tagesschau 23.03.2021, 20:00 Uhr - Missbrauchsskandal im Erzbistum Köln: Kardinal Woelki kündigt weitere Konsequenzen an
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (23.03.2021)
Heute im Studio: Linda Zervakis
Guten Abend, ich begrüße Sie zur tagesschau.
Bund und Länder wollen die dritte Corona-Welle
mit einem harten Lockdown über Ostern brechen.
Das gab Kanzlerin Merkel in der Nacht nach zähen Verhandlungen bekannt.
Beschlossen wurde, das Leben von Gründonnerstag an
fünf Tage lang komplett herunterzufahren.
Die bisher schon gültigen Lockdown-Bestimmungen
bleiben bis Mitte April in Kraft.
Seit der letzten Bund-Länder-Konferenz
sind die Inzidenz-Werte stetig gestiegen.
Anfang März waren noch etliche Landkreise im gelben Bereich
mit Werten unter 35.
Der Höchstwert lag unter 500.
Heute sind viele dunkelrot
mit Spitzenwerten zwischen 500 und 1000.
Heute früh um halb drei nach einer Marathonsitzung - die Einigung.
Ein verschärfter Lockdown über Ostern.
Von möglichen Lockerungen keine Rede mehr.
Im Wesentlichen haben wir ein neues Virus,
derselben Art, aber mit ganz anderen Eigenschaften.
Deutlicher tödlicher, deutlich infektiöser,
länger infektiöser.
Die dritte Welle müsse gebrochen werden,
deshalb sollen alle Kontakte reduziert werden.
Es dürfen sich nur zwei Haushalte treffen,
maximal fünf Personen plus Kinder unter 14.
Gründonnerstag und Karsamstag sind zusätzliche Ruhetage.
Was das genau rechtlich heißt, ist noch unklar.
Lebensmittelgeschäfte bleiben am Samstag geöffnet.
Das betrifft auch die Urlauber auf Mallorca.
Sie dürfen nur mit einem negativen Corona-Test wieder nach Deutschland.
Reisen innerhalb Deutschlands wird es weiterhin nicht geben.
Ich rate dazu, dass wir alle noch mal die Zähne zusammenbeißen
und diesen Osterlockdown gemeinsam machen.
Auch Präsenzgottesdienste soll es zu Ostern nicht geben.
Das ist eine Bitte an die Kirchen.
Sie zu verbieten, wäre rechtlich schwierig.
Noch gibt es viel zu klären.
Die Dinge müssten noch mal alle durchgesprochen werden,
weil es sich da um schwierige rechtliche Fragen handelt.
Und wir müssen überlegen,
wie genau wir die Beschlüsse umsetzen.
Die Opposition im Bundestag erneuert ihre Kritik an der Bundesregierung.
Sie habe zu spät und zu zögerlich gehandelt.
Jetzt gibt es keine andere Möglichkeit mehr,
als erneut die Menschen in einen Lockdown zu schicken.
Ohne ein klares Versprechen, ohne eine klare Zusage,
wie wir dort wieder herauskommen.
Ich habe dafür null Verständnis.
Es ist völlig absurd.
Die Regierung muss sich mal darüber Gedanken machen,
ob sie irgendetwas neu und besser machen kann.
Auch in der Unionsfraktion mehren sich kritische Stimmen.
Morgen muss die Kanzlerin im Bundestag
in einer Regierungsbefragung Rede und Antwort stehen.
Auch die Wirtschaft geht hart ins Gericht
mit dem Corona-Krisenmanagement von Bund und Ländern.
Besonders groß ist der Unmut in Handel und Tourismus.
Branchen, die sich durch die Verschärfungen an Ostern
härter getroffen fühlen als andere.
Im Lausitzer Seenland hatte man sich schon drauf eingestellt,
dass es nichts wird mit dem Ostergeschäft.
Hart sei es trotzdem,
die Hütten im Ferienpark waren fast ausgebucht.
Wir haben einen guten wirtschaftlichen Hintergrund,
trotzdem ist es eine enorme Anspannung.
Auch für die Mitarbeiter, in Kurzarbeit sein zu müssen.
Es deprimiert einen, man kann es nicht in Worte fassen.
Wir haben gehofft aufs Ostergeschäft,
das Wetter soll schön werden, schwierig.
Der Hotel- und Gaststättenverband klagt über Perspektivlosigkeit.
Mehr als 15 % der Unternehmen hätten die November- und Dezemberhilfen
noch nicht ausgezahlt bekommen.
