Sendung: tagesschau 01.08.2020 20:00 Uhr - 955 neue Fälle, TikTok verbieten
Themen der Sendung: Demonstration gegen Corona-Auflagen in Berlin aufgelöst, Wirtschaft und Politik besorgt über steigende Neuinfektionen und erneutem Lockdown, Chiles Regierung kündigt milliardenschweres Konjunkturprogramm zur Bewältigung der Corona-Krise an, US-Präsident Trump will Videoplattform TikTok in USA verbieten, Verdächtiger 17-Jähriger nach Twitter-Hack festgenommen, Polen gedenkt Beginn des Warschauer Aufstands vor 76 Jahren, Salzburger Festspiele in kleinerem Rahmen eröffnet, Die Lottozahlen. Das Wetter
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tageschau.
Heute im Studio: Susanne Daubner
Guten Abend,
ich begrüße Sie zur tagesschau.
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen
ist erneut gestiegen.
Seit gestern
wurden 955 neue Fälle gemeldet.
Das RKI befürchtet, dass sich der
Anstieg weiter beschleunigen könnte.
Dennoch demonstrierten in Berlin
20.000 Menschen gegen die Auflagen.
Dabei wurde laut Polizei
gegen Abstandsregeln
und Maskenpflicht verstoßen.
Am Nachmittag brach die Polizei
die Veranstaltung ab.
Parallel gab es
kleinere Gegendemonstrationen.
Der Tag begann friedlich.
Eine Demonstration unter dem Namen
"Versammlung für die Freiheit"
zog durch Berlin.
Eine bunte Mischung aus Menschen,
die ihre Freiheitsrechte
eingeschränkt sehen,
Impfgegnern, Corona-Leugnern
und Rechtsextremisten.
Den meisten war gemeinsam,
dass sie Einschränkungen
zum Schutz vor Corona ablehnen.
Von diesem Tag erwarte ich, dass wir
Freiheit von den Masken bekommen,
weil die total unsinnig sind.
Ich möchte sämtliche Freiheitsrechte
wiederhergestellt bekommen,
wenn es geht.
Wir rufen den Tag der Freiheit aus.
Überall hatten sich
Gegendemonstranten aufgestellt.
Den Anti-Corona-Demonstranten
werfen sie mangelnden Distanz
zu den mitmarschierenden Rechten vor.
Es sind nicht alles Nazis,
aber es sind viele Nazis.
Leider mischt sich alles Mögliche.
Gemeinsam ist denen, dass sie
keinen Abstand gegen rechts wahren.
Man muss doch hinterfragen,
mit wem man auf die Straße geht!
Die Polizei verzeichnete
schon am Nachmittag
viele Verstöße
gegen die Corona-Auflagen.
Die Demonstranten trugen
keine Masken, hielten kaum Abstand.
Es gibt Verantwortliche:
die Versammlungsleitung.
Ein Ermittlungsverfahren
wurde eingeleitet.
Gegen die Teilnehmer könnte es noch
Ordnungswidrigkeitsverfahren geben.
Bei einer späteren Kundgebung hielt
sich kaum jemand an die Auflagen,
sodass die Polizei
die Veranstaltung beendete.
Ihre Versammlung
ist hiermit aufgelöst.
Die meisten der 20.000 Versammelten
verließ unter Protest den Ort.
Wer sich weigerte,
wurde von der Polizei entfernt.
Steigende Neuinfektionen
lösen in Politik und Wirtschaft
Befürchtungen über
neu verhängte Einschränkungen aus.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident
Haseloff (CDU)
warnte gegenüber
der Funke-Mediengruppe,
einen zweiten Lockdown
verkrafte die Wirtschaft nicht.
Der Präsident des Bundesverbands
mittelständische Wirtschaft, Ohoven,
sagte, ein weiterer Lockdown
triebe viele Unternehmen in den Ruin.
Seit heute können sich
Urlaubsrückkehrer aus dem Ausland
kostenlos testen lassen.
Diese Familie am Flughafen Leipzig
macht sich gleich auf ins Labor.
Urlaubsrückkehrer können sich
seit heute testen lassen,
freiwillig und kostenlos.
Nächste Woche
soll eine zweite Verordnung folgen,
die Reisende aus Risikogebieten
zum Test verpflichtet.
Für uns war klar,
wir machen das.
So sehen es nicht alle.
Wenn ich Anzeichen hätte,
würd ich's machen, sonst nicht.
Sommer, Sonne, Kaltgetränk –
wer will das nicht genießen?
Doch die Infektionszahlen
machen Sorgen.
So warnt die Wirtschaft heute,
eine zweite Welle,
Schließungen von Betrieben
wären fatal.
Beides gelte es zu verhindern.
Eine zweite Welle könnte
schädlicher sein als die erste,
da viele Unternehmen
keine Rücklagen mehr haben.
Erneute Schließungen würden die
Wirtschaft natürlich hart treffen.
Langsam kommen auch Restaurants
und Cafes aus der Durststrecke.
Eine weitere Schließungswelle
würden viele nicht überleben,
schon jetzt sei jeder dritte Betrieb
existenziell bedroht.
