Sendung: tagesthemen 18.03.2020 22:40 Uhr - Merkels Ansprache zur Bevölkerung
Merkels Ansprache zur Bevölkerung, Mitterteich verhängt als erster Ort in Deutschland Ausgangssperre, Pflegeheime verhängen Besuchsverbote, EU-Grenzkontrollen verursachen kilometerweite Staus, Corona-Ticker, Richter fällt Urteil im ersten Cum-Ex-Prozess, Der Kommentar, Weitere Meldungen im Überblick, Gestreamte Konzerte in Zeiten von Corona, Das Wetter
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit den tagesthemen.
Es ist ernst.
Nehmen Sie es auch ernst.
Seit der Deutschen Einheit,
nein, seit dem Zweiten Weltkrieg
gab es keine Herausforderung
an unser Land mehr,
bei der es so sehr auf
unser solidarisches Handeln ankommt.
Die Kanzlerin heute Abend.
So hat sich Angela Merkel
noch nie an die Deutschen gewandt,
mit einem dringenden Appell
mitten im Jahr.
Guten Abend zu den tagesthemen.
Auch wenn sie nicht zum Pathos neigt
wie der französische Präsident
und auch nicht so dramatisch redet
wie der österreichische Kanzler:
Ihre Worte beschreiben,
was wir in Deutschland erleben.
Alle drei Tage verdoppelt sich
die Zahl der Infizierten.
Ändern wir unser Verhalten nicht,
haben wir im Juni
10 Mio. Infizierte.
So rechnet das Robert Koch-Institut.
Es nutzt die Daten
von Mobiltelefonen, um zu sehen,
ob die Deutschen
weniger unterwegs sind.
Aus den anonymen Daten lassen sich
Bewegungsprofile zeichnen,
wie hier von einem Nutzer in Berlin.
Jenen Leuten, die das Virus
immer noch nicht ernst nehmen,
gelten heute
die Worte der Kanzlerin.
Bei warmen Temperaturen
zieht es viele nach draußen.
Abstand halten?
Nicht so wichtig.
Das könne zur Gefahr werden,
sagt das Robert Koch-Institut.
Es warnt vor
bis zu 10 Mio. Infizierten
in den nächsten zwei, drei Monaten.
Das sind nicht
abstrakte Zahlen in einer Statistik,
sondern ein Vater oder Großvater,
eine Mutter oder Großmutter.
Es sind Menschen.
Wir sind eine Gemeinschaft,
in der jedes Leben
und jeder Mensch zählt.
Merkel Sprache, das Mahnen,
der Appell an die Vernunft
erinnert an die Rede
des französischen Nachbarn.
Doch seit zwei Tagen befindet
der sich im anderen Modus.
Wir sind im Krieg -
einem Gesundheits-Krieg.
Wir kämpfen weder gegen eine Armee,
noch gegen eine andere Nation.
Aber der Feind ist da,
unsichtbar, nicht greifbar.
Er breitet sich weiter aus.
Der Kampf gegen ihn
braucht unsere Mobilisierung.
Wir sind im Krieg.
Kampfsprache a la Macron
ist eigentlich nicht richtig,
es macht ein bisschen Panik.
Ich würde schon bei weniger
drastischen Worten zu Hause bleiben.
Reichen da Appelle?
Der Rat der Virologen ist eindeutig.
Kein Handschlag mehr,
gründlich und oft die Hände waschen,
mindestens 1,5 Meter Abstand
zum Nächsten.
Am besten
kaum noch Kontakte zu den Alten,
weil sie besonders gefährdet sind.
Bei gefühlten 18 Grad
hört nicht jeder auf so einen Appell.
Ich vertrau da auf mein Bauchgefühl.
Die Worte von Merkel werden
nicht groß Einfluss darauf haben,
wie ich mich verhalte.
Das Bewegungsverhalten
analysiert das Robert Koch-Institut
mit Handydaten der Telekom.
Bleiben alle so mobil
wie vor der Krise,
könnte das ein Grund dafür sein,
dass die Infektionszahlen steigen.
Halten Sie sich an die Regeln,
die für die nächste Zeit gelten.
Wir werden stets neu prüfen,
was sich wieder korrigieren lässt,
aber auch,
was womöglich noch nötig ist.
Dies ist eine dynamische Situation,
und wir werden lernfähig bleiben,
um umdenken und mit anderen
Instrumenten reagieren zu können.