Bei den jetzt angekündigten, ergänzenden Hilfen
dürfe sich das nicht wiederholen.
Ich erwarte in den nächsten Tagen konkrete Zusagen für meine Branche,
für eine Entschädigung des Endlos-Lockdowns.
So geht es nicht weiter für die Gastgeber in Deutschland.
Sie haben Anspruch darauf, dass ihre Zukunft gerettet wird.
Auch die Einzelhändler sind sauer.
Wieder Lockdown, wieder müssen die Geschäfte schließen.
Eine Zumutung, sagt der Verband.
Einkaufen sei kein Infektionstreiber, die Maßnahmen ungerecht.
Der größte Teil der Wirtschaft und der Menschen ist nicht im Lockdown.
Der Einzelhandel hat geschlossen, Hotellerie und Gastronomie auch.
Das sind die Einzigen mit Lockdown, deshalb funktioniert es nicht.
Der harte Kurzlockdown über Ostern
kam auch für die Kirchen überraschend.
Man habe die Beschlussvorlagen für das Bund-Länder-Treffen gekannt,
von ausgesetzten Gottesdiensten stand nichts darin.
Wenn wir nicht in den Kirchen Gottesdienste feiern können,
ist das sehr schmerzlich.
Die Kirchen sind nicht nur öffentliche Orte,
an denen die Osterbotschaft überall hingetragen wird.
Die Kirchen sind auch bergende Räume.
Wir haben Sicherheits- und Hygienestandards
in allen Kirchengemeinden.
Das heißt Abstände, Nachverfolgung, ähnliches.
Der Politik gegenüber werde man das noch einmal deutlich machen.
Für eine Absage der Präsenzgottesdienste
sehen die Kirchen keinen Grund.
Zu den Reaktionen auf die Corona-Beschlüsse
jetzt Tina Hassel in Berlin.
So vernichtend ist die Kritik nach einem Bund-Länder-Treffen
noch nie ausgefallen.
Sowohl an den Beschlüssen,
als auch am intransparenten Prozedere dieser Runden.
Diese Nachtsitzungen müssten dringend reformiert werden.
Fordert nicht nur die Opposition,
sondern auch Ministerpräsidenten wie Markus Söder.
Nicht mal die Koalitionspartner in den Landesregierungen
seien nachts informiert worden.
Und könnten heute nur nachträglich zustimmen,
ärgert sich FDP-Chef Lindner.
Wie sehr der Osterlockdown mit heißer Nadel gestrickt wurde,
zeigt, dass niemand definieren kann,
was ein Ruhetag arbeitsrechtlich bedeutet.
Der Begriff steht nicht im Gesetz.
Die Bundesregierung muss das juristisch erst abklären.
Die Beschlüsse seien kein Befreiungsschlag,
sondern eine Verzweiflungstat:
Hieß es sogar von Abgeordneten der Regierungsparteien.
Vor allem in der Union steigt der Druck.
Nach Ostern müsse schnell getestet und digital nachverfolgt werden.
Damit wieder geöffnet werden kann und die Stimmung nicht kippt.
Zurück zu Linda Zervakis.
Der Kölner Erzbischof, Kardinal Woelki,
kündigte weitere Konsequenzen aus dem Rechtsgutachten
über sexualisierte Gewalt in seinem Bistum an.
Dazu legte er einen Acht-Punkte-Plan vor.
So sollen eine unabhängige Kommission
und eine bessere Verwaltung der Kleriker-Akten Aufklärung bringen.
Woelki räumte zwar Fehler im Umgang mit mutmaßlichen Tätern ein,
einen Rücktritt aber lehnte der katholische Geistliche ab.
Viele haben sie mit Spannung erwartet:
Die Konsequenzen aus dem Gutachten zum Umgang mit sexualisierter Gewalt
im Erzbistum Köln.
Kardinal Woelki räumte schwere Versäumnisse ein.
Er selbst habe Fehler gemacht.
Generell habe es an Mitgefühl mit den Betroffenen gefehlt.
Oft wurden sie jahrzehntelang nicht gehört.
Ihr Klagen verschwanden irgendwo in Akten
oder, fast noch schlimmer, irgendwo in einem Papierkorb.
Woelki bietet den mehr als 300 Betroffenen,
die im Gutachten genannt werden, persönliche Gespräche an.
Bereiche, in denen das Erzbistum aktiv werden will:
Etwa bei der Prävention von Missbrauch,
der Aktenführung und bei der Anerkennung der Opfer.
Betroffene fordern ein Genesungswerk, finanziert von der Kirche.
