Der Schatten über Innsmouth - Kapitel 3 – 02
Das Geflüster des alten Mannes wurde schwächer und ich fand mich selbst erzitternd ob der fürchterlichen und aufrichtigen Ungeheuerlichkeit seines Tonfalls, obwohl ich wusste, dass seine Erzählung nichts als trunkene Fantasie sein kann.
„Also mein Herr, Obed lernte, dass es da Dinge auf dieser Erde gibt, von denen die meist'n Leute nie gehört ha'n --- un' die sie nicht glauben wür'n wenn sie sie hörten. Anscheinend haben diese Kanaken haufenweise ihre jungen Männer und Frauen geopfert an irgendso eine Art Götterwesen die unter dem Meer lebten und haben alle möglichen Gefälligkeiten dafür bekommen. Die Wesen auf der kleinen Insel mit den seltsamsten Ruinen getroffen und anscheinend sollten die furchtbaren Bilder von Froschfischmonstern Bilder von denen sein. Vielleicht war'n das die Viecher von denen all die Meerjungfrau'ngeschichten und so weiter entsprungen sind. Die hatten jede Menge Städte am Meeresgrund un' diese Insel war von dort abgehob'n. Anscheinend lebten einige von den Dingern in den Steinbauten als die Insel sich plötzlich an die Oberfläche erhob. So ha'n die Kanaken Wind davon bekommen, dass sie da unten war'n. Mit Zeichensprache Handel ausgemacht, sobald sie ihre Angst überkommen hatten.
Die Dinger mochten Menschenopfer! Hatten sie vor Urzeiten, aber haben die Oberwelt ausen Augen verloren nach einiger Zeit. Was sie den Opfern angetan haben kann ich nicht sagen und ich glaube Obed war nicht allzu scharf drauf zu fragen. Aber die Heiden waren einverstanden, weil sie eine harte Zeit gehabt hatten und generell verzweifelt waren. Sie haben zweimal im Jahr den Seedingern eine bestimmte Zahl junge Menschen übergeben --- am Vorabend zum Mai und zu Halloween --- ganz regelmäßig. Haben außerdem was von dem geschnitzten Krimskrams, den sie hergestellt haben übergeben. Im Ge'nzug ha'n die Dinger jede Menge Fisch geliefert --- ha'n die von überall im Meer herbei getrieben --- un' hier un' da gab's auch so 'n paar von den goldartigen Dingern.
Nun, wie gesagt, ha'n die Eingebor'nen die Dinger auf der kleinen Vulkaninsel getroffen --- sind in Kanus hin mit Opfern un'soweiter und brachten von da welche von den goldigen Juwel'n wenn's welche gab. Zuerst sind die Viecher nich' auf die Hauptinsel, aber nach 'ner Weile wollten sie dann doch. Scheint als wär' den'n danach gewesen, sich unter die Mensch'n zu mischen un' zusammen Zeremonien an den großen Tagen abhalten --- Maiabend und Hallowe'en. Schau ma', die konnten sowohl im als auch über'm Wasser leben --- nennt man Amphibien, glaub' ich. Die Kanaken haben den' erzählt, dass die anderen Inselvölker sie ausrotten wollen, wenn sie Wind bekommen, dass die hier sind aber die meinten nur, das kümmere sie nich', weil sie die ganze Menschenbrut ausrott'n könnt'n, wenn sie sich die Mühe machen wollten --- das heißt, alle, die nich' bestimmte Zeichen kennen, wie sie einst von den verlor'n'n Großen Alten benutzt wur'n, wer immer die auch war'n. Aber weil sie da keine Lust drauf hatt'n, ha'n sie sich bedeckt gehalt'n wenn ir'ndwer die Insel besucht hat.
Als es darum ging, sich mit den froschig'n Fischen zu paaren, ha'n die Kanaken sich erst mal gescheut aber letztendlich was gelernt, das dem Ganzen ein neues Gesicht gab'. Scheint, dass Menschen eine Art von Verwandtschaft mit diesen Wasserviechern hab'n.--- dass alles lebendige ursprünglich mal aus'm Wasser kam un' nur ein paar Veränderungen braucht um wieder zurück zu könn'n. Die Dinger ha'n den Kanaken erzählt, dass wenn sie ihre Blutlinien misch'n, das Kinder brächte, die erst menschlich aussehen aber später mehr un' mehr wie die Dinger wer'n, bis 's sie letz'en'lich zum Wasser zieht un' sie zum Rest der Viecher da unt'n stoßen. Un' das hier iss der wichtige Teil mein Jung' --- die, die zu Fischviechern wurd'n un' ins Wasser gingen, sterben niemals. Die Dinger sterben nie, außer durch Gewalt.
Nun, mein Herr, scheint als ob zu der Zeit als Obed die Inselbewohner kenn'lernte, die schon voll mit Fischblut von den Tiefseedingern waren. Wenn sie alt wurd'n un' sich das zeigte, wur'n sie versteckt bis es sie zum Wasser hin un' vom Land weg zog. Ein'ge war'n stärker davon berührt als and're un' manche hab'n sich nie genug verändert, dass es die zum Wasser zog, aber größtenteils hat sich das genauso gefügt wie die Dinger gesagt hatt'n