Pendler - Der lange Weg zur Arbeit | Unser Leben
Es gibt Tage, wo auf alles ausfällt.
Da muss man gucken, wie man nach Hause kommt.
(Mann) Pendeln ist das Übel zu dem, was man sich vom Leben wünscht.
Montagmorgen, 6.20 Uhr, vor dem Bahnhof Götz in Brandenburg.
Anette und Sven Buck sind auf dem Weg zur Arbeit nach Berlin,
75 km entfernt, besser gesagt: 2 Stunden.
Das Ehepaar pendelt seit vielen Jahren
vom Brandenburger Umland in die Stadt.
Sie leben mit zwei Töchtern im Dorf Schenkenberg.
Ob der Zug pünktlich ist,
ist jeden Tag aufs Neue eine Zitterpartie.
Was ist das jetzt?
In Brandenburg umsteigen, 8 Uhr.
Fällt der heute aus?
Hier steht, 5 min Verspätung, aber wir sollen nach Brandenburg fahren
und dann nach Berlin, nicht dass jetzt kein Zug kommt!
Der Zug kommt aber doch.
Allerdings mit einigen Minuten Verspätung.
Im Pendler-Alltag sind Überraschungen möglich.
Ein- bis zweimal pro Woche gibt es Verzögerungen.
Da sind zwei Plätze.
Zwei freie Plätze nebeneinander.
Das ist selten, denn die Fahrgastzahlen steigen seit Jahren.
Brandenburg belegt in Deutschland Platz eins,
was Pendler betrifft.
Fast jeder Dritte fährt in benachbarte Bundesländer,
vor allem nach Berlin, 216.000 Menschen täglich.
Die Bucks pendeln mit dem RE 1 auf einer der meistbefahrenen Strecken
zwischen Magdeburg und Frankfurt (Oder).
Das ist eine ausgelastete Strecke,
mit einer für uns nicht so erfreulichen Taktung,
weil der auf dem Dorf nur alle Stunde einmal hält.
Der andere rauscht durch, und da sind viele von den Dörfern.
Wir haben das Handwerkszentrum in Götz mit vielen Auszubildenden,
wo viel Verkehr ist, wo viele Passagiere sind.
Das ist ungünstig, wenn nur alle Stunde ein Zug fährt.
Um 6 Uhr früh starten die Bucks in Schenkenberg.
Nach einer kurzen Autofahrt zum Bahnhof Götz
geht es mit dem Zug nach Berlin.
Sven Buck steigt am Zoologischen Garten aus.
Anette Buck fährt weiter bis zur Friedrichstraße.
Dort muss sie noch in die S-Bahn, zum Anhalter Bahnhof.
Bis sie ankommt, vergehen fast zwei Stunden.
Man darf nicht darüber nachdenken, wie lange man im Zug sitzt.
Andere fahren noch länger.
Viele fahren auf der Autobahn 2-3 Stunden, weil sie pendeln,
weil es für sie nicht anders machbar ist.
Guten Morgen, den Fahrausweis bitte!
Bei ihren täglich 3,5 bis 4 Stunden für Hin- und Rückfahrt
verbringen die Bucks Jahr für Jahr mehr Zeit im Zug als am Urlaubsort.
Über 30 Tage auf der Schiene.
Wenn ich ehrlich bin, schlafend.
Die Zeit ist doch lang, das ist eine gute Gelegenheit,
weil man abends nicht so schnell zur Ruhe kommt,
dass man da nachholt und die Augen zumacht.
Zur gleichen Zeit am Bahnhof Pritzerbe im Landkreis Havelsee.
Hier wartet jeden Morgen Adele Segrestin auf den RE 51,
der sie in die Stadt Brandenburg bringt.
Von dort geht es weiter nach Berlin.
Als sie mit ihrem Freund noch in Berlin lebte,
hatte sie einen kurzen Weg zur Arbeit.
Doch dann fand der Freund eine Anstellung in Brandenburg
und beide zogen in ein eigenes Haus im Landkreis Havelsee.
(mit französischem Akzent) Ich wohne in Pritzerbe seit vier Monaten.
Ich bin ziemlich neu in Havelsee.
Mit dem Umzug aufs Land
erfüllte sich das junge Paar einen lang gehegten Traum.
Doch der Arbeitsplatz von Adele ist weiterhin in Berlin.