Wir wissen, dass wir das Thema bis zum Lebensende nicht mehr loswerden.
Wir werden aber nicht bis zum Lebensende Therapiepatienten sein.
Kritiker halten Woelkis Pläne für längst überfällig.
Man darf nicht vergessen, die Kirche hat lange den Täterschutz
und den Schutz der Institution in den Vordergrund gestellt.
Nämlich: Die Institution muss ein gutes Bild abgeben.
Für viele bleibt fraglich,
ob Kardinal Woelki für einen Neuanfang stehen kann.
Kritiker sind überzeugt, dass es weitreichendere Reformen geben muss.
Mit dem Ziel, die uneingeschränkte Macht der Kirchenoberen einzudämmen.
Kanzlerin Merkel spricht zur Stunde mit Vertretern der Auto-Industrie
über den Strukturwandel in der Branche.
Dabei geht es auch um die Zukunft des Verbrennungsmotors.
E-Mobilität und andere neue Technologien
sollen vorangetrieben werden.
Ziel ist es, den Kohlendioxid-Ausstoß der Neuwagenflotten bis 2030
deutlich zu senken.
Laut aktueller EU-Vorgabe um mindestens 37,5 %.
In Rheinland-Pfalz haben SPD, Grüne und FDP begonnen,
über die Fortsetzung ihrer Ampelkoalition zu verhandeln.
Laut Ministerpräsidentin Dreyer sollen dabei Gemeinsamkeiten
im Vordergrund stehen und nicht das, was die Parteien trenne.
Die Grünen fordern mehr Engagement beim Klimaschutz.
Sie hatten bei der Landtagswahl vor neun Tagen
als einzige Regierungspartei Gewinne verzeichnet.
Der neue US-Außenminister Blinken ist erstmals zu einem Treffen
mit seinen NATO-Amtskollegen nach Brüssel gereist.
Im Mittelpunkt der Gespräche
stand der vorzeitige Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan.
Blinken verwies darauf,
dass Washington in diesem Punkt noch nicht entschieden sei.
Der Ex-US-Präsident Trump hatte den Taliban einen Abzug
aller ausländischer Truppen bis Ende April in Aussicht gestellt.
Er ist einer, der Afghanistan hautnah erlebt hat –
im wahrsten Sinne des Wortes.
Naef Adebahr.
Der Bundeswehrsoldat lag beim Karfreitagsgefecht
stundenlang unter Beschuss, wurde schwer verletzt.
Wie es jetzt in Afghanistan weitergeht, verfolgt er genau.
Ob das jetzt Frauenrechte sind, ob das Schulbildung ist,
ob das politische Strukturen sind, die aufgebaut wurden:
Es wäre sehr traurig, wenn wir aus diesem Einsatz schnell abrücken
und das, was aufgebaut wurde an Positivem auf einmal abrutscht.
Die grundsätzliche Richtung wird seine Regierung vorgeben:
US-Außenminister Blinken war heute erstmals bei der NATO.
Er betont immer wieder, er wolle den Rat der Verbündeten einholen,
wann der richtige Zeitpunkt sei, Afghanistan zu verlassen.
Präsident Biden hat schon gesagt:
Der Termin 1. Mai wird schwierig für einen kompletten Abzug.
Denn eine zentrale Frage ist ungeklärt:
Wer hat die Macht in Afghanistan nach dem NATO-Abzug?
Direkte Verhandlungen zwischen den Taliban und der Regierung
kommen nicht voran.
Gespräche wie jüngst in Moskau, mit den USA, Russland oder Pakistan
haben nicht zu einer Lösung geführt:
Etwa Waffenstillstand plus Übergangsregierung.
Die Friedensverhandlungen werden nicht bis Ende April zu Ende sein.
Das heißt, die Militärpräsenz wird verlängert.
Darum verlängern wir unser Bundestagsmandat.
Auch Naef Adebahr wird noch mal in Afghanistan in den Einsatz gehen –
mindestens einmal.
"Die NATO ist wichtig
und in Afghanistan handeln wir geschlossen."
US-Außenminister Blinken versuchte heute, Gemeinsamkeiten zu betonen.
Außer bei der Gaspipeline Nord Stream 2:
Die sei eine schlechte Idee.
Schlecht für Europa, schlecht für die USA.
In diesen Minuten spricht Blinken in Brüssel unter vier Augen
mit Außenminister Maas.
Bei einem Großbrand im Lager für Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch
sind gestern 15 Menschen getötet und weitere 560 verletzt worden.
