Deutschland bei Nacht: Land | Ganze Folge Terra X (2)
Das ist in ganz Deutschland so oder über Deutschland hinweg. Um den Konflikt lösen zu können, brauchen die Wissenschaftler
genaue Daten, wie die Tiere in diesem Teil von Thüringen leben.
Das Schwarzwild fühlt sich am wohlsten
in unterholzreichen Laub- und Mischwäldern.
Mit ausreichenden Wasservorkommen.
Es lebt überwiegend in Familienverbänden, den "Rotten".
Innerhalb der Rotte herrscht eine strenge Hierarchie.
Hier hat die Leit-Bache das Sagen.
Im Vergleich zu anderen Wildtieren haben Wildschweine
einen sehr schlecht ausgeprägten Sehsinn.
Trotzdem sehen sie bei Nacht noch immer besser als der Mensch.
Ihre Orientierung verdanken sie ihrem hervorragenden Geruchssinn,
der ihnen bei Nacht den Weg weist und bei der Suche nach Nahrung hilft.
* Musik *
Mit ausreichend Futter wollen die Forscher die Tiere
in diese Falle locken.
In einem Bauwagen befindet sich die Einsatzzentrale.
Dort warten sie ganz in der Nähe auf die Wildschweine.
Von hier aus beobachten sie das nächtliche Treiben per Videokamera.
Sie zeigt: Zu dieser Zeit sind nicht nur Wildschweine unterwegs.
Wird sich das lange Warten lohnen?
Die Falle schnappt zu, und die Tiere können besendert werden.
Mit dem Ergebnis lassen sich die Bewegungsmuster
im südlichen Hainich darstellen.
Die Spuren von zehn Wildschweinen über einen Zeitraum von drei Monaten.
Während sieben von zehn Tieren ihr Habitat,
ihren Lebensraum kaum verlassen, gehen drei Nacht für Nacht auf Reise.
Über 30 Kilometer streifen sie umher.
Anhaltspunkte, die einen Kompromiss zwischen Mensch und Tier
möglich machen könnten.
Von den Ergebnissen erhoffen wir uns, dass wir die Tiere hier in diesem Lebensraum besser verstehen. Dass wir wissen, wie die Jagd oder die landwirtschaftlichen Flächen, die jedes Jahr anders bestellt werden, aussehen. Dass wir wissen: Was hat das für einen Einfluss auf die Tiere im Lebensraum. Die Externsteine im Teutoburger Wald. Steinerne Zeugen der Vergangenheit.
Heidnisches Heiligtum und christliche Stätte.
In der Finsternis ist die bizarre Sandsteinformation
ganz besonders märchenhaft.
Der Naturpark bietet nachtaktiven Tieren Schutz und Nahrung.
So zum Beispiel auch dieser Uhu-Familie.
Erst nach etwa zehn Wochen
können die Uhu-Jungen alleine fliegen.
Solange müssen ihre Eltern für sie Nacht für Nacht jagen.
Und das machen sie nahezu lautlos.
Die Könige der Nacht:
Seit der Antike werden ihnen besondere Bedeutungen zugeschrieben.
Glücksbringer und Hexenboten.
In vergangenen Tagen wurden sie sogar lebendig an Scheunen genagelt.
Zum Schutz vor Hagel, Feuer und Zauberei.
Die Nacht verleiht vielem eine andere Wirkung.
Alles sieht anders aus, man sieht nicht mehr weit. Man sieht nicht, was hinter der nächsten Ecke ist. Alles verändert sich. Das ist etwas, was unsicher macht, was Ängste auslöst. Und was dazu führt, dass man anfängt, über diese Ängste zu reden. Sie in Bilder zu fassen, in bestimmte Geschichten zu fassen. Auch in Figuren. Da sind wir ganz schnell bei diesen vielen Figuren der Nacht, die mit dem Bösen, dem Unheimlichen verbunden werden: Vampire, Monster, der Teufel und so etwas wie die Hexe. Schauplatz schauriger Märchen ist oftmals der Harz.
Seit Mitte des 17. Jahrhunderts gilt er als der Versammlungsort
für unheimliche Wesen.
Schon Goethe sprach von Teufelstänzen und Hexensabbaten.
