×

We gebruiken cookies om LingQ beter te maken. Als u de website bezoekt, gaat u akkoord met onze cookiebeleid.


image

Funkkreis. Podcast der Bundeswehr, Podcast #26: PTBS - Bundeswehr (1)

Podcast #26: PTBS - Bundeswehr (1)

Delta to all, radiocheck. Over.

Hier ist Bravo, kommen.

This is Tango. Over.

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr.

(A): Afghanistan ist heute unser Thema, genauer gesagt das Gefechtsjahr 2010. Der Krieg mit

all seinen Schrecken war plötzlich bei uns Mitten in Deutschland. Mit den Gefallenen,

die in Zinksärgen zurückkamen und bei ihren Kameraden, natürlich, die zwar überlebt

hatten aber mit tiefen Narben auf der Seele. PTBS – Posttraumatische Belastungsstörung.

Ich bin Barbara Gantenbein von der Redaktion der Bundeswehr in Berlin und mein Gast heute

ist Oberstarzt Dr. Peter Zimmermann, Leiter des Psychotrauma-Zentrums am Bundeswehrkrankenhaus

in Berlin. Schön, dass sie heute bei uns sind und ganz

herzlich Willkommen. Erste Frage: ist PTBS denn eigentlich wirklich

seit 2010 erst ein Thema in der Bundeswehr?

(B): Die Posttraumatische Belastungsstörung

ist schon länger in der Bundeswehr ein Thema. Übrigens nicht nur in der Bundeswehr. Man

weiß über solche Einsatzfolgen/ Kriegsfolgen im Grunde genommen schon seit 150 Jahren.

Auch im ersten und im zweiten Weltkrieg gab es durchaus sehr sichtbare und häufige psychische

Folgen von Extremstress, wie Kampfstress und die Bundeswehr hat ja nun Gott sei Dank viele,

viele sehr friedliche Jahre gehabt in denen das nicht so wirklich ein Thema war und dann

Mitte der 90er fingen wir langsam an uns damit zu beschäftigen, weil wir da erste

vereinzelte Personen aus den damaligen Feldlazarett aus Phnom Penh bekamen. Nun, und so richtig

los ging es eigentlich dann im Kosovokrieg, als dann 1999/ 2000 der Einmarsch war. Da

wurde ja nun auch schon bekämpft, wenn auch nur im kleinen Ausmaß. Allerdings gab es

da durchaus auch hoch gefährliche Situationen, die auch in der Lage waren, Traumatisierungen

auszulösen. Grade im Grenzgebiet zu Albanien im Kontakt zu Schmugglern. Dann auch die ethnischen

Konflikte, die auch mit Gewalt einhergingen und ganz schlimm, bis heute auch ganz schlimm,

dass ausheben der Massengräber seiner Zeit. Da gibt es also bis heute eine Menge Soldaten,

die da mitgeholfen haben bei der entsprechenden Dokumentation. Die Anblicke, die Gerüche,

die sie bis heute auch nicht vergessen haben und offenkundig und noch deutlich häufiger

intensiver beachtet wurde es dann seit 2002 durch den Afghanistan Einsatz. 2003 war ja

quasi unser Schlüsselereignis, unser Startereignis in Sachen Psycho-Traumatologie, das war dieses

große Busattentat, auf diesen zurückkehrenden Bus wo viele Deutsche ums Leben gekommen sind

und viele verletzt wurden. Und das hat natürlich auch psychisch schlimme Folgen bei den Beteiligten

aber auch bei dem Hilfs Personal: Sanitäter, Rettungsgeräte, Feldjäger hinterlassen,

auch bis heute.

(A): Ja, das kann ich mir vorstellen. Aber

dieses Gefechts Jahr 2010 war ja noch mal eine ganz andere Dimension, weil in kurzer

Folge unsere Soldaten in mehreren sehr, sehr schwere Gefechte verwickelt wurden, sieben

Gefallene zu beklagen waren und etliche Verletzte. Ich glaube in den Augen der Öffentlichkeit

ist es da erst so richtig angekommen. Die Thematik auch PTBS. Was hat denn das in der

Bundeswehr dann ausgelöst an weiterer Beschäftigung mit der Belastungsstörung.

