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Die Abenteuer Tom Sawyers, Die Abenteuer Tom Sawyers (14)(15)

Die Abenteuer Tom Sawyers (14)(15)

Vierzehntes Kapitel. Als Tom morgens erwachte, war er sehr erstaunt über seine Umgebung. Er setzte sich auf, rieb sich die Augen und schaute um sich; dann begriff er. Es herrschte kühle, graue Dämmerung und ein wundervoller Hauch von Ruhe und Frieden in der tiefen, alles durchdringenden Stille und Lautlosigkeit des Waldes. Nicht ein Blatt rührte sich, nicht ein Laut störte das große Nachdenken der Natur. Tautropfen lagen auf Blättern und Gräsern. Eine weiße Schicht Asche bedeckte die Feuerstelle, und ein dünner, blauer Streifen Rauch hob sich in die Luft empor. Joe und Huck schliefen noch. Jetzt plötzlich begann ein Vogel im Innern des Waldes zu singen; andere antworteten; dann machte sich das Hämmern eines Spechtes hörbar. Allmählich erhellte sich der kühl-trübe Grauton des Morgens, und ebenso allmählich vermehrten sich die Stimmen, und das Leben nahm zu. Alle Wunder der den Schlaf abschüttelnden und an die Arbeit gehenden Natur entfalteten sich vor dem staunenden Knaben. Ein kleines, grünes Kriechtier kam über ein von Tau bedecktes Blatt daher, zwei Drittel des Körpers von Zeit zu Zeit in die Luft erhebend, herumschnüffelnd, dann wieder weiterkriechend, „maßnehmend“, wie Tom bei sich sagte. Und als die Raupe sich ihm selbst näherte, saß er mäuschenstill und hoffte, je nachdem sie sich auf ihn zu bewegte oder eine andere Richtung einschlug; und als sie schließlich, nachdem sie einen Augenblick peinvoller Erwartung für Tom ihren gekrümmten Leib aufgerichtet gehalten hatte, entschieden auf Tom losmarschierte und eine Entdeckungsreise auf ihm antrat, war sein ganzes Herz voll Vergnügen, denn er hoffte daraufhin ganz zweifellos, einen neuen Anzug zu bekommen — eine herrliche Piratenuniform. Nun erschien eine Prozession Ameisen, Gott weiß, woher, um sich an ihre Arbeit zu machen; eine schleppte ganz mutig eine tote Spinne, die fünfmal so groß war wie sie selbst, und zerrte sie auf einen Baumstrunk. Ein braun geflecktes Käferchen kraxelte einen Grashalm in die Höhe, und Tom beugte sich zu ihm herab und sang:

„Käferchen, Käferchen, flieg nach Haus, Kinder allein in dem brennenden Haus!“

worauf es die Flügel ausbreitete, um heimwärts zu fliegen und nach den allein gelassenen Kinderchen zu sehen, was Tom nicht weiter überraschte, denn er kannte längst die Leichtgläubigkeit und die Furcht dieses Tieres vor Feuer und hatte sie mehr als einmal ruchlos ausgenutzt.

Die ganze Natur war jetzt wach und in Bewegung, lange Nadeln von Sonnenlicht brachen durch das dichte Laub fern und nah, und kleine Schmetterlinge flatterten hin und her.

Tom weckte die anderen Piraten, und alle stürmten heulend davon, waren in zwei oder drei Minuten entkleidet und jagten sich und stießen sich herum in dem seichten, klaren Wasser der Sandbank. Sie empfanden nicht das geringste Verlangen nach dem kleinen Dorfe, das in der Ferne an der majestätischen Wasserwüste noch fest schlief. Eine zufällige Strömung oder eine schwache Welle hatte das Floß fortgetrieben. Indessen freuten sie sich eher darüber, denn durch sein Verschwinden war die Brücke zwischen ihnen und der Zivilisation gleichsam abgebrochen.

Sie kehrten wunderbar erfrischt zu ihrem Lagerplatz zurück, vergnügt und heißhungrig; bald hatten sie das Lagerfeuer wieder angezündet. Huck fand eine Quelle goldklaren Wassers in der Nähe, sie machten Becher aus Eichenrinde oder Blättern und konstatierten, daß Wasser, von solcher Wild-Wald-Romantik versüßt, ein sehr guter Ersatz für Kaffee sei.

Während Joe sich daran machte, Speck zum Frühstück zu rösten, baten Tom und Huck ihn, einen Augenblick zu warten; sie rannten nach einer vielversprechenden Stelle der Sandbank und warfen dort ihre Angeln aus; fast sofort hatten sie Erfolg. Joe hatte gar nicht Zeit gehabt, ungeduldig zu werden, als sie schon zurück waren mit ein paar Handvoll Forellen, einem riesigen Barsch und anderen Fischen, — Vorrat genug für eine ganze Familie. Sie brieten die Fische mit Speck und waren überrascht; denn kein Fisch war ihnen bisher so delikat erschienen. Sie wußten nicht, daß ein Fisch um so besser ist, je eher er übers Feuer kommt; auch überlegten sie sich kaum, welche Würze Schlaf und Bewegung im Freien, ein Bad und die Zutat eines tüchtigen Hungers ausmachten.

Nach dem Frühstück lagen sie im Schatten herum, während Huck ein Pfeifchen schmauchte, und dann machten sie sich zu einer Entdeckungsreise durch den Wald auf die Füße. Sie trollten lustig dahin über vermoderte Baumstämme, durch wirres Gestrüpp, zwischen schweigenden Königen des Waldes hindurch, die von oben bis unten mit allerhand Schlingpflanzen behangen waren. Ab und zu trafen sie auf verborgene, mit Gras bewachsene und mit Blumen geschmückte kleine Lichtungen.

Sie fanden eine Menge Dinge, die ihnen gefielen, aber nichts, was sie in Entzücken gesetzt hätte. Sie stellten fest, daß die Insel über drei Meilen lang und eine Viertelmeile breit und daß die Küste, wo sie ihr am nächsten war, nur durch einen schmalen Kanal, kaum zweihundert Meter breit, von ihr getrennt sei. Alle paar Stunden nahmen sie ein Bad, so war es hoher Nachmittag, als sie zum Lager zurückkehrten. Sie waren zu hungrig, um wieder Fische zu fangen, fielen daher tüchtig über ihren Schinken her, warfen sich dann im Schatten nieder und plauderten. Aber das Gespräch geriet bald ins Stocken und erstarb dann ganz. Die Stille und Einsamkeit, die über dem Walde lagen, und die Empfindung der Verlassenheit begannen auf die Gemüter zu wirken. Sie versanken in Nachdenken. Eine Art unbestimmter Sehnsucht ergriff sie und lastete immer schwerer auf ihnen — es war das Heimweh. Selbst Finn, der Bluthändige, träumte von seinen Treppenstufen und leeren Regentonnen. Aber sie schämten sich ihrer Schwäche, und niemand war tapfer genug, davon zu sprechen.

Jetzt plötzlich wurden die Jungen durch einen ganz besonderen Schall in der Ferne aufgeschreckt, wie es wohl durch das Ticken einer Wanduhr geschieht, das man schon lange gehört hat, ohne es zu bemerken. Indessen wurde der geheimnisvolle Ton bestimmter und drängte sich geradezu der Wahrnehmung auf. Die Jungen fuhren in die Höhe, schauten einander an, und dann verharrte jeder in lauschender Stellung. Es folgte langes Stillschweigen, tief und ungestört; dann kam ein tiefer, dumpfer Ton aus weiter Ferne herüber.

„Was ist das,“ schrie Joe atemlos.

„Möcht‘s auch wissen,“ entgegnete Tom flüsternd.

„‘s ist nicht Donner,“ schloß sich Huck in erschrecktem Ton an, „denn Donner —“

„Still!“ befahl Tom, „horcht — dann sprecht.“

Sie warteten eine Zeitlang, die ihnen eine Ewigkeit dünkte, und dann unterbrach derselbe dumpfe Ton die tiefe Stille.

„Wollen wir hingehen und nachsehen?“

Sie sprangen auf und rannten nach der dem Dorfe zugewandten Küste. Sie teilten die Büsche auf der Sandbank und spähten hindurch über die Wasserfläche. Das kleine, eiserne Dampfboot befand sich über eine Meile unterhalb des Dorfes, mit dem Strome treibend. Das Verdeck schien mit Menschen bedeckt. Eine Menge Boote trieben sich um den Dampfer herum oder ließen sich von der Strömung treiben, aber die Jungen konnten nicht herausbringen, was die Leute vorhatten. Plötzlich schoß eine große weiße Dampfwolke vom Dampfboot aus über den Fluß, und als sie sich ausbreitete und in kleinen Wölkchen in die Höhe stieg, tönte derselbe dumpfe Ton den Lauschenden in die gespitzten Ohren.

