×

We gebruiken cookies om LingQ beter te maken. Als u de website bezoekt, gaat u akkoord met onze cookiebeleid.

image

Die Abenteuer Tom Sawyers, Die Abenteuer Tom Sawyers (9)(10)

Die Abenteuer Tom Sawyers (9)(10)

Neuntes Kapitel. Um halb neun wurden Tom und Sid, wie gewöhnlich, zu Bett geschickt. Sie sprachen ihre Gebete, und Sid war bald eingeschlafen. Tom lag wach und wartete in peinvoller Ungeduld. Als es ihm schien, daß es bald wieder Tag werden müsse, hörte er es zehn Uhr schlagen. Das war zum Verzweifeln. Er hätte um sich schlagen mögen, wie es seine Nerven verlangten, aber er fürchtete, Sid aufzuwecken. So lag er still und starrte in die Dunkelheit. Es war so schrecklich still! Allmählich begannen aus der Stille heraus kleine, geheimnisvolle, kaum hörbare Stimmen sich bemerkbar zu machen.

Zuerst vernahm er nur das Ticken der Uhr. Dann begannen morsche Balken geheimnisvoll zu brechen. Auch im Fußboden regte es sich. Es war kein Zweifel, daß Geister ihr Wesen trieben. Ein dumpfer, sich regelmäßig wiederholender Ton drang aus Tante Pollys Schlafzimmer herauf. Und jetzt begann das eintönige Zirpen einer Grille, das keine menschliche Macht zum Schweigen zu bringen vermag. Dann wieder ließ das unheimliche Klopfen des Totenkäfers in einem Balken über seinem Kopf Tom erschauern — gewiß waren irgend jemandes Tage gezählt. Jetzt erfüllte das langgezogene Heulen eines Hundes die nächtliche Stille und wurde sofort durch ein noch entfernteres Heulen beantwortet. Tom lag halb betäubt. Er glaubte, alle Zeit habe aufgehört und die Ewigkeit beginne. Trotz aller Anstrengung schlief er ein. Die Uhr schlug elf, aber er hörte nichts mehr. Und dann mischte sich in seine halbbewußten Träume ein höchst melancholisches Katzengeheul. Das Aufreißen eines benachbarten Fensters schreckte ihn in die Höhe. Der wütende Ruf: „Hol der Teufel die verfluchte Katze!“ und der Anprall einer leeren Flasche gegen die Rückwand von Tante Pollys Holzschuppen ermunterten ihn vollends; eine Minute später war er völlig angekleidet, stieg aus dem Fenster und noch auf allen Vieren am Dach eines kleinen Anbaues entlang. Während dieses Spazierganges miaute er ein- oder zweimal halblaut, dann kletterte er auf das Dach des Holzschuppens und sprang von dort zur Erde. Huckleberry Finn war da mit seiner toten Katze. Die Jungen machten sich davon und verschwanden in der Dunkelheit. Eine halbe Stunde später wateten sie durch das nasse Gras des Kirchhofes.

Es war ein Kirchhof in der althergebrachten Art des Westens. Er lag auf einem Hügel, über ein und eine halbe Meile vom Dorfe entfernt. Umgeben war er von einem halb morschen alten Zaun, der sich bald nach innen, bald nach außen lehnte und doch sich immer noch aufrecht erhielt. Gras und Unkraut überwucherten den ganzen Gottesacker. Die meisten der älteren Gräber waren längst eingesunken. Nicht ein einziger Grabstein war zu sehen. Roh geschnitzte, wurmstichige Holzkreuze steckten auf den Hügeln, einen Anhalt suchend und keinen findend. „Zum ewigen Gedächtnis“, das und ähnliches war auf einige gemalt, aber man konnte es meistens nicht mehr lesen — auch nicht bei hellem Tageslicht. Ein leichter Wind säuselte in den Bäumen, und Tom argwöhnte, daß es Stimmen von Toten sein könnten, die sich über die Störung ihrer Ruhe beklagten.

Nur leise, mit verhaltenem Atem, wagten die beiden zu sprechen, Zeit und Stunde und die trostlose Schwermut und Verlassenheit ihrer Umgebung bedrückten ihren Geist. Sie fanden das neugeschaufelte Grab, das sie suchten, und stellten sich in den Schutz und Schatten dreier mächtiger Ulmen, welche, ein paar Schritte vom Grabe entfernt, sich dicht aneinander drängten.

Dann warteten sie lange schweigend auf das, was da kommen sollte. Das Husten einer entfernten Eule war der einzige Ton, der die tiefe Stille zuweilen unterbrach. Toms Beklemmung wuchs. Er mußte durchaus sprechen. So sagte er mit flüsternder Stimme: „Hucky, glaubst du, daß die Toten es leiden werden, daß wir hier sind?“

Huckleberry gab flüsternd zurück: „Ich wollte, ich wüßte es. ‘s ist schrecklich traurig hier, nicht?“

„Ich glaub‘ wohl!“

Während der nächsten Minuten schwiegen beide, die Frage innerlich weiter verarbeitend. Dann wisperte Tom wieder: „Sag, Hucky — meinst du, daß Hoss Williams uns sprechen hört?“

„O, sicher, wenigstens sein Geist.“

Nach einer Pause Tom wieder: „Hätt‘ ich doch nur Herr Williams gesagt! Aber ich hab‘s ja nie anders gehört. Alle nennen ihn einfach Hoss.“

„Ja. Tom, man kann gar nicht vorsichtig genug sein in dem, was man über die Leute da unten sagt.“

Dies war ungemütlich, und die Unterhaltung erstarb wieder. Plötzlich packte Tom seinen Kameraden am Arm und raunte: „Pscht!“

„Was denn, Tom?“ Und die beiden drängten sich klopfenden Herzens aneinander.

„Pscht! Da ist‘s wieder! Hast du denn nichts gehört?“

„Ich —“

„Da! Nun hörst du‘s doch!“

„Herr Gott, Tom, sie kommen! Sie kommen ganz bestimmt! Was tust du?“

„Ich? Nichts! Meinst du, daß sie uns sehen werden?“

„O, Tom, die sehen in der Dunkelheit wie die Katzen. — Ich wollte nur, ich wär‘ nicht hergekommen!“

„Ach was, fürchte dich nicht! Ich glaub‘ nicht, daß sie uns was tun! Wir haben ja nichts Schlechtes getan. Wenn wir ganz still sind, werden sie uns vielleicht gar nicht bemerken!“

„Ich will‘s versuchen, Tom, aber, Herr Gott, ich bin halb tot vor Angst!“

„Still!“

Sie steckten die Köpfe zusammen und wagten kaum zu atmen. Dumpfes Stimmengewirr wurde vom anderen Ende des Kirchhofes hörbar.

„Sieh, sieh doch!“ flüsterte Tom. „Was ist das?“

„‘s ist Teufelsspuk! Ach, Tom, wie schrecklich!“

Ein paar unbestimmte Figuren tauchten aus der Dunkelheit auf, eine altertümliche Blendlaterne mit sich führend, welche die Umgebung mit zahllosen Lichtstreifen erhellte. Schaudernd flüsterte Huckleberry: „Ganz gewiß, es sind Teufel! Drei auf einmal! Gott, Gott, Tom, wir sind verloren! Weißt du kein Gebet?“

„Ich will‘s versuchen, aber sei doch nicht so bange! Sie werden uns ja nicht erwischen. Müde bin ich, geh zur Ruh —“

„Pscht!“

„Was gibt‘s Huck?“

„Das sind ja Menschen! Einer wenigstens! Die eine Stimme gehört dem alten Muff Potter!“

„Ist das gewiß?“

„Wenn ich dir‘s doch sage! Nur ganz still! Er wird uns schwerlich bemerken! Besoffen, wie gewöhnlich — erbärmlicher, alter Trunkenbold!“

„‘s ist schon gut, ich bin ja ganz still! — Jetzt bleiben sie stehen — sie können‘s nicht finden — jetzt kommen sie wieder näher — heiß — kalt — wieder heiß — riesig heiß! Da — da sind sie jetzt ganz in der Nähe! — Du, Huck, ich kenne die zweite Stimme — ‘s ist die von Indianer-Joe.“

„‘s ist richtig! Diese mörderische Bestie! Ich wollt‘ fast lieber, es wären Teufel! Was sie wohl vorhaben?“

Mit dem Tuscheln war‘s jetzt aus; die drei waren beim Grab angelangt und standen kaum ein paar Fuß vom Versteck der beiden Abenteurer.

„Hier ist es,“ sagte die dritte Stimme, worauf einer der anderen die Laterne in die Höhe hielt — sie beleuchtete des jungen Dr. Robinson Gesicht. Potter und Indianer-Joe hatten einen Schubkarren mit einem Strick und ein paar Schaufeln mitgebracht. Sie setzten ihre Last nieder und begannen, das Grab zu öffnen. Der Doktor setzte die Laterne auf das Kopfende des Grabes und setzte sich mit dem Rücken gegen eine der Ulmen nieder. Er war so nahe, daß die beiden Burschen ihn hätten berühren können.

„Hurtig, Leute,“ sagte er leise. „Der Mond wird gleich herauskommen!“

Sie grunzten was als Antwort und gruben weiter. Einige Zeit war nichts zu hören als der dumpfe Ton der Schaufeln, die ihre Ladung von Erde und Steinen abluden. Es klang sehr eintönig. Endlich stieß eine Schaufel krachend auf den Sargdeckel — zwei Minuten später hatten die Männer den Sarg herausgeschoben und niedergesetzt.

Darauf brachen sie mit ihren Schaufeln den Deckel auf, zogen die Leiche heraus und warfen sie brutal auf die Erde. Der Mond trat in diesem Augenblick hinter den Wolken hervor und beleuchtete grell die scheußliche Szene. Der Schubkarren wurde herbeigeholt, der Körper daraufgelegt, mit einer Decke eingehüllt und mit Stricken festgebunden. Potter zog ein großes Messer hervor, schnitt das überhängende Stück des Strickes ab und sagte: „So, das wär getan, Beinsäger, jetzt noch ‘nen Fünfer ‘raus, oder das da bleibt stehen.“

„‘s ist ganz richtig,“ stimmte der Indianer-Joe bei.