(B): Wir haben ja eine recht gut entwickelte psychiatrische Versorgung in der Bundeswehr

mit psychiatrischen Abteilungen in den Bundeswehr Krankenhäusern, mit psychiatrischen Ambulanzen

und diversen anderen Elementen noch. 2010 hat da sicher das Augenmerkt der Öffentlichkeit

noch mal vermehrt draufgelegt, durch Betroffenheit.

Wobei ich tatsächlich sagen muss, die Dynamik

in der Entwicklung sind in der Psychiatrie nicht so schnell wie vielleicht in anderen

Bereichen, denn viele Störungen, wenn - und das ist ein großes Problem auch letztendlich

für unsere Versorgung - von den Betroffenen erst nach Jahren erkannt, ernstgenommen,

kommuniziert und erst danach dann noch behandelt. Das heißt, dass was wir 2005, 2007 behandelt

haben, dass waren letztendlich Störungen die 2000 entstanden sind und die behandeln

wir ja zum Teil bis heute und das was 2010 an Störungen entstanden ist, ist mit Masse

noch gar nicht gekommen.

(A): Tatsächlich. Also auch 10 Jahre später noch nicht? OK.

(B): Das können wir nicht beweisen aber es gibt durchaus Studien, die darauf hinweisen.

Es gab zum Beispiel 2009 bist 2013, das war grade in der Zeit, diese große Dunkelzifferstudie,

die ja vom deutschen Souverän beauftragt worden ist und in der Studie ist festgestellt

worden, dass mehr als 20% der Einsatzteilnehmer nach Rückkehr unter einer psychischen Störung

litten und da war die PTBS durchaus eine der Wesentlichen. Vor allem aber Angststörungen

und affektive Störungen, also Depressionen. Ein Teil der Untersuchungen wurden ein Jahr

nach Einsatzende durchgeführt und dann wurde auch gefragt: „Waren Sie denn mit Ihrer

Störung, jetzt ein Jahr nach Einsatzende, schon mal in Behandlung?“ Und das waren

nur 10 bis 20% die das bejaht haben.

(A): Kann es aber sein, wir haben ja seit

einiger Zeit dann auch diese Einsatznachbereitungsseminare,

wo die Leute ja auch mehr dazu rangeführt

werden sich in Behandlung zu begeben. Also dieses Stigma wird ja immer weiter abgebaut.

Gott sei Dank. Kann es sein, dass es damals auch noch daran lagt? Also stellen Sie da

eine Besserung fest, dass die Leute früher kommen?

(B): Der Prozess der Entstigmatisierung ist ein ganz wichtiger in der Bundeswehr aber

auch in allen anderen Einsatzkräftesystemen. Polizei, Feuerwehr, denn das sind Systeme,

die oft Menschen anziehen, die einen hohen Anspruch an sich selbst haben, an ihre Professionalität,

ihre Rolle als Retter, Schützer haben und deswegen auch nur schwer mit sich selbst auch

vermeintliche Schwächen anerkennen oder in Behandlungen gehen oder Ähnliches. Deswegen

tut Aufklärung not. Es hat sich glaube ich einiges zum Positiven gewandelt in den letzten

Jahren. Vor allem durch Aufklärung auch von militärischen Führungspersonal.

Da gibt es diverse Bemühungen, das sind Schlüssel-Personen,

je besser der Vorgesetzte, der Kompaniechef,

Bataillonskommandeur, Brigade Kommandeur. Letztendlich aber auch die Spieße wissen,

wie sie mit so etwas umgehen, desto offener ist das Klima in den Einheiten. Also das ist

das A und O. Da hat sich durchaus einiges zum besseren gewandelt aber um es mal vorsichtig

zu sagen: ein bisschen Luft nach oben haben wir durchaus noch.