„Jetzt weiß ich!“ schrie Tom, „‘s ist jemand ertrunken!“

„‘s ist an dem,“ bestätigte Huck. „Sie machten es letzten Sommer so, als Bill Turner unterging. Sie schossen ‘ne Kanone über dem Wasser ab und davon kam er wieder raus. Ja — und sie nahmen Laibe Brot, taten Quecksilber ‘rein und ließen sie dann schwimmen, und wo einer dann ertrunken ist, dahin schwimmen sie ganz richtig und bleiben da stehen.“

„Ja,“ sagte Joe, „das hab‘ ich auch gehört. Möchte aber wissen, was das Brot damit zu tun hat.“

„O, ich denke, ‘s Brot ist‘s wenigste,“ meinte Tom. „Ich meine, ‘s ist mehr, was sie drüber sprechen, ehe sie‘s aussetzen.“

„Aber sie sprechen ja gar nichts drüber,“ warf Huck ein. „Ich hab‘s gesehen, und sie taten‘s nicht!“

„Na, das ist sonderbar,“ kopfschüttelte Tom. „Aber sie sagen gewiß was zu sich selbst. Natürlich tun sie‘s. Jeder weiß das.“

Die anderen gaben zu, daß das, was Tom da sage, was für sich habe, denn ein lumpiges Stück Brot, nicht durch eine Besprechung mit besonderer Kraft ausgestattet, konnte sich nicht so klug und geschickt benehmen, wenn man es auf eine Unternehmung von solcher Wichtigkeit ausschickte.

„Teufel,“ sagte Joe, „ich wollt‘ ich wär‘ drüben!“

„Ich auch,“ bestätigte Huck. „Ich gäb ‘nen Haufen, um zu wissen, was das ist.“

Die Jungen horchten und warteten. Plötzlich durchfuhr ein erleuchteter Gedanke Toms Hirn, und er rief aus:

„Jungs, ich weiß, wen sie suchen dort drüben! Uns suchen sie!“

Sie fühlten sich sofort als Helden. Hier war ein glänzender Triumph. Sie wurden vermißt. Sie wurden beweint. Herzen brachen ihretwegen. Tränen wurden vergossen. Anklagende Erinnerung an unfreundliche Handlungen gegen diese armen Verlorenen stiegen auf, und nutzloses Bedauern und Gewissensbisse quälten die Herzen. Und das beste — die Vermißten wurden zum öffentlichen Gesprächsthema des ganzen Dorfes, und dann der Neid aller Buben, soweit diese glänzende Botschaft drang! Es war herrlich! Es gab dem Piratenspielen erst den rechten Wert.

Als die Dämmerung hereinbrach, kehrte das Dampfboot zu seinen gewöhnlichen Geschäften zurück, und die Boote verschwanden. Die Piraten kehrten in ihr Lager zurück. Sie waren noch ganz betäubt durch den Überschwang ihrer neuen Größe und das wunderbare Aufsehen, das sie erregten.

Sie fingen Fische, bereiteten ihr Abendessen, verzehrten es und legten sich dann nieder, um Vermutungen anzustellen, was das Dorf über sie denken und sprechen möchte. Und die Bilder, die sie sich von der allgemeinen Bestürzung, deren Ursache sie waren, machten, entzückten sie über alle Maßen. Aber als die Schatten der Nacht sie zu umhüllen begannen, hörten sie auf zu plaudern und saßen da, schauten ins Feuer, während ihr Geist augenscheinlich ganz wo anders weilte. Der Rausch war geschwunden, und Tom und Joe konnten an niemand zu Hause zurückdenken, der sich über ihre Heldentat so freuen mochte, wie sie es taten. Trübe Ahnungen stellten sich ein. Sie fühlten sich unbehaglich und unglücklich. Ein oder zwei Seufzer entschlüpften ihnen. Endlich wagte Joe einen Fühler auszustrecken, um zu sehen, wie die anderen über die Rückkehr zur Zivilisation denken mochten, — nicht jetzt natürlich — aber —

Tom wies ihn mit Verachtung zurück! Huck, bis jetzt noch ganz gleichmütig, stimmte Tom bei, und der Wankelmütige gab eine demütige „Erklärung“ ab und war froh, sich mit einem so geringen Odium schwachherzigen Heimwehs, als es sich nur immer machen ließ, aus der Affäre zu ziehen. Für den Augenblick war die Empörung also offenbar niedergeschlagen.

Als die Nacht dunkelte, begann Huck zu nicken und sogleich zu schnarchen. Joe war der nächste. Tom lag eine Zeitlang unbeweglich auf den Ellbogen, die beiden aufmerksam beobachtend. Schließlich erhob er sich vorsichtig auf die Knie und kroch durch das Gras und den flackernden Widerschein des Lagerfeuers. Er sammelte und untersuchte verschiedene große Stücke weißer Sykomorenrinde und wählte schließlich zwei, die ihm die besten schienen, aus. Dann kroch er wieder zum Feuer und kritzelte etwas mit Rotstift auf jedes von ihnen. Eins rollte er zusammen und schob es in seine Tasche, das andere tat er in Joes Hut und legte diesen in einiger Entfernung von seinem Eigentümer hin. In den Hut tat er dann noch gewisse Schulbuben-Kostbarkeiten von fast unschätzbarem Wert, darunter ein Stück Kreide, einen Klumpen Federharz, drei Angelhaken und eine jener Art Marbeln, die als „so gut wie Kristall“ bekannt sind. Dann schlich er auf den Zehen vorsichtig zwischen den Bäumen hindurch, bis er außer Hörweite zu sein glaubte, und dann setzte er sich in scharfen Trab in der Richtung nach der Sandbank zu.

Fünfzehntes Kapitel. Wenige Minuten später befand sich Tom im seichten Wasser der Sandbank, der Illinois-Küste zuwatend. Bevor ihm die Flut bis zur Hälfte des Körpers reichte, war er schon halb drüben. Die Strömung erlaubte jetzt kein Waten mehr; so machte er sich zuversichtlich daran, die letzten hundert Meter schwimmend zurückzulegen. Er schwamm querüber, aber bald wurde er stärker stromabwärts getrieben, als er gedacht hatte. Indessen, er erreichte die Küste schließlich, trieb an ihr entlang und fand eine niedrige Stelle, wo er hinauskletterte. Er legte die Hand auf die Tasche, fand, daß seine Baumrinde darin wohlgeborgen sei und schlug sich dann mit triefenden Kleidern durch den Wald, der Küste folgend. Kurz vor 10 Uhr kam er auf einen freien Platz dem Dorfe gegenüber und erblickte das Dampfboot im Schatten der Bäume und des hohen Ufers liegend. Alles war totenstill unter den funkelnden Sternen.

Er kroch unter einen Ufervorsprung, tauchte ins Wasser, tat schwimmend drei oder vier Stöße und kletterte in das Boot, welches, wie es sich gehörte, am Stern des Dampfbootes befestigt war. Er legte sich unter die Bank und wartete mit Herzklopfen. Plötzlich schlug die blecherne Glocke an, und eine Stimme gab Befehl, abzustoßen. Ein paar Minuten später wurde die Spitze des Bootes vom Dampfer stark angezogen, und die Reise hatte begonnen. Tom fühlte sich erhoben durch seinen Erfolg — er wußte, daß es die letzte Fahrt sei, die das Boot an diesem Abend machte.

Nach langen zwölf bis fünfzehn Minuten stoppte das Fahrzeug, und Tom glitt über Bord und schwamm im Dunkeln dem Ufer zu; er landete fünfzig Meter unterhalb — zur Sicherheit vor etwaigen herumstreichenden Bekannten. Er lief durch wenig belebte Straßen und befand sich bald am hinteren Zaun seiner Tante. Er kletterte hinüber, näherte sich behutsam dem Haus und spähte durch das Wohnzimmerfenster, da er dort Licht sah.

Da saßen Tante Polly, Sid, Mary und Joe Harpers Mutter, dicht zusammengedrängt, eifrig schwatzend. Sie saßen am Bett, und dieses stand zwischen ihnen und der Tür. Tom schlich vorsichtig zur Tür und begann vorsichtig den Drücker zu drücken. Dann drückte er kräftiger, und die Tür knarrte. Er setzte seine Tätigkeit fort und hielt jedesmal inne, sobald es knarrte, bis er glaubte, auf den Knien durchkriechen zu können. Und so steckte er den Kopf hinein, und versuchte es vorsichtig.

„Warum flackert das Licht so?“ sagte Tante Polly. Tom beeilte sich.

„Ich glaub gar, die Tür ist offen! Wahrhaftig, sie ist offen! Hören denn die Gespenstergeschichten heut gar nicht auf! Geh‘ hin und mach sie zu, Sid!“

Im selben Moment verschwand Tom unterm Bett. Er lag und verschnaufte ‘ne Zeitlang, und dann kroch er so weit vor, daß er Tante Pollys Füße fast berühren konnte.

