Sterne aus Antimaterie? | Harald Lesch (1)
[Lesch]: Gibt es Sterne, die aus anderen Elementen bestehen, als die die wir kennen?
Gibt es vielleicht sogar Sterne aus Antimaterie?
[Intro]
Also jetzt mal unter uns: Das Periodensystem der Elemente hat ja nicht das beste Image.
Es wird meistens unterschätzt. Meistens hängt es halt irgendwo an der Wand und man glotzt da hin,
sieht dann: Aha, Wasserstoff, Helium, Lithium, Beryllium, Bor, irgendwelche anderen Sachen.
So richtig will sich eigentlich niemand damit auseinandersetzen, dabei ist es eine der größten
epochalsten Entdeckungen aller Zeiten. Denn das Periodensystem der Elemente ist lückenlos.
Ja! Ja wirklich. Das ist wie eine Briefmarken- sammlung der DDR, da kommt nichts mehr dazu.
Das ist erledigt. Finito. Feierabend. Schluss, aus. Seit dem 19. Jahrhundert hat man ja so
ein Schema wie man die Elemente da einreiht. Und um es gleich auf den Punkt zu bringen: Es geht
letzten Endes um die Aneinanderreihung von ganzen Zahlen. Also das Element Nummer 1, Wasserstoff,
hat genau 1 Proton im Kern. Es kann schon mal 1 oder 2 Neutronen auch haben, aber worum
es geht bei den chemischen Elementen im Perioden- system ist immer die Anzahl der Protonen. Jeder
Atomkern im Universum, der sechs Protonen enthält, ist Kohlenstoff. Jeder. Kann man machen was man
will. Da gibt es verschiedene Varianten mit ver- schieden vielen Neutronen, aber immer, wenn 6
Protonen im Kern sich zusammenfinden, dann ist das Kohlenstoff. Ist es ein Kern mit 8 Protonen,
dann ist es Sauerstoff und so weiter. Und so sieht man: ein Element nach dem anderen bedeutet,
es ist das Element Nummer 1, dann haben wir das Element Nummer 2 und so weiter und so weiter.
Interessant in der Chemie ist natürlich, dass bestimmte Anordnungen, nämlich der Protonen, also
der positiv geladenen Teilchen, fordern, damit ein Atom elektrisch neutral ist, das auch eine
bestimmte Menge von Elektronen in der Hülle da sein müssen. Und dann gibt es quantenmechanische
Regeln, wie diese Elektronen sich da anordnen und das bestimmt nun wiederrum das chemische
Verhalten. Ist ja interessant, dass man also da hinten hat man die Edelgase, auf der einen 25 00:02:26,000 --> 00:02:31,000 Seite und kaum hat man 1 Proton im Kern mehr und 1 Elektron mehr, wird aus dem Element, ja
das eben noch mit der schönen Edelgas Konfi- guration war, wird ein Alkalimetall. Die Edelgase
verbinden sich mit überhaupt nichts, die Alkali- metalle mit allem was bei 3 nicht auf den
Bäumen ist. Oder hier: das was vor den Edelgasen ist: Die Halogene. Also Fluor, Chlor und so 29 00:02:50,000 --> 00:02:54,000 weiter. Ja die sind ja auch unglaublich reaktions- aktiv. Das heißt also, die Art und Weise wie
die Elektronen um den Atomkern herum strukturiert sind, die bestimmen die Chemie.
Aber darüber wollen wir jetzt gar nicht reden, wir wollen darüber reden, kann es noch andere
Elemente geben, als die die wir kennen, denn im Periodensystem gibt es ja keine Lücken.