(A): Ja das kann ich mir gut vorstellen. Gibt es denn aktuelle Zahlen, von wie vielen Betroffenen

wissen wir im Moment in der Bundeswehr und

haben sie eine Vermutung wie hoch die Dunkelziffer sein könnte?

(B): Wenn man sich mit den Zahlen beschäftigt,

gibt keine verlässliche Gesamtzahl wie viele Soldaten jetzt aktuell in der Bundeswehr unter

Einsatzfolgestörungen leiden. Das liegt an verschiedenen Dingen. Zum Einem daran, dass PTBS

nur ein der vielen möglichen Einsatzfolgestörungen ist. Noch deutlich häufiger als die PTBS

ist beispielweise die Angststörung, vor allem die Angst vor dem Draußen, die Agoraphobie,

depressive Störungen, beide deutlich häufiger als die Posttraumatische Belastungsstörung.

Und deswegen, wenn man sich über Einsatzfolgestörungen unterhält,

dann sollte man sie alle betrachten.

Wir kriegen in unsere Versorgungssysteme jedes Jahr neu 200 Pi mal Daumen aktive und ehemalige

Soldaten und wir rechnen damit, bei uns in der Versorgung, in den Versorgungssystemen

in den nächsten Jahren noch einige zusätzlich, viele zusätzlich, kriegen werden, die sich

seit Jahren mit ihren Symptomen herumschleppen und eigentlich nie in Behandlung waren.

(A): Gibt es zur Erkrankung an sich einige neue Erkenntnisse, die vielleicht auch dazu

beitragen könnten, dass die Leute zu Ihnen kommen und sich früher Hilfe suchen.

(B): Ein Element was uns hier in Berlin sehr wichtig ist, ist das es neben der eigentlichen

Trauma Fehlverarbeitung noch verschiedene andere Prozesse gibt, die sehr wichtig sind

im Erleben. Ich will ein Beispiel nennen: Ein Soldat, der beschossen worden ist.

Im Auslandseinsatz. Der war in einer lebensbedrohlichen Situation. Das ist ein Klassiker für die

Posttraumatische Belastungsstörung, die er dann angstvoll erlebt und diese Angst ist

dann so, wie man im Jargon sagt konditioniert, das heißt sie tritt auch in eigentlich harmlosen

Situationen auf. Es ist Silvester, es knallt, dann ungezügelt

wieder zu Tage und verliert die Lebensqualität.

Einer der möglichen Mechanismen, gar nicht selten.

Wenn dieser Soldat, beim beschossen werden nun aber zurückschießt,

dann ändert sich seine Rolle, das heißt,

er wird von dem Bedrohten, wenn sie so wollen Opfer, in seinem eigenen Erleben, nicht juristisch,

aber in seinem eigenen Erleben auch zum Täter, weil er möglicherweise einen Menschen verletzt

oder tötet und diese Dimension ist in den klassischen Konzepten der PTBS bislang nur

am Rande berücksichtigt. Es kommt dann zu Phänomenen, wie zum Beispiel Schuldgefühlen

und zu Phänomenen wie Scham aber auch oft zu einem ganz hartnäckigen Zorn zum Beispiel

auf Verantwortliche oder aber auf die lokale Bevölkerung und diese Gefühle unterscheiden

sich von dem Angstgefühl was vor allem die PTBS prägt in so einer Situation. Schuld,

Scham, Zorn, das sind oft sehr hartnäckige Gefühle und werden fast noch ein bisschen

häufiger verdrängt als jetzt Angst, weil die innere Überzeugung zum Ausdruck kommt:

„Nimm das mal nicht so ernst“, „Das hältst du schon aus“, „Warst ja im Recht“.