„Aber, wie ich sagte,“ fing Tante Polly wieder an, „er war nicht schlecht, nur — wie soll ich sagen — gerissen! Nur ein bißchen unbesonnen, wissen Sie, und gedankenlos-flüchtig. Er dachte nie mehr nach als ein Füllen. Bös meint‘ er‘s nie, er war der gutherzigste Junge, der jemals dagewesen ist,“ und sie begann zu weinen.

„Grad‘ so war‘s mit meinem Joe — immer voll von Dummheiten und zu jedem Unfug aufgelegt; und so selbstlos und gutmütig, wie nur einer sein kann — und es schmerzt mich schrecklich, zu denken, daß ich hingehen konnte und ihm eine runterhauen, weil er die Milch genommen haben sollte, und nicht daran dachte, daß ich sie als sauer selbst fortgegossen hatte — und ich soll ihn nie wiedersehen in dieser Welt, nie, nie, nie — armer verlassener Junge!“ Mrs. Harper schluchzte, als solle ihr das Herz brechen.

„Ich hoffe, Tom ist besser dran, wo er ist,“ sagte Sid, „aber wenn er in manchen Dingen hier besser gewesen wäre —“

„Sid!“ Tom fühlte ordentlich den strengen Blick aus den Augen der alten Dame, obwohl er sie nicht sehen konnte. „Nicht ein Wort gegen meinen Tom, nun er fort ist! Gott wird sich seiner annehmen, sorg du nur für dich selbst, mein Lieber. O, Mrs. Harper, ich weiß nicht, wie ich‘s ohne ihn aushalten soll — ich weiß nicht, wie ich‘s ohne ihn aushalten soll! Er war so anhänglich an mich — obwohl er mein altes Herz zuweilen fast gebrochen hätte!“

„Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! Aber ‘s ist so hart — o, ‘s ist so hart! Noch letzten Samstag ließ Joe einen Schwärmer mir unter der Nase platzen, und ich schlug ihn nieder. Damals wußt‘ ich freilich nicht, wie bald — o, wenn ich‘s noch mal erleben könnte, ich würd‘ ihn dafür umarmen und segnen.“

„Ja, ja, ich kann‘s mir denken, was Sie fühlen, Mrs. Harper, ganz genau weiß ich, was Sie fühlen! ‘s ist noch nicht länger als gestern abend, da nahm Tom die Katze und füllte sie voll ‚Schmerzenstöter‘, und ich dachte, das Tier würd‘ das Haus einreißen! Und — Gott verzeih‘ mir — ich gab ihm eins mit dem Fingerhut auf den Kopf — armer Junge, armer toter Junge! Aber er ist jetzt raus aus allen Schmerzen. Und die letzten Worte, die ich von ihm gehört habe, waren —“

Aber diese Erinnerung war zu viel für die alte Dame, und sie brach völlig zusammen. Tom schluchzte jetzt selbst — mehr aus Mitleid mit sich selbst als mit sonst jemand. Er konnte auch Mary weinen und von Zeit zu Zeit ein freundliches Wort über sich sprechen hören. Er fing an, eine bessere Meinung als bisher von sich selbst zu haben. Schließlich war er durch seiner Tante Kummer so tief ergriffen, daß er drauf und dran war, unter dem Bett hervorzukommen und sie mit seiner Wiederkunft freudig zu überraschen, und der Theatereffekt war ganz nach seinem Geschmack, aber er widerstand doch und verhielt sich still.

Er fuhr fort zu lauschen und setzte sich aus allerhand Andeutungen zusammen, daß man erst angenommen habe, die Burschen seien beim Schwimmen umgekommen; dann wurde das kleine Floß vermißt; dann verkündeten ein paar Jungen, die Ausreißer hätten versprochen, das Dorf solle bald „von ihnen hören“. Die weisen Häupter hatten dies und das zusammengereimt und erklärt, die Strolche seien auf diesem Floß davongefahren und würden bald in der nächsten Stadt unterwärts anlangen. Aber gegen Mittag war das Floß gefunden worden, ungefähr fünf oder sechs Meilen unterhalb des Dorfes an der Missouriküste, und da hatte man die Hoffnung aufgegeben; sie mußten ertrunken sein, denn sonst hätte der Hunger sie bei Einbruch der Nacht nach Haus getrieben — wenn nicht schon früher. Man glaubte, die Suche nach den Leichen sei darum erfolglos geblieben, weil sich das Unglück in der Mitte des Stromes zugetragen habe, denn die Jungen als gute Schwimmer würden sich sonst ans Ufer gerettet haben. Das war Mittwoch abend. Wenn sie bis Samstag noch nicht gefunden sein würden, müßte man alle Hoffnung aufgeben, und der Trauergottesdienst sollte dann am Sonntag morgen stattfinden. Tom schauderte.

Mrs. Harper wünschte mit weinerlicher Stimme „Gute Nacht“ und rüstete sich zum Abmarsch. Dann, mit plötzlichem Impuls, umarmten sich die beiden verwaisten Frauen, weinten sich nach Herzenslust aus und trennten sich. Tante Polly war doppelt zärtlich, indem sie Sid und Mary „Gute Nacht“ sagte. Sid schluchzte ein bißchen, Mary aber weinte aus Herzensgrund.

Tante Polly kniete nieder und betete für Tom so eindringlich, so leidenschaftlich und mit so grenzenloser Liebe in ihren Worten und ihrer alten, zitternden Stimme, daß er wieder, lange bevor sie zu Ende war, in Tränen zerfloß.

Er mußte noch lange, nachdem sie zu Bett gegangen war, warten, denn von Zeit zu Zeit stieß sie immer noch mal einen herzbrechenden Seufzer aus, warf sich unruhig hin und her und konnte nicht zur Ruhe gelangen. Aber schließlich war sie doch still und seufzte nur noch bisweilen im Schlaf.

Nun kroch der Junge hervor, richtete sich am Bett in die Höhe, beschattete das Licht mit der Hand und stand lange, sie betrachtend. Sein Herz war voll Mitleid mit ihr. Er zog seine Sykomorenrinde hervor und legte sie neben den Leuchter. Aber es fiel ihm etwas ein, und er überlegte. Auf seinem Gesicht lag der glückliche Widerschein seiner Gedanken. Schnell steckte er die Rinde wieder in die Tasche, dann beugte er sich herunter, küßte die welken Lippen und machte sich verstohlen davon, die Tür hinter sich schließend.

Er nahm seinen Weg wieder zum Dampfboot, fand niemand dort vor und begab sich kühn an Bord des Schiffes, welches, wie er wußte, verlassen war — bis auf einen Wächter, der sich darin einzuschließen und zu schlafen pflegte wie ein steinernes Bild. Er zog das kleine Boot heran, sprang hinein und schwamm bald wieder draußen auf dem Strom. Als er eine Meile vom Dorfe entfernt war, steuerte er querüber und legte sich tüchtig ins Zeug. Er erreichte genau die Landungsstelle an der anderen Seite — eine Kleinigkeit für ihn. Große Lust hatte er, das Boot zu kapern, denn er meinte, man müsse es doch als „Schiff“ betrachten und es sei somit legitime Beute für einen Seeräuber. Aber dann sagte er sich, daß genaue Nachforschungen danach angestellt werden würden, und das hätte mit einer Entdeckung enden können. So sprang er ans Ufer und drang in den Wald ein. Er setzte sich nieder und hielt lange Rast, sich quälend mit Anstrengungen, wach zu bleiben, und dann strebte er wieder seiner „Heimat“ zu. Die Nacht war fast zu Ende. Es war heller Morgen, bis er sich der Insel gegenüber befand. Er ruhte wieder, bis die Sonne ganz herauf war und den Fluß mit ihrem Glanz übergoß, und dann sprang er ins Wasser. Kurz darauf stand er triefend am Eingang des Lagers und hörte Joe sagen: „Nein, Tom ist treu, Huck, und er wird wiederkommen. Er wird nicht durchbrennen. Er weiß, daß es ‘ne Schande für ‘nen Seeräuber wär, und Tom ist zu stolz für so was. Er ist auf irgend was aus. Möcht‘ aber wohl wissen, was?“

„Na — die Sachen da gehören doch jetzt uns, nicht?“

„Beinahe, aber nicht ganz, Huck. Das Geschreibsel sagt, sie sind unser Eigentum, wenn er nicht bis zum Frühstück wieder da ist.“

„Was er ist,“ rief Tom in theatralischer Pose, großartig ins Lager tretend.

Ein prächtiges Frühstück, aus Schinken und Fisch bestehend, war bald zur Stelle, und während sich die Jungen darüber hermachten, berichtete Tom (mit vielen Ausschmückungen) seine Abenteuer. Sie waren eine edle, prahlerische Gesellschaft von Helden, als seine Erzählung beendet war. Dann machte Tom sich davon an einen schattigen Ort, um bis Mittag zu schlafen, die anderen Piraten brachen auf zu Fischzug und Entdeckungsreisen.