Jeden Tag fahre ich mit dem Zug, aber das ist okay, das geht.
Ich fahre nach Charlottenburg.
Zur VHS-Charlottenburg, wo ich arbeite.
Ich habe drei Kurse vormittags und drei am Nachmittag, abends.
Ihre Route verläuft zunächst
mit dem kleinen Regionalzug von Pritzerbe nach Brandenburg.
Dort steigt sie um in den RE 1 und fährt nach Berlin-Charlottenburg.
Dicht bei der Volkshochschule, an der sie unterrichtet.
Um 7 Uhr verlässt sie das Haus, gegen 23 Uhr kehrt sie zurück.
Ein 16-Stunden-Tag.
Das ist ein sehr langer Tag, aber das ist nicht jeden Tag so.
Zwei Tage in der Woche, das ist okay.
Heute ist es anstrengend.
Sind die Züge pünktlich, ist sie zu früh am Arbeitsplatz.
Mit der nächsten Verbindung wäre sie aber schon zu spät.
Wenn ich zu spät zur Arbeit komme, ist das sehr schlecht.
Ich könnte meinen Job verlieren. Ich muss pünktlich sein.
Deswegen nehme ich manchmal einen Zug davor,
dann bin ich sicher, dass ich pünktlich bin.
Adele arbeitet als Französischlehrerin
an zwei Volkshochschulen, ein Hin und Her,
auch zwischen den Bezirken Charlottenburg und Schöneberg.
Die größeren Wartezeiten beim Pendeln
sind dem Stundentakt der Bahn geschuldet.
Das Ehepaar Buck hat Berlin inzwischen erreicht.
Man fängt an hochzutouren, man geht mit dem Strom, man muss ja.
Es geht schon morgens los, wenn Sie zum Zug wollen, der fährt pünktlich,
sollte pünktlich fahren, schon sind Sie im Trott.
Ich muss auch langsam los.
Okay, bis heute Abend.
Für Anette Buck ist der Weg etwas länger.
(Durchsage) Wir erreichen gleich Berlin-Hauptbahnhof.
Seit ihr Arbeitgeber ein neues Büro bezogen hat,
ist ihr Arbeitsweg sogar wesentlich länger.
Wir saßen vorher am Hauptbahnhof, das war besser.
Da stieg man hier aus,
lief 5 min und war auf der Arbeit.
Dann sind wir umgezogen, nun müssen wir noch ein Stück weiter.
20 min Zeit morgens und 20 min nachmittags.
Ein letztes Mal umsteigen, in die S-Bahn.
Die Pendlerin liegt gut in der Zeit.
Anders als bei Adele Segrestin kommt es bei ihr nicht auf jede Minute an.
Ich habe Glück, weil ich Gleitzeit habe.
Wenn ich einen Zug später komme, ist das halb so wild.
Das kann ich nach hinten arbeiten.
Die Gleitzeit hilft ihr auch beim Planen der privaten Termine,
z.B. Ämter- oder Arzt-Besuche.
Man muss trotzdem versuchen zu arrangieren,
dass der Zahnarzt-Besuch realisiert wird,
um nicht unbedingt einen Tag Urlaub zu nehmen.
8 Uhr.
Anette Buck ist jetzt seit zwei Stunden aus dem Haus.
Sie hat noch keinen Handschlag für ihren Bürojob gemacht.
Die Zeit ist einfach "auf der Strecke" geblieben.
(Durchsage) Berlin-Charlottenburg, bitte rechts aussteigen.
Eine Stunde später, 9 Uhr.
Adele Segrestin hat ihren Zielbahnhof erreicht.
Ihr erster Kurs beginnt erst in einer knappen Stunde.
Mehr als genug Zeit für die Vorbereitungen.
Prinzipiell ist sie sehr flexibel und hat in ihrem Leben
schon eine Menge Pendelei hinter sich.
Ich habe früher in anderen Ländern gearbeitet,
jetzt bin ich in Berlin.
So, das ist mein ganzes Gepäck für heute.
Mit dem Umzug war eine große Frage:
Kann ich in Berlin arbeiten und in Brandenburg wohnen?
Aber, ja ...
Jetzt ist das so, bisher kann ich das schaffen.
Un, deux, trois, quatre, cinq, six, sept, huit, neuf, dix.
Oui, c'est bon.
Die 8-10 Schüler kommen aber erst in 20 min.