Und trotzdem schwillt es in der Tiefe und macht dann Folgen und diese Folgen können

recht schwerwiegend sein. Diese Folgen führen dazu, dass sich Menschen, die unter Scham

leiden, als nicht mehr liebenswert, als sozial nicht mehr attraktiv erleben, sich dann zurückziehen,

manchmal aggressiv werden, manchmal unsicher werden, manchmal zynisch werden und letztendlich

mit sich selbst nicht mehr im Reinen sind. Es gibt auch inzwischen erste Untersuchungen

die zeigen, dass durchaus auch das Suizidalitätsrisiko im chronischen Verlauf dann steigen kann,

was natürlich plausibel ist. Wenn man sich als nicht mehr liebenswert betrachtet, dann

betrachtet man sich vielleicht auch irgendwann als nicht mehr lebenswert. Deswegen beschäftigen

wir uns mit solchen Themen hier auch wissenschaftlich und haben erste Studien dazu gemacht die durchaus

auch zeigen, dass Wertorientierungen und Symptomschwere eng miteinander korrelieren.

Wir haben auch ein Therapiemanual hier entwickelt, was sich mit diesen, wir nennen das moralische Verletzungen,

„moral injury“ beschäftigt. Was wir hier regelmäßig anwenden, auch schon auf Wirksamkeit

getestet haben. Das ist also einer unserer Schwerpunkte und ich denke durchaus auch für

die breite Aufklärung wichtig, weil der Fokus sonst oft nur, bitte „nur“ in Anführungsstrichen,

auf so einem Thema wie Angst liegt und wer die Angst nicht wahrnimmt, dann vielleicht

denkt „na ich habe ja nichts“. Aber eine tiefgreifende Verrückung des eigenen Wertesystems,

Schuldgefühle, das sind Dinge auf die man hinweisen sollte, denn, ich sage mal aus meiner

Erfahrung die jetzt schon einige Jahre geht, ist das etwas was fast noch schwerer an der

Persönlichkeitsstruktur nagt als eine Angst die vielleicht jeden zweiten Tag mal auftritt.

(A): Ja und es ist auch unerwartet, weil man ja eigentlich davon ausgeht, dass der der

die Chance hat zurück zu schießen sich ja auch als handelnd erlebt. So als aktiv und

nicht als ausgeliefert. Insofern eine sehr interessante Facette,

die mir so auch überhaupt nicht bewusst war.

Kann man denn PTBS überhaupt heilen? Also ich weiß, es gibt Therapien,

aber kann man das Krankheitsbild an sich dauerhaft heilen?

(B): Eine Erfahrung die wir im langjährigen Umgang mit Posttraumatischen Belastungsstörungen

jeder Art gemacht haben ist, dass es durchaus gut möglich ist eine wesentliche Verbesserung

des Leidensdruckes zu erreichen. Wir sprechen da ungerne von Heilung, weil letztendlich

diese Menschen doch bis zum Ende ihres Lebens anders bleiben als sie vor dem Einsatz waren.

Dieses Anders-Bleiben hat mit vielen Dingen zu tun. Unter anderem sich in dieser Gesellschaft

auch anders zu erleben. Positive Aspekte: Manche fühlen sich hier auch gereift, weil

sie Dinge mehr wertzuschätzen wissen. Unseren Wohlstand, unsere Sicherheit,

(A): Die eigene Familie ...

(B): Die eigene Familie, dass was uns als Menschen die hier leben oft gar nicht

mehr so bewusst ist wie wertvoll das ist. Das ist Menschen aus Kriegsgebieten sehr bewusst.

Das kann durchaus aber auch mit Leid einhergehen. Manche fühlen sich da in ihrem Wandel nicht

mehr verstanden in diesem Land, fast wie Fremde im eigenen Land, weil die Familie sagt „Was

willst du denn? Eine Flasche Wasser ist doch nichts wert.“ und sie sagt „doch, sie

ist etwas wert.“ Das kann wiederum zu Leid führen und deswegen würde man dann eben

nicht eigentlich von Heilung sprechen im Sinne von wieder hergestellt genau wie vorher. Denn

viele Einsatzteilnehmer bleiben für den Rest ihres Lebens verändert. Was wir aber therapeutisch

erreichen können ist, dass sie eine gute und genussvolle Lebensführung zurückbekommen,

was einschließt eine zufriedenstellende Arbeitstätigkeit und auch ein zufriedenstellendes Privatleben

mit Kontakten zu Freunden und Familie. Das erreichen wir je nach Testung die wir verwendet

haben in 50 bis 80 Prozent derer die behandelt worden sind. Das ist auch im Vergleich zu


Podcast #26: PTBS - Bundeswehr (1) Podcast #26: PTSD - German Armed Forces (1)

Delta to all, radiocheck. Over.