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Vierzehntes Kapitel. fourteenth|chapter Chapter Fourteen. 第14章 Als Tom morgens erwachte, war er sehr erstaunt über seine Umgebung. When||in the morning|awoke|was||very|astonished|||environment |||||||здивований|||оточення When Tom awoke in the morning, he was very surprised at his surroundings. 朝、目を覚ましたトムは、周囲の環境にとても驚いた。 Er setzte sich auf, rieb sich die Augen und schaute um sich; dann begriff er. ||||rubbed|||||||||| ||||протер|||||подивився|навколо|||зрозумів| He sat up, rubbed his eyes and looked around; then he understood. 彼は立ち上がり、目をこすりながら辺りを見回した。 Es herrschte kühle, graue Dämmerung und ein wundervoller Hauch von Ruhe und Frieden in der tiefen, alles durchdringenden Stille und Lautlosigkeit des Waldes. ||cool|gray||||wonderful|touch|||||||||all-pervading|||silence|| |панувала|прохолода||сумерки|||чудовий|подих||||мир|||глибокій|все|||||| There was a cool, gray twilight and a wonderful sense of stillness and peace in the deep, all-pervading stillness and silence of the forest. ひんやりとした灰色の薄明かりが降り注ぎ、深い静寂と音のない森には、素晴らしい平和と静寂が漂っていた。 Nicht ein Blatt rührte sich, nicht ein Laut störte das große Nachdenken der Natur. ||leaf||||||||||| Not a leaf stirred, not a sound disturbed the great reflection of nature. 葉っぱ一枚も動かず、音もなく、大自然の反射を乱さなかった。 Tautropfen lagen auf Blättern und Gräsern. |lay|on||| Dew drops lay on leaves and grasses. 葉や草の上に露が落ちている。 Eine weiße Schicht Asche bedeckte die Feuerstelle, und ein dünner, blauer Streifen Rauch hob sich in die Luft empor. A white layer of ash covered the hearth, and a thin blue streak of smoke rose into the air. 白い灰が囲炉裏を覆い、青く細い煙が立ち上った。 Joe und Huck schliefen noch. Joe and Huck were still asleep. ジョーとハックはまだ眠っていた。 Jetzt plötzlich begann ein Vogel im Innern des Waldes zu singen; andere antworteten; dann machte sich das Hämmern eines Spechtes hörbar. Now suddenly a bird began to sing inside the forest; others answered; then the hammering of a woodpecker made itself heard. 突然、森の中で鳥が鳴き始めた。 Allmählich erhellte sich der kühl-trübe Grauton des Morgens, und ebenso allmählich vermehrten sich die Stimmen, und das Leben nahm zu. Gradually the cool dull gray of the morning brightened, and just as gradually the voices multiplied and life increased. 徐々に朝の涼しく鈍い灰色が明るくなり、声も増え、活気も増していった。 Alle Wunder der den Schlaf abschüttelnden und an die Arbeit gehenden Natur entfalteten sich vor dem staunenden Knaben. All the wonders of nature, shaking off sleep and going to work, unfolded before the astonished boy. 自然が眠りを覚まし、仕事に取りかかるまでの驚異が、驚く少年の前に展開された。 Ein kleines, grünes Kriechtier kam über ein von Tau bedecktes Blatt daher, zwei Drittel des Körpers von Zeit zu Zeit in die Luft erhebend, herumschnüffelnd, dann wieder weiterkriechend, „maßnehmend“, wie Tom bei sich sagte. A small, green critter came along over a dew-covered leaf, raising two-thirds of its body in the air from time to time, sniffing about, then crawling on again, "measuring," as Tom said to himself. 小さな緑色のクリーパーが露に覆われた葉の上を通り過ぎ、ときどき体の3分の2を宙に浮かせて匂いを嗅ぎまわり、また這うように進んでいった。 Und als die Raupe sich ihm selbst näherte, saß er mäuschenstill und hoffte, je nachdem sie sich auf ihn zu bewegte oder eine andere Richtung einschlug; und als sie schließlich, nachdem sie einen Augenblick peinvoller Erwartung für Tom ihren gekrümmten Leib aufgerichtet gehalten hatte, entschieden auf Tom losmarschierte und eine Entdeckungsreise auf ihm antrat, war sein ganzes Herz voll Vergnügen, denn er hoffte daraufhin ganz zweifellos, einen neuen Anzug zu bekommen — eine herrliche Piratenuniform. And when the caterpillar approached him himself, he sat perfectly still and hoped as it moved toward him or in a different direction; and when at last, after holding her hunched body erect for a moment of painful expectation for Tom, she marched resolutely towards Tom and set out on a voyage of discovery on him, his whole heart was filled with delight, for he no doubt hoped then to get a new suit — a splendid pirate uniform. そしてイモムシが自分から近づいてきたとき、彼はネズミのようにじっと座って、彼女が自分の方に動くか別の方向を取るかによって、期待した。そしてついに、トムに気まずい期待を抱く一瞬の間、曲がった体を直立させた後、彼女は断固としてトムに行進し、彼を発見する航海に出発したとき、彼の全心は喜びに満ちていた。彼はそこで、間違いなく、新しい服--立派な海賊の制服--を手に入れることを望んだからだ。 Nun erschien eine Prozession Ameisen, Gott weiß, woher, um sich an ihre Arbeit zu machen; eine schleppte ganz mutig eine tote Spinne, die fünfmal so groß war wie sie selbst, und zerrte sie auf einen Baumstrunk. Now a procession of ants appeared from God knows whence to set about their work; one bravely dragged a dead spider five times her size and dragged it up a tree trunk. そのうちの1匹は、自分の5倍はある大きさのクモの死骸を引きずって、木の切り株の上に置いた。 Ein braun geflecktes Käferchen kraxelte einen Grashalm in die Höhe, und Tom beugte sich zu ihm herab und sang: A brown spotted beetle scrambled up a blade of grass, and Tom bent down to him and sang: 茶色の斑点のある甲虫が草の葉をよじ登り、トムはそこに身をかがめて歌った:

„Käferchen, Käferchen, flieg nach Haus, Kinder allein in dem brennenden Haus!“ "Bug, bug, fly home, children alone in the burning house!" "カブトムシ、カブトムシ、飛んで帰れ!燃え盛る家の中で子供たちだけだ!"

worauf es die Flügel ausbreitete, um heimwärts zu fliegen und nach den allein gelassenen Kinderchen zu sehen, was Tom nicht weiter überraschte, denn er kannte längst die Leichtgläubigkeit und die Furcht dieses Tieres vor Feuer und hatte sie mehr als einmal ruchlos ausgenutzt. whereupon it spread its wings to fly homeward to see the abandoned children, which did not surprise Tom any further, for he had long known the credulity and fear of this animal from fire and had exploited it more than once. トムは以前から、この動物の騙されやすさと火への恐れを知っており、それを何度も悪用してきたからだ。

Die ganze Natur war jetzt wach und in Bewegung, lange Nadeln von Sonnenlicht brachen durch das dichte Laub fern und nah, und kleine Schmetterlinge flatterten hin und her. All nature was awake and in motion now, long needles of sunlight broke through the dense foliage far and near, and small butterflies fluttered to and fro. すべての自然が目覚め、動き出し、長い陽光が遠くや近くの鬱蒼とした葉の間から差し込み、小さな蝶がひらひらと飛び交った。

Tom weckte die anderen Piraten, und alle stürmten heulend davon, waren in zwei oder drei Minuten entkleidet und jagten sich und stießen sich herum in dem seichten, klaren Wasser der Sandbank. Tom woke the other pirates, and they all rushed off howling, were undressed in two or three minutes, and were chasing and pushing each other around in the shallow, clear water of the sandbar. トムが他の海賊たちを起こすと、彼らはみな吠えながら暴れ出し、2、3分で服を脱ぎ、砂州の浅く澄んだ水の中で追いかけっこや押し合いをしていた。 Sie empfanden nicht das geringste Verlangen nach dem kleinen Dorfe, das in der Ferne an der majestätischen Wasserwüste noch fest schlief. They felt not the slightest longing for the little village still fast asleep in the distance on the majestic desert of water. Eine zufällige Strömung oder eine schwache Welle hatte das Floß fortgetrieben. An accidental current or a weak wave had swept the raft away. Indessen freuten sie sich eher darüber, denn durch sein Verschwinden war die Brücke zwischen ihnen und der Zivilisation gleichsam abgebrochen. In the meantime, they were rather glad about it, because by his disappearance the bridge between them and the civilization was broken off, as it were.

Sie kehrten wunderbar erfrischt zu ihrem Lagerplatz zurück, vergnügt und heißhungrig; bald hatten sie das Lagerfeuer wieder angezündet. They returned to their campsite wonderfully refreshed, merry and ravenous; soon they had the campfire rekindled. Huck fand eine Quelle goldklaren Wassers in der Nähe, sie machten Becher aus Eichenrinde oder Blättern und konstatierten, daß Wasser, von solcher Wild-Wald-Romantik versüßt, ein sehr guter Ersatz für Kaffee sei. Huck found a spring of golden clear water nearby, they made cups out of oak bark or leaves and stated that water sweetened with such wild forest romance was a very good substitute for coffee.