Also zwischen dem Element 88 und dem Element 89, kann es kein Harry Potter Element geben. So,
88 1/2 oder sowas, denn Protonen sind immer ganz. Wir haben es geschafft mit einem bestimmten
Ordnungsschema auf der einen Seite, die chemischen Eigenschaften ziemlich gut abzubilden und
zugleich auf der darunterliegenden Ebene, die physikalischen Gründe dafür so genau zu finden,
dass wir sagen können: In diesem Universum gibt es nur 92 stabile Elemente. Alle weiteren die noch
dazu kommen, die sind immer instabil. Und man sucht ja schon seit längerer Zeit auch noch nach
Möglichkeiten, künstlich Elemente zu erzeugen. Das machen wir zum Beispiel in Anlagen, wo große
Atomkerne zusammengeschossen werden, sodass wir eine ganz kurze Zeit vielleicht sich noch mal ein
künstliches Element, da gibt es eine ganze Menge davon. Darmstadtium zum Beispiel ist eins davon.
Aber die leben wirklich nur so für einen nicht- Zeitraum eigentlich, nach menschlichem Ermessen 43 00:04:05,000 --> 00:04:08,000 und dann verschwinden die wieder, aber es gab lange Zeit die Hoffnung, da irgendwo bei den 44 00:04:09,000 --> 00:04:13,000 ganz großen Kernladungszahlen 126 oder sowas, da könnte es vielleicht noch etwas geben.
Aber in Wirklichkeit ist bis heute nichts gefunden [Soundeffekt] [Musik] [Soundeffekt]
Schauen wir uns die natürlichen Prozesse an in Sternen. Wie werden denn in Sternen Elemente
überhaupt produziert? Na durch die Verschmelzung von kleinen Atomkernen zu größeren. Also 48 00:04:32,000 --> 00:04:35,000 Wasserstoff verschmilzt zu Helium. Da gibt es eine Reihe von Fusionsprozessen. Auf die Einzelheiten
will ich da gar nicht eingehen. Es gibt eine Spitze, nämlich bei Eisen und das ist erstmal
das Element Nummer 26. Also bei Eisen, da bis zur Fusion von Eisen, kann ein Stern ohne
Energiezufuhr diese Kerne entstehen lassen und alle Atomarten oder Elementarten, die jenseits
von Eisen sind, die entstehen durch Energiezufuhr. Wo kommt die Energie her? Naja die kommt vor allen
Dingen durch den Druck den der Stern auf sich selber ausübt, also aus dem Gravitationsfeld
des Sternes. Daher kommt dann die Restenergie, die letzten Endes dazu führt, dass bis zum Uran alles
mögliche an Elementen erzeugt wird. Wobei man sagen muss, die häufigsten Elemente sind
diejenigen, aus denen wir Lebewesen bestehen. Ja, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und
Kohlenstoff. Die sind sehr, sehr häufig. Da- zwischen ist noch Helium, das brauchen wir nicht,
das ist ein Edelgas, das sich mit nichts verbin- det. Aber hier, immerhin also. Wir bestehen
offenbar aus Material, was im Universum bevorzugt erzeugt wird. Jetzt könnte man sich fragen: Naja,
es gibt doch aber noch andere Teilchen, es gibt ja nicht nur die Teilchen aus denen die Atome
und Atomkerne aufgebaut sind. Es gibt ja noch andere Teilchen. [Soundeffekt] [Musik]
[Soundeffekt] Jetzt laufen wir praktisch mal in der Erfolgsgeschichte der materiellen
Durchdringung unseres Universums, gehen wir mal weiter vor. Was haben wir? Bei den normalen
Elementen, die es im Periodensystem gibt, da haben wir es mit Protonen und Neutronen im Kern zu tun
und von denen wissen wir, dass die wiederum auf- gebaut sind aus Quarks. Also Neutron besteht aus
2 down-Quarks und 1 up-Quark und das Proton besteht aus 2 up-Quarks und 1 down-Quark.
Schön. Jetzt könnte man sich überlegen, es gibt ja noch 4 andere Quarksorten, können die nicht
vielleicht auch noch irgendwas aufbauen, was sta- bil wäre? Die Antwort lautet leider nein. Diese
Quarks sind alle instabil. Je schwerer sie sind, umso instabiler sind sie. Also das wird keine
stabile Materie herstellen können. Dann könnte man sich überlegen, naja es gibt ja noch andere
Teilchen wie zum Beispiel solche Neutrinos. Es gibt ja so spezielle Sorten von Pionen, das sind
also Quark-Antiquark Paare, könnten die nicht vielleicht in Atomen irgendwas aufbauen?