„Seht mal! Was soll das heißen?“ fragte der Doktor. „Ihr habt euer Geld im voraus verlangt, und ich hab‘s euch gegeben.“

„Ja — und ‘s ist das letzte Mal gewesen,“ schrie der Indianer-Joe, sich dem Doktor nähernd, der rasch aufgestanden war. „Vor fünf Jahren hast du mich vom Hause deines Vaters bei Nacht und Nebel vertrieben, als ich um was zu essen bat, und hast gesagt, ich hätt‘ wohl was anderes vorgehabt; und als ich schwor, wir würden noch mit ‘nander abrechnen, und wär‘s erst in hundert Jahren, hat mich dein Vater als Landstreicher eingesperrt. Dachtest du, ich hätt‘s vergessen? Ich hab‘ nicht umsonst Indianerblut! Und jetzt will ich‘s dir geben, und du wirst zum stillen Mann gemacht!“

Bis jetzt hatte er dem Doktor mit der Faust unter der Nase herumgefuchtelt. Plötzlich holte dieser aus und streckte den Raufbold zu Boden. Potter warf sein Messer zu Boden, und mit den Worten: „Halt einmal, du sollst meinen Freund nicht hauen!“ stürzte er sich auf den Doktor, und im nächsten Augenblick lagen beide wütend ringend, und Gras und Erde mit den Füßen zerstampfend, auf dem Grab. Der Indianer-Joe war gleich wieder auf den Beinen, seine Augen glühten unheimlich, er ergriff Potters Messer und umkreiste katzengleich die Kämpfenden, auf eine Gelegenheit lauernd. Aber auf einmal gelang es dem Doktor, sich freizumachen, er ergriff den schweren Sargdeckel und schlug Potter damit zu Boden — ebenso rasch hatte Joe seinen Vorteil wahrgenommen und stieß das Messer bis ans Heft in des jungen Mannes Brust. Der Doktor stieß einen Schrei aus und fiel auf Potter, ihn mit seinem Blute färbend; und im selben Moment verhüllten die Wolken das schreckliche Schauspiel, während die beiden zu Tode erschrockenen Burschen Hals über Kopf in der Dunkelheit verschwanden.

Sobald der Mond wieder hervorkam, stand Joe über den beiden regungslos Liegenden und betrachtete sie. Der Doktor murmelte etwas Unverständliches, tat einen langen Seufzer — und war still.

„Beim Satan — der Stich sitzt,“ brummte Joe und begann die Leiche zu berauben, worauf er das verräterische Messer in Potters offene Hand steckte und sich auf den geöffneten Sarg setzte. Drei — vier — fünf Minuten verflossen, und dann begann Potter sich zu bewegen und zu stöhnen. Seine Hand schloß sich um das Messer, er hob es auf, blickte darauf und ließ es schaudernd fallen. Dann richtete er sich auf, schob die Leiche von sich und starrte verwirrt um sich. Joe anzusehen, vermied er.

„Herr Gott, Joe, wie war das?“ sagte er mit zitternder Stimme.

„‘s ist ‘ne faule Geschichte,“ entgegnete Joe grob. „Wozu tatst du‘s?“

„Ich! Ich hab‘s nicht getan!“

„Sieh mal! Na — mit solchem Geschwätz kommst du nicht los!“

Potter zitterte und wurde aschfahl.

„Ich hatte mir doch vorgenommen, nüchtern zu bleiben! Warum mußte ich auch nachts trinken. — Hab‘s ja noch im Kopf — mehr, als wie wir kamen. — Immer betrunken — völlig — auf gar nichts kann ich mich besinnen! Sag, Joe, ehrlich, alter Bursche — hab ich‘s getan?! Ich wollt‘s nicht tun — auf Ehr und Seligkeit, Joe, ich wollt‘s nicht tun! O, ‘s ist schrecklich — und er war so jung und hoffnungsvoll —“

„Na, ihr habt halt gerauft, und er gab dir eins rüber mit dem Sargdeckel, und du fielst hin. — Und dann kamst du wieder auf, wanktest und konntest dich kaum auf den Füßen halten, hobst das Messer auf — na, und stießest es ihm in den Leib, grad, wie er dir noch ‘nen tüchtigen Schlag geben wollte, und dann hast du hier wie ‘n toter Klotz gelegen bis jetzt.“

„O — ich wußte ja nicht mehr, was ich tat. ‘s kam wohl alles vom Branntwein und von der Wut — schätz‘ ich. Ich hab‘ nie vorher in meinem Leben so was getan, Joe! ‘s können‘s mir alle bezeugen. Geprügelt — ja, aber gestochen niemals, Joe. Joe, sag‘s niemand! Sag mir, Joe, daß du‘s niemand sagen willst! Sei ‘n guter Bursche! Joe! Ich hab‘ dich immer gern gehabt, Joe, und hab‘ deine Partei genommen. Weißt du nicht, Joe? Joe, du sagst es nicht, Joe, nicht? !“ Und der arme Kerl fiel auf die Knie vor den kaltherzigen Mörder und hob beschwörend die Hände.

„Na, du bist immer treu und brav zu mir gewesen, Muff Potter, und ich werd‘ dich nicht verraten. — Das ist doch wie ‘n Kerl gesprochen, he?“

„O, Joe, ja, du bist ein Engel, Joe. Ich will dich segnen, so lang ich leb‘!“ Und Potter begann zu weinen.

„Na, komm, ‘s ist jetzt genug davon. ‘s ist ‘ne verdammt schlechte Zeit zum Heulen. Mach, daß du in der Richtung fortkommst, und ich will hierhin gehen. Vorwärts, mach fort — und laß nichts liegen, zum Teufel!“

Potter setzte sich in Trab, woraus bald regelrechter Galopp wurde. Joe schaute ihm nach, brummend: „Wenn er so betäubt von dem Prügeln und voll von Schnaps ist, wie er aussieht, so wird er an das Messer erst denken, wenn er so weit fort ist, daß er‘s nicht wagt, an so ‘nen Ort zurückzukommen — Hasenfuß!“

Zwei oder drei Minuten später sah nur noch der Mond den Ermordeten, den eingebundenen Körper des Toten, den aufgebrochenen Sarg und das leere Grab. Tiefe Stille herrschte wieder wie vorher.

Zehntes Kapitel. Die beiden Burschen liefen dem Dorfe zu, sprachlos vor Schreck. Von Zeit zu Zeit blickten sie ängstlich über die Schulter zurück, als fürchteten sie sich vor Verfolgern. Jeder Baumstumpf, der an ihrem Wege aus der Dunkelheit auftauchte, schien ihnen ein Mann und ein Feind, und ließ sie bis ins Mark erzittern. Und als sie bei einigen außerhalb des Dorfes gelegenen Niederlassungen vorbeikamen, schien ihnen das Bellen der erwachten Hunde Flügel zu verleihen.

„Wenn wir — nur bis zu der alten Gerberei — kommen — bevor wir — zusammenbrechen —“ stieß Tom abgerissen zwischen mühsamem Atemholen hervor.

„Ich — ich kann — nicht mehr — länger!“

Huckleberrys pochendes Herz war seine ganze Antwort; beide hefteten ihre Augen fest auf das Ziel ihrer Hoffnung und machten die äußersten Anstrengungen, es zu erreichen. Sie kamen ihm immer näher, und schließlich Brust an Brust, fielen sie förmlich durch die offene Tür — dankbar und atemlos, in den schützenden Schatten. Allmählich beruhigten sich ihre Pulse, und Tom flüsterte:

„Du, Huckleberry, was meinst du, wird von all dem kommen?“

„Na, ich denke, wenn Dr. Robinson stirbt, wird Gehenktwerden davon kommen.“

„Meinst du?“

„Nicht meine, ich weiß, Tom!“

Tom dachte ‘ne Weile nach, dann sagte er: „Wer wird‘s denn verraten? Wir?“

„Was fällt dir ein? Angenommen, ‘s käm‘ was dazwischen und Indianer-Joe müßt nicht hängen, wird er uns früher oder später so gewiß töten, daß wir grad so gut schon jetzt hier liegen könnten!“

„Huck, das hab‘ ich mir auch gedacht.“

„Wenn‘s jemand sagen soll, mag‘s doch Muff Potter tun, wenn er dumm genug ist. Der ist ohnehin immer betrunken genug!“

Tom sagte nichts — er brütete über etwas. Plötzlich wisperte er: „Huck, Muff Potter weiß es nicht. Wie kann er‘s sagen?“

„Warum sollt er‘s nicht wissen?“

„Weil er grad den ekligen Klaps bekommen hatte, als es Joe tat. Meinst du, da hätt‘ er‘s sehen können? Meinst du wirklich, er könnt‘s wissen?“

„Beim Henker, ‘s ist so, Tom!“

„Und dann — weißt du — sollt‘ ihm nicht der Hieb den Rest gegeben haben?“

„Kaum glaublich, Tom! Er hatte Schnaps in sich. Ich konnt‘s sehen; übrigens hat er das immer. Wenn mein Alter voll ist, kannst du ihn nehmen und ihn mit ‘nem Kirchturm überhauen — er spürt‘s nicht. Er sagt‘s auch selbst. Grad so ist‘s heut mit Muff Potter. Aber wenn einer klar im Kopf ist, schätz‘ ich, daß so ‘n Klaps genug für ihn sein möchte.“

Nach abermaligem nachdenklichem Schweigen fuhr Tom abermals fort:

„Huck, bist du sicher, daß du den Mund halten kannst?“

„Tom, wir müssen den Mund halten! Du weißt doch! Dieser Indianer-Teufel würde nicht mehr Umstände machen, uns abzuschneiden, wie mit ‘nen paar Katzen, wenn wir so dumm wären, zu plappern, und sie henkten ihn nicht. Nun, Tom, komm mal her, laß uns einander schwören — das müssen wir, Tom! — schwören, den Mund zu halten!“

„Mir recht, Huck. ‘s wird wohl das beste sein. Wollen wir also die Hand hochhalten und schwören, daß wir —“

„Halt mal, so geht‘s nicht! Das ist gut genug für kleine, alltägliche Dinge, zum Beispiel bei Mädchen, wenn die einem überall nachlaufen, und wenn sie — hm — wenn man sich verrannt hat, mein‘ ich — aber so was geht bei so ‘ner häßlichen Geschichte nicht — da muß was Schriftliches sein — und Blut!“

Tom stimmte von ganzem Herzen zu. Die Idee war tief — und dunkel — und schrecklich; die Stunde, die Umstände, die Umgebung — alles wirkte zusammen. Er nahm eine glänzend geschliffene Schindel auf, die im Mondlicht lag, zog ein Stückchen Rotstift aus der Tasche, ließ das Mondlicht sein Werk bescheinen, und kritzelte mühsam, jeden schwerfälligen Grundstrich hervorhebend, indem er die Zunge zwischen die Zähne klemmte und sie bei den Haarstrichen wieder freiließ, folgende Zeilen: „Huck Finn und Tom Sawyer schwöhren, Sie wolen über dies den Mund Halten und sie wünschen, dahs Sie Tot niederfallen auff ihren Wech, wenn sie jemalls plautern oter schreiben.“

Huckleberry war ganz erfüllt von Toms Fähigkeit im Schreiben und seinem glanzvollen Stil. Er war im Begriff, mit einem Nagel sich das Fleisch zu ritzen, als Tom einfiel: „Halt, nicht so. Nagel ist Eisen. Der könnte Grünspan haben.“

„Grünspan — was ist das?“

„‘s ist Gift, das ist es! Du würdest sofort davon aufgeschwellt werden — sollst du sehen!“ Darauf nahm Tom eine Nadel, und beide ritzten sich den Ballen des Daumens und drückten einen Blutstropfen heraus. Schließlich, nach vielem Quetschen machte sich Tom daran, seine Anfangsbuchstaben zu malen, indem er den kleinen Finger als Feder benutzte. Dann zeigte er Huckleberry, wie er ein H und ein F zu machen habe — und dann war der Eid bekräftigt.