Während Joe sich daran machte, Speck zum Frühstück zu rösten, baten Tom und Huck ihn, einen Augenblick zu warten; sie rannten nach einer vielversprechenden Stelle der Sandbank und warfen dort ihre Angeln aus; fast sofort hatten sie Erfolg. While Joe set about roasting bacon for breakfast, Tom and Huck asked him to wait a moment; they ran to a promising spot on the sandbar and cast their lines there; almost immediately they were successful. Joe hatte gar nicht Zeit gehabt, ungeduldig zu werden, als sie schon zurück waren mit ein paar Handvoll Forellen, einem riesigen Barsch und anderen Fischen, — Vorrat genug für eine ganze Familie. Joe hadn't had time to get impatient at all when they were already back with a few handfuls of trout, a huge perch and other fish, - stock enough for a whole family. Sie brieten die Fische mit Speck und waren überrascht; denn kein Fisch war ihnen bisher so delikat erschienen. They fried the fish with bacon and were surprised; for no fish had hitherto seemed so delicate to them. Sie wußten nicht, daß ein Fisch um so besser ist, je eher er übers Feuer kommt; auch überlegten sie sich kaum, welche Würze Schlaf und Bewegung im Freien, ein Bad und die Zutat eines tüchtigen Hungers ausmachten. They did not know that the sooner a fish comes over the fire, the better it is; nor did they give much thought to the flavor of sleep and exercise in the open air, a bath, and the ingredients of a hearty appetite.

Nach dem Frühstück lagen sie im Schatten herum, während Huck ein Pfeifchen schmauchte, und dann machten sie sich zu einer Entdeckungsreise durch den Wald auf die Füße. After breakfast, they lay in the shadows while Huck fumed a pipe, and then they set off on a journey of discovery through the forest. Sie trollten lustig dahin über vermoderte Baumstämme, durch wirres Gestrüpp, zwischen schweigenden Königen des Waldes hindurch, die von oben bis unten mit allerhand Schlingpflanzen behangen waren. They trotted along merrily over rotten tree trunks, through tangled undergrowth, between silent kings of the forest, who were draped from top to bottom with all kinds of creepers. Ab und zu trafen sie auf verborgene, mit Gras bewachsene und mit Blumen geschmückte kleine Lichtungen. Now and then they came across hidden little clearings overgrown with grass and decorated with flowers.

Sie fanden eine Menge Dinge, die ihnen gefielen, aber nichts, was sie in Entzücken gesetzt hätte. They found a lot of things they liked, but nothing that made them feel delighted. Sie stellten fest, daß die Insel über drei Meilen lang und eine Viertelmeile breit und daß die Küste, wo sie ihr am nächsten war, nur durch einen schmalen Kanal, kaum zweihundert Meter breit, von ihr getrennt sei. They found that the island was over three miles long and a quarter of a mile wide, and that the shore where it was nearest was separated from it only by a narrow channel, scarce two hundred yards wide. Alle paar Stunden nahmen sie ein Bad, so war es hoher Nachmittag, als sie zum Lager zurückkehrten. Every few hours they took a bath, so it was high afternoon when they returned to camp. Sie waren zu hungrig, um wieder Fische zu fangen, fielen daher tüchtig über ihren Schinken her, warfen sich dann im Schatten nieder und plauderten. Too hungry to catch fish again, they pounced on their hams, then threw themselves down in the shade and chatted. Aber das Gespräch geriet bald ins Stocken und erstarb dann ganz. But the conversation soon faltered and then died away altogether. Die Stille und Einsamkeit, die über dem Walde lagen, und die Empfindung der Verlassenheit begannen auf die Gemüter zu wirken. The silence and loneliness that lay over the forest and the feeling of abandonment began to affect the minds. Sie versanken in Nachdenken. They sank into reflection. Eine Art unbestimmter Sehnsucht ergriff sie und lastete immer schwerer auf ihnen — es war das Heimweh. A kind of vague longing seized them and weighed ever heavier on them - it was homesickness. Selbst Finn, der Bluthändige, träumte von seinen Treppenstufen und leeren Regentonnen. Even Finn, the blood-handed one, dreamed of his steps and empty rain barrels. Aber sie schämten sich ihrer Schwäche, und niemand war tapfer genug, davon zu sprechen. But they were ashamed of their weakness, and no one was brave enough to speak of it.

Jetzt plötzlich wurden die Jungen durch einen ganz besonderen Schall in der Ferne aufgeschreckt, wie es wohl durch das Ticken einer Wanduhr geschieht, das man schon lange gehört hat, ohne es zu bemerken. Now, suddenly, the boys were startled by a very special sound in the distance, like the ticking of a clock on the wall, which one has heard for a long time without noticing it. Indessen wurde der geheimnisvolle Ton bestimmter und drängte sich geradezu der Wahrnehmung auf. Meanwhile, the mysterious tone became more definite and almost forced itself on the perception. Die Jungen fuhren in die Höhe, schauten einander an, und dann verharrte jeder in lauschender Stellung. The boys sat up, looked at each other, and then each stayed in a listening position. Es folgte langes Stillschweigen, tief und ungestört; dann kam ein tiefer, dumpfer Ton aus weiter Ferne herüber. A long silence followed, deep and undisturbed; then a deep, muffled sound came from far away.

„Was ist das,“ schrie Joe atemlos. "What's that," Joe shouted breathlessly.

„Möcht‘s auch wissen,“ entgegnete Tom flüsternd. "Would like to know too," Tom replied in a whisper.

„‘s ist nicht Donner,“ schloß sich Huck in erschrecktem Ton an, „denn Donner —“ "It's not thunder," followed Huck, in a startled tone, "for thunder—"

„Still!“ befahl Tom, „horcht — dann sprecht.“ "Hush!" commanded Tom, "listen—then speak."

Sie warteten eine Zeitlang, die ihnen eine Ewigkeit dünkte, und dann unterbrach derselbe dumpfe Ton die tiefe Stille. They waited for what seemed an eternity, and then the same muffled sound interrupted the deep silence.

„Wollen wir hingehen und nachsehen?“ "Shall we go and see?"

Sie sprangen auf und rannten nach der dem Dorfe zugewandten Küste. They jumped up and ran to the shore facing the village. Sie teilten die Büsche auf der Sandbank und spähten hindurch über die Wasserfläche. They parted the bushes on the sandbar and peered through across the surface of the water. Das kleine, eiserne Dampfboot befand sich über eine Meile unterhalb des Dorfes, mit dem Strome treibend. The little iron steam-boat was over a mile below the village, drifting with the current. Das Verdeck schien mit Menschen bedeckt. The canopy seemed to be covered with people. Eine Menge Boote trieben sich um den Dampfer herum oder ließen sich von der Strömung treiben, aber die Jungen konnten nicht herausbringen, was die Leute vorhatten. A lot of boats floated around the steamer or drifted with the current, but the boys couldn't figure out what the people were up to. Plötzlich schoß eine große weiße Dampfwolke vom Dampfboot aus über den Fluß, und als sie sich ausbreitete und in kleinen Wölkchen in die Höhe stieg, tönte derselbe dumpfe Ton den Lauschenden in die gespitzten Ohren. Suddenly a great cloud of white steam shot out from the steamboat across the river, and as it spread and rose in little clouds, the same dull sound rang out in the listening ears.

„Jetzt weiß ich!“ schrie Tom, „‘s ist jemand ertrunken!“ "Now I know!" cried Tom, "'tis someone drowned!"

„‘s ist an dem,“ bestätigte Huck. "'tis at that," Huck confirmed. „Sie machten es letzten Sommer so, als Bill Turner unterging. "They did it that way last summer when Bill Turner went down. Sie schossen ‘ne Kanone über dem Wasser ab und davon kam er wieder raus. They fired a cannon over the water and out he came. Ja — und sie nahmen Laibe Brot, taten Quecksilber ‘rein und ließen sie dann schwimmen, und wo einer dann ertrunken ist, dahin schwimmen sie ganz richtig und bleiben da stehen.“ Yes - and they took loaves of bread, took in mercury, and then let them swim, and where one drowned then they swim right and stay there. "

„Ja,“ sagte Joe, „das hab‘ ich auch gehört. "Yeah," Joe said, "I heard that, too. Möchte aber wissen, was das Brot damit zu tun hat.“ Would like to know what the bread has to do with it, though."

„O, ich denke, ‘s Brot ist‘s wenigste,“ meinte Tom. "O, I think 'tis the least bread," said Tom. „Ich meine, ‘s ist mehr, was sie drüber sprechen, ehe sie‘s aussetzen.“ "I mean, 'tis more what they talk about before they expose it."

„Aber sie sprechen ja gar nichts drüber,“ warf Huck ein. "But they don't talk about it at all," Huck interjected. „Ich hab‘s gesehen, und sie taten‘s nicht!“ "I saw it, and they didn't!"

