? Es ist schon etwas sehr Weibliches.
Ich mag es einfach.
Es macht mir Spaß. Ich schminke mich fast täglich,
Manchmal auch komplett weiblich
mit richtig starkem Eyeliner und Lidschatten.
Aber meist ist es nur so ein Standard-Make-up,
ein bisschen Wangenknochen betonen.
Männer sind da halt eher kantiger.
Deswegen möchte ich da etwas mehr den Fokus drauf legen.
Weil es dir gefällt?
Ja, weil ich mich damit wohl fühle.
Würdest du dir das auch gerne in den Pass eintragen lassen,
dass du nichtbinär bist?
Wenn es möglich wäre, würde ich es auf jeden Fall machen.
Ich finde es immer so blöd,
wenn man online z.B. was beim Lieferservice bestellt
und kann nur "Frau" oder "Herr" eingeben.
Warum müsst ihr wissen, welches Geschlecht ich habe?
Was ist das Wichtige daran?
Ich bin auf ein interessantes Video gestoßen von 'nem YouTuber.
Das fand ich deswegen spannend, weil jemand erzählt,
dass er ganz lange dachte, er sei non-binary.
Er kritisiert so ein bisschen diese Phase an sich selbst.
Ja, ich finde es auch lustig zu sehen,
die Blicke der Menschen, wenn sie mich so anschauen,
aber es ist nicht der Grund, warum ich das bin was ich bin.
Du versuchst jetzt nicht zu provozieren? - Nee.
Wenn man selber sagt, ich bin 100% weiblich,
dann ist es gut, dann ist man glücklich damit.
Aber sobald man merkt,
ich mache das nur, weil andere das wollen, von mir verlangen,
die Gesellschaft es will, dann sollte man es lassen.
Offenbar polarisiert das Thema krass.
Wieso ist es so, dass die Leute sich daran so reiben?
Weil sie es selber nicht anders kennen.
Es ist noch ein Fabelwesen-Ding.
Man kennt es nicht. Was man nicht kennt, ist gruselig, komisch.
Ich finde wichtig zu zeigen:
Hey, wir existieren, ich existiere, ich bin einfach so,
ich bin ein ganz normaler Mensch,
kein magischer Fisch oder Apache-Kampfhelikopter.
Wenn du in 2 Jahren merken würdest,
okay, das war 'ne Art Findungsphase für dich,
wie schlimm wäre das für dich, wenn du das merken würdest?
Gar nicht schlimm.
Man findet sich halt selbst.
Wenn es nur eine Phase ist, ist es so.
Dann bin ich froh, die durchgemacht zu haben,
weil es mir in meinem Leben weiter- geholfen hat, mich selber zu finden.
Hast du es je ausgesprochen, dich geoutet, zu sagen:
Ich bin non-binary?
Als ich mein Fachreferat gehalten habe in der Klasse,
es war eigentlich gar nicht meine Intention,
aber weil es gerade Thema war, habe ich gesagt:
Hey übrigens, ich bin eine von diesen Non-Binarys.
Ich bin hier, es ist ganz normal, wir sind unter euch, haha.
Wie haben die anderen reagiert?
Die meisten waren eher so: Ja, dachte ich mir schon.
Und dein Vater und deine Freunde?
Mein Vater legt allgemein keinen Wert auf Geschlecht.
Ich bin einfach sein Kind. Er liebt mich wie ich bin.
Für ihn ist es cool? - Ja.
Wie wäre es für euch,
wenn eine Freundin, ein Freund sagen würde: Ich bin non-binary?
Wie würdet ihr reagieren? Schreibt es in die Kommentare.
Schauen wir, was wir finden. - Ja.
Suchst du nach was Speziellem?
Ein Hemd, vielleicht 'ne schicke Anzughose.
Ist halt schwierig in meinen Größen. Schauen wir mal, was es gibt.
Man sollte tragen können, was man will,
und da sind Männer wirklich benachteiligt gegenüber Frauen.
Im Sommer ist es in 'nem Kleid viel bequemer und angenehmer.
Und Männer müssen immer noch mit ihrer kurzen Hose
und ihrem T-Shirt rumlaufen, wenn es gut läuft.
Ich kann mir schon vorstellen,
wie die Reaktionen in der Innenstadt wären,
wenn ich so über den Marienplatz laufe.
Ja, würden doofe Blicke kommen. - Alle würden mich angucken.
Alle würden mit dem Finger auf mich zeigen. - Ja.
Ich fände es mega unangenehm.
Es ist gesellschaftlich nicht akzeptiert. Das ist das Problem.
* Musik *
Die da? - Das wäre was für mich.
Ja, oder? - Können wir mal anprobieren.
Würd' ich jetzt auch sagen, das Muster passt zu dir.
Sowas würde ich mir z.B. anziehen.
Dann kannst du es ja mal anprobieren. - Echt, soll ich? - Ja.
So. - Schick.
Steht dir gut. Wie ich dachte. Wie gefällt es dir?
Ich nehme es auf jeden Fall, glaube ich.
Ich finde, es steht dir echt gut.
Noch mal ein bisschen schicker mit 'ner Krawatte oder Fliege,
aber so offen...
Was wünscht du dir, auf deine Geschlechterrolle bezogen?
Dass ich so akzeptiert werde wie ich bin.
Auch die Akzeptanz dafür mehr da ist,
die Geschlechterrollen mehr verschwimmen
und es nicht mehr so klar getrennt ist:
Was darf ein Mann, was darf 'ne Frau,
was darf ein Mann nicht, was darf eine Frau nicht.
Sondern dass viel mehr Leute erkennen:
Hey, ich darf das, ich kann das.
Wenn ich es möchte, dann mach' ich halt.
Ich fand es total spannend, Cato kennenzulernen.
Zum Glück war das sehr unverkrampft, mit ihr zu reden.
Ich kann noch nicht so richtig nachvollziehen,
wie es sich wohl für sie anfühlt,
sich keinem Geschlecht zugehörig zu fühlen.
Aber das muss ich auch gar nicht.
Jeder darf einfach so leben, wie es für die Person passend ist.
Selbst wenn es nur für den Moment ist
und sich Cato irgendwann wieder anders fühlt und umentscheidet,
da gibt es überhaupt nichts gegen zu sagen.
Wenn ihr wissen wollt, wie es ist trans sein, klickt hier oben.
Die Folge nächste Woche lege ich euch wirklich ans Herz. Nicht verpassen.
Spoiler: Da tue ich was, was ich mir bisher verboten habe.
Es geht ums Tanzen.
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Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)