Sie vergruben die Schindel, häuften unter allerhand Zeremonien und Zauberformeln einen Hügel darüber, und die ihre Zungen bindenden Fesseln waren geschmiedet und der Schlüssel dazu lag in der Erde.

Eine menschliche Figur schlüpfte vorsichtig durch eine Lücke am anderen Ende des verfallenen Gebäudes, aber sie merkten es nicht.

„Tom,“ wisperte Huckleberry, „sichert uns das davor, zu schwatzen — für immer?“

„Aber, natürlich tut‘s das! Mag jetzt geschehen, was will — wir müssen schweigen. Wir wollen tot niederfallen — weißt du‘s denn nicht?“

„Ja, ich rechne, ‘s ist an dem.“

Sie tuschelten noch ‘ne Weile fort. Plötzlich schlug ein Hund mit langem, kläglichem Ton an, gerade jenseits der Stelle der Mauer, wo sie saßen — keine zehn Schritt davon. Die Burschen packten einander unwillkürlich in versteinerndem Schreck.

„Wen von uns mag er meinen?“ flüsterte Huckleberry.

„Ich weiß nicht — schau durch die Ritze — schnell!“

„Nein, tu du‘s, Tom!“

„Ich kann‘s — kann‘s nicht!“

„Bitte, Tom! — Da ist‘s wieder!“

„Ach, Gott sei Dank,“ wisperte Tom, „ich kenne seine Stimme, ‘s ist Bull Harbison.“

„Ach, das ist mal gut! Ich sag dir, Tom, ich war wirklich zu Tod erschrocken! Meinte wahrhaftig, ‘s wär ‘n fremder Hund.“

Der Hund heulte wieder. Die Herzen der Burschen sanken wieder in die Hosen.

„Ach, verflucht, das ist nicht Bull Harbison!“ flüsterte Huckleberry weinerlich.

Tom, zitternd vor Furcht, rappelte sich auf und legte das Auge an die Lücke.

Der Ton seiner Stimme war erbarmungswürdig, als er jetzt flüsterte: „O, Huck, ‘s ist ein fremder Hund —!“

„Schnell, Tom, schnell, wen von uns meint er?“

„Huck, er muß uns beide meinen! — Wir stehen dicht beieinander.“

„O, Tom, ich fürchte — wir sind futsch! Ich rechne, wohin ich komme, darüber kann kein Zweifel sein. Ich bin so schlecht, Tom!“

„Der Teufel hol‘s! Das kommt davon, wenn man Blindekuh spielt und alles tut, wovon der Lehrer sagt, daß man‘s nicht tun soll! Ich wollt‘, ich wär so artig gewesen wie Sid — wenn ich‘s gekonnt hätte. Aber nein, ich mocht‘s nicht sein! Aber wenn ich hier fortkomm‘, ich sag‘ dir, ich werd‘ immer in die Sonntagsschule gehen.“ Und Tom begann ein bißchen zu heulen.

„Du schlecht?“ Und Huckleberry heulte zur Gesellschaft mit. „Ich sag‘s dir, Tom, du bist einfach Gold gegen mich! O, Gott, Gott, Gott — ich wollte, ich wäre nur halb so gut wie du!“

Tom fuhr zusammen und flüsterte: „Schau, Hucky, schau nur! Er wendet uns ja den Rücken zu!“

Hucky schaute hinaus, und Freude erfüllte sein Herz.

„Teufel, ‘s ist so! Tat er‘s vorher auch schon?“

„Ja, er tat‘s, aber ich Dummkopf dachte nicht daran. Na, das ist mal famos. Aber — wen kann er nur meinen?“

Das Heulen hörte auf. Tom spitzte die Ohren. „Pscht —was ist das?“

„‘s klingt wie — wie Schweinegrunzen. Oder, Tom — doch nicht, ‘s schnarcht jemand.“

„Ist‘s das? Wo aber, Hucky?“

„Ich glaub‘ dort, am anderen Ende. ‘s klingt wenigstens so. Pop pflegt zuweilen da zu schlafen — mit den Schweinen, aber, Gott segne dich, er macht alles zittern, wenn er schnarcht. Und dann, ich rechne, hierher kommt er nicht zurück!“

Die Abenteuerlust begann sich in den Seelen der beiden Burschen zu regen.

„Hucky, gehst du mir nach, wenn ich vorangehe?“

„Sehr gern nicht, Tom! Denk, ‘s könnt Joe sein!“

Tom zauderte. Aber sofort regte sich wieder die Versuchung, und sie beschlossen, den Versuch zu wagen, unter dem Vorbehalt, daß sie fliehen dürften, sobald das Schnarchen aufhören würde. So gingen sie auf den Fußspitzen weiter, einer hinter dem anderen. Als sie nur noch fünf Schritt von dem Schnarchenden entfernt waren, trat Tom auf einen Zweig, der mit lautem Knacken brach. Der Mann grunzte, wälzte sich ein bißchen herum, das Mondlicht fiel, auf sein Gesicht — es war Muff Potter. Die Herzen der Burschen hatten still gestanden — wie ihre Leiber, als sich der Mann rührte, aber jetzt war ihre Furcht vergangen. Sie schlichen zurück, schlüpften durch die geborstene Mauer und blieben in einiger Entfernung stehen, um sich zu verabschieden, Das lange unheimliche Geheul erhob sich wieder und klang durch die Nachtluft. Sie wandten sich um und sahen den fremden Hund wenige Schritt von der Stelle entfernt, wo Muff Potter lag, mit dem Kopf diesem zugewandt, die Schnauze zum Himmel gerichtet.

„Herrje, den meint er!“ riefen beide in einem Atem.

„Sag, Tom, sie sagen, ein scheußlicher Köter soll um Johnny Millers Haus herumgeheult haben — vor mehr als zwei Wochen. Und dann hat sich auch ‘ne Eule auf das Dach gesetzt und da geheult, am selben Abend. Und da ist doch bis heute noch keiner gestorben!“

„Ja, ich weiß. Und ich mein‘, das beweist nichts. Fiel nicht am nächsten Samstag Gracie Miller auf den Küchenherd und verbrannte sich schrecklich?“

„Ja — aber sie ist doch nicht gestorben. Noch mehr, sie ist bald wieder ganz gesund.“

„Schon recht, wart‘ nur und red‘ dann! Sie ist futsch, so gewiß als Muff Potter dort futsch ist! Die Neger sagen‘s, und die wissen so was ganz genau, Hucky.“

Damit gingen sie nachdenklich auseinander.

Als Tom in sein Schlafzimmerfenster schlüpfte, war die Nacht schon vorbei.

Er entkleidete sich mit äußerster Vorsicht und schlief ein, sich beglückwünschend, daß niemand etwas von seinem Streifzug gemerkt habe. Er hatte nicht gesehen, daß der brave, schnarchende Sid wach war — seit einer Stunde.

Als Tom aufwachte, war Sid bereits angezogen und fort. Das Licht draußen erschien Tom so spät wie auch die Luft. Er stutzte. Warum hat man ihn nicht gerufen — da er doch um diese Zeit stets schon auf war? Der Gedanke fiel ihm schwer aufs Herz.

In fünf Minuten war er angekleidet und die Treppe hinunter, übel gelaunt und schläfrig. Die Familie saß noch um den Tisch, hatte aber bereits gefrühstückt.

Kein Tadel, aber abgewandte Gesichter. Tiefes Stillschweigen und ein Hauch von Trauer; schwer lasteten sie auf des Sünders Haupt. Er setzte sich und tat ganz lustig, aber es war sehr schwer. Er bekam kein Lächeln, keine Antwort und versank in Stillschweigen, und sein Herz versank in die tiefste Tiefe.

Nach dem Frühstück nahm ihn seine Tante auf die Seite, und Tom atmete ordentlich auf, in der Hoffnung, daß er jetzt werde geprügelt werden; aber es sollte anders kommen. Seine Tante vergoß Tränen über ihn und fragte ihn, wie er hingehen und ihr armes Herz brechen könne. Und schließlich sagte sie, er solle nur sich selbst ruinieren und ihre grauen Haare mit Kummer in die Grube fahren lassen, denn sie habe den Mut in bezug auf ihn nun verloren.

Dies war schlimmer als tausend Prügel, und Toms Herz wurde noch schwerer, als es heute morgen gewesen. Er heulte, er bat um Verzeihung, versprach Besserung wieder und immer wieder, und er erhielt schließlich seine Entlassung mit dem Gefühl, nur halbe Verzeihung und schwaches Vertrauen gefunden zu haben.

Er empfand die Gegenwart gar zu trübselig, um ein Rachegefühl gegen Sid aufkommen zu lassen. So war des letzteren eiliger Rückzug durch die Hintertür überflüssig. Er schlich in düsterster Gemütsverfassung zur Schule und empfing dort seine Prügel wegen des Schwänzens mit Joe Harper am vorigen Tage mit der Miene eines, dessen Herz von schweren Kümmernissen belastet und ganz unempfindlich für Kleinigkeiten ist. Dann verzog er sich auf seinen Platz, stützte die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn auf die Hände und starrte auf die Wand mit dem starren Gesichtsausdruck des Leidens, das den höchsten Punkt erreicht hat und nun nicht mehr gesteigert werden kann. Sein Ellbogen drückte auf einen harten Gegenstand. Nach langer Zeit änderte er schläfrig und gleichgültig seine Stellung und nahm den Gegenstand in Augenschein. Er war in Papier gewickelt. Er rollte das Papier auf. Ein langer, starrer, verschleierter Blick — und sein Herz brach! Es war der wundervolle abgebrochene Knopf von gestern! Dieser letzte Tropfen machte das Gefäß überlaufen.