Es könnte eine Alternative sein, dass ich in Brandenburg arbeite.
Aber ich glaube, es gibt derzeit dort
keine so große Nachfrage wie in Berlin für Französisch.
Es ist nicht Englisch, es ist Französisch.
Immer noch 10 min bis zum Unterrichtsbeginn.
Ich mag es, zwischen diesen zwei Welten zu sein.
Ich wohne in Ruhe auf dem Land, in der Natur,
und ich arbeite in der Stadt.
Bonjour. Bonjour.
Je m'appele Adele, je suis francaise.
J'habite dans le Brandenburg, a Pritzerbe.
Heutige Lektion: das Vorstellungsgespräch.
Name, Heimatland, Wohnort, Sprachkenntnisse,
was man so braucht.
Sven Buck arbeitet bei der Evangelischen Militärseelsorge
der Bundeswehr.
Störe ich? Nein? Okay, alles klar.
Ich bin Sachbearbeiter im Referat 1, Personal.
Ich mache mit meiner Chefin, die heute nicht da ist,
Aus— und Fortbildungen für die Seelsorger,
aber auch für die Pfarrhelfer.
Vor einigen Jahren zog sein Amt von Bonn nach Berlin um.
Für Sven Buck eine enorme Erleichterung.
Früher pendelte er von Schenkenberg nach Bonn
und war nur am Wochenende zu Hause, generell ist es für ihn nun besser.
Wir haben auch im Haus Veranstaltungen,
wo die Woche über Publikumsverkehr ist, der zu betreuen ist,
und zwar nicht nur bis 17 Uhr, wenn mein Zug geht.
Das geht bis abends, bis die Gruppe fertig ist.
Wenn es mal länger dauert, nehme ich mir lieber ein Zimmer,
als mich um 22 Uhr in den Zug zu quetschen.
Anette Buck arbeitet als Bilanzbuchhalterin
beim Deutschen Bundeswehrverband, sie ist gern dort.
Trotzdem ist der lange Weg auf Dauer keine Lösung für sie.
Ich war schon an dem Punkt, dass ich gemerkt habe,
das Pendeln ist so belastend auch für das Familienleben,
dass ich versucht habe, eine Arbeitsstelle
in der Nähe zu finden, ich habe auch eine gefunden.
Doch ihre Chefin wollte sie nicht gehen lassen und kämpfte um sie.
Das Angebot: ein Tag Home-Office, immerhin ein Anfang.
Man hat allein drei Stunden weniger Fahrweg,
die man effektiv nutzen kann.
Auf lange Sicht gesehen, wir digitalisieren uns ja immer mehr,
denke ich, dass wir auf 1-2 Tage mehr zugreifen können irgendwann.
Als die Kinder kleiner waren, hätte ich das nicht machen können.
Das hätte ich mit meinem Gewissen auch nicht vereinbaren können,
sie so lange allein zu lassen, aber jetzt, wo sie größer sind,
schon vieles allein regeln wollen, ist das für mich vereinbar.
Annika ist die jüngere Tochter von Sven und Anette Buck.
Sie ist 15 Jahre alt und geht in Werder zur Schule.
Wenn sie nachmittags heimkommt, sind die Eltern noch in Berlin.
Kein Hallo, kein warmes Mittagessen auf dem Tisch.
Manchmal ist noch etwas vom Wochenende vorbereitet
oder vom Vortag, wenn ich etwas vorkoche.
Aber es kommt darauf an.
Am Anfang war es sehr ungewohnt, weil man öfter alleine ist
und gucken muss, was man macht und die Zeit rumkriegen muss.
Jetzt hat man sich daran gewöhnt, man verabredet sich mit Freunden,
so dass man eine Nachmittagsbeschäftigung hat.
Annika musste schnell lernen, selbständig zu werden.
Bei Freizeitaktivitäten ist sie jedoch auf Hilfe angewiesen.
Heute muss sie zum Rudertraining.
Da nimmt mich eine Mutter mit, wir machen immer eine Fahrgemeinschaft.
Die Fahrt geht nach Lehnin, 12 km entfernt von Schenkenberg.
Die Nachbarin Susann Zimmermann übernimmt jeden Mittwoch
die Hinfahrt der Teenager, Sven Buck die Rückfahrt.
Wenn er es schafft.