Hier ist Bravo, kommen.

This is Tango. Over.

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr.

(A): Afghanistan ist heute unser Thema, genauer gesagt das Gefechtsjahr 2010. Der Krieg mit

all seinen Schrecken war plötzlich bei uns Mitten in Deutschland. Mit den Gefallenen,

die in Zinksärgen zurückkamen und bei ihren Kameraden, natürlich, die zwar überlebt

hatten aber mit tiefen Narben auf der Seele. PTBS – Posttraumatische Belastungsstörung.

Ich bin Barbara Gantenbein von der Redaktion der Bundeswehr in Berlin und mein Gast heute

ist Oberstarzt Dr. Peter Zimmermann, Leiter des Psychotrauma-Zentrums am Bundeswehrkrankenhaus

in Berlin. Schön, dass sie heute bei uns sind und ganz

herzlich Willkommen. Erste Frage: ist PTBS denn eigentlich wirklich

seit 2010 erst ein Thema in der Bundeswehr?

(B): Die Posttraumatische Belastungsstörung

ist schon länger in der Bundeswehr ein Thema. Übrigens nicht nur in der Bundeswehr. Man

weiß über solche Einsatzfolgen/ Kriegsfolgen im Grunde genommen schon seit 150 Jahren.

Auch im ersten und im zweiten Weltkrieg gab es durchaus sehr sichtbare und häufige psychische

Folgen von Extremstress, wie Kampfstress und die Bundeswehr hat ja nun Gott sei Dank viele,

viele sehr friedliche Jahre gehabt in denen das nicht so wirklich ein Thema war und dann

Mitte der 90er fingen wir langsam an uns damit zu beschäftigen, weil wir da erste

vereinzelte Personen aus den damaligen Feldlazarett aus Phnom Penh bekamen. Nun, und so richtig

los ging es eigentlich dann im Kosovokrieg, als dann 1999/ 2000 der Einmarsch war. Da

wurde ja nun auch schon bekämpft, wenn auch nur im kleinen Ausmaß. Allerdings gab es

da durchaus auch hoch gefährliche Situationen, die auch in der Lage waren, Traumatisierungen

auszulösen. Grade im Grenzgebiet zu Albanien im Kontakt zu Schmugglern. Dann auch die ethnischen

Konflikte, die auch mit Gewalt einhergingen und ganz schlimm, bis heute auch ganz schlimm,

dass ausheben der Massengräber seiner Zeit. Da gibt es also bis heute eine Menge Soldaten,

die da mitgeholfen haben bei der entsprechenden Dokumentation. Die Anblicke, die Gerüche,

die sie bis heute auch nicht vergessen haben und offenkundig und noch deutlich häufiger

intensiver beachtet wurde es dann seit 2002 durch den Afghanistan Einsatz. 2003 war ja

quasi unser Schlüsselereignis, unser Startereignis in Sachen Psycho-Traumatologie, das war dieses

große Busattentat, auf diesen zurückkehrenden Bus wo viele Deutsche ums Leben gekommen sind

und viele verletzt wurden. Und das hat natürlich auch psychisch schlimme Folgen bei den Beteiligten

aber auch bei dem Hilfs Personal: Sanitäter, Rettungsgeräte, Feldjäger hinterlassen,

auch bis heute.

(A): Ja, das kann ich mir vorstellen. Aber

dieses Gefechts Jahr 2010 war ja noch mal eine ganz andere Dimension, weil in kurzer

Folge unsere Soldaten in mehreren sehr, sehr schwere Gefechte verwickelt wurden, sieben

Gefallene zu beklagen waren und etliche Verletzte. Ich glaube in den Augen der Öffentlichkeit

ist es da erst so richtig angekommen. Die Thematik auch PTBS. Was hat denn das in der

Bundeswehr dann ausgelöst an weiterer Beschäftigung mit der Belastungsstörung.