Learn languages from TV shows, movies, news, articles and more! Try LingQ for FREE

Die Abenteuer Tom Sawyers (9)(10) The Adventures of Tom Sawyer (9)(10) Las aventuras de Tom Sawyer (9)(10) ماجراهای تام سایر (9) (10) トム・ソーヤーの冒険 (9)(10) 톰 소여의 모험 (9)(10) De avonturen van Tom Sawyer (9)(10) As Aventuras de Tom Sawyer (9)(10) Приключения Тома Сойера (9)(10) Tom Sawyer'ın Maceraları (9)(10) Пригоди Тома Сойєра (9)(10)

Neuntes Kapitel. Chapter Nine. Um halb neun wurden Tom und Sid, wie gewöhnlich, zu Bett geschickt. At half past eight Tom and Sid were sent to bed, as usual. Sekiz buçukta Tom ve Sid her zamanki gibi yatağa gönderildi. Sie sprachen ihre Gebete, und Sid war bald eingeschlafen. They said their prayers, and Sid was soon asleep. Tom lag wach und wartete in peinvoller Ungeduld. Tom lay awake waiting in agonized impatience. Als es ihm schien, daß es bald wieder Tag werden müsse, hörte er es zehn Uhr schlagen. When it seemed to him that it must soon be day again, he heard it strike ten o'clock. Das war zum Verzweifeln. That was exasperating. Er hätte um sich schlagen mögen, wie es seine Nerven verlangten, aber er fürchtete, Sid aufzuwecken. He might have been beating his nerves, but he was afraid to wake Sid. So lag er still und starrte in die Dunkelheit. So he lay still and stared into the darkness. Es war so schrecklich still! It was so terribly quiet! Allmählich begannen aus der Stille heraus kleine, geheimnisvolle, kaum hörbare Stimmen sich bemerkbar zu machen. Gradually, out of the silence, small, mysterious, barely audible voices began to make themselves heard.

Zuerst vernahm er nur das Ticken der Uhr. At first he only heard the ticking of the clock. Dann begannen morsche Balken geheimnisvoll zu brechen. Then rotten beams mysteriously began to crack. Auch im Fußboden regte es sich. It was also stirring in the floor. Es war kein Zweifel, daß Geister ihr Wesen trieben. There was no doubt that ghosts were doing their thing. Ein dumpfer, sich regelmäßig wiederholender Ton drang aus Tante Pollys Schlafzimmer herauf. A dull, repetitive sound came up from Aunt Polly's bedroom. Und jetzt begann das eintönige Zirpen einer Grille, das keine menschliche Macht zum Schweigen zu bringen vermag. And now began the monotonous chirping of a cricket that no human power can silence. Dann wieder ließ das unheimliche Klopfen des Totenkäfers in einem Balken über seinem Kopf Tom erschauern — gewiß waren irgend jemandes Tage gezählt. Then again the eerie tapping of the death bug in a beam above his head made Tom shiver—certainly someone's days were numbered. Jetzt erfüllte das langgezogene Heulen eines Hundes die nächtliche Stille und wurde sofort durch ein noch entfernteres Heulen beantwortet. Now the long-drawn-out howl of a dog filled the night stillness, and was immediately answered by an even more distant howl. Tom lag halb betäubt. Tom lay half stunned. Er glaubte, alle Zeit habe aufgehört und die Ewigkeit beginne. |glaubte|||||||Ewigkeit| He believed all time had ceased and eternity was beginning. Trotz aller Anstrengung schlief er ein. Despite all his efforts, he fell asleep. Die Uhr schlug elf, aber er hörte nichts mehr. The clock struck eleven, but he heard nothing more. Und dann mischte sich in seine halbbewußten Träume ein höchst melancholisches Katzengeheul. And then a most melancholy howl of a cat mingled with his half-conscious dreams. Das Aufreißen eines benachbarten Fensters schreckte ihn in die Höhe. The bursting of a neighboring window startled him to his feet. Der wütende Ruf: „Hol der Teufel die verfluchte Katze!“ und der Anprall einer leeren Flasche gegen die Rückwand von Tante Pollys Holzschuppen ermunterten ihn vollends; eine Minute später war er völlig angekleidet, stieg aus dem Fenster und noch auf allen Vieren am Dach eines kleinen Anbaues entlang. The angry cry of "Damn that cursed cat!" and the thump of an empty bottle against the back of Aunt Polly's woodshed gave him full encouragement; a minute later he was fully dressed, climbing out of the window and still on all fours along the roof of a small annex. Während dieses Spazierganges miaute er ein- oder zweimal halblaut, dann kletterte er auf das Dach des Holzschuppens und sprang von dort zur Erde. During this walk he meowed once or twice under his breath, then climbed onto the roof of the woodshed and from there jumped to the ground. Huckleberry Finn war da mit seiner toten Katze. Huckleberry Finn was there with his dead cat. Die Jungen machten sich davon und verschwanden in der Dunkelheit. The boys made off and disappeared into the darkness. Eine halbe Stunde später wateten sie durch das nasse Gras des Kirchhofes. Half an hour later they were wading through the wet grass of the churchyard.

Es war ein Kirchhof in der althergebrachten Art des Westens. It was a churchyard in the time-honored manner of the West. Er lag auf einem Hügel, über ein und eine halbe Meile vom Dorfe entfernt. It was on a hill, over a mile and a half from the village. Umgeben war er von einem halb morschen alten Zaun, der sich bald nach innen, bald nach außen lehnte und doch sich immer noch aufrecht erhielt. He was surrounded by a half-rotten old fence that leaned in and out, but still held up. Gras und Unkraut überwucherten den ganzen Gottesacker. Grass and weeds overgrown the entire churchyard. Die meisten der älteren Gräber waren längst eingesunken. Most of the older graves had long since sunk. Nicht ein einziger Grabstein war zu sehen. Not a single gravestone was to be seen. Roh geschnitzte, wurmstichige Holzkreuze steckten auf den Hügeln, einen Anhalt suchend und keinen findend. Roughly carved, worm-eaten wooden crosses stuck on the hills, seeking a hold and finding none. „Zum ewigen Gedächtnis“, das und ähnliches war auf einige gemalt, aber man konnte es meistens nicht mehr lesen — auch nicht bei hellem Tageslicht. "To the eternal memory," that and the like was painted on some, but you mostly couldn't read it anymore - even in bright daylight. Ein leichter Wind säuselte in den Bäumen, und Tom argwöhnte, daß es Stimmen von Toten sein könnten, die sich über die Störung ihrer Ruhe beklagten. A light wind whispered in the trees, and Tom suspected it might be the voices of the dead, complaining that their rest had been disturbed.

Nur leise, mit verhaltenem Atem, wagten die beiden zu sprechen, Zeit und Stunde und die trostlose Schwermut und Verlassenheit ihrer Umgebung bedrückten ihren Geist. Only softly, with bated breath, did the two dare to speak, time and hour and the desolate melancholy and loneliness of their surroundings oppressed their spirit. Sie fanden das neugeschaufelte Grab, das sie suchten, und stellten sich in den Schutz und Schatten dreier mächtiger Ulmen, welche, ein paar Schritte vom Grabe entfernt, sich dicht aneinander drängten. They found the newly dug grave they sought, and placed themselves under the shelter and shade of three mighty elms, which huddled close together a few paces from the grave.

Dann warteten sie lange schweigend auf das, was da kommen sollte. Then they waited in silence for a long time for what was to come. Das Husten einer entfernten Eule war der einzige Ton, der die tiefe Stille zuweilen unterbrach. |||||||einzige||||tiefen||| The cough of a distant owl was the only sound that occasionally interrupted the deep silence. Toms Beklemmung wuchs. Tom's trepidation grew. Er mußte durchaus sprechen. He certainly had to speak. So sagte er mit flüsternder Stimme: „Hucky, glaubst du, daß die Toten es leiden werden, daß wir hier sind?“ So he said in a whispering voice, "Hucky, do you think the dead will suffer us being here?"

Huckleberry gab flüsternd zurück: „Ich wollte, ich wüßte es. |||||wünschte||| Huckleberry returned in a whisper, "I wish I knew. ‘s ist schrecklich traurig hier, nicht?“ 'Tis awfully sad here, isn't it?"

„Ich glaub‘ wohl!“ "I guess!"

Während der nächsten Minuten schwiegen beide, die Frage innerlich weiter verarbeitend. For the next few minutes, both of them were silent, mentally processing the question further. Dann wisperte Tom wieder: „Sag, Hucky — meinst du, daß Hoss Williams uns sprechen hört?“ Then Tom whispered again, "Tell me, Hucky - do you think Hoss Williams can hear us talking?"

„O, sicher, wenigstens sein Geist.“ "O, sure, at least his mind."

Nach einer Pause Tom wieder: „Hätt‘ ich doch nur Herr Williams gesagt! After a pause Tom again: "If only I had said Mr. Williams! Aber ich hab‘s ja nie anders gehört. But I've never heard it any other way. Alle nennen ihn einfach Hoss.“ Everyone just calls him Hoss."

„Ja. Tom, man kann gar nicht vorsichtig genug sein in dem, was man über die Leute da unten sagt.“ Tom, you can't be too careful in what you say about the people down there."

Dies war ungemütlich, und die Unterhaltung erstarb wieder. This was uncomfortable, and the conversation died down again. Plötzlich packte Tom seinen Kameraden am Arm und raunte: „Pscht!“ Suddenly Tom grabbed his comrade's arm and whispered: "Pscht!"

„Was denn, Tom?“ Und die beiden drängten sich klopfenden Herzens aneinander. "What is it, Tom?" And the two pressed together, heart pounding.

„Pscht! Da ist‘s wieder! There it is again! Hast du denn nichts gehört?“ Haven't you heard anything?"

„Ich —“ "I -"

„Da! "There! Nun hörst du‘s doch!“ Now you hear it!"