Ob die Instrumente die
Bewegungsfreiheit einschränken,
könnte vom Verhalten weniger
abhängen.
Sprechen wir
über den Widerhall auf die Rede.
Thomas Kreutzmann in Berlin.
Es gab in den letzten Tagen
Einigkeit quer durch die Parteien.
Bleibt's dabei?
Spricht die Kanzlerin für alle?
Vorerst ja.
Es gibt 28 Tote in Deutschland.
12.000 Infektionsfälle
sind gemeldet.
Da stehen viele Parteien
im Bundestag zusammen.
Die Grünen setzen auf Kooperation
in der Corona-Frage.
Die AfD erklärte in Bezug
auf das stark betroffene Südkorea,
das Land könne froh sein,
keine Kanzlerin Merkel zu haben.
Die Grünen nannten das widerlich.
Aber faktisch
stehen viele Parteien zusammen.
Es könnte eng für Merkel werden,
wenn der Wunsch der Verlangsamung
von Infektionen nicht wahr wird.
Der drück sich aus in ihren Maßnahmen
und heutigen Appellen.
Fruchtet der Appell
an unsere Hilfsbereitschaft nicht,
was wollen die Verantwortlichen
dann tun in Bund und Ländern?
Ich gehe davon aus,
dass es eine Ausgangssperre gibt.
Durchgesetzt durch die Polizei.
Mit Geldstrafen.
Es dürfte da noch Haftstrafen geben.
Dann wird man abschreckende
Beispiele schaffen wollen.
Juristen sagen,
die Gesetze gäben das schon her.
Aber noch sind die Grundlagen
vielleicht nicht eindeutig.
Auch die Kooperation Bund/Länder
ist kompliziert geregelt
In der Finanzkrise suchte sich
Merkel mit einer großen Koalition
die Instrumente,
um die Krise zu verlangsamen.
Es wird wohl rigorose
Ausgangssperren geben.
Ähnlich wird man es jetzt machen.
Ausgangssperre,
wenn sich die Dinge nicht ändern.
Eine Ausgangssperre, wie sie die
Italiener oder Franzosen erleben,
soll es vorerst in Deutschland
nicht geben.
Aber kleine Ausnahmen gibt es schon:
Bayern hat die erste verhängt
über einen Ort in der Oberpfalz.
Mitterteich mit 7000 Einwohnern
hat fünf Corona-Patienten,
die schwer erkrankt sind.
Anne Axmann ist für uns
in Mitterteich.
Was bedeutet das für die Menschen?
Die Menschen
dürfen noch zur Arbeit gehen.
Auch einkaufen gehen oder zum Arzt.
Aber ohne triftigen Grund
darf man nicht das Haus verlassen.
Etwa mit Kindern zum Spielplatz
zu gehen: Das ist verboten.
Aber wenn man mit dem Hund
eine Runde gehen muss, geht das.
Die Menschen sind hier besorgt.
Es ist ein Ausnahmezustand,
sie haben aber Verständnis.
Die Polizei sagt,
sie werde das kontrollieren.
Wer sich nicht daran hält,
macht sich strafbar.
Die große Frage ist hier:
Es gibt 25 Fälle, fünf sind akut.
Warum konnte sich
die Zahl so erhöhen?
Es gab vor einer Woche
ein Fest hier.
Da sind viele Menschen
zusammengekommen.
Das war wohl in anderen Orten so.
Krisen bringen unsere
schlechtesten Seiten zum Vorschein -
und unsere besten.
Viele denken sich, es wird Zeit,
Heldinnen und Helden
des neuen Alltags zu würdigen.
Tausende sind jetzt in Europa
auf Balkonen oder am Fenster,
um zu applaudieren.
In Deutschland etwa
in Leipzig und Köln
und heute in Hamburg.
So wollen sie weitermachen
jeden Abend in der Krise:
Denen Beifall klatschen,
die arbeiten,
damit unser Leben funktioniert.
Das gilt vor allem
den Frauen und Männern
in Krankenhäusern und der Pflege.
Mit einer von ihnen
spreche ich gleich
nach diesen Eindrücken
aus Baden-Württemberg.
Den Alltag im Altenheim
aufrecht zu erhalten,
wird mit jedem Tag schwieriger.
Ein Beruf,
der auf Nähe und Fürsorge baut,
funktioniert nicht auf Distanz
oder im Homeoffice.