Wenn man pendelt, ist der Arbeitstag ja länger als acht Stunden,
weil man noch 1-2 Stunden für das Pendeln draufrechnen muss.
Und die Hobbys der Kinder starten meistens früher.
Dann ist man in der Zwickmühle.
Entweder arbeitet man an den Tagen kürzer
oder man greift auf Fahrgemeinschaften zurück.
Ich bin früher auch gependelt, das ist schon belastend.
Ich habe das Problem nicht mehr, ich bin selbstständig.
Ich machte mich selbstständig, damit ich meine Zeit frei einteilen kann.
Davon profitieren unsere Kinder.
Annika profitiert vor allem vom nachbarschaftlichen Fahrdienst.
(Annika) Es hat gute und schlechte Seiten.
Man kann schön etwas alleine machen.
Aber eine schlechte Seite ist, man muss gucken, was man alleine macht.
Dann verfällt man schon mal in Langeweile. (lacht)
Während Annika mit der Freundin gegen die Langeweile anrudert,
macht sich ihr Vater von Berlin aus auf den Rückweg.
Es ist 16.40 Uhr.
Nun entscheidet sich,
ob er Annika und ihre Freundin rechtzeitig abholen kann.
(Durchsage) Heute 10 min später.
Grund ist eine technische Störung an einem anderen Zug.
Heute früh ging es schon los.
Meistens zieht es sich über den Tag hinweg.
Es wird heute etwas später.
Jedoch noch nicht zu spät.
Wenn die Bahn nicht liegenbleibt, ist der Kinder-Fahrdienst gesichert.
(Durchsage) Ihre nächsten Anschlüsse:
RE 2 nach Brieselang über Berlin-Spandau.
45 min später macht sich auch Annette Buck auf den Heimweg.
Sie will den Zug ab Friedrichstraße schaffen,
der nur einmal pro Stunde fährt.
Wenn alles gut geht, wird sie gegen 19.15 Uhr zu Hause sein.
Durch die Zugverbindungen bin ich relativ gebunden,
ich kann nur zu bestimmten Zeiten aufhören zu arbeiten.
Ich kann nicht genau nach 8 Stunden Arbeitstag
den Bleistift fallen lassen und nach Hause fahren.
Ein Leben nach dem Fahrplan der Deutschen Bahn.
In der Stadt zu wohnen kommt für sie trotzdem nicht in Frage.
Ich bin ein typischer Landmensch, so nenne ich es mal.
Ich fahre zum Arbeiten nach Berlin, dann wieder nach Hause.
Ich liebe das Leben auf dem Land.
Ihr RE 1 nach Magdeburg kommt heute ohne Verspätung.
So wird sie aller Voraussicht nach
auch den Bus vom Bahnhof Götz nach Hause schaffen.
Der fährt leider auch nur einmal pro Stunde,
nimmt keine Rücksicht auf Zugverspätungen.
In etwa 1,5 Stunden wird sie heute zu Hause sein, endlich.
Man sollte nicht ausrechnen ...
... sein Einkommen nicht umlegen auf die Abwesenheitszeit von zu Hause.
Da kriegt man einen so geringen Stundenlohn heraus,
dass man eigentlich nicht zur Arbeit gehen bräuchte.
Und dann ist da noch das Pendlerticket.
Es kostet 1250 Euro im Jahr.
Immerhin ist das günstiger, als Auto zu fahren.
Während Anette Buck noch im Zug sitzt,
kümmert sich ihr Mann zu Hause ums Abendessen und um die Töchter.
Die Hausarbeit teilen wir uns, anders ist das nicht zu machen.
Ich kann nicht abends zu meiner Frau sagen:
"Du musst die Waschmaschine noch anstellen!"
Das läuft automatisch, Wäsche abnehmen, waschen, aufräumen,
mit den Kindern z.B. Schulaufgaben machen,
obwohl ich da manchmal auch an meine Grenzen komme.
So hat er leider auch keine Zeit, seine Frau vom Bahnhof abzuholen.
Das müssen wir für morgen aufschreiben.
Das gesamte Familienleben wird durchs Pendeln etwas zerfasert.
(Durchsage) Bitte in Fahrtrichtung rechts aussteigen.
Besonders in der dunklen Jahreszeit
zieht sich der Heimweg am Ende eines langen Arbeitstages hin.
Während ihre Familie zu Hause schon gegessen hat,
beginnt die letzte Etappe von Anette Bucks Heimfahrt.