„Na, das ist sonderbar,“ kopfschüttelte Tom. "Well, that's odd," shook Tom. „Aber sie sagen gewiß was zu sich selbst. "But they certainly say something to themselves. Natürlich tun sie‘s. Of course they do. Jeder weiß das.“ Everyone knows that."

Die anderen gaben zu, daß das, was Tom da sage, was für sich habe, denn ein lumpiges Stück Brot, nicht durch eine Besprechung mit besonderer Kraft ausgestattet, konnte sich nicht so klug und geschickt benehmen, wenn man es auf eine Unternehmung von solcher Wichtigkeit ausschickte. The others admitted that what Tom said there was something in his own right, for a lumpy piece of bread, not endowed with a special force, could not behave so cleverly and skilfully, if one were to embark on such a venture Importance sent out.

„Teufel,“ sagte Joe, „ich wollt‘ ich wär‘ drüben!“ "Hell," Joe said, "I wish I was over there!"

„Ich auch,“ bestätigte Huck. "Me too," Huck confirmed. „Ich gäb ‘nen Haufen, um zu wissen, was das ist.“ "I'd give a heap to know what that is."

Die Jungen horchten und warteten. The boys listened and waited. Plötzlich durchfuhr ein erleuchteter Gedanke Toms Hirn, und er rief aus: Suddenly an enlightened thought shot through Tom's mind, and he exclaimed:

„Jungs, ich weiß, wen sie suchen dort drüben! "Guys, I know who they're looking for over there! Uns suchen sie!“ Us they are looking for!"

Sie fühlten sich sofort als Helden. They immediately felt like heroes. Hier war ein glänzender Triumph. Here was a brilliant triumph. Sie wurden vermißt. You were missed. Sie wurden beweint. They were mourned. Herzen brachen ihretwegen. Hearts broke because of them. Tränen wurden vergossen. Tears were shed. Anklagende Erinnerung an unfreundliche Handlungen gegen diese armen Verlorenen stiegen auf, und nutzloses Bedauern und Gewissensbisse quälten die Herzen. Accusing memories of unkind acts against these poor lost ones arose, and useless regrets and remorse tormented the hearts. Und das beste — die Vermißten wurden zum öffentlichen Gesprächsthema des ganzen Dorfes, und dann der Neid aller Buben, soweit diese glänzende Botschaft drang! And best of all, the missing people became the topic of public conversation throughout the village, and then the envy of all the boys as far as this brilliant message got through! Es war herrlich! It was wonderful! Es gab dem Piratenspielen erst den rechten Wert. It gave real value to playing pirates.

Als die Dämmerung hereinbrach, kehrte das Dampfboot zu seinen gewöhnlichen Geschäften zurück, und die Boote verschwanden. As dusk fell, the steamboat returned to its usual business and the boats disappeared. Die Piraten kehrten in ihr Lager zurück. The pirates returned to their camp. Sie waren noch ganz betäubt durch den Überschwang ihrer neuen Größe und das wunderbare Aufsehen, das sie erregten. They were still stunned by the exuberance of their new size and the wonderful attention they drew.

Sie fingen Fische, bereiteten ihr Abendessen, verzehrten es und legten sich dann nieder, um Vermutungen anzustellen, was das Dorf über sie denken und sprechen möchte. They caught fish, prepared their dinner, ate it, and then lay down to make guesses about what the village would like to think and talk about them. Und die Bilder, die sie sich von der allgemeinen Bestürzung, deren Ursache sie waren, machten, entzückten sie über alle Maßen. And the pictures they made of the general consternation of which they were the cause delighted them beyond measure. Aber als die Schatten der Nacht sie zu umhüllen begannen, hörten sie auf zu plaudern und saßen da, schauten ins Feuer, während ihr Geist augenscheinlich ganz wo anders weilte. But as the shadows of night began to envelop them, they stopped chatting and sat looking into the fire, their minds apparently elsewhere. Der Rausch war geschwunden, und Tom und Joe konnten an niemand zu Hause zurückdenken, der sich über ihre Heldentat so freuen mochte, wie sie es taten. The exhilaration had worn off, and Tom and Joe could think back to no one at home who might rejoice in their exploit as they did. Trübe Ahnungen stellten sich ein. Bad forebodings set in. Sie fühlten sich unbehaglich und unglücklich. They felt uncomfortable and unhappy. Ein oder zwei Seufzer entschlüpften ihnen. A sigh or two escaped them. Endlich wagte Joe einen Fühler auszustrecken, um zu sehen, wie die anderen über die Rückkehr zur Zivilisation denken mochten, — nicht jetzt natürlich — aber — At last Joe dared to put out a feeler to see how the others might feel about returning to civilization, - not now, of course - but -.

Tom wies ihn mit Verachtung zurück! Tom rejected him with contempt! Huck, bis jetzt noch ganz gleichmütig, stimmte Tom bei, und der Wankelmütige gab eine demütige „Erklärung“ ab und war froh, sich mit einem so geringen Odium schwachherzigen Heimwehs, als es sich nur immer machen ließ, aus der Affäre zu ziehen. Huck, still quite indifferent as yet, agreed with Tom, and the fickle man made a humble "declaration," and was glad to get out of the affair with as little odium of feeble-hearted homesickness as could ever be taken. Für den Augenblick war die Empörung also offenbar niedergeschlagen. So for the moment, the outrage was apparently quelled.

Als die Nacht dunkelte, begann Huck zu nicken und sogleich zu schnarchen. As night fell, Huck began to nod and start snoring. Joe war der nächste. Joe was next. Tom lag eine Zeitlang unbeweglich auf den Ellbogen, die beiden aufmerksam beobachtend. Tom lay motionless on his elbows for a while, watching the two intently. Schließlich erhob er sich vorsichtig auf die Knie und kroch durch das Gras und den flackernden Widerschein des Lagerfeuers. Finally he rose cautiously to his knees and crawled through the grass and the flickering glow of the campfire. Er sammelte und untersuchte verschiedene große Stücke weißer Sykomorenrinde und wählte schließlich zwei, die ihm die besten schienen, aus. He collected and examined various large pieces of white sycamore bark and finally selected two that he thought were the best. Dann kroch er wieder zum Feuer und kritzelte etwas mit Rotstift auf jedes von ihnen. Then he crawled back to the fire and scribbled something in red pencil on each of them. Eins rollte er zusammen und schob es in seine Tasche, das andere tat er in Joes Hut und legte diesen in einiger Entfernung von seinem Eigentümer hin. One he rolled up and slipped into his pocket, the other he put in Joe's hat and laid it down some distance from its owner. In den Hut tat er dann noch gewisse Schulbuben-Kostbarkeiten von fast unschätzbarem Wert, darunter ein Stück Kreide, einen Klumpen Federharz, drei Angelhaken und eine jener Art Marbeln, die als „so gut wie Kristall“ bekannt sind. In the hat he then placed certain schoolboy treasures of almost inestimable value, including a piece of chalk, a lump of quill resin, three fishing hooks, and one of the kind of marbles known to be "as good as crystal." Dann schlich er auf den Zehen vorsichtig zwischen den Bäumen hindurch, bis er außer Hörweite zu sein glaubte, und dann setzte er sich in scharfen Trab in der Richtung nach der Sandbank zu. Then he crept carefully on his toes between the trees until he thought he was out of earshot, and then he set off at a sharp trot in the direction toward the sandbar.

Fünfzehntes Kapitel. Chapter Fifteen. Wenige Minuten später befand sich Tom im seichten Wasser der Sandbank, der Illinois-Küste zuwatend. A few minutes later, Tom found himself in the shallows of the sandbar, wading toward the Illinois shore. Bevor ihm die Flut bis zur Hälfte des Körpers reichte, war er schon halb drüben. Before the tide reached halfway down his body, he was already halfway across. Die Strömung erlaubte jetzt kein Waten mehr; so machte er sich zuversichtlich daran, die letzten hundert Meter schwimmend zurückzulegen. The current no longer permitted wading; so he confidently set out to swim the last hundred yards. Er schwamm querüber, aber bald wurde er stärker stromabwärts getrieben, als er gedacht hatte. He swam across, but soon found himself being carried further downstream than he had thought. Indessen, er erreichte die Küste schließlich, trieb an ihr entlang und fand eine niedrige Stelle, wo er hinauskletterte. However, he reached the shore at last, drifted along it, and found a low spot from which he climbed out. Er legte die Hand auf die Tasche, fand, daß seine Baumrinde darin wohlgeborgen sei und schlug sich dann mit triefenden Kleidern durch den Wald, der Küste folgend. He laid his hand on his pocket, found that the bark of his tree was safe in it, and then, with his clothes dripping, made his way through the forest, following the coast. Kurz vor 10 Uhr kam er auf einen freien Platz dem Dorfe gegenüber und erblickte das Dampfboot im Schatten der Bäume und des hohen Ufers liegend. Shortly before 10 o'clock he came to an open space opposite the village and spotted the steamboat lying in the shade of the trees and the high bank. Alles war totenstill unter den funkelnden Sternen. All was dead quiet under the twinkling stars.