(B): Wir haben ja eine recht gut entwickelte psychiatrische Versorgung in der Bundeswehr

mit psychiatrischen Abteilungen in den Bundeswehr Krankenhäusern, mit psychiatrischen Ambulanzen

und diversen anderen Elementen noch. 2010 hat da sicher das Augenmerkt der Öffentlichkeit

noch mal vermehrt draufgelegt, durch Betroffenheit.

Wobei ich tatsächlich sagen muss, die Dynamik

in der Entwicklung sind in der Psychiatrie nicht so schnell wie vielleicht in anderen

Bereichen, denn viele Störungen, wenn - und das ist ein großes Problem auch letztendlich

für unsere Versorgung - von den Betroffenen erst nach Jahren erkannt, ernstgenommen,

kommuniziert und erst danach dann noch behandelt. Das heißt, dass was wir 2005, 2007 behandelt

haben, dass waren letztendlich Störungen die 2000 entstanden sind und die behandeln

wir ja zum Teil bis heute und das was 2010 an Störungen entstanden ist, ist mit Masse

noch gar nicht gekommen.

(A): Tatsächlich. Also auch 10 Jahre später noch nicht? OK.

(B): Das können wir nicht beweisen aber es gibt durchaus Studien, die darauf hinweisen.

Es gab zum Beispiel 2009 bist 2013, das war grade in der Zeit, diese große Dunkelzifferstudie,

die ja vom deutschen Souverän beauftragt worden ist und in der Studie ist festgestellt

worden, dass mehr als 20% der Einsatzteilnehmer nach Rückkehr unter einer psychischen Störung

litten und da war die PTBS durchaus eine der Wesentlichen. Vor allem aber Angststörungen

und affektive Störungen, also Depressionen. Ein Teil der Untersuchungen wurden ein Jahr

nach Einsatzende durchgeführt und dann wurde auch gefragt: „Waren Sie denn mit Ihrer

Störung, jetzt ein Jahr nach Einsatzende, schon mal in Behandlung?“ Und das waren

nur 10 bis 20% die das bejaht haben.

(A): Kann es aber sein, wir haben ja seit

einiger Zeit dann auch diese Einsatznachbereitungsseminare,

wo die Leute ja auch mehr dazu rangeführt

werden sich in Behandlung zu begeben. Also dieses Stigma wird ja immer weiter abgebaut.

Gott sei Dank. Kann es sein, dass es damals auch noch daran lagt? Also stellen Sie da

eine Besserung fest, dass die Leute früher kommen?

(B): Der Prozess der Entstigmatisierung ist ein ganz wichtiger in der Bundeswehr aber

auch in allen anderen Einsatzkräftesystemen. Polizei, Feuerwehr, denn das sind Systeme,

die oft Menschen anziehen, die einen hohen Anspruch an sich selbst haben, an ihre Professionalität,

ihre Rolle als Retter, Schützer haben und deswegen auch nur schwer mit sich selbst auch

vermeintliche Schwächen anerkennen oder in Behandlungen gehen oder Ähnliches. Deswegen

tut Aufklärung not. Es hat sich glaube ich einiges zum Positiven gewandelt in den letzten

Jahren. Vor allem durch Aufklärung auch von militärischen Führungspersonal.

Da gibt es diverse Bemühungen, das sind Schlüssel-Personen,

je besser der Vorgesetzte, der Kompaniechef,

Bataillonskommandeur, Brigade Kommandeur. Letztendlich aber auch die Spieße wissen,

wie sie mit so etwas umgehen, desto offener ist das Klima in den Einheiten. Also das ist

das A und O. Da hat sich durchaus einiges zum besseren gewandelt aber um es mal vorsichtig

zu sagen: ein bisschen Luft nach oben haben wir durchaus noch.

(A): Ja das kann ich mir gut vorstellen. Gibt es denn aktuelle Zahlen, von wie vielen Betroffenen

wissen wir im Moment in der Bundeswehr und

haben sie eine Vermutung wie hoch die Dunkelziffer sein könnte?