„Herr Gott, Tom, sie kommen! "Lordy, Tom, they're coming! Sie kommen ganz bestimmt! They are coming for sure! Was tust du?“ What are you doing?"

„Ich? Nichts! Meinst du, daß sie uns sehen werden?“ Do you think they will see us?"

„O, Tom, die sehen in der Dunkelheit wie die Katzen. "O, Tom, they see in the dark like cats. — Ich wollte nur, ich wär‘ nicht hergekommen!“ - I just wish I hadn't come here!"

„Ach was, fürchte dich nicht! "Oh no, don't be afraid! Ich glaub‘ nicht, daß sie uns was tun! |||||||do I don't think they'll hurt us! Wir haben ja nichts Schlechtes getan. After all, we have done nothing wrong. Wenn wir ganz still sind, werden sie uns vielleicht gar nicht bemerken!“ If we are very quiet, they may not even notice us!"

„Ich will‘s versuchen, Tom, aber, Herr Gott, ich bin halb tot vor Angst!“ "I'll try, Tom, but, Lordy, I'm half dead with fear!"

„Still!“ "Hush!"

Sie steckten die Köpfe zusammen und wagten kaum zu atmen. They put their heads together and hardly dared to breathe. Dumpfes Stimmengewirr wurde vom anderen Ende des Kirchhofes hörbar. Muffled voices could be heard from the other end of the churchyard.

„Sieh, sieh doch!“ flüsterte Tom. "Look, look!" whispered Tom. „Was ist das?“

„‘s ist Teufelsspuk! "It's devil's spook! Ach, Tom, wie schrecklich!“ Oh, Tom, how awful!"

Ein paar unbestimmte Figuren tauchten aus der Dunkelheit auf, eine altertümliche Blendlaterne mit sich führend, welche die Umgebung mit zahllosen Lichtstreifen erhellte. A few unidentified figures emerged from the darkness, carrying an ancient blind lantern that illuminated the surroundings with countless streaks of light. Schaudernd flüsterte Huckleberry: „Ganz gewiß, es sind Teufel! Huckleberry shuddered and whispered, "Certainly they are devils! Drei auf einmal! Three at once! Gott, Gott, Tom, wir sind verloren! Weißt du kein Gebet?“ Don't you know a prayer?"

„Ich will‘s versuchen, aber sei doch nicht so bange! "I will try, but don't be so anxious! Sie werden uns ja nicht erwischen. After all, they won't catch us. Müde bin ich, geh zur Ruh —“ Tired I am, go to rest -"

„Pscht!“

„Was gibt‘s Huck?“

„Das sind ja Menschen! "They're people! Einer wenigstens! One at least! Die eine Stimme gehört dem alten Muff Potter!“ That one voice belongs to old Muff Potter!"

„Ist das gewiß?“ "Is that certain?"

„Wenn ich dir‘s doch sage! "If only I told you! Nur ganz still! Just very quiet! Er wird uns schwerlich bemerken! He will hardly notice us! Besoffen, wie gewöhnlich — erbärmlicher, alter Trunkenbold!“ Drunk, as usual - miserable old drunkard!"

„‘s ist schon gut, ich bin ja ganz still! "'Tis all right, I'll be quiet! — Jetzt bleiben sie stehen — sie können‘s nicht finden — jetzt kommen sie wieder näher — heiß — kalt — wieder heiß — riesig heiß! - Now they stop - they can't find it - now they come closer again - hot - cold - hot again - huge hot! Da — da sind sie jetzt ganz in der Nähe! There - there they are close by now! — Du, Huck, ich kenne die zweite Stimme — ‘s ist die von Indianer-Joe.“ - You, Huck, I know that second voice - 'tis Indian Joe's."

„‘s ist richtig! "'s right! Diese mörderische Bestie! Ich wollt‘ fast lieber, es wären Teufel! I almost wish they were devils! Was sie wohl vorhaben?“ I wonder what they're up to."

Mit dem Tuscheln war‘s jetzt aus; die drei waren beim Grab angelangt und standen kaum ein paar Fuß vom Versteck der beiden Abenteurer. The whispering was over now; the three had reached the grave and were standing barely a few feet from where the two adventurers were hiding.

„Hier ist es,“ sagte die dritte Stimme, worauf einer der anderen die Laterne in die Höhe hielt — sie beleuchtete des jungen Dr. Robinson Gesicht. "Here it is," said the third voice, whereupon one of the others held up the lantern—it illuminated young Dr. Robinson face. Potter und Indianer-Joe hatten einen Schubkarren mit einem Strick und ein paar Schaufeln mitgebracht. Potter and Indian Joe had brought a wheelbarrow with a rope and a couple of shovels. Sie setzten ihre Last nieder und begannen, das Grab zu öffnen. They set down their burden and began to open the tomb. Der Doktor setzte die Laterne auf das Kopfende des Grabes und setzte sich mit dem Rücken gegen eine der Ulmen nieder. The doctor placed the lantern on the head of the grave and sat down with his back against one of the elms. Er war so nahe, daß die beiden Burschen ihn hätten berühren können. He was so close that the two boys could have touched him.

„Hurtig, Leute,“ sagte er leise. "Hurry, people," he said softly. „Der Mond wird gleich herauskommen!“ "The moon is about to come out!"

Sie grunzten was als Antwort und gruben weiter. They grunted something in response and continued digging. Einige Zeit war nichts zu hören als der dumpfe Ton der Schaufeln, die ihre Ladung von Erde und Steinen abluden. For a time nothing was heard but the dull thump of shovels unloading their load of earth and stones. Es klang sehr eintönig. It sounded very monotonous. Endlich stieß eine Schaufel krachend auf den Sargdeckel — zwei Minuten später hatten die Männer den Sarg herausgeschoben und niedergesetzt. Finally a shovel came with a bang on the coffin lid—two minutes later the men had pushed out the coffin and set it down.

Darauf brachen sie mit ihren Schaufeln den Deckel auf, zogen die Leiche heraus und warfen sie brutal auf die Erde. They then broke open the lid with their shovels, pulled out the body and threw it brutally to the ground. Der Mond trat in diesem Augenblick hinter den Wolken hervor und beleuchtete grell die scheußliche Szene. The moon emerged from behind the clouds at that moment, brightly illuminating the hideous scene. Der Schubkarren wurde herbeigeholt, der Körper daraufgelegt, mit einer Decke eingehüllt und mit Stricken festgebunden. The wheelbarrow was fetched, the body laid on it, wrapped in a blanket and tied with ropes. Potter zog ein großes Messer hervor, schnitt das überhängende Stück des Strickes ab und sagte: „So, das wär getan, Beinsäger, jetzt noch ‘nen Fünfer ‘raus, oder das da bleibt stehen.“ Potter pulled out a large knife, cut off the overhanging piece of rope and said, "Well, that's done, sawy-bones, now get another fiver, or that'll stay."

„‘s ist ganz richtig,“ stimmte der Indianer-Joe bei. "'Tis quite true," agreed the Indian Joe.

„Seht mal! "Look! Was soll das heißen?“ fragte der Doktor. What do you mean?" asked the doctor. „Ihr habt euer Geld im voraus verlangt, und ich hab‘s euch gegeben.“ "You asked for your money up front, and I gave it to you."

„Ja — und ‘s ist das letzte Mal gewesen,“ schrie der Indianer-Joe, sich dem Doktor nähernd, der rasch aufgestanden war. "Yes—and it's been the last time," cried Indian Joe, approaching the doctor, who had gotten up quickly. „Vor fünf Jahren hast du mich vom Hause deines Vaters bei Nacht und Nebel vertrieben, als ich um was zu essen bat, und hast gesagt, ich hätt‘ wohl was anderes vorgehabt; und als ich schwor, wir würden noch mit ‘nander abrechnen, und wär‘s erst in hundert Jahren, hat mich dein Vater als Landstreicher eingesperrt. 'Five years ago you drove me from your father's house in the dark when I asked for something to eat and said I had other plans; and when I swore we'd settle accounts with each other for a hundred years, your father locked me up as a vagrant. Dachtest du, ich hätt‘s vergessen? Did you think I forgot? Ich hab‘ nicht umsonst Indianerblut! I don't have Indian blood for nothing! Und jetzt will ich‘s dir geben, und du wirst zum stillen Mann gemacht!“ And now I will give it to you, and you will be made a quiet man!"

Bis jetzt hatte er dem Doktor mit der Faust unter der Nase herumgefuchtelt. Until now he had been waving his fist under the doctor's nose. Plötzlich holte dieser aus und streckte den Raufbold zu Boden. Suddenly, he lashed out and knocked the bully to the ground. Potter warf sein Messer zu Boden, und mit den Worten: „Halt einmal, du sollst meinen Freund nicht hauen!“ stürzte er sich auf den Doktor, und im nächsten Augenblick lagen beide wütend ringend, und Gras und Erde mit den Füßen zerstampfend, auf dem Grab. Potter threw his knife to the ground and, saying, "Hold on, don't hit my friend!" he lunged at the Doctor, and in a moment they were both on their feet wrestling angrily, trampling grass and earth with their feet the grave. Der Indianer-Joe war gleich wieder auf den Beinen, seine Augen glühten unheimlich, er ergriff Potters Messer und umkreiste katzengleich die Kämpfenden, auf eine Gelegenheit lauernd. Indian Joe was on his feet in a moment, his eyes glowing eerily, he grabbed Potter's knife and cat-like circled the combatants, waiting for an opportunity. Aber auf einmal gelang es dem Doktor, sich freizumachen, er ergriff den schweren Sargdeckel und schlug Potter damit zu Boden — ebenso rasch hatte Joe seinen Vorteil wahrgenommen und stieß das Messer bis ans Heft in des jungen Mannes Brust. But suddenly the doctor managed to free himself, he grabbed the heavy coffin lid and knocked Potter to the ground with it - just as quickly Joe had realized his advantage and thrust the knife all the way into the young man's chest. Der Doktor stieß einen Schrei aus und fiel auf Potter, ihn mit seinem Blute färbend; und im selben Moment verhüllten die Wolken das schreckliche Schauspiel, während die beiden zu Tode erschrockenen Burschen Hals über Kopf in der Dunkelheit verschwanden. The Doctor let out a cry and fell on Potter, staining him with his blood; and at the same moment the clouds veiled the horrible spectacle, while the two terrified lads disappeared headlong into the darkness.