Er kroch unter einen Ufervorsprung, tauchte ins Wasser, tat schwimmend drei oder vier Stöße und kletterte in das Boot, welches, wie es sich gehörte, am Stern des Dampfbootes befestigt war. He crawled under a shore ledge, dived into the water, did three or four strokes swimmingly, and climbed into the boat, which was attached, as it should be, to the star of the steamboat. Er legte sich unter die Bank und wartete mit Herzklopfen. He lay down under the bench and waited with his heart pounding. Plötzlich schlug die blecherne Glocke an, und eine Stimme gab Befehl, abzustoßen. Suddenly the tinny bell struck, and a voice gave orders to push off. Ein paar Minuten später wurde die Spitze des Bootes vom Dampfer stark angezogen, und die Reise hatte begonnen. A few minutes later, the top of the boat was pulled strongly by the steamer, and the journey had begun. Tom fühlte sich erhoben durch seinen Erfolg — er wußte, daß es die letzte Fahrt sei, die das Boot an diesem Abend machte. Tom felt uplifted by his success - he knew it was the last trip the boat would make that evening.

Nach langen zwölf bis fünfzehn Minuten stoppte das Fahrzeug, und Tom glitt über Bord und schwamm im Dunkeln dem Ufer zu; er landete fünfzig Meter unterhalb — zur Sicherheit vor etwaigen herumstreichenden Bekannten. After a long twelve to fifteen minutes the vessel stopped and Tom slid overboard and swam towards shore in the dark; he landed fifty yards below—for safety from any roaming acquaintances. Er lief durch wenig belebte Straßen und befand sich bald am hinteren Zaun seiner Tante. He walked through less crowded streets and soon found himself at his aunt's back fence. Er kletterte hinüber, näherte sich behutsam dem Haus und spähte durch das Wohnzimmerfenster, da er dort Licht sah. Climbing over, he cautiously approached the house and peered through the living room window, seeing light there.

Da saßen Tante Polly, Sid, Mary und Joe Harpers Mutter, dicht zusammengedrängt, eifrig schwatzend. There sat Aunt Polly, Sid, Mary, and Joe Harper's mother, huddled together, chattering eagerly. Sie saßen am Bett, und dieses stand zwischen ihnen und der Tür. They sat by the bed, and it stood between them and the door. Tom schlich vorsichtig zur Tür und begann vorsichtig den Drücker zu drücken. Tom carefully crept to the door and gently began to press the handle. Dann drückte er kräftiger, und die Tür knarrte. Then he pushed harder and the door creaked. Er setzte seine Tätigkeit fort und hielt jedesmal inne, sobald es knarrte, bis er glaubte, auf den Knien durchkriechen zu können. He continued what he was doing, stopping every time it creaked until he thought he could crawl through it on his knees. Und so steckte er den Kopf hinein, und versuchte es vorsichtig. And so he stuck his head in, and tried carefully.

„Warum flackert das Licht so?“ sagte Tante Polly. "Why is the light flickering like that?" said Aunt Polly. Tom beeilte sich. Tom hurried.

„Ich glaub gar, die Tür ist offen! "I even think the door is open! Wahrhaftig, sie ist offen! Truly, it is open! Hören denn die Gespenstergeschichten heut gar nicht auf! Don't stop the ghost stories today! Geh‘ hin und mach sie zu, Sid!“ Go close them up, Sid!"

Im selben Moment verschwand Tom unterm Bett. At the same moment Tom disappeared under the bed. Er lag und verschnaufte ‘ne Zeitlang, und dann kroch er so weit vor, daß er Tante Pollys Füße fast berühren konnte. He lay and snorted for a while, and then he crawled forward so far that he could almost touch Aunt Polly's feet.

„Aber, wie ich sagte,“ fing Tante Polly wieder an, „er war nicht schlecht, nur — wie soll ich sagen — gerissen! "But, as I was saying," Aunt Polly began again, "he wasn't bad, just - how shall I say - cunning! Nur ein bißchen unbesonnen, wissen Sie, und gedankenlos-flüchtig. Just a bit rash, you know, and thoughtless-cursory. Er dachte nie mehr nach als ein Füllen. He never thought more than a fill. Bös meint‘ er‘s nie, er war der gutherzigste Junge, der jemals dagewesen ist,“ und sie begann zu weinen. He never meant it badly, he was the kindest boy that ever was,' and she began to cry.

„Grad‘ so war‘s mit meinem Joe — immer voll von Dummheiten und zu jedem Unfug aufgelegt; und so selbstlos und gutmütig, wie nur einer sein kann — und es schmerzt mich schrecklich, zu denken, daß ich hingehen konnte und ihm eine runterhauen, weil er die Milch genommen haben sollte, und nicht daran dachte, daß ich sie als sauer selbst fortgegossen hatte — und ich soll ihn nie wiedersehen in dieser Welt, nie, nie, nie — armer verlassener Junge!“ Mrs. Harper schluchzte, als solle ihr das Herz brechen. "That's just how it was with my Joe—always full of stupid things and up for mischief; and as unselfish and good-natured as anyone can be—and it pains me terribly to think that I could go and smack him for taking the milk, and not think that I poured it off as sour myself had—and I shall never see him again in this world, never, never, never—poor deserted boy!' Mrs Harper sobbed as if her heart would break.

„Ich hoffe, Tom ist besser dran, wo er ist,“ sagte Sid, „aber wenn er in manchen Dingen hier besser gewesen wäre —“ "I hope Tom is better off where he is," Sid said, "but if he had been better in some things here -"

„Sid!“ Tom fühlte ordentlich den strengen Blick aus den Augen der alten Dame, obwohl er sie nicht sehen konnte. "Sid!" Tom neatly felt the stern look from the old lady's eyes, although he could not see her. „Nicht ein Wort gegen meinen Tom, nun er fort ist! "Not a word against my Tom now he's gone! Gott wird sich seiner annehmen, sorg du nur für dich selbst, mein Lieber. God will take care of him, you just take care of yourself, my dear. O, Mrs. Harper, ich weiß nicht, wie ich‘s ohne ihn aushalten soll — ich weiß nicht, wie ich‘s ohne ihn aushalten soll! Oh, Mrs. Harper, I don't know how I can stand it without him - I don't know how I can stand it without him! Er war so anhänglich an mich — obwohl er mein altes Herz zuweilen fast gebrochen hätte!“ He was so attached to me - even though he almost broke my old heart at times!"

„Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! "The Lord gave, the Lord has taken away, the name of the Lord be praised! Aber ‘s ist so hart — o, ‘s ist so hart! But 'tis so hard - o, 'tis so hard! Noch letzten Samstag ließ Joe einen Schwärmer mir unter der Nase platzen, und ich schlug ihn nieder. Just last Saturday Joe popped a crush under my nose and I knocked him out. Damals wußt‘ ich freilich nicht, wie bald — o, wenn ich‘s noch mal erleben könnte, ich würd‘ ihn dafür umarmen und segnen.“ Of course I didn't know then how soon - oh, if I could experience it again, I would embrace and bless him for it."

„Ja, ja, ich kann‘s mir denken, was Sie fühlen, Mrs. Harper, ganz genau weiß ich, was Sie fühlen! "Yes, yes, I can guess what you feel, Mrs. Harper, exactly I know what you feel! ‘s ist noch nicht länger als gestern abend, da nahm Tom die Katze und füllte sie voll ‚Schmerzenstöter‘, und ich dachte, das Tier würd‘ das Haus einreißen! 'It wasn't any longer than last night that Tom took the cat and filled it up with 'pain killers' and I thought the animal was tearing down the house! Und — Gott verzeih‘ mir — ich gab ihm eins mit dem Fingerhut auf den Kopf — armer Junge, armer toter Junge! And - God forgive me - I hit him on the head with the thimble - poor boy, poor dead boy! Aber er ist jetzt raus aus allen Schmerzen. But he's out of all pain now. Und die letzten Worte, die ich von ihm gehört habe, waren —“ And the last words I heard from him were -"

Aber diese Erinnerung war zu viel für die alte Dame, und sie brach völlig zusammen. But this memory was too much for the old lady, and she broke down completely. Tom schluchzte jetzt selbst — mehr aus Mitleid mit sich selbst als mit sonst jemand. Tom was sobbing himself now - more out of pity for himself than for anyone else. Er konnte auch Mary weinen und von Zeit zu Zeit ein freundliches Wort über sich sprechen hören. He could also hear Mary crying and a kind word spoken over him from time to time. Er fing an, eine bessere Meinung als bisher von sich selbst zu haben. He began to have a better opinion of himself than before. Schließlich war er durch seiner Tante Kummer so tief ergriffen, daß er drauf und dran war, unter dem Bett hervorzukommen und sie mit seiner Wiederkunft freudig zu überraschen, und der Theatereffekt war ganz nach seinem Geschmack, aber er widerstand doch und verhielt sich still. Eventually he was so moved by his aunt's grief that he was about to come out from under the bed and happily surprise her with his return, and the theatrical effect was to his liking, but he resisted and kept quiet.