(B): Wenn man sich mit den Zahlen beschäftigt,

gibt keine verlässliche Gesamtzahl wie viele Soldaten jetzt aktuell in der Bundeswehr unter

Einsatzfolgestörungen leiden. Das liegt an verschiedenen Dingen. Zum Einem daran, dass PTBS

nur ein der vielen möglichen Einsatzfolgestörungen ist. Noch deutlich häufiger als die PTBS

ist beispielweise die Angststörung, vor allem die Angst vor dem Draußen, die Agoraphobie,

depressive Störungen, beide deutlich häufiger als die Posttraumatische Belastungsstörung.

Und deswegen, wenn man sich über Einsatzfolgestörungen unterhält,

dann sollte man sie alle betrachten.

Wir kriegen in unsere Versorgungssysteme jedes Jahr neu 200 Pi mal Daumen aktive und ehemalige

Soldaten und wir rechnen damit, bei uns in der Versorgung, in den Versorgungssystemen

in den nächsten Jahren noch einige zusätzlich, viele zusätzlich, kriegen werden, die sich

seit Jahren mit ihren Symptomen herumschleppen und eigentlich nie in Behandlung waren.

(A): Gibt es zur Erkrankung an sich einige neue Erkenntnisse, die vielleicht auch dazu

beitragen könnten, dass die Leute zu Ihnen kommen und sich früher Hilfe suchen.

(B): Ein Element was uns hier in Berlin sehr wichtig ist, ist das es neben der eigentlichen

Trauma Fehlverarbeitung noch verschiedene andere Prozesse gibt, die sehr wichtig sind

im Erleben. Ich will ein Beispiel nennen: Ein Soldat, der beschossen worden ist.

Im Auslandseinsatz. Der war in einer lebensbedrohlichen Situation. Das ist ein Klassiker für die

Posttraumatische Belastungsstörung, die er dann angstvoll erlebt und diese Angst ist

dann so, wie man im Jargon sagt konditioniert, das heißt sie tritt auch in eigentlich harmlosen

Situationen auf. Es ist Silvester, es knallt, dann ungezügelt

wieder zu Tage und verliert die Lebensqualität.

Einer der möglichen Mechanismen, gar nicht selten.

Wenn dieser Soldat, beim beschossen werden nun aber zurückschießt,

dann ändert sich seine Rolle, das heißt,

er wird von dem Bedrohten, wenn sie so wollen Opfer, in seinem eigenen Erleben, nicht juristisch,

aber in seinem eigenen Erleben auch zum Täter, weil er möglicherweise einen Menschen verletzt

oder tötet und diese Dimension ist in den klassischen Konzepten der PTBS bislang nur

am Rande berücksichtigt. Es kommt dann zu Phänomenen, wie zum Beispiel Schuldgefühlen

und zu Phänomenen wie Scham aber auch oft zu einem ganz hartnäckigen Zorn zum Beispiel

auf Verantwortliche oder aber auf die lokale Bevölkerung und diese Gefühle unterscheiden

sich von dem Angstgefühl was vor allem die PTBS prägt in so einer Situation. Schuld,

Scham, Zorn, das sind oft sehr hartnäckige Gefühle und werden fast noch ein bisschen

häufiger verdrängt als jetzt Angst, weil die innere Überzeugung zum Ausdruck kommt:

„Nimm das mal nicht so ernst“, „Das hältst du schon aus“, „Warst ja im Recht“.

Und trotzdem schwillt es in der Tiefe und macht dann Folgen und diese Folgen können

recht schwerwiegend sein. Diese Folgen führen dazu, dass sich Menschen, die unter Scham

leiden, als nicht mehr liebenswert, als sozial nicht mehr attraktiv erleben, sich dann zurückziehen,

manchmal aggressiv werden, manchmal unsicher werden, manchmal zynisch werden und letztendlich

mit sich selbst nicht mehr im Reinen sind. Es gibt auch inzwischen erste Untersuchungen

die zeigen, dass durchaus auch das Suizidalitätsrisiko im chronischen Verlauf dann steigen kann,

was natürlich plausibel ist. Wenn man sich als nicht mehr liebenswert betrachtet, dann

betrachtet man sich vielleicht auch irgendwann als nicht mehr lebenswert. Deswegen beschäftigen

wir uns mit solchen Themen hier auch wissenschaftlich und haben erste Studien dazu gemacht die durchaus

auch zeigen, dass Wertorientierungen und Symptomschwere eng miteinander korrelieren.