Die Altenpfleger
kümmern sich um eine Risikogruppe,
die besonderen Schutz braucht.
In vielen Pflegeheim
gilt Besuchsverbot
für Angehörige
und ehrenamtliche Helfer.
Eine Lücke,
die Pflegekräfte füllen müssen.
Viele sind
durch Schulschließungen belastet
oder fallen
wegen Quarantänemaßnahmen aus.
Die Evangelische Heimstiftung
ist in Baden-Württemberg
größter Träger.
Ziel müsse sein,
genügend Personal zu haben,
wenn die Krise
ihren Höhepunkt erreicht.
Zwei Maßnahmen hat der Krisenstab
AG Corona identifiziert.
Die Quarantänebestimmungen
müssen überdacht werden.
Mitarbeiter in Quarantäne
müssen schnell Tests bekommen,
damit sie schnell wieder
den Dienst aufnehmen können.
Sie brauchen dann Schutzausrüstung,
damit sie ihre Arbeit tun können.
Da muss mehr passieren.
Besondere Anforderungen
in besonderen Zeiten.
Noch kann
der Pflegebetrieb weiterlaufen,
aber die Sorge vor dem unsichtbaren
Gegner schwingt immer mit.
In einem dieser Pflegeheime
ist Ilka Steck Altenpflegerin,
in Langenau.
Sie ist auch Mitarbeitervertreterin
dort im Konzern.
Guten Abend, Frau Steck.
Guten Abend, Frau Miosga.
Seit sechs Tagen dürfen die Bewohner
keinen Besuch mehr bekommen.
Seit heute dürfen sie auch
nicht mehr vor die Tür.
Wie geht es denen damit?
Das ist sehr hart für viele.
Die allermeisten
zeigen viel Verständnis
und wissen, es ist zu ihrem Schutz.
Aber wir haben einen Bewohner,
dessen Frau kam immer jeden Tag
und ist geblieben bis zum Abend
und darf nicht mehr kommen.
Das ist schwer zu vermitteln,
warum wir das nicht mehr zulassen.
Die Angehörigen
trifft das sicher auch hart.
Die Bewohner stecken es besser weg.
Wir haben unseren Alltag im Heim
und sind dort noch zusammen.
Die Angehörigen tun sich schwer.
Manche lehnen sich
ziemlich dagegen auf.
Aber wir können
niemanden mehr reinlassen,
zum Schutz unserer Bewohner.
"Sie leben Ihren Alltag":
Treffen Sie sich
untereinander überhaupt noch?
Isst man noch zusammen?
Wir haben kleine Wohngruppen
mit 15 Bewohnern.
Die wohnen im gleichen Bereich
und essen in der Wohngruppe.
Es gibt ein Wohnzimmer und sie
verbringen dort Zeit miteinander
und mit unserer Alltagsbegleitung.
Die Bewohner haben Angst, dass es
zu einer Zimmerisolierung kommt.
Das schafft Gemeinschaft
und Zusammengehörigkeitsgefühl,
das gemeinsame Essen
und Zusammensein.
Es ist ja auch wie in der Familie.
Da isst nicht einer im Wohnzimmer
und einer in der Küche.
Alle sind gesund,
wir können miteinander essen.
Sie haben noch
keinen Coronafall.
Was würde passieren,
wenn es einen gäbe?
Wir haben einen Plan.
Wenn jemand infiziert wäre,
würde er im Zimmer isoliert.
Wir gehen nur
mit Schutzkleidung rein.
Die Wohngruppe würde im Haus
von den anderen Bewohnern isoliert.
'ne Ansteckung von allen wär das
Schlimmste, was passieren könnte.
Das müssen wir verhindern.
Wird das Pflegepersonal
auch getestet?
Sie sind im Kontakt
mit der Risikogruppe überhaupt.
Das ärgert mich furchtbar.
Wir sind ständig in Kontakt
mit der Risikogruppe.
Unsere Angst ist,
dass wir es rein tragen.
Wenn ich morgens Halsweh hab,
ruf ich beim Arzt an.
Und er sagt:
zwei Wochen zu Hause bleiben.
Das geht nicht, wir brauchen
die Leute bei der Arbeit.
Wenn man uns testen würde,
wüssten wir nach 48 Stunden:
Okay, nicht so schlimm,
ist nicht Corona-positiv.
Dann könnte ich
wieder arbeiten gehen.