Ein zweiter Shutdown würde die Lage
dramatisch verschlimmern.
Gäste, Mitarbeiter, Unternehmer:
Wir müssen alles daran setzen,
so etwas zu verhindern
und die Schutzmaßnahmen umsetzen.
Abstand, Hygiene, Alltagsmasken –
wer mutwillig gegen Regeln verstoße,
soll die Konsequenzen klarer spüren.
Der Wirtschaftsminister will härter
gegen die Fahrlässigkeit vorgehen.
Zustimmung kommt aus der SPD.
Sonst schädigen einige wenige, die
rücksichtslos sind, alle anderen,
nicht nur die Gesundheit,
sondern auch die Wirtschaft.
Genießen könne auch,
wer sich an Regeln halte.
In Chile stemmt sich die Regierung
gegen die Corona-Krise,
mit einem milliardenschweren
Konjunkturpaket.
Zugleich will Präsident Pinera damit
einer Protestbewegung entgegenkommen.
Seit Monaten demonstrieren
immer wieder Zehntausende,
v.a. gegen die soziale Ungleichheit.
Der Mitte-rechts-Politiker Pinera
versprach eine Volksabstimmung
über eine Verfassungsreform.
Diese Woche besetzte er aber
sechs Ministerposten neu -
mit Gegnern
von Verfassungsänderungen.
Sie machen Lärm,
als der Präsident spricht.
Protest in der Ausgangssperre
gegen Pinera.
Viele fühlen sich
in ihrer Not nicht verstanden.
Ich schicke euch eine Umarmung.
Der Präsident
verspricht Hilfe für Familien
und Förderung der Wirtschaft.
Kritiker sagen, Reformen fehlen.
Corona legt die Ungleichheit offen:
Millionen müssen auf ihre angesparte
Rente zurückgreifen, um zu überleben.
Das Sozialsystem ist privatisiert.
Nur wer Geld habe, könne sich
eine gute Versorgung leisten,
berichtet diese Krankenschwester.
Das öffentliche System
ist überlastet.
Es fehlt an Ärzten
und Krankenschwestern.
Vor der Pandemie
demonstrierten Hunderttausende
gegen das neoliberale System,
das aus der Militärdiktatur stammt.
Pinera versprach die Abstimmung
über eine neue Verfassung,
holte aber Hardliner
in die Regierung.
Der neue Innenminister, Perez,
machte während der Pinochet-Diktatur
politisch Karriere.
Beobachter werten die Ernennung
als Provokation.
Die neuen Minister stehen der
härtesten politischen Rechten nahe.
Sie vertreten offen Positionen
gegen eine Reform der Verfassung.
Die Wut wächst.
Laut Umfragen wollen die meisten
einen sozialeren Staat.
Doch die Regierung scheint schnelle
Reformen verhindern zu wollen.
Präsident Trump will
die chinesische Videoplattform TikTok
in den USA verbieten.
Das kündigte er vor Journalisten an.
Grund seien Datenschutzbedenken.
Die US-Regierung befürchtet,
TikTok könnte Nutzerdaten an
den chinesischen Staat weitergeben.
Das Unternehmen kündigte an,
es wolle für mehr Transparenz sorgen.
Weltweit hat TikTok
eine Milliarde Nutzer.
Sie können dort
Videos ansehen und erstellen.
100 Mio. Menschen nutzen TikTok
nach Unternehmensangaben in den USA.
V.a. Jugendliche schauen,
produzieren und teilen
mit der chinesischen App
Videos von bis zu 60 Sekunden.
Musik, Tanz und Tiere sind beliebt.
Aber US-Behörden werfen TikTok vor,
Nutzerdaten weiterzugeben
an die chinesische Regierung.
Trump will die App
in den USA verbieten.
Wir könnten TikTok verbieten.
Wir könnten andere Dinge tun,
es gibt ein paar Optionen.
Wir sehen uns viele Alternativen an
in Bezug auf TikTok.
Kurz darauf erklärt Trump, man
werde TikTok aus den USA verbannen.
Unklar ist,
wie das durchgesetzt werde könnte.
Kürzlich hatten Medien berichtet
über einen möglichen Verkauf
des US-Geschäfts von TikTok
an Microsoft.
So könnte TikTok
einem Verbot zuvorkommen.
Kritiker werfen der Plattform
auch Verstöße gegen Jugendschutz vor
sowie Zensur.
So löschte TikTok dieses Video:
Eine 17-Jährige
kritisierte per Schminkanleitung
die Verfolgung muslimischer Uiguren
in China.
TikTok-Chef Mayer
verspricht Transparenz,
bietet die Überprüfung
der Algorithmen an.
Nicht nur in den USA
werden Datenschutzbedenken lauter.
In Indien
ist TikTok bereits verboten.
Auch die Bundesregierung
will die App überprüfen.
Wegen des Angriffs
auf Twitter-Konten von Prominenten
wurde in Florida
ein Verdächtiger festgenommen.
Der 17-Jährige sei der Drahtzieher,
so die Staatsanwaltschaft.