Er fuhr fort zu lauschen und setzte sich aus allerhand Andeutungen zusammen, daß man erst angenommen habe, die Burschen seien beim Schwimmen umgekommen; dann wurde das kleine Floß vermißt; dann verkündeten ein paar Jungen, die Ausreißer hätten versprochen, das Dorf solle bald „von ihnen hören“. He continued to eavesdrop, piecing together from all sorts of innuendo that first the boys were thought to have perished while swimming; then the little raft was missed; then a couple of boys announced that the runaways had promised that the village would soon "hear from them." Die weisen Häupter hatten dies und das zusammengereimt und erklärt, die Strolche seien auf diesem Floß davongefahren und würden bald in der nächsten Stadt unterwärts anlangen. The wise heads had put this and that together, and declared that the rascals had sailed away on this raft and would soon be down at the next town. Aber gegen Mittag war das Floß gefunden worden, ungefähr fünf oder sechs Meilen unterhalb des Dorfes an der Missouriküste, und da hatte man die Hoffnung aufgegeben; sie mußten ertrunken sein, denn sonst hätte der Hunger sie bei Einbruch der Nacht nach Haus getrieben — wenn nicht schon früher. But about noon the raft had been found, about five or six miles below the village on the Missouri shore, and by then hope had been given up; they must have drowned, for otherwise hunger would have driven them home by nightfall-if not sooner. Man glaubte, die Suche nach den Leichen sei darum erfolglos geblieben, weil sich das Unglück in der Mitte des Stromes zugetragen habe, denn die Jungen als gute Schwimmer würden sich sonst ans Ufer gerettet haben. It was believed that the search for the bodies was unsuccessful because the accident occurred in the middle of the stream, because the boys, being good swimmers, would have otherwise saved themselves to the shore. Das war Mittwoch abend. That was Wednesday evening. Wenn sie bis Samstag noch nicht gefunden sein würden, müßte man alle Hoffnung aufgeben, und der Trauergottesdienst sollte dann am Sonntag morgen stattfinden. If they were not found by Saturday, all hope would have to be abandoned, and the funeral service would then be held on Sunday morning. Tom schauderte.

Mrs. Harper wünschte mit weinerlicher Stimme „Gute Nacht“ und rüstete sich zum Abmarsch. Mrs. Harper said "Good night" in a tearful voice and prepared to leave. Dann, mit plötzlichem Impuls, umarmten sich die beiden verwaisten Frauen, weinten sich nach Herzenslust aus und trennten sich. Then, with a sudden impulse, the two orphaned women embraced, cried to their hearts' content, and parted. Tante Polly war doppelt zärtlich, indem sie Sid und Mary „Gute Nacht“ sagte. Aunt Polly was doubly affectionate in saying "good night" to Sid and Mary. Sid schluchzte ein bißchen, Mary aber weinte aus Herzensgrund. Sid sobbed a little, but Mary cried from her heart.

Tante Polly kniete nieder und betete für Tom so eindringlich, so leidenschaftlich und mit so grenzenloser Liebe in ihren Worten und ihrer alten, zitternden Stimme, daß er wieder, lange bevor sie zu Ende war, in Tränen zerfloß. Aunt Polly knelt and prayed for Tom so earnestly, so fervently, and with such boundless love in her words and her old trembling voice, that he burst into tears again long before it was over.

Er mußte noch lange, nachdem sie zu Bett gegangen war, warten, denn von Zeit zu Zeit stieß sie immer noch mal einen herzbrechenden Seufzer aus, warf sich unruhig hin und her und konnte nicht zur Ruhe gelangen. He had to wait long after she had gone to bed, for from time to time she would let out a heartbreaking sigh and toss and turn uneasily, unable to get any rest. Aber schließlich war sie doch still und seufzte nur noch bisweilen im Schlaf. But finally she was quiet and sighed only occasionally in her sleep.

Nun kroch der Junge hervor, richtete sich am Bett in die Höhe, beschattete das Licht mit der Hand und stand lange, sie betrachtend. Now the boy crawled out, sat up on the bed, shaded the light with his hand, and stood for a long time looking at her. Sein Herz war voll Mitleid mit ihr. His heart was full of compassion for her. Er zog seine Sykomorenrinde hervor und legte sie neben den Leuchter. He pulled out his sycamore bark and placed it next to the candlestick. Aber es fiel ihm etwas ein, und er überlegte. But something occurred to him, and he thought about it. Auf seinem Gesicht lag der glückliche Widerschein seiner Gedanken. On his face was the happy reflection of his thoughts. Schnell steckte er die Rinde wieder in die Tasche, dann beugte er sich herunter, küßte die welken Lippen und machte sich verstohlen davon, die Tür hinter sich schließend. He quickly put the bark back in his pocket, then bent down, kissed the withered lips, and slipped away, closing the door behind him.

Er nahm seinen Weg wieder zum Dampfboot, fand niemand dort vor und begab sich kühn an Bord des Schiffes, welches, wie er wußte, verlassen war — bis auf einen Wächter, der sich darin einzuschließen und zu schlafen pflegte wie ein steinernes Bild. He made his way back to the steamer, finding no one there, and boldly embarked on the ship, which he knew was deserted except for a guard, who used to shut himself up inside and sleep like a stone statue. Er zog das kleine Boot heran, sprang hinein und schwamm bald wieder draußen auf dem Strom. He pulled up the small boat, jumped in, and was soon floating out on the stream again. Als er eine Meile vom Dorfe entfernt war, steuerte er querüber und legte sich tüchtig ins Zeug. When he was a mile from the village, he steered across and put his foot down. Er erreichte genau die Landungsstelle an der anderen Seite — eine Kleinigkeit für ihn. He reached exactly the landing point on the other side - a small matter for him. Große Lust hatte er, das Boot zu kapern, denn er meinte, man müsse es doch als „Schiff“ betrachten und es sei somit legitime Beute für einen Seeräuber. He had a great desire to capture the boat, because he thought it should be considered a "ship" and therefore legitimate prey for a pirate. Aber dann sagte er sich, daß genaue Nachforschungen danach angestellt werden würden, und das hätte mit einer Entdeckung enden können. But then he told himself that accurate investigations would be made after that, and that could have ended with a discovery. So sprang er ans Ufer und drang in den Wald ein. So he jumped to the shore and entered the forest. Er setzte sich nieder und hielt lange Rast, sich quälend mit Anstrengungen, wach zu bleiben, und dann strebte er wieder seiner „Heimat“ zu. He sat down and took a long rest, tormenting himself with efforts to stay awake, and then he strove again towards his "home". Die Nacht war fast zu Ende. The night was almost over. Es war heller Morgen, bis er sich der Insel gegenüber befand. It was bright morning until he found himself facing the island. Er ruhte wieder, bis die Sonne ganz herauf war und den Fluß mit ihrem Glanz übergoß, und dann sprang er ins Wasser. He rested again until the sun was fully up and spilled its splendor over the river, and then he sprang into the water. Kurz darauf stand er triefend am Eingang des Lagers und hörte Joe sagen: „Nein, Tom ist treu, Huck, und er wird wiederkommen. Shortly thereafter, standing dripping at the entrance to the camp, he heard Joe say, "No, Tom is faithful, Huck, and he will be back. Er wird nicht durchbrennen. It will not burn out. Er weiß, daß es ‘ne Schande für ‘nen Seeräuber wär, und Tom ist zu stolz für so was. He knows it would be a shame for a pirate, and Tom is too proud for that. Er ist auf irgend was aus. He's onto something. Möcht‘ aber wohl wissen, was?“ Would like to know what, though?"

„Na — die Sachen da gehören doch jetzt uns, nicht?“ "Well - those things are ours now, aren't they?"

„Beinahe, aber nicht ganz, Huck. "Almost, but not quite, Huck. Das Geschreibsel sagt, sie sind unser Eigentum, wenn er nicht bis zum Frühstück wieder da ist.“ The scribbling says they're ours if he's not back by breakfast."

„Was er ist,“ rief Tom in theatralischer Pose, großartig ins Lager tretend. "What he is," exclaimed Tom, in a theatrical pose, stepping grandly into camp.

Ein prächtiges Frühstück, aus Schinken und Fisch bestehend, war bald zur Stelle, und während sich die Jungen darüber hermachten, berichtete Tom (mit vielen Ausschmückungen) seine Abenteuer. A sumptuous breakfast of ham and fish was soon in hand, and while the boys ate at it Tom related (with many embellishments) his adventures. Sie waren eine edle, prahlerische Gesellschaft von Helden, als seine Erzählung beendet war. They were a noble, boastful company of heroes when his tale was finished. Dann machte Tom sich davon an einen schattigen Ort, um bis Mittag zu schlafen, die anderen Piraten brachen auf zu Fischzug und Entdeckungsreisen. Then Tom went off to a shady place to sleep until noon, when the other pirates went fishing and exploring.