Die Antwort lautet leider auch hier, nach allem was wir wissen: Nein. Aber dann gibt es
natürlich das große Feld einer Entdeckung, die in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gemacht
worden ist. Dann gibt es natürlich das große Feld der Antimaterie. [Soundeffekt] [Musik]
[Soundeffekt] Man hat erstmal praktisch nur durch Theorie prognostiziert, dass es neben der normalen
Materie, also Proton ist positiv geladen, Elektron ist negativ geladen, Neutron ist neutral,
müsste es auch noch Teilchen geben, die genau die umgekehrte Ladung haben, also ein Antiproton
wäre negativ geladen. Ein Anti-Elektron, ein so genanntes Positron wäre positiv geladen,
ein Anti-Neutron wäre Neutral. Der Punkt von dem man ausging in der Theorie, war die berühmte
E=mc2 Geschichte von Einstein. Bei dem E=mc2 hat man eine Verbindung zwischen Energie und Materie
Die Energie ist ungeladen, elektrisch neutral 0. Materie allerdings tritt auf mit positiver
elektrischer Ladung und mit negativer elektrischer Ladung. Wenn aus Energie also Materie wird und
Materie ist geladen, die Energie aber nicht. Dann können immer nur solche Teilchen entstehen,
dass die Ladung insgesamt auf dieser Seite auch 0 ist. Das heißt Energie kann sich immer nur in
2 Teilchen aufspalten. Nämlich eines das elek- trisch negativ geladen ist und eines was
elektrisch positiv geladen ist. Nun, das elektrisch negativ geladene Teilchen,
das Elektron, das kannte man ja schon ewig. Aber das andere Teilchen, das kannte man noch nicht.
Das Positron. Das positiv geladene Elektron, oder auch das Antielektron. Nur es wird natürlich
klar, dass es bedeutet, Energie wird Materie. Ja, dann kann aber Materie auch wieder Energie werden.
Das heißt, diese beiden Teilchen, die da ent- stehen, die können sich wieder vernichten und dann
ist wieder die Energie da, die vorher schon da war. Teilchenerzeugung, Teilchenannihilation.
Wenn es also sowas gäbe wie Material, das aus Antimaterie bestünde, dann könnte diese
Antimaterie überhaupt nur existieren, in einem Stern, der komplett aus Antimaterie besteht.
Also wenn da auch nur ein bisschen Materie ist, dann wird sich die Materie mit der Antimaterie
sofort vernichten. [Soundeffekt] [Musik] [Soundeffekt] Nehmen wir mal an, es gäbe einen
Stern aus Antimaterie, könnten wir den von außen unterscheiden von einem Stern, der nicht aus
Antimaterie besteht? Die Antwort lautet: Nein. Weil man tatsächlich in den letzten Jahren
herausgefunden hat, dass diese Antimaterie Atome, also wir können Antiwasserstoff herstellen, Anti-
helium zum Beispiel herstellen. Allerdings nur unter ganz besonderen Bedingungen, also sehr
hohen Energien in den Beschleunigern. Aber diese Atome strahlen praktisch genauso wie die Atome
aus der Materie. Da gibt es gar keinen Unter- schied. Überhaupt keinen. In der Wechselwirkung
mit elektromagnetischer Strahlung, also auch mit Licht, würde man keinen Unterschied feststellen.
Jetzt kann man sich natürlich schon fragen, haben wir irgendwie einen Hinweis auf Antimaterie
zum Beispiel in der Milchstraße wenigstens? Gibt es irgendwelche Botschafter, die uns aus den 106 00:09:55,000 --> 00:10:02,000 Tiefen unserer Galaxis heraus mitteilen, wie dort die Materie aufgebaut ist. Und? Die gibt es.