Sobald der Mond wieder hervorkam, stand Joe über den beiden regungslos Liegenden und betrachtete sie. As soon as the moon came out again, Joe stood over the two lying motionless and watched them. Der Doktor murmelte etwas Unverständliches, tat einen langen Seufzer — und war still. The doctor mumbled something unintelligible, gave a long sigh - and was silent.

„Beim Satan — der Stich sitzt,“ brummte Joe und begann die Leiche zu berauben, worauf er das verräterische Messer in Potters offene Hand steckte und sich auf den geöffneten Sarg setzte. "By Satan - the bite is sitting," Joe grumbled and began robbing the body, whereupon he tucked the telltale knife into Potter's open hand and sat down on the open coffin. Drei — vier — fünf Minuten verflossen, und dann begann Potter sich zu bewegen und zu stöhnen. Three - four - five minutes passed, and then Potter began to move and moan. Seine Hand schloß sich um das Messer, er hob es auf, blickte darauf und ließ es schaudernd fallen. His hand closed around the knife, he picked it up, looked at it and dropped it shuddering. Dann richtete er sich auf, schob die Leiche von sich und starrte verwirrt um sich. Then he straightened up, pushed the body away from him and stared around in confusion. Joe anzusehen, vermied er. Looking at Joe, he avoided.

„Herr Gott, Joe, wie war das?“ sagte er mit zitternder Stimme. "Lordy, Joe, how was that?" he said in a trembling voice.

„‘s ist ‘ne faule Geschichte,“ entgegnete Joe grob. "'Tis a rotten story," Joe replied roughly. „Wozu tatst du‘s?“ "What did you do it for?"

„Ich! Ich hab‘s nicht getan!“ I didn't!"

„Sieh mal! Na — mit solchem Geschwätz kommst du nicht los!“ Well - you can't get away with that kind of talk!"

Potter zitterte und wurde aschfahl. Potter trembled and went ashen.

„Ich hatte mir doch vorgenommen, nüchtern zu bleiben! "I told myself I was going to stay sober! Warum mußte ich auch nachts trinken. Why did I have to drink at night too. — Hab‘s ja noch im Kopf — mehr, als wie wir kamen. - Still have it in my head - more than how we came. — Immer betrunken — völlig — auf gar nichts kann ich mich besinnen! - Always drunk - completely - I can't think of anything! Sag, Joe, ehrlich, alter Bursche — hab ich‘s getan?! Tell me, Joe, honestly, old chap - did I do it?! Ich wollt‘s nicht tun — auf Ehr und Seligkeit, Joe, ich wollt‘s nicht tun! I didn't want to do it - to honor and bliss, Joe, I didn't want to do it! O, ‘s ist schrecklich — und er war so jung und hoffnungsvoll —“ O, 'tis terrible - and he was so young and hopeful -"

„Na, ihr habt halt gerauft, und er gab dir eins rüber mit dem Sargdeckel, und du fielst hin. "Well, you two were fighting and he hit you with the coffin lid and you fell. — Und dann kamst du wieder auf, wanktest und konntest dich kaum auf den Füßen halten, hobst das Messer auf — na, und stießest es ihm in den Leib, grad, wie er dir noch ‘nen tüchtigen Schlag geben wollte, und dann hast du hier wie ‘n toter Klotz gelegen bis jetzt.“ - And then you got up again, staggered and could hardly keep yourself on your feet, picked up the knife - well, and thrust it into his body, just as he was about to give you another good blow, and then you have lying here like a dead log until now."

„O — ich wußte ja nicht mehr, was ich tat. "O - I didn't know what I was doing anymore. ‘s kam wohl alles vom Branntwein und von der Wut — schätz‘ ich. It all came from the brandy and the rage, I guess. Ich hab‘ nie vorher in meinem Leben so was getan, Joe! I've never done anything like this before in my life, Joe! ‘s können‘s mir alle bezeugen. Everyone can testify to that. Geprügelt — ja, aber gestochen niemals, Joe. Beaten - yes, but never stabbed, Joe. Joe, sag‘s niemand! Joe, don't tell anyone! Sag mir, Joe, daß du‘s niemand sagen willst! Tell me, Joe, that you don't want to tell anyone! Sei ‘n guter Bursche! Be a good boy! Joe! Ich hab‘ dich immer gern gehabt, Joe, und hab‘ deine Partei genommen. I always liked you, Joe, and took your party. Weißt du nicht, Joe? Joe, du sagst es nicht, Joe, nicht? Joe, you don't say, Joe, do you? !“ Und der arme Kerl fiel auf die Knie vor den kaltherzigen Mörder und hob beschwörend die Hände. !” And the poor fellow fell on his knees in front of the cold-hearted murderer and raised his hands imploringly.

„Na, du bist immer treu und brav zu mir gewesen, Muff Potter, und ich werd‘ dich nicht verraten. "Well, you've always been faithful and good to me, Muff Potter, and I won't betray you. — Das ist doch wie ‘n Kerl gesprochen, he?“ - That's spoken like a dude, huh?"

„O, Joe, ja, du bist ein Engel, Joe. Ich will dich segnen, so lang ich leb‘!“ Und Potter begann zu weinen. I will bless you as long as I live!" And Potter began to cry.

„Na, komm, ‘s ist jetzt genug davon. "Come on, 'tis enough of that now. ‘s ist ‘ne verdammt schlechte Zeit zum Heulen. It's a hell of a time to be crying. Mach, daß du in der Richtung fortkommst, und ich will hierhin gehen. Make you go in that direction and I will go here. Vorwärts, mach fort — und laß nichts liegen, zum Teufel!“ Go ahead, go ahead - and don't leave anything behind, for crying out loud!"

Potter setzte sich in Trab, woraus bald regelrechter Galopp wurde. Potter started to trot, which soon became a full gallop. Joe schaute ihm nach, brummend: „Wenn er so betäubt von dem Prügeln und voll von Schnaps ist, wie er aussieht, so wird er an das Messer erst denken, wenn er so weit fort ist, daß er‘s nicht wagt, an so ‘nen Ort zurückzukommen — Hasenfuß!“ Joe looked after him, grumbling, "If he's as stunned from the beating and full of booze as he looks, he won't think of the knife until he's so far gone he won't dare come back to a place like that - rabbit's foot!"

Zwei oder drei Minuten später sah nur noch der Mond den Ermordeten, den eingebundenen Körper des Toten, den aufgebrochenen Sarg und das leere Grab. Two or three minutes later only the moon saw the murdered man, the dead man's bound body, the broken coffin and the empty tomb. Tiefe Stille herrschte wieder wie vorher. Deep silence reigned again as before.

Zehntes Kapitel. Tenth chapter. Die beiden Burschen liefen dem Dorfe zu, sprachlos vor Schreck. The two boys ran toward the village, speechless with fright. Von Zeit zu Zeit blickten sie ängstlich über die Schulter zurück, als fürchteten sie sich vor Verfolgern. From time to time they looked back anxiously over their shoulder, as if afraid of pursuers. Jeder Baumstumpf, der an ihrem Wege aus der Dunkelheit auftauchte, schien ihnen ein Mann und ein Feind, und ließ sie bis ins Mark erzittern. Every tree stump that emerged from the darkness along their path seemed to them a man and an enemy, and made them tremble to the core. Und als sie bei einigen außerhalb des Dorfes gelegenen Niederlassungen vorbeikamen, schien ihnen das Bellen der erwachten Hunde Flügel zu verleihen. And when they passed by some branches located outside the village, the barking of the awakened dogs seemed to give them wings.

„Wenn wir — nur bis zu der alten Gerberei — kommen — bevor wir — zusammenbrechen —“ stieß Tom abgerissen zwischen mühsamem Atemholen hervor. "If we—just get as far as the old tannery—before we—collapse—" Tom gasped, caught between labored breaths.

„Ich — ich kann — nicht mehr — länger!“

Huckleberrys pochendes Herz war seine ganze Antwort; beide hefteten ihre Augen fest auf das Ziel ihrer Hoffnung und machten die äußersten Anstrengungen, es zu erreichen. Huckleberry's pounding heart was his whole answer; both fixed their eyes firmly on the goal of their hope, and made the utmost efforts to attain it. Sie kamen ihm immer näher, und schließlich Brust an Brust, fielen sie förmlich durch die offene Tür — dankbar und atemlos, in den schützenden Schatten. They came closer and closer to him, and finally, chest to chest, they literally fell through the open door - grateful and breathless, into the protective shade. Allmählich beruhigten sich ihre Pulse, und Tom flüsterte: Gradually their pulses settled, and Tom whispered:

„Du, Huckleberry, was meinst du, wird von all dem kommen?“ "You, Huckleberry, what do you think will come of all this?"

„Na, ich denke, wenn Dr. Robinson stirbt, wird Gehenktwerden davon kommen.“ "Well, I think if Dr. Robinson dies, hanging will come of it.”

„Meinst du?“

„Nicht meine, ich weiß, Tom!“ "Not mine, I know, Tom!"

Tom dachte ‘ne Weile nach, dann sagte er: „Wer wird‘s denn verraten? Tom thought for a while, then he said, "Who's going to tell? Wir?“

„Was fällt dir ein? "What do you think you're doing? Angenommen, ‘s käm‘ was dazwischen und Indianer-Joe müßt nicht hängen, wird er uns früher oder später so gewiß töten, daß wir grad so gut schon jetzt hier liegen könnten!“ Assuming something comes up and Indian Joe doesn't have to hang, sooner or later he'll kill us so surely we might as well be lying here right now!'

„Huck, das hab‘ ich mir auch gedacht.“ "Huck, that's what I thought."

„Wenn‘s jemand sagen soll, mag‘s doch Muff Potter tun, wenn er dumm genug ist. "If anyone's going to say it, Muff Potter might, if he's dumb enough. Der ist ohnehin immer betrunken genug!“ He's always drunk enough anyway!"

Tom sagte nichts — er brütete über etwas. Tom said nothing - he was brooding over something. Plötzlich wisperte er: „Huck, Muff Potter weiß es nicht. Suddenly he whispered, "Huck, Muff Potter doesn't know. Wie kann er‘s sagen?“ How can he say it?"

„Warum sollt er‘s nicht wissen?“ "Why shouldn't he know?"

„Weil er grad den ekligen Klaps bekommen hatte, als es Joe tat. "Because he just got the nasty slap when Joe did it. Meinst du, da hätt‘ er‘s sehen können? Do you think he could have seen it then? Meinst du wirklich, er könnt‘s wissen?“ Do you really think he could know?"

„Beim Henker, ‘s ist so, Tom!“ "By heck, 'tis so, Tom!"

