Shirin David l GERMANIA
Integration sollte selbstverständlich sein.
Dann sollte man darüber sprechen können,
ohne eben mit dem erhobenen Zeigefinger aufeinander zuzugehen,
sondern ganz entspannt, ganz friedlich.
Sich ganz normal darüber austauschen.
Mein Name ist Shirin David. Ich bin 22 Jahre alt.
Ich bin geboren in Hamburg und wohne in Köln.
Mein Wurzeln liegen in Litauen und Iran.
Meine Mama ist Litauerin und mein Vater Iraner.
Viele Jahre meiner Kindheit habe ich in Litauen verbracht,
im Heimatland bei meiner Mama.
Haben auch zuerst Litauisch gesprochen,
also ich konnte Deutsch, die Sprache, konnte ich erst gar nicht.
Mir war das gar nicht bewusst,
welche Sprache ich gerade spreche, wo ich bin,
ich habe einfach das Kindsein gelebt, wollte einfach Freunde kennenlernen.
War aber so, dass mir keiner geantwortet hat,
und irgendwann habe verstanden: Du sprichst eine andere Sprache.
Ich muss das erst lernen.
Dann lernst du es halt und sprichst irgendwann Deutsch.
Es ist nun mal einfach so,
man sagt das auch so, ich weiß, die Leute hören es nicht gern:
Es gibt deutsche Schulen und es gibt diese Ausländerschulen.
Ich war an beiden.
Als ich an den deutsch geprägten Schulen war,
da war es richtig hart.
Also da habe ich mir Sachen anhören müssen:
"Deine Mama spricht so komisch, die hat so einen komischen Akzent."
Also man hat auf jeden Fall schon diese Erfahrung gemacht,
man wusste früher auch nicht genau, wie man damit umgehen soll.
Man hat's nicht richtig verstanden.
Und vor allem ist das schwierig für die eigene Mama,
wenn sie zum Elternsprechtag geht.
Wenn du erst normal angeschaut wirst, und dann fängst du an zu sprechen
und die Leute hören einen Akzent und die gucken dich an wie ein Auto.
Also das hat mich richtig wütend gemacht. Das weiß ich.
Ich trage so gesehen drei Herzen in mir.
Das persische Herz, das litauische und auch das deutsche.
Und ich hatte richtig lange Probleme, mich ... richtig zu finden.
Immer wenn ich mit den Iranern unterwegs war, war ich nie die Iranerin,
ich war die komische Blonde aus dem Osten,
aber irgendwie war sie auch deutsch.
Und bei den Litauern war es irgendwann so:
"Ah, die wohnt in Deutschland, also ist es eine Deutsche."
Aber in Deutschland war ich auch nie richtig deutsch.
Teilweise fällt es mir bis heute schwer, mich richtig zu identifizieren,
was ich jetzt bin und wo ich hingehöre, weil es einfach so ein ... Mischmasch ist.
Wäre ich in Litauen geblieben, wäre alles anders gewesen.
Ich wäre auch nicht halb Iranerin geworden,
dann wäre ich eine ganze Litauerin. Alles wäre anders.
Und ich habe beides als meine Heimat angenommen.
Ich habe nicht gesagt, da oder da fühle ich mich wohler.
Das kam erst später, je älter man wurde.
Ich liebe Hamburg unfassbar.
Ich diskutiere mit jedem Menschen, den ich treffe,
dass Hamburg die geilste Stadt in Deutschland ist.
Es ist so, daran wird sich nichts ändern.
Hamburg hat mich geprägt, hat mich zu dem gemacht, was ich bin.
Die Leute, die Stadt ...
In Hamburg hat alles angefangen.
Das, was ich jetzt bin, hat angefangen in Hamburg.
Und wenn ich mir wirklich eine Stadt wieder aussuchen wollen würde,
wo ich privat leben möchte, dann würde ich sofort hierher ziehen.
Deutschland ist für mich Heimat.
Ein Land, was mir Unfassbares ermöglicht hat.
Ich glaube nicht, dass das, was ich mache,
in vielen Ländern so möglich ist in dieser Form wie hier.
Deutschland ist für mich meine persönliche Entwicklung.
Meine Familie, meine Freunde. Mein Glück.
Definitiv meine Zukunft.
Und ich weiß nicht, ob sich das kitschig anhört, aber mein Leben.
Deutschlands Standards sind wirklich ... over the top.
Auch wenn ich es extrem liebe, die Welt zu bereisen,
jedes Mal wenn ich in Deutschland bin, sage ich: Gott sei Dank.
Es ist so sauber hier.
Es ist so ordentlich hier. Es ist alles so gepflegt und so pingelig.
Aber ich fühle mich wohl!
Es ist einfach ... das ist so typisch deutsch,
und ich bin unfassbar froh, immer wieder in Deutschland zu sein.
Untertitel im Auftrag des ZDF für funk, 2017