Das ist nicht die elektromagnetische Strahlung, sondern das sind Teilchen. Schnelle Teilchen, die
entstehen zum Beispiel wenn das Supernova explo- diert und sich also dann solche Stoßfronten ins
interstellare Medium heraus bewegen und dort mit affenartiger Gewalt, das Material zusammenpressen.
Das sind zumeist Protonen, also schnelle positiv geladene Teilchen. Also in der Milchstraße scheint
es auf jeden Fall soweit wir bis heute kosmische Strahlung entdeckt haben und gemessen haben, keine
antimaterielle Quellen zu gebe. Stabile, richtige große makroskopische Strukturen, also Gaswolken
oder gar Sterne aus Antimaterie. Die gibt es nicht. [Soundeffekt] Vielleicht gibt es ja in
anderen Galaxien Antimaterie, und zwar richtig viel. Vielleicht bestehen andere Galaxien sogar
aus Antimaterie. Da kann man sich schon mal folgendes vorstellen: Wir haben ja zum Beispiel
die Milchstraße, die hat ja Begleitergalaxien. Diese Begleitergalaxien bewegen sich um die
Milchstraße herum und treffen da schon mal eine Gaswolke. Jetzt nur mal zum Spaß, wenn da
Antimaterie drin wäre, nehmen wir mal an eine der Magellanschen Wolken, das ist eine
Begleiter Galaxie unserer Milchstraße, würde aus Antimaterie bestehen. Die wäre schon längst
weg, weil die ja mit dem Gas unserer... dem sehr dünnen Gas im intergalaktischen Raum
wechselwirken würde. Und dann würde natürlich ständig Vernichtungsstrahlung auftreten.
Oder wenn die Materie natürlich schon längst mit Antimaterie zusammen in Energie verwandelt
worden. Sehen wir aber nicht, denn diese Energie- form, die dabei frei wird, das wäre harte
Röntgenstrahlung. Oder zum Beispiel nehmen wir mal unsere Nachbargalxie, Andromeda, hat die, die hat
ja auch Begleitergalaxien. Da können wir mal gucken, hat etwa diese Galaxie irgendwie ein
Röntgen Halo aus ultraharter Röntgenstrahlung? Die Antwort lautet: Nein. Also mit Antimaterie im
Universum scheint es nichts zu sein. Die Frage ist: Warum? [Soundeffekt] [Musik]
[Soundeffekt] Der Anfang des Universums war doch symmetrisch. Am Anfang gab es nur Energie.
Wie kann jetzt aus Energie Materie werden? Also Energie kann sich immer nur in einen positiven
und einen negativen Teilchen, es muss immer beides geben. Jetzt findet man aber keine Antimaterie. Ja,
aber es muss doch irgendwo Antimaterie geben. Wenn man genauer hinschaut und das richtig quantitativ
untersucht, dann stellt man fest, dass es früher so gewesen sein muss, also relativ kurze Zeit
nach dem Urknall, dass auf 5 Milliarden Elek- tronen, kamen 4 999 999 999 Positronen.
Also eins fehlte. Also das eine Elektron, das ist übriggeblieben.
Also eine winzig kleine Asymmetrie. Die natürlich für das gesamte Universum eine riesen-Konsequenz
hat, dass nämlich nach dieser Vernichtungsorgie, was bleibt übrig? Elektronen, Protonen und
Neutronen und so weiter und so weiter. Und dann geht das Universum los, es bilden sich Sterne,
es bilden sich Galaxien und so weiter. Aber dieser Anfang, der hätte ganz anders laufen
können. Der hätte nämlich wirklich total symmetrisch verlaufen können, dann würde es uns
gar nicht geben. Insofern führt die Frage nach den Alternativen, praktisch nach den Innovationen
von Materie im Universum, führt unmittelbar auf die Frage: Was ist denn da am Anfang gewesen?