„Und dann — weißt du — sollt‘ ihm nicht der Hieb den Rest gegeben haben?“ "And then - you know - shouldn't the blow have done him in?"

„Kaum glaublich, Tom! "Hard to believe, Tom! Er hatte Schnaps in sich. He had liquor in him. Ich konnt‘s sehen; übrigens hat er das immer. I could see it; by the way, he always has. Wenn mein Alter voll ist, kannst du ihn nehmen und ihn mit ‘nem Kirchturm überhauen — er spürt‘s nicht. When my old man is full you can take him and hit him with a steeple - he won't feel it. Er sagt‘s auch selbst. He says it himself. Grad so ist‘s heut mit Muff Potter. That's exactly how it is today with Muff Potter. Aber wenn einer klar im Kopf ist, schätz‘ ich, daß so ‘n Klaps genug für ihn sein möchte.“ But if one is clear-headed, I guess that such 'a slap' would like to be enough for him."

Nach abermaligem nachdenklichem Schweigen fuhr Tom abermals fort: After another thoughtful silence, Tom continued again:

„Huck, bist du sicher, daß du den Mund halten kannst?“ "Huck, are you sure you can keep your mouth shut?"

„Tom, wir müssen den Mund halten! "Tom, we need to shut up! Du weißt doch! You know! Dieser Indianer-Teufel würde nicht mehr Umstände machen, uns abzuschneiden, wie mit ‘nen paar Katzen, wenn wir so dumm wären, zu plappern, und sie henkten ihn nicht. That Indian devil wouldn't bother cutting us off like he would a bunch of cats if we were stupid enough to babble and they didn't hang him. Nun, Tom, komm mal her, laß uns einander schwören — das müssen wir, Tom! Well, Tom, come over here, let's swear to each other - we have to, Tom! — schwören, den Mund zu halten!“ - swear to keep your mouth shut!"

„Mir recht, Huck. "Fine with me, Huck. ‘s wird wohl das beste sein. 't will probably be the best. Wollen wir also die Hand hochhalten und schwören, daß wir —“ Shall we then hold up our hands and swear that we will -"

„Halt mal, so geht‘s nicht! "Hold it, that's not the way to do it! Das ist gut genug für kleine, alltägliche Dinge, zum Beispiel bei Mädchen, wenn die einem überall nachlaufen, und wenn sie — hm — wenn man sich verrannt hat, mein‘ ich — aber so was geht bei so ‘ner häßlichen Geschichte nicht — da muß was Schriftliches sein — und Blut!“ That's good enough for little, everyday things, for instance, with girls, when they run after you everywhere, and when they - hmm - when you're lost, I mean - but you can't do that with an ugly story like that - there's got to be something in writing - and blood!"

Tom stimmte von ganzem Herzen zu. Tom agreed wholeheartedly. Die Idee war tief — und dunkel — und schrecklich; die Stunde, die Umstände, die Umgebung — alles wirkte zusammen. The idea was deep - and dark - and terrible; the hour, the circumstances, the environment - all worked together. Er nahm eine glänzend geschliffene Schindel auf, die im Mondlicht lag, zog ein Stückchen Rotstift aus der Tasche, ließ das Mondlicht sein Werk bescheinen, und kritzelte mühsam, jeden schwerfälligen Grundstrich hervorhebend, indem er die Zunge zwischen die Zähne klemmte und sie bei den Haarstrichen wieder freiließ, folgende Zeilen: „Huck Finn und Tom Sawyer schwöhren, Sie wolen über dies den Mund Halten und sie wünschen, dahs Sie Tot niederfallen auff ihren Wech, wenn sie jemalls plautern oter schreiben.“ He picked up a polished shingle that lay in the moonlight, drew a scrap of redpencil from his pocket, let the moonlight shine on his work, and doodled laboriously, emphasizing every clumsy basic line, tucking his tongue between his teeth and holding it by the hairline "Huck Finn and Tom Sawyer swear they'll shut up about this and they'll drop dead on their way if they ever babble or write."

Huckleberry war ganz erfüllt von Toms Fähigkeit im Schreiben und seinem glanzvollen Stil. Huckleberry was quite filled with Tom's skill in writing and his glamorous style. Er war im Begriff, mit einem Nagel sich das Fleisch zu ritzen, als Tom einfiel: „Halt, nicht so. He was about to carve his flesh with a nail when Tom interjected, "Stop, not like that. Nagel ist Eisen. Nail is iron. Der könnte Grünspan haben.“ It might have verdigris."

„Grünspan — was ist das?“

„‘s ist Gift, das ist es! "'Tis poison, that's what it is! Du würdest sofort davon aufgeschwellt werden — sollst du sehen!“ Darauf nahm Tom eine Nadel, und beide ritzten sich den Ballen des Daumens und drückten einen Blutstropfen heraus. You'd be swollen with it in a moment—you shall see!' At that Tom took a needle and they both cut the ball of their thumb and squeezed out a drop of blood. Schließlich, nach vielem Quetschen machte sich Tom daran, seine Anfangsbuchstaben zu malen, indem er den kleinen Finger als Feder benutzte. Finally, after much squeezing, Tom set about drawing his initial letters, using his little finger as a quill. Dann zeigte er Huckleberry, wie er ein H und ein F zu machen habe — und dann war der Eid bekräftigt. Then he showed Huckleberry how to make an H and an F - and then the oath was affirmed.

Sie vergruben die Schindel, häuften unter allerhand Zeremonien und Zauberformeln einen Hügel darüber, und die ihre Zungen bindenden Fesseln waren geschmiedet und der Schlüssel dazu lag in der Erde. They buried the shingle, heaped a mound over it, amid all sorts of ceremonies and incantations, and the chains binding their tongues were forged, and the key to it lay in the earth.

Eine menschliche Figur schlüpfte vorsichtig durch eine Lücke am anderen Ende des verfallenen Gebäudes, aber sie merkten es nicht. A human figure carefully slipped through a gap at the far end of the derelict building, but they didn't notice.

„Tom,“ wisperte Huckleberry, „sichert uns das davor, zu schwatzen — für immer?“ "Tom," whispered Huckleberry, "does this secure us from chattering - forever?"

„Aber, natürlich tut‘s das! "But, of course it does! Mag jetzt geschehen, was will — wir müssen schweigen. Now, whatever happens, we must remain silent. Wir wollen tot niederfallen — weißt du‘s denn nicht?“ We want to fall down dead - don't you know?"

„Ja, ich rechne, ‘s ist an dem.“ "Yes, I reckon, 'tis on that."

Sie tuschelten noch ‘ne Weile fort. They whispered on for a while. Plötzlich schlug ein Hund mit langem, kläglichem Ton an, gerade jenseits der Stelle der Mauer, wo sie saßen — keine zehn Schritt davon. Suddenly a dog barked, with a long, pitiful sound, just beyond the point of the wall where they were sitting—not ten paces away. Die Burschen packten einander unwillkürlich in versteinerndem Schreck. The boys involuntarily grabbed each other in petrified terror.

„Wen von uns mag er meinen?“ flüsterte Huckleberry. "Which one of us might he mean?" whispered Huckleberry.

„Ich weiß nicht — schau durch die Ritze — schnell!“ "I don't know - look through the crack - quick!"

„Nein, tu du‘s, Tom!“ "No, you do it, Tom!"

„Ich kann‘s — kann‘s nicht!“ "I can - can't!"

„Bitte, Tom! "Please, Tom! — Da ist‘s wieder!“ - There it is again!"

„Ach, Gott sei Dank,“ wisperte Tom, „ich kenne seine Stimme, ‘s ist Bull Harbison.“ "Oh, thank God," Tom whispered, "I know his voice, 'tis Bull Harbison."

„Ach, das ist mal gut! "Oh, that's a good one! Ich sag dir, Tom, ich war wirklich zu Tod erschrocken! I tell you, Tom, I was really scared to death! Meinte wahrhaftig, ‘s wär ‘n fremder Hund.“ Truly thought 'twas a strange dog."

Der Hund heulte wieder. The dog howled again. Die Herzen der Burschen sanken wieder in die Hosen. The hearts of the boys sank back into their pants.

„Ach, verflucht, das ist nicht Bull Harbison!“ flüsterte Huckleberry weinerlich. "Aw, heck, it ain't Bull Harbison!" whispered Huckleberry tearfully.

Tom, zitternd vor Furcht, rappelte sich auf und legte das Auge an die Lücke. Tom, trembling with fear, got to his feet and put his eye to the gap.

Der Ton seiner Stimme war erbarmungswürdig, als er jetzt flüsterte: „O, Huck, ‘s ist ein fremder Hund —!“ The tone of his voice was pathetic as he whispered, "Oh, Huck, it's a strange dog—!"

„Schnell, Tom, schnell, wen von uns meint er?“ "Quick, Tom, quick, which one of us is he talking about?"

„Huck, er muß uns beide meinen! "Huck, he must mean both of us! — Wir stehen dicht beieinander.“ - We're close together."

„O, Tom, ich fürchte — wir sind futsch! "O, Tom, I'm afraid - we're goners! Ich rechne, wohin ich komme, darüber kann kein Zweifel sein. I calculate where I am going, there can be no doubt about it. Ich bin so schlecht, Tom!“ I'm so bad, Tom!"

„Der Teufel hol‘s! "The devil take it! Das kommt davon, wenn man Blindekuh spielt und alles tut, wovon der Lehrer sagt, daß man‘s nicht tun soll! That's what you get for playing blind man's buff and doing everything the teacher says not to do! Ich wollt‘, ich wär so artig gewesen wie Sid — wenn ich‘s gekonnt hätte. I wish I had been as good as Sid - if I could have. Aber nein, ich mocht‘s nicht sein! But no, I didn't like it! Aber wenn ich hier fortkomm‘, ich sag‘ dir, ich werd‘ immer in die Sonntagsschule gehen.“ Und Tom begann ein bißchen zu heulen. But when I get out of here, I'll tell you, I'll always go to Sunday school.' And Tom began to cry a little.

„Du schlecht?“ Und Huckleberry heulte zur Gesellschaft mit. "You bad?" And Huckleberry howled along for company. „Ich sag‘s dir, Tom, du bist einfach Gold gegen mich! "I'm telling you, Tom, you're just gold against me! O, Gott, Gott, Gott — ich wollte, ich wäre nur halb so gut wie du!“ Oh, God, God, God - I wish I was half as good as you!"