Zuhause wird es kein großes Hallo geben,
alle sind müde.
Unterhaltungen werden sich auf das Notwendige beschränken.
Wenn ich nach Hause komme, haben meist alle schon gegessen,
weil es recht spät wird bei mir.
Aber meist kommen sie runter und erzählen, wie ihr Tag war.
(Annika) Je nachdem, was man besprechen möchte,
geht man lieber zu Mama oder zu Papa.
Man wartet immer, dass man als ganze Familie wieder zu Hause ist
und sich unterhalten kann über den Tag.
Auch fertig? Wir haben etwas geschafft. (lacht)
Inzwischen ist es nach 21 Uhr.
Adele Segrestin hat gerade ihren letzten Kurs
an der Volkshochschule Schöneberg beendet.
Den Fußweg zum Bahnhof Zoo läuft sie gern.
Der RE 1 nach Brandenburg kommt ohnehin erst in 30 min.
Es ist so, ich habe keine andere Möglichkeit.
Deswegen akzeptiere ich es, wie es ist.
Wenn es um diese Zeit zu Ausfällen kommt,
kann der Heimweg ins Umland zur richtigen Strapaze werden.
Zwischen Brandenburg und Berlin gab es bisher kein Problem.
Aber der Zug zwischen Pritzerbe und Brandenburg,
die kleine Linie, die ist mal ausgefallen.
Ich musste meinen Freund anrufen und sagen:
"Kannst du mich abholen?" Tja.
Der Freund, Marcus Podewski, kommt schon um 17 Uhr nach Hause.
Er arbeitet als Lehrer in der nahen Umgebung
und hat darum auch Zeit zum Essenmachen.
Adele war sich bewusst, dass ihr Leben viel stressiger wird.
Wir redeten davor lange darüber, ob sie das wirklich möchte,
weil sie eine luxuriöse Position hatte in Berlin,
mit ihren kurzen Anfahrtswegen zur Arbeit.
Sie meinte, das sei für sie kein Problem oder weniger schlimm,
auch dadurch, dass sie den Zug nimmt.
Mein Eindruck jetzt ist,
wenn sie 5 Tage die Woche arbeiten geht,
dass es viel zu krass ist und ihr nicht gut tut, definitiv.
So etwas kann man nicht langfristig machen.
Das geht einfach nicht, da macht man sich selber kaputt.
Man hat irgendwann einen Burnout oder wird depressiv.
Ich versuche so gut ich kann, sie zu unterstützen,
indem ich abends für sie koche, indem ich versuche,
ihr das Leben so schön wie möglich zu machen.
Dadurch, das wir uns kaum sehen, ist das ein kleiner Gruß,
eine Art Austausch, den wir da haben,
so dass man das Gefühl hat, dass da noch jemand ist,
dass man nicht allein im Haus lebt unterhalb der Woche,
sondern dass da noch ein anderer Mensch ist.
Inzwischen ist es ist 23 Uhr.
Vom Bhf. Pritzerbe sind es nur ein paar Hundert Meter bis nach Hause.
Das Auto hatte Adele morgens am Bahnhof abgestellt.
Zu Fuß würde die Strecke
den Arbeitsweg um weitere 15 min verlängern.
Außerdem: Wer würde hier nachts gern alleine gehen?
* Musik *
Wenn sie nach Hause kommt, schläft ihr Freund schon.
Er muss früh aufstehen und fit für die Schule sein.
Nur sein Eintopf wartet noch.
Er macht immer etwas mehr,
weil er weiß, dass ich spät nach Hause komme und hungrig bin.
Er ist lieb, er bereitet immer etwas vor für mich.
Ich esse schnell, dann gehe ich so früh wie möglich ins Bett.
Nach einer langen Arbeitswoche
sitzen die Bucks endlich mal wieder gemeinsam am Tisch.
Auch Annika ist schon aufgestanden, ihre Schwester schläft noch.
Sie möchte außerdem nicht gefilmt werden.
Man muss schon kalkulieren, dass man die Woche übersteht.
Man kommt spät nach Hause, die Läden haben meistens schon zu.
Auf dem Weg zum Bahnhof kann man Kleinigkeiten abgreifen.
Wenn mal die Zahnpasta oder Brot fehlt,
das kann man schnell zwischendurch kaufen.
Gefüllte Champignons, Antipasti.