Die markanteste Erhebung ist der Brocken, auch als Blocksberg bekannt.
Noch im Mittelalter wagte sich kaum ein Mensch
in sein undurchdringliches Dickicht.
Erreichen konnte man seinen Gipfel damals am besten im Flug
auf Besen oder Mistgabeln.
Einmal im Jahr findet der Hexen-Spuk seinen Höhepunkt.
In der Walpurgisnacht vollziehen oder erneuern die Hexen
ihren Pakt mit dem Teufel.
Ihren Namen verdankt die Walpurgisnacht der heiligen Walburga.
Der Äbtissin aus England werden zahlreiche Heilungen zugesprochen.
Um das Jahr 870 wurde sie genau am 1. Mai heiliggesprochen.
Christliche Feste und heidnische Bräuche
vereinen sich in der Walpurgisnacht.
Schon Kelten und Germanen vertreiben mit Frühlingsfeuern
die bösen Geister des Winters.
Der Mensch fürchtet aber nicht nur lange, kalte Nächte,
Hexen und Zauberer.
Ihn schaudert auch vor Naturphänomenen,
die er nicht erklären kann.
* Donnergrollen *
Bis heute lösen Gewitter bei vielen Angst aus.
Und am schlimmsten ist das in der Nacht.
In den Alpen wirken sommerliche Hitzegewitter besonders bedrohlich.
Denn Gewitterwolken können stundenlang in einem Tal wüten.
Die Blitze schlagen dann spektakulär in die höchsten Punkte ein,
also in die Bergspitzen.
Gewitter spielen in der Geschichte der Menschheit eine große Rolle.
Schon früh lernen Steinzeitmenschen, das Feuer zu bändigen.
In der germanischen Mythologie ist es Thor, der als Donnergott
die Menschen vor zerstörerischen und finsteren Kräften beschützen soll.
Gewitter als Zeichen göttlicher Strafe.
Auch der spätere Reformator Martin Luther soll daran geglaubt haben.
Als in seiner Nähe ein Blitz einschlägt, so heißt es,
soll er in Todesangst gelobt haben, ein Mönch zu werden.
Wir haben eine lange Entwicklungslinie, wo wir immer wieder sehen: Der Mensch hat Angst vor dem Gewitter. Vor allem Angst vor dem Gewitter, weil er nicht weiß, wie es entsteht. Woher diese Geräusche mit dieser unglaublichen Macht kommen. Das Gewitter ist vor allem auch eine ganz reale Gefahr. Der Blitzschlag ist in der Lage, Städte und Dörfer zu vernichten. Die vielen Brände, die wir haben, gehen zum großen Teil auf Blitzeinschlag zurück. Bis zur Erfindung des Blitzableiters im 18. Jahrhundert. Insofern war die Angst vor dem Blitz und dem Donner auch berechtigt. Die Angst vor Naturgewalt und Winternacht:
Der Mensch hält dagegen und feiert das Licht, so oft er kann.
Sobald die längste Nacht des Jahres angebrochen ist, wissen wir:
Die langen, dunklen Winternächte werden bald wieder kürzer.
Die Wintersonnenwende kündigt die Rückkehr des Lichtes an.
Schon die Germanen feiern die Wintersonnenwende
in mehreren Nächten mit dem Julfest.
Noch heute erinnert die skandinavische Bezeichnung
Jul für Weihnachten an den germanischen Brauch.
Am 25. Dezember ehren die Römer den Sol Invictus,
den unbesiegbaren Sonnengott.
In der Antike ist dies der Tag der Wintersonnenwende,
an dem das Licht wieder Oberhand über die Finsternis gewinnt.
Der 25. Dezember gilt auch als Geburtstag von Jesus Christus.
Ihm zu Ehren führt der römische Kaiser Konstantin ein Fest ein.
Seit dem 4. Jahrhundert fallen Weihnachten und Wintersonnenwende
nun zusammen.
Das ändert sich erst mit der Einführung
des gregorianischen Kalenders.
Die längste Nacht des Jahres fällt nun auf den 21. oder 22. Dezember.
Licht in der Dunkelheit:
Alle Jahre wieder verbreiten Weihnachtsmärkte ihren Zauber.
Ein Lichtermeer mit Tannengrün.
Weihnachtsbäume gehören natürlich dazu.