Wenn wir Pflegekräfte
zu Hause lassen,
weil sie mit jemanden
Kontakt hatten:
Da können wir nicht mehr arbeiten.
Wir brauchen jede Hand.
Deswegen sollten die Pflegekräfte
vorrangig getestet werden,
wenn Symptome auftreten.
Oder wenn sie
in Quarantäne müssten.
Diese Probleme
haben viele Einrichtungen.
Haben sie genug Schutzausrüstung?
Das ist das größte Problem.
Wir sind ein großer Träger
mit vielen Heimen.
Wir würden uns gegenseitig helfen.
Wenn bei uns ein Fall wäre,
würde Ulm uns
seine Schutzausrüstung ausleihen.
Aber das geht nicht ewig.
Vielleicht gibt's dort einen Fall,
dann brauchen die was.
Aber wir sind's,
die sich nachher anstecken.
Es wird alles knapp, und wir
dürfen nicht vergessen werden.
Auch für uns muss man
alles in die Wege setzen.
Die Politik muss sich anstrengen,
damit wir geschützt werden.
Uns kann man nicht sterilisieren,
nur weil wir Pflegekräfte sind.
Wir werden genauso krank.
Wir haben kranke Eltern oder Kinder,
die wollen wir nicht anstecken.
In ihrem Beruf
arbeiten viele schon am Limit.
Was wünschen Sie sich als Lehre
aus dieser Krise?
Dass man nicht vergisst,
dass wir systemrelevant sind.
Dass wir alles am Laufen halten.
Dass wir da sind für die Alten,
die Kranken im Pflegeheim,
in den Krankenhäusern.
Und dass wir hinterher endlich
bessere Arbeitsbedingungen,
was wir schon so lange fordern,
und eine bessere Bezahlung bekommen.
Wir wünschen Ihnen
diese Wertschätzung.
Danke für Ihre Zeit.
Vielen Dank, Frau Miosga.
Wir haben
vor der Sendung gesprochen.
Schauen wir
an die Ränder Deutschlands.
Die Grenzen sind nur noch
teilweise durchlässig
etwa zu Frankreich und Österreich.
Die polnischen Grenzer
kontrollieren nicht nur,
sie diagnostizieren auch:
Mit dem Fieber-Thermometer.
Deshalb stauten sich die Lkw
gestern auf 40 km.
Bei Görlitz mussten Fahrer
besonders lange warten.
Einige hatten Kühe geladen,
die gemolken werden mussten
nach einem Tag Stau.
Zwischen den Lkw Familien im Auto,
ohne Proviant,
durchgefroren in der Nacht.
Grenz-Erfahrungen.
* (Durchsage)
Wir haben Water and Tee. * Als Helfer letzte Nacht Wasser und Tee verteilen,
sitzen die Menschen
teils schon 18 Stunden fest.
Wasser?
Ja, bitte.
Im Stau vor der polnischen Grenze -
die A4 bei Görlitz ist dicht.
Auf 40 km.
Katastrophe, Blockada!
Stehen in diese Platz,
kein Meter weiter Richtung Polen.
Katastrophe. Megastau.
Eltern und ihre Kinder hatte das THW
an die Grenze gelotst.
Die Ungewissheit zerre an den Nerven,
so die Helfer.
Wir mussten zwei Personen
dem Rettungsdienst übergeben.
Eine Person mit Verdacht
auf Zuckerschock.
Und eine
mit Verdacht auf Herzinfarkt.
Das war die erste Nacht.
Am Morgen das gleiche Bild -
mittlerweile sind es 60 km Stau.
Eine Blechlawine, Tausende Menschen
und Helfer,
die wieder im Einsatz sind.
Zwischenzeitlich
waren es Dramen draußen.
Heulende Personen,
die überfordert waren,
die nichts zu essen und trinken
hatten.
Am Vormittag wird
ein weiterer Grenzübergang eröffnet.
Pkw sollen über die Stadtbrücke
in Görlitz.
Das entspannt die Situation zunächst.
Die Lkw bleiben auf der Autobahn.
Wer's ohne Fieber
zur Grenze schafft, darf passieren.
Die polnischen Grenzbeamten testen
mit Infrarot-Thermometern.
Einreisen dürfen nur
Lkw-Fahrer und Polen.
Deutsche brauchen
eine Ausnahmegenehmigung.