Das Familienleben konzentriert sich also aufs Wochenende.
In der Woche bleibt meist alles liegen.
Immerhin ist es ein 4-Personenhaushalt.
Block, Zettel, Stift, fertig.
Während Vater und Tochter den Einkauf für die Woche erledigen,
macht Anette Buck neben Home-Office
am Wochenende noch die klassische Hausarbeit.
Oft wünscht sie sich dabei etwas mehr Unterstützung.
Doch die Kinder haben eigene Vorstellungen vom Wochenende
und einen ebenso eng gestrickten Zeitplan.
Das sind aber normale Probleme,
die nichts mit dem Pendlerleben zu tun haben.
Für heute Abend etwas für die Pizza.
Für die Hunde Hackfleisch.
Ein paar Sachen, die wir brauchten.
Ansonsten für die Woche Vorrat, damit wir alles dahaben.
Schon wieder etwas viel, man kauft immer auf Reserve.
Das Private und alles fürs Heim:
Das konzentriert sich alles aufs Wochenende, das nervt mich!
Man will Freunde treffen.
Heute Abend wollen wir zusammen Pizza machen.
Da muss einiges vorbereitet werden.
Für mich läuft eine innere Uhr, die anfängt zu rasen.
Dann muss ich versuchen, alles ruhig auf die Reihe zu kriegen,
obwohl ich merke, schnell kommt Hektik ins Spiel.
Auf dem Land leben und in Berlin arbeiten,
bleibt nach all den Pendlerjahren
ein anstrengender Spagat für die Familie, trotzdem:
Die Entscheidung, auf dem Land zu leben,
haben wir schon vor langer Zeit gefällt.
Wir wohnen hier 20 Jahre, und ich habe es nie bereut.
Für mich ist das ein Zeichen von Freiheit, auf dem Land zu leben.
Der einzige Wermutstropfen: 4 Stunden Fahrweg jeden Tag.
Oh, das ist einfacher, als ich gedacht habe.
(Freund) Siehst du, sehr schön.
Bei Adele Segrestin und ihrem Freund Markus Podewski
ist das Wochenende auch gut verplant.
Sie möchten Hühner halten, da muss ein Stall her.
Am Wochenende bin ich ziemlich müde.
Ich habe nur zwei Tage, um mich zu erholen von meiner Arbeitswoche.
Doch Haus und Grundstück sind nicht im besten Zustand.
Ausbessern und renovieren, erneuern und ersetzen, planen,
selber Hand anlegen, Neues schaffen, überall gibt es Baustellen.
Und doch scheint der Plan vom gemeinsamen Leben auf dem Land
für sie aufzugehen.
Ja, besser geht es nicht. Ja.
In den ersten Wochen, als wir hier waren und eingezogen sind,
lagen wir im Bett und sagten: "Hörst du das? Hörst du das?"
"Ja, gar nichts!"
Adele und Marcus wollen bald eine Familie gründen.
Dann werden sie das ständige Pendeln zwischen Berlin und Pritzerbe
noch einmal neu bewerten müssen.
Jetzt haben wir keine Kinder, dadurch ist es einfach.
Wenn die Kinder kommen, müssen wir eine andere Lösung finden.
Meine Hoffnung für die Zukunft ist, dass wir es besser hinkriegen
und sie vielleicht zwei Tage die Woche in der Nähe arbeitet
und zwei Tage in Berlin.
Sie ist die beste Französischlehrerin Deutschlands!
Wenn die Tage wieder heller werden und einem länger vorkommen,
lässt sich vielleicht auch das Pendeln etwas besser ertragen.
Ich will hier bis zum Lebensende wohnen!
Als wir das Haus gesehen haben, sagten wir:
"Das ist ein Haus, in dem man alt werden kann."
Unten können wir wunderbar auch wohnen,
wenn wir 80, 90 Jahre alt sind.
* Musik *
Solange wir das zusammen machen ... Ja.
Das ist der entscheidende Punkt.
Genau, wir sind zusammen, das ist das Wichtigste.
Exakt. Ja.
Montagmorgen, eine neue Arbeitswoche beginnt.
Warten, lange Fahrwege,
Zugverspätungen und wenig Zeit fürs Privatleben.
Dann heißt es wieder: durchhalten bis zum nächsten Wochenende!
Untertitel: rbb 2020 Petra Winkler