Zwei Männer aus den USA und England
hätten ihn unterstützt.
Bei dem Angriff waren vor zwei Wochen
Twitter-Konten gekapert worden,
z.B. von Barack Obama und Bill Gates.
Auch Firmenkonten wurden gehackt.
In Polen ist an den Beginn
des Warschauer Aufstands
vor 76 Jahren erinnert worden.
Am 1. August 1944 erhob sich
die polnische Heimatarmee
gegen die deutschen Besatzer.
Beteiligt waren nach Schätzungen
von Historikern 40.000 Kämpfer.
Anfang Oktober hatten die Nazis
den Aufstand niedergeschlagen
und die Stadt fast völlig zerstört.
Janusz Badura war 13,
als der Warschauer Aufstand begann.
Zum Kämpfen war er zu jung,
er half mit Lebensmitteln
und Botengängen.
Auch wenn der 89-Jährige
zur Corona-Risikogruppe gehört:
Bei der Gedenkfeier ist er dabei.
Zweimal haben sie mich
an die Wand gestellt,
wollten mich erschießen
und vergraben.
Zweimal stand ich an der Wand,
um zu sterben.
1944 in Warschau kämpfte die schlecht
ausgerüstete polnische Heimatarmee
gegen die deutschen Besatzer.
Nach zwei Monaten
schlugen die Nationalsozialisten
den Aufstand nieder.
Sie rächten sich grausam,
zerstörten 90 % der Stadt,
töteten 200.000 Menschen.
Um 17 Uhr heulen die Sirenen,
ganz Warschau steht still.
Um diese Zeit vor 76 Jahren
begann der Aufstand.
Ein Gedenktag, der Polen eint.
Um in die Zukunft zu gehen,
muss man wissen, woher man kommt.
Die Bewohner von Warschau,
alle Polen,
haben gekämpft für einen freien,
unabhängigen polnischen Staat.
Veteranen wie Janusz Badura
sind Helden in Polen.
Der Warschauer Freiheitskampf 1944
hat auch 2020
große Bedeutung für das ganze Land.
Im 100. Jubiläumsjahr trotzen
die Salzburger Festspiele Corona:
In kleinerem Rahmen
und unter Hygieneauflagen
ist das Klassik-Festival
eröffnet worden.
Die Veranstalter
wollen ein Zeichen setzen,
dass Kunst und Kultur
auch in der Krise möglich sind.
Der Klassiker am Eröffnungsabend:
Das Theaterstück "Jedermann"
mit Tobias Moretti in der Hauptrolle
und Caroline Peters als Buhlschaft.
An den Einlässen und drinnen:
Hygienevorschriften für alle.
Die Zahl der Karten wurde
von 240.000 auf 76.000 reduziert,
auch um die Sicherheitsabstände
einhalten zu können.
Die Durchführung der Festspiele -
ein "kalkuliertes Risiko",
sagen die Veranstalter.
Statistisch gesehen ist erwartbar,
dass Fälle auftreten
bei den Festspielen,
in der Gastronomie und in der Stadt.
Das Wichtige ist:
Schnell eingrenzen,
Contact Tracing, isolieren.
Die Festspiele
auch eine "Feuerprobe":
Sind Großveranstaltungen möglich
in Zeiten von Corona?
Wir setzen ein wichtiges Zeichen
für die Kraft der Kunst
in schwierigen Zeiten.
Für den "Jedermann"-Darsteller
Tobias Moretti
ist das Stück eine Parabel
auf die Situation.
Du überfällst mich im besten Leben.
Das ist nicht ehrlich, dieses Spiel.
Das Stück handelt
von der Verfügbarkeit von allem -
Ressourcen, Macht, Mobilität.
Das ist diese Saison,
dieses Jahr ein Punkt gewesen,
wo wir alle ausgehebelt wurden.
Darum ist das so aktuell.
Wegen Corona dauern die Festspiele
im Jubiläumsjahr
statt der üblichen 40 nur 30 Tage.
Die Lottozahlen:
Die Wetteraussichten
für morgen, Sonntag, den 2. August:
Heute Nacht und morgen
überquert uns eine Kaltfront,
der Luftmassenwechsel
sorgt für Gewitter.
Die sind heute Nacht
gebietsweise unterwegs.
Am Tag im Osten und Südosten
regional freundlich,
aber auch Schauer,
Gewitter und Regen.
Im Nordwesten Sonne,
Wolken und einzelne Schauer.
Am Montag wechselhaft und kühler,
im Süden teils ergiebiger Regen.
Am Dienstag am Alpenrand noch Regen,
sonst trocken bei Sonne und Wolken.
Am Mittwoch sonniger und wärmer.
Um 23.15 Uhr
haben wir diese Tagesthemen:
Großdemo gegen Corona-Auflagen -
Wer sind die Menschen, die das Virus
für eine Erfindung halten?
Das fragt Ingo Zamperoni
den Szene-Kenner Olaf Sundermeyer.
Kein Alkohol, keine Party -
Hamburgs Verkaufsverbot
scheint zu wirken.
Schönen Abend.
Copyright Untertitel: NDR 2020