Die Liebe zu immergrünen Zweigen findet sich schon in der Antike.
Für die Germanen ist die Tanne Symbol ewiger Lebenskraft.
Wir leben heute in einer aufgeklärten, säkularen Gesellschaft, wo die Kirche nicht mehr so eine große Rolle spielt. Doch wir kleben an diesen Bräuchen. Das tun wir deswegen: Das Wort Brauch kommt von Brauchen. Weil Menschen ein Bedürfnis nach solchen symbolischen Überformungen, nach solchen Bildern und Geschichten haben. Wir brauchen die, um unseren Alltag, unser Leben auch zu gestalten und zu grounden. So ein Fundament da reinzubekommen. Denn dieses Licht steht für etwas. Es steht für Zukunft, es steht für Hoffnung, es steht für Gemeinschaft und Miteinander und Wärme. Das ist etwas, was für Menschen unendlich wichtig ist, das zu haben. Auch im Sommer gibt es magische Nächte, vor allem die eine.
Wenn der längste Tag des Jahres auf die kürzeste Nacht trifft,
steht den jungen Männern aus den Dörfern am Waxenstein
eine Mutprobe bevor.
Auf steilen, felsigen Wegen erklimmen sie die Gipfel.
Um dort oben in der Dunkelheit Feuer zu entfachen.
Als Symbol des Lichts und des Lebens.
So feiern die Menschen die Sommersonnenwende seit Jahrhunderten.
Mit der Christianisierung wird
aus der möglicherweise heidnischen Tradition die Johannisnacht.
So oder so, die Feuer sollen Missernten, Krankheiten
und Dämonen fernhalten.
Wie kleine Glühwürmchen leuchten die Feuer
auf dem Bergkamm des Waxensteins.
Und in der Natur sehen sie so aus.
In warmen Sommernächten bringen sie die Dunkelheit zum Leuchten:
Glühwürmchen.
Bei Helligkeit eher unauffällige Typen.
Verwandeln sie sich bei Dunkelheit in strahlende Leuchtkäfer.
Das Geheimnis: Die Tiere produzieren ihr eigenes Licht.
Dank einer chemischen Reaktion setzt der kleine Körper Energie frei,
die er in Form von Licht abstrahlt.
Auch hier: Bioluminiszenz.
Und je schöner ein Glühwürmchen strahlt,
desto größer der Erfolg beim anderen Geschlecht.
Allerdings ist das Glück nur von kurzer Dauer.
Schon während des Liebesspiels erlischt ihr Licht.
Kurz nach der Paarung stirbt das Männchen.
Das Weibchen folgt ihm wenige Tage später.
Vorher legt es noch seine Eier ab.
Glühwürmchen werden aktiv, wenn die Lichtintensität unter einen Minimalwert sinkt. Die Tiere sind an die Dunkelheit angepasst, sie haben Augen, die mit dem Restlicht in der Nacht auskommen. Und sie produzieren selbst Licht, um zu kommunizieren. Wenn Kunstlicht die Nacht erhellt, dann stört das die Glühwürmchen. Beziehungsweise sie werden gar nicht erst aktiv. Die Nacht hat nicht nur optisch was zu bieten.
Tierische Sommernachtskonzerte sind ein echter Ohrenschmaus.
Im Frühling und Sommer zirpt und grillt es in den Wiesen.
Vor allem die scheue Feldgrille ist für ihre Musik bekannt.
Jens Esser ist Insektenforscher.
Er untersucht die stimmgewaltigen Klangkünstler.
Dabei sind es nur die männlichen Grillen,
die ihre Gesänge zum Besten geben.
Die Weibchen sind stumm.
Der Hauptgrund für die Nachtaktivität dürfte sein, dass dort weniger Fressfeinde unterwegs sind. Vor allem die Vögel sind bis auf wenige Ausnahmen tagaktiv. So können die Grillen-Männchen, die ja durch das Zirpen stark auf sich aufmerksam machen, den Schutz der Nacht genießen. Die männliche Grille zirpt aus unterschiedlichen Beweggründen:
Sehr laut wird sie, wenn es darum geht, ihr Revier zu verteidigen.
Noch viel mehr legt sie sich aber ins Zeug,
wenn sie die Aufmerksamkeit vom Weibchen erregen will.