Wir haben auch ein Therapiemanual hier entwickelt, was sich mit diesen, wir nennen das moralische Verletzungen,

„moral injury“ beschäftigt. Was wir hier regelmäßig anwenden, auch schon auf Wirksamkeit

getestet haben. Das ist also einer unserer Schwerpunkte und ich denke durchaus auch für

die breite Aufklärung wichtig, weil der Fokus sonst oft nur, bitte „nur“ in Anführungsstrichen,

auf so einem Thema wie Angst liegt und wer die Angst nicht wahrnimmt, dann vielleicht

denkt „na ich habe ja nichts“. Aber eine tiefgreifende Verrückung des eigenen Wertesystems,

Schuldgefühle, das sind Dinge auf die man hinweisen sollte, denn, ich sage mal aus meiner

Erfahrung die jetzt schon einige Jahre geht, ist das etwas was fast noch schwerer an der

Persönlichkeitsstruktur nagt als eine Angst die vielleicht jeden zweiten Tag mal auftritt.

(A): Ja und es ist auch unerwartet, weil man ja eigentlich davon ausgeht, dass der der

die Chance hat zurück zu schießen sich ja auch als handelnd erlebt. So als aktiv und

nicht als ausgeliefert. Insofern eine sehr interessante Facette,

die mir so auch überhaupt nicht bewusst war.

Kann man denn PTBS überhaupt heilen? Also ich weiß, es gibt Therapien,

aber kann man das Krankheitsbild an sich dauerhaft heilen?

(B): Eine Erfahrung die wir im langjährigen Umgang mit Posttraumatischen Belastungsstörungen

jeder Art gemacht haben ist, dass es durchaus gut möglich ist eine wesentliche Verbesserung

des Leidensdruckes zu erreichen. Wir sprechen da ungerne von Heilung, weil letztendlich

diese Menschen doch bis zum Ende ihres Lebens anders bleiben als sie vor dem Einsatz waren.

Dieses Anders-Bleiben hat mit vielen Dingen zu tun. Unter anderem sich in dieser Gesellschaft

auch anders zu erleben. Positive Aspekte: Manche fühlen sich hier auch gereift, weil

sie Dinge mehr wertzuschätzen wissen. Unseren Wohlstand, unsere Sicherheit,

(A): Die eigene Familie ...

(B): Die eigene Familie, dass was uns als Menschen die hier leben oft gar nicht

mehr so bewusst ist wie wertvoll das ist. Das ist Menschen aus Kriegsgebieten sehr bewusst.

Das kann durchaus aber auch mit Leid einhergehen. Manche fühlen sich da in ihrem Wandel nicht

mehr verstanden in diesem Land, fast wie Fremde im eigenen Land, weil die Familie sagt „Was

willst du denn? Eine Flasche Wasser ist doch nichts wert.“ und sie sagt „doch, sie

ist etwas wert.“ Das kann wiederum zu Leid führen und deswegen würde man dann eben

nicht eigentlich von Heilung sprechen im Sinne von wieder hergestellt genau wie vorher. Denn

viele Einsatzteilnehmer bleiben für den Rest ihres Lebens verändert. Was wir aber therapeutisch

erreichen können ist, dass sie eine gute und genussvolle Lebensführung zurückbekommen,

was einschließt eine zufriedenstellende Arbeitstätigkeit und auch ein zufriedenstellendes Privatleben

mit Kontakten zu Freunden und Familie. Das erreichen wir je nach Testung die wir verwendet

haben in 50 bis 80 Prozent derer die behandelt worden sind. Das ist auch im Vergleich zu