Tom fuhr zusammen und flüsterte: „Schau, Hucky, schau nur! Tom winced and whispered, "Look, Hucky, look! Er wendet uns ja den Rücken zu!“ After all, he's turning his back on us!"

Hucky schaute hinaus, und Freude erfüllte sein Herz. Hucky looked out, and joy filled his heart.

„Teufel, ‘s ist so! "Hell, 'tis so! Tat er‘s vorher auch schon?“ Did he do it before?"

„Ja, er tat‘s, aber ich Dummkopf dachte nicht daran. "Yes, he did, but I foolishly did not think of it. Na, das ist mal famos. Well, that's just great. Aber — wen kann er nur meinen?“ But - who could he possibly mean?"

Das Heulen hörte auf. The howling stopped. Tom spitzte die Ohren. Tom pricked up his ears. „Pscht —was ist das?“

„‘s klingt wie — wie Schweinegrunzen. "'It sounds like - like pig grunting. Oder, Tom — doch nicht, ‘s schnarcht jemand.“

„Ist‘s das? Wo aber, Hucky?“

„Ich glaub‘ dort, am anderen Ende. "I think there, at the other end. ‘s klingt wenigstens so. At least it sounds like it. Pop pflegt zuweilen da zu schlafen — mit den Schweinen, aber, Gott segne dich, er macht alles zittern, wenn er schnarcht. Pop uses to sleep there sometimes - with the pigs, but, bless you, he makes everything shake when he snores. Und dann, ich rechne, hierher kommt er nicht zurück!“ And then, I reckon, here he doesn't come back!"

Die Abenteuerlust begann sich in den Seelen der beiden Burschen zu regen. The spirit of adventure began to stir in the souls of the two boys.

„Hucky, gehst du mir nach, wenn ich vorangehe?“ "Hucky, will you follow me if I lead the way?"

„Sehr gern nicht, Tom! "Very much not, Tom! Denk, ‘s könnt Joe sein!“ Think 'twould be Joe!"

Tom zauderte. Tom hesitated. Aber sofort regte sich wieder die Versuchung, und sie beschlossen, den Versuch zu wagen, unter dem Vorbehalt, daß sie fliehen dürften, sobald das Schnarchen aufhören würde. But immediately the temptation stirred again, and they decided to make the attempt, with the proviso that they would be allowed to escape as soon as the snoring stopped. So gingen sie auf den Fußspitzen weiter, einer hinter dem anderen. So they went on on tiptoe, one behind the other. Als sie nur noch fünf Schritt von dem Schnarchenden entfernt waren, trat Tom auf einen Zweig, der mit lautem Knacken brach. When they were only five paces from the snoring man, Tom stepped on a twig, which snapped loudly. Der Mann grunzte, wälzte sich ein bißchen herum, das Mondlicht fiel, auf sein Gesicht — es war Muff Potter. The man grunted, rolled around a bit, the moonlight fell, on his face - it was Muff Potter. Die Herzen der Burschen hatten still gestanden — wie ihre Leiber, als sich der Mann rührte, aber jetzt war ihre Furcht vergangen. The lads' hearts had stood still - as had their bodies - when the man stirred, but now their fear was gone. Sie schlichen zurück, schlüpften durch die geborstene Mauer und blieben in einiger Entfernung stehen, um sich zu verabschieden, Das lange unheimliche Geheul erhob sich wieder und klang durch die Nachtluft. They crept back, slipped through the broken wall, and paused at a distance to bid them farewell. The long, eerie howling rose again and rang through the night air. Sie wandten sich um und sahen den fremden Hund wenige Schritt von der Stelle entfernt, wo Muff Potter lag, mit dem Kopf diesem zugewandt, die Schnauze zum Himmel gerichtet. They turned and saw the strange dog a few steps from where Muff Potter lay, with his head turned toward it, his muzzle pointed toward the sky.

„Herrje, den meint er!“ riefen beide in einem Atem. "Lordy, that's who he means!" they both exclaimed in one breath.

„Sag, Tom, sie sagen, ein scheußlicher Köter soll um Johnny Millers Haus herumgeheult haben — vor mehr als zwei Wochen. "Say, Tom, they say a hideous mutt howled around Johnny Miller's house — more than two weeks ago. Und dann hat sich auch ‘ne Eule auf das Dach gesetzt und da geheult, am selben Abend. And then an owl sat on the roof and howled there, too, that same evening. Und da ist doch bis heute noch keiner gestorben!“ And no one has died there yet!"

„Ja, ich weiß. "Yes, I know. Und ich mein‘, das beweist nichts. And I mean, that doesn't prove anything. Fiel nicht am nächsten Samstag Gracie Miller auf den Küchenherd und verbrannte sich schrecklich?“ Didn't Gracie Miller fall on the kitchen stove the next Saturday and burn herself horribly?"

„Ja — aber sie ist doch nicht gestorben. "Yes - but she didn't die after all. Noch mehr, sie ist bald wieder ganz gesund.“ Even more, she'll be all better soon."

„Schon recht, wart‘ nur und red‘ dann! "That's right, just wait and then talk! Sie ist futsch, so gewiß als Muff Potter dort futsch ist! It is gone, as surely as Muff Potter is gone there! Die Neger sagen‘s, und die wissen so was ganz genau, Hucky.“ The Negroes say it, and they know that kind of thing for a fact, Huckleberry."

Damit gingen sie nachdenklich auseinander. With that, they thoughtfully parted.

Als Tom in sein Schlafzimmerfenster schlüpfte, war die Nacht schon vorbei. By the time Tom slipped into his bedroom window, the night was over.

Er entkleidete sich mit äußerster Vorsicht und schlief ein, sich beglückwünschend, daß niemand etwas von seinem Streifzug gemerkt habe. He undressed with the utmost care and fell asleep, congratulating himself that no one had noticed anything about his foray. Er hatte nicht gesehen, daß der brave, schnarchende Sid wach war — seit einer Stunde. He hadn't seen the good, snoring Sid awake—for an hour.

Als Tom aufwachte, war Sid bereits angezogen und fort. When Tom woke up, Sid was already dressed and gone. Das Licht draußen erschien Tom so spät wie auch die Luft. The light outside seemed as late to Tom as the air. Er stutzte. He paused. Warum hat man ihn nicht gerufen — da er doch um diese Zeit stets schon auf war? Why wasn't he called - since he was always up by this time? Der Gedanke fiel ihm schwer aufs Herz. The thought fell heavily on his heart.

In fünf Minuten war er angekleidet und die Treppe hinunter, übel gelaunt und schläfrig. In five minutes he was dressed and down the stairs, nauseous and sleepy. Die Familie saß noch um den Tisch, hatte aber bereits gefrühstückt. The family was still sitting around the table, but had already eaten breakfast.

Kein Tadel, aber abgewandte Gesichter. No blame, but averted faces. Tiefes Stillschweigen und ein Hauch von Trauer; schwer lasteten sie auf des Sünders Haupt. Deep silence and a touch of sadness; they weighed heavily on the sinner's head. Er setzte sich und tat ganz lustig, aber es war sehr schwer. He sat down and acted quite funny, but it was very hard. Er bekam kein Lächeln, keine Antwort und versank in Stillschweigen, und sein Herz versank in die tiefste Tiefe. He got no smile, no answer, and sank into silence, and his heart sank into the deepest depths.

Nach dem Frühstück nahm ihn seine Tante auf die Seite, und Tom atmete ordentlich auf, in der Hoffnung, daß er jetzt werde geprügelt werden; aber es sollte anders kommen. After breakfast his aunt took him aside, and Tom breathed a sigh of relief, hoping that now he would be beaten; but it was to be different. Seine Tante vergoß Tränen über ihn und fragte ihn, wie er hingehen und ihr armes Herz brechen könne. His aunt shed tears over him and asked him how he could go and break her poor heart. Und schließlich sagte sie, er solle nur sich selbst ruinieren und ihre grauen Haare mit Kummer in die Grube fahren lassen, denn sie habe den Mut in bezug auf ihn nun verloren. And finally she said he should only wreck himself and let her gray hair go to the pit with sorrow because she had lost heart about him now.

Dies war schlimmer als tausend Prügel, und Toms Herz wurde noch schwerer, als es heute morgen gewesen. This was worse than a thousand beatings, and Tom's heart grew even heavier than it had been this morning. Er heulte, er bat um Verzeihung, versprach Besserung wieder und immer wieder, und er erhielt schließlich seine Entlassung mit dem Gefühl, nur halbe Verzeihung und schwaches Vertrauen gefunden zu haben. He cried, he begged for forgiveness, promised improvement over and over again, and finally got his release feeling he had found only half forgiveness and weak trust.

Er empfand die Gegenwart gar zu trübselig, um ein Rachegefühl gegen Sid aufkommen zu lassen. He felt too gloomy in the present to feel revenge against Sid. So war des letzteren eiliger Rückzug durch die Hintertür überflüssig. Thus the latter's hasty retreat through the back door was superfluous. Er schlich in düsterster Gemütsverfassung zur Schule und empfing dort seine Prügel wegen des Schwänzens mit Joe Harper am vorigen Tage mit der Miene eines, dessen Herz von schweren Kümmernissen belastet und ganz unempfindlich für Kleinigkeiten ist. He crept to school in the darkest frame of mind, and there received his thrashing for playing truant with Joe Harper the day before, with the air of one whose heart is burdened with great troubles, and quite impervious to trifles. Dann verzog er sich auf seinen Platz, stützte die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn auf die Hände und starrte auf die Wand mit dem starren Gesichtsausdruck des Leidens, das den höchsten Punkt erreicht hat und nun nicht mehr gesteigert werden kann. Then he retreated to his seat, leaning his elbows on the table and his chin on his hands, staring at the wall with the fixed expression of suffering that has reached its peak and can no longer be increased. Sein Ellbogen drückte auf einen harten Gegenstand. His elbow pressed on a hard object. Nach langer Zeit änderte er schläfrig und gleichgültig seine Stellung und nahm den Gegenstand in Augenschein. After a long time, sleepily and indifferently, he changed his position and examined the object. Er war in Papier gewickelt. He was wrapped in paper. Er rollte das Papier auf. He unrolled the paper. Ein langer, starrer, verschleierter Blick — und sein Herz brach! A long, fixed, veiled look—and his heart broke! Es war der wundervolle abgebrochene Knopf von gestern! It was yesterday's wonderful broken button! Dieser letzte Tropfen machte das Gefäß überlaufen. That last drop overflowed the vessel.