Die Kontrollen sind zeitraubend -
noch immer 50 km Stau am Nachmittag.
Wieder verteilen Helfer
das Nötigste für eine zweite Nacht.
Schwarz, süß, blond?
Es ist Abend geworden auf der A4.
Die Lkw-Fahrer sind im Profi-Modus:
sitzen, warten.
Alles okay.
Wütend, ärgerlich?
Nee.
For me, now ...
This is egal.
62 km Stau sind es am Abend -
noch mehr als am Morgen.
Die Situation an den Grenzen
ändert sich,
weltweit entwickelt sich
die Pandemie.
Weitere Schlaglichter
in unserem Ticker.
Luftbrücke gestartet -
erste Urlauber zurück.
Das Auswärtige Amt koordiniert
die größte Rückholung der Geschichte.
Sicherheitshalber Homeoffice.
Dieses Bild
twitterte Vizekanzler Olaf Scholz.
Starke Erkältung.
Corona-Testergebnis:
morgen erwartet.
Maskenpflicht
ab Mitternacht in Tschechien,
vom Ministerpräsidenten
verkündet.
Schulterschluss
statt langer Diskussionen.
Finanzielle Unterstützung
für Eltern und Selbstständige
versprechen
Wirtschafts- und Arbeitsminister.
Und noch eine Airline.
Ryanair kündigt an, dass die
meisten Maschinen unten bleiben.
Sonderöffnungszeiten für Senioren
in immer mehr Supermärkten,
etwa in Großbritannien,
Belgien und Norwegen.
Damit die Alten sich nicht anstecken.
Warum auch die Jungen
zu Hause bleiben müssen,
erklärt Niedersachsens
Ministerpräsident den Kleinen.
Es ist eine dolle Veränderung.
Es tut mir leid,
dass euer Leben jetzt anders ist.
Am Besten: daheim bleiben.
Darum bitten auch Ärzte
und Krankenschwestern.
Die medizinische Versorgung
soll nicht kollabieren.
Zu Hause
müssen auch ESC-Fans bleiben:
Erstmals in über 60 Jahren fällt
der Eurovision Song Contest aus.
Er hätte in Rotterdam
stattfinden sollen.
Noch ein Lebensbereich, der sich dem
Virus anpassen muss: unsere Justiz.
In Bonn ist ein Strafverfahren
heute zu Ende gegangen,
weil der Richter nicht wollte, dass
Corona alles durcheinanderbringt.
Heute haben wir das Urteil
in einem historischen Prozess:
Dem ersten zu milliardenschweren
Steuer-Tricksereien mit Aktien -
Cum-Ex genannt.
Jan Koch berichtet,
wie das LG Bonn entschieden hat.
Es geht um Deals,
um Betrug, um Milliarden.
Es geht um den größten Steuerskandal
der Geschichte.
Die Cum-Ex-Deals.
Landgericht Bonn, heute Abend.
Das Urteil fällt
im ersten großen Cum-Ex-Prozess -
wegen des Coronavirus
schneller als geplant.
Angeklagt sind keine Banken,
sondern Nick D. und Martin S.
Sie sind ehemalige
britische Aktienhändler,
die zu jedem Verhandlungstag
aus dem Ausland anreisen.
Das wird durch Corona unmöglich,
deshalb die Eile.
Sie wurden schuldig gesprochen:
Zwischen 2006 und 2011 haben sie
getrickst bei Aktien-Dividenden
und brachten den deutschen Staat
um 450 Mio. Euro.
Die Strafen sind milde:
22 bzw. 24 Monate Haft auf Bewährung.
Die Aufklärungshilfe,
zu ermöglichen, in das System
einzudringen und es zu kennen:
Das war ohne die Angeklagten
teilweise nicht möglich.
Deswegen waren die aus Sicht
der Kammer so zu bestrafen.
Das sind Cum-Ex-Geschäfte:
Rund um den Stichtag
der Dividenden-Zahlung
verschieben Investoren ihre Aktien
von einem zum anderen.
Dann blickt das Finanzamt nicht
mehr durch, wem die Aktien gehören.
Finanzämter
erstatten Kapitalertragssteuern,
die gar nicht gezahlt worden waren.
Ein Verwirrspiel,
jahrelang unbemerkt.
Das Urteil
hat wegweisenden Charakter.
Das Gericht hat Cum-Ex-Geschäfte
als illegal eingestuft.
Und zur Verjährungsfrage:
Für die strafrechtliche Beurteilung
ist eine Verjährung unbedeutend.
Am Prozess auch beteiligt
ist das Finanzinstitut Warburg.
Das muss 176 Mio. Euro zahlen.
Beobachter glauben, dass Warburg
vor den Bundesgerichtshof geht.
Die Staatsanwaltschaft betonte:
Ziel sei, das System aufzudecken,
das hinter den Transaktionen steckt.
Das heutige Urteil
ist weltweit erst der Anfang,
der Anfang von zahllosen
Ermittlungsverfahren:
Gegen 600 Börsen-Händler,
Manager, Investoren und Berater.
Allein in Deutschland.
Der erste Cum-Ex-Prozess
ist zu Ende.
Dazu ein Kommentar
von Massimo Bognanni vom WDR.
Die Kleinen hängt man,
die Großen lässt man laufen.
Das wird manchem ehrlichen
Steuerzahler in den Sinn kommen
beim Blick
auf das heutige Cum-Ex-Urteil.
Mancher Schwarzfahrer
landet im Gefängnis -
die Aktienhändler
kommen mit Bewährungsstrafen davon.
Auf den ersten Blick
kann das nicht gerecht sein.
Die beiden haben mit ihren
trickreichen Aktiengeschäften
über 400 Mio. Euro Steuerschaden
mitverursacht.
Bevor die Fäuste
auf die Stammtische knallen:
Ich finde die milden Strafen richtig.
Die Verurteilten
haben mit Geständnissen
nicht nur eigene Taten eingeräumt.
Als Kronzeugen
gaben sie viele Hinweise
auf weitere Steuerräuber
und neue Betrugsmethoden.
Die Staatsanwaltschaft Köln
ist deshalb
über 600 Beschuldigten auf der Spur:
Bankern, Beratern,
Steuerexperten, Aktienhändlern.
Eine Steuerhinterziehungsindustrie
wird sichtbar.
Auch unbekannte Methoden
kommen zutage.
Bundesregierung und Steuerbehörden
saßen natürlich
nicht mit auf der Anklagebank.
Doch die 44 Verhandlungstage
warfen auch auf sie kein gutes Licht.
Jahrelange Unfähigkeit
amtierender Finanzminister,
ein wirksames Gesetz
gegen Cum-Ex zu schreiben:
Das wirkte laut Kronzeugen
wie ein Brandbeschleuniger.
Finanzministerium und Steuerbehörden
luden niemanden
zum Steuerdiebstahl ein.
Aber sie haben jahrelang geschlafen.
Deshalb müssen die neuen Spuren
ernst genommen werden.
Die Verantwortlichen
müssen sicherstellen,
dass die Steuerhinterziehungsmaschine
nicht mit neuen Methoden weiterläuft.
Die Einschätzung
von Massimo Bognanni.
Die Wirtschaft leidet weiter
unter der Corona-Krise.
In ganz Europa sind Hilfen
in Milliardenhöhe geplant.
Die Nachrichten mit Judith Rakers.
Regierungen der Staaten
stemmen sich gegen die Krise
mit finanzieller Unterstützung
für Firmen und Unternehmer.
Aber an den Finanzmärkten
kehrte heute keine Beruhigung ein.
Weltweit fielen
die Aktien-Barometer weiter.
Der DAX verlor rund 5,6 %.
Dazu Anja Kohl.
Am stärksten
fielen Auto- und Luftfahrt-Aktien.
Auch BMW und Porsche stoppen
die Produktion in Europa.
In der Luftfahrt werden die Rufe
nach Staatshilfe lauter.
Wegen der Kursturbulenzen
wird es für Unternehmen schwerer,
sich über Anleihen zu finanzieren.
Die Regierungen wollen
mit noch mehr Geld zu Hilfe eilen.
Die in Europa
zugesagten Staatshilfen
belaufen sich
auf mindestens 780 Mrd. Euro.
In Deutschland
laufen erste Kredite an.
Der Bankenverband versicherte,
dass eine Kreditprüfung
binnen einer Woche machbar sei.
Ein Prüfungsverzicht
sei auch denkbar.
Den Banken soll erlaubt werden,
ihre Kapitalpuffer, 250 Mrd. Euro,
die sie aufgebaut haben,
für Kredite zu nutzen.
Drei Wochen nach Grenzöffnung
für Flüchtlinge
schließt die Türkei ihre EU-Grenzen
aufgrund der Corona-Pandemie wieder.
Gestern hatten Deutschland und
Frankreich der Regierung in Ankara
mehr EU-Hilfen zur Versorgung
von Flüchtlingen angekündigt.
In der vergangenen Nacht
hatte es Auseinandersetzungen an der
griechisch-türkischen Grenze gegeben.
500 Migranten versuchten,
den Grenzzaun niederzureißen
und wurden zurückgedrängt.
Bei den Präsidentschafts-Vorwahlen
der US-Demokraten
hat Ex-Vizepräsident Biden
drei weitere Siege errungen:
In Illinois und Arizona
liegt Biden klar vor.
Im bevölkerungsreichen Florida
ließ er seinen Rivalen Sanders
mit fast 40 % hinter sich.
Nach der erneuten Wahlschlappe
ließ Sanders mitteilen,
er werde mit seinen Unterstützern
prüfen, ob er im Rennen bleibe.
Kommen wir noch mal
zur Rede der Kanzlerin.
Darin lobt sie "kreative Formen,
dem Virus zu trotzen".
Sie wird auch das hier
vor Augen gehabt haben:
Klang-Kathedralen,
in denen niemand mehr zuhört.
Aber Kreative
sind auch ohne Publikum kreativ.
Sie bringen den Saal
in den virtuellen Raum.
In der Elbphilharmonie hatte
James Blunt sein Geisterkonzert.
Anderswo streamen
immer mehr Musiker und DJs.
Eigentlich hätte Traudl Welle
Chor gehabt, aber der fällt aus.
Also gönnt sie sich
ein Konzert - via Internet.
Das Konzerthaus kommt zu mir.
Gerade spielt Lang Lang,
live, aber ohne Publikum.
Das Konzert wird gratis gestreamt.
♪ Klaviermusik ♪
Am Nachmittag wird noch geprobt.
Kultur als Kitt für schwierige Zeiten
und für jeden zugänglich.
Das Programm:
Lang Lang, Max Raabe,
Daniel Hope und andere.
Es lief über alle Kanäle,
Telefon, WhatsApp, SMS.
"Wie viele Minuten braucht ihr,
welches Stück eignet sich?"
Solo? Zu zweit?
Drei Leute gehen nicht.
Wir wollen
keine großen Ansammlungen haben.
Daniel Hope ist glücklich:
Endlich wieder spielen
nach tagelanger Untätigkeit.
Ein Signal aussenden: auch schön.
Wir wollen uns bedanken
bei den Menschen, die uns helfen:
Sanitäter, Mediziner,
Krankenschwestern.
Alle Musikerinnen und Musiker
machen das ohne Gage.
Eine ähnliche Streaming-Aktion
kommt von Berliner Clubs.
Am Start heute: Watergate.
Die Musik ist da,
die Clubber sind zu Hause.
Es geht um Spaß schenken -
aber auch um Existenzangst.
Wir brauchen Aufmerksamkeit,
gerade geht ein Kultur-
und Industriezweig den Bach runter.
Im Konzerthaus gibt es
vor der Aufführung ein Problem:
Max Raabe sagt ab,
er hatte Kontakt zu Infizierten.
Telefonate, dann ist klar:
Dann spielt Lang Lang länger.
Dafür wird es kurzweiliger,
zu Hause rumzusitzen.
Claudia Kleinert
mit den Wetteraussichten.
Die sind frühlingshaft.
Am Wochenende ändert sich das.
Eine Kaltfront bringt kühlere Luft.
Morgen, hinter der Front,
wird es kälter.
Nach Südwesten und Westen
bleibt es noch warm.
In der Nacht
breiten sich die Wolken aus.
Die hingen schon am Tag über dem
Norden.
Anfangs ist es im Süden
locker bewölkt.
Morgen kommt das Wolkenband
nach Süden voran.
Der Regen lässt nach.
Von Norden her lockert es auf.
Danach gibt es dichtere
Wolkenfelder.
Am Samstag ist es überall kalt.
Sandra Maischberger
macht weiter im Ersten
und spricht mit ihren Gästen
über diese außergewöhnliche Woche.
Gegen 0.30 Uhr
meldet sich das nachtmagazin.
Morgen haben wir neue Tagesthemen.
Geben Sie auf sich acht.
Bis morgen.
Copyright Untertitel: NDR 2020