Dann sitzt das Grillenmännchen vor seiner selbst gebuddelten Wohnhöhle
und wartet auf die Richtige.
Die er mit seiner Paarungsmelodie zu betören versucht.
Die Männchen haben nicht so viel Zeit, die wollen sich verpaaren. Die Weibchen auch nicht, die wollen ihre Eier loswerden. Deswegen ist es alles ein Termingeschäft. Ein Termingeschäft mit ausgeklügelter Zirp-Technik.
Alle Grillen sind Rechtsgeiger.
Auf der Unterseite ihres rechten Vorderflügels
befinden sich etwa 140 feine Zähne in Reih und Glied.
Mit dieser Zahnleiste streicht die Grille über die "Schrillkante"
des darunterliegenden linken Flügels.
Wie bei einem Kamm, der über eine Tischkante streift,
entsteht ein schnarrendes Geräusch.
Dieses leise Zirpen überträgt sich auf Membranen in den Flügeln,
die, leicht angehoben, wie Verstärker arbeiten.
Und die Geräusche in die Umgebung abstrahlen.
Bis zu 50 Meter weit.
Ein Termingeschäft ist auch die Landwirtschaft.
Nicht selten bringen Bauern ihre Ernte auch nachts ein.
Das oft unberechenbare Wetter zwingt sie dazu.
Ihnen drohen sonst Ernteverluste.
Deshalb bekommen die Landwirte Ausnahme-Regelungen.
Die riesigen Mähdrescher laufen dann bis tief in die Nacht.
Von der Magie der Finsternis ist nun allerdings nichts mehr zu spüren.
Der Mittelberg in Sachsen-Anhalt:
Hier entdeckten Raubgräber 1999 einen wahren Super-Schatz.
Einen archäologischen Jahrhundert-Fund.
Die Himmelscheibe von Nebra.
Sie zeigt die weltweit älteste konkrete Darstellung
astronomischer Phänomene.
Auf dem unteren Bogen der Bronzescheibe
erscheint eine Sonnenbarke während ihrer nächtlichen Fahrt.
Die Bögen links und rechts markieren den Horizont.
Zu sehen sind 32 Sterne und offenbar Sonne und Mond in ihrem Himmelslauf.
Sieben eng aneinander liegende Goldpunkte
symbolisieren die Plejaden.
Verschwand dieser Sternhaufen im März am westlichen Abendhimmel,
wussten die Bauern, dass es Zeit ist, zu säen.
Die Himmelsscheibe von Nebra, ein 3600 Jahre alter Bauernkalender.
Die Menschen haben schon, seit wir die Geschichte verfolgen können, von Sternbildern gesprochen. Die Geschichten setzten sich dann über die Jahrhunderte und durch die Völker fort. Es gibt auch in Deutschland viele Geschichten, die dazu erzählt werden, auch viele Sternbilder gemacht werden. Die Plejaden spielen eine große Rolle. Man kann immer über den Großen Wagen und den Bären Erzählungen machen. Die heißen ja auch so, dass einen das lockt, zu erzählen. Der Große Wagen ist eines der bekanntesten Sternbilder
und auf der Nordhalbkugel immer zu sehen.
In Niedersachsen erzählt man sich vom Mythos des Jägers Hackelberg.
Der wird bei der Jagd von einem Keiler tödlich verletzt.
Hackelbergs letzter Wille:
Sein Lieblingspferd soll ihn zu seiner letzten Ruhestätte bringen.
Das Pferd aber geht samt Wagen und Hackelberg durch und verschwindet.
Der Jäger findet seither keinen Frieden
und irrt deswegen ruhelos im Himmel umher.
Wenn man irgendwo steht und in einen klaren Nachthimmel schaut. Und man wirklich schauen kann. Und diese Abermilliarden von Sternpunkten am Himmel sieht, kommt man sich so unfassbar klein vor. Und dennoch ist man vielleicht auch beglückt, dass man dazugehört. Man ist zwar nur ein ganz kleines Pünktchen, aber man gehört dazu. In manchen Sommernächten lassen sich "leuchtende Nachtwolken" beobachten.
Himmlische Phänomene, die in etwa 80 km Höhe silbrig-blau schimmern.
* Musik *