Hunderte werden noch vermisst.
Das Feuer war gestern aus ungeklärter Ursache in dem Lager ausgebrochen
und hatte sich schnell in Zelten und Hütten ausgebreitet.
In Panik versuchten die Menschen, sich in Sicherheit zu bringen.
Die islamischen Rohingya waren 2017 vor ihrer Verfolgung in Myanmar
ins benachbarte Bangladesch geflohen.
In Israel wählen die Bürger heute zum vierten Mal
binnen zwei Jahren ein neues Parlament.
Dabei geht es auch um die Zukunft von Premierminister Netanyahu.
Trotz seiner erfolgreichen Corona-Impfkampagne
steht er wegen seines Pandemie- Krisen-Managements in der Kritik.
Noch dazu läuft ein Korruptionsprozess gegen ihn.
Umfragen zufolge ist nicht mit klaren Mehrheiten zu rechnen.
Mit dem Auto direkt zur Wahlurne.
Besondere Schutzvorkehrungen sollen Corona-Infizierten
und Menschen in Quarantäne die Stimmabgabe ermöglichen.
Die Beteiligung ist aber geringer als beim letzten Mal.
Manche nutzen den arbeitsfreien Wahltag lieber anders.
Der Dauerwahlkampf ermüdet offenbar genauso wie das ewige Hauptthema:
Für oder gegen Langzeitpremier Netanyahu.
Wir haben ein schwieriges Jahr hinter uns,
aber auch ein Jahr der Einheit.
Gemeinsam lassen wir das Coronavirus hinter uns.
Netanyahu hofft, mit dem Impferfolg zu punkten.
Kurz vor der Neuwahl lockert er die Corona-Beschränkungen.
Nach seiner Stimmabgabe ein Bad in der Menge.
Netanyahus Gegner nennen ihn Verbrechens-Premier,
weil gegen ihn ein Korruptionsprozess läuft.
Mit Ex-Bildungsminister Gideon Saar
tritt ein ehemaliger Likud- Parteifreund gegen Netanyahu an.
Empfiehlt sich als nationalistische Alternative.
Auch Oppositionsführer Lapid von der liberalen Zukunftspartei verspricht,
das Land aus der Krise zu führen.
Er greift Netanyahus rechtsreligiösen Block scharf an.
Entweder bekommen wir eine starke Zukunftspartei
oder eine Regierung des Grauens, Rassismus und der Homophobie.
Laut Umfragen liegt Netanyahus Likud vor den Konkurrenten.
Aber er braucht Koalitionspartner, da könnte es eng werden.
Erstmals wirbt er um die Stimmen der arabischen Israelis,
die er sonst beschimpfte.
Bayer Leverkusen hat sich von Trainer Peter Bosz getrennt.
Der Fußball-Bundesligist reagierte damit auf die sportliche Talfahrt:
Die Leverkusener waren in der Tabelle auf Rang sechs abgerutscht
und aus Europa League und DFB-Pokal ausgeschieden.
Als neuer Trainer wurde Hannes Wolf vorgestellt.
Er betreut die U18-Nationalmannschaft
und wurde vom DFB bis zum Saisonende ausgeliehen.
Die Wettervorhersage für morgen, Mittwoch, den 24. März.
Hochdruckeinfluss sorgt morgen vielerorts für Sonnenschein,
aber von Nordwesten nähern sich neue Tiefausläufer.
Heute Nacht gibt's im Nordosten dichtere Wolken und etwas Regen,
während es von Südwesten verbreitet aufklart.
Gebietsweise bildet sich Nebel, der morgen der Sonne weicht.
Vor allem im Nordosten überwiegen die Wolken,
es fällt kaum Regen.
Am Donnerstag im Südosten noch länger freundlich,
sonst mehr Wolken und ein paar Schauer.
Später von Nordwesten wieder sonniger.
Am Freitag im Süden Sonne, in der Nordhälfte unbeständig.
Am Samstag wechselhaftes, windiges Schauerwetter.
Da es kühler wird, fällt im Bergland wieder Schnee.
Um 22.35 Uhr hat Caren Miosga diese Tagesthemen für Sie:
Lange getagt, wenig erreicht?
Fragen zum Oster-Shutdown an Sachsens Ministerpräsidenten Kretschmer.
Und: Abstimmung über Netanyahu - Prognosen von der Wahl in Israel.
Nun das ARD extra zu den Bund-Länder-Beschlüssen.
ARD extra um 20.15 Uhr in DGS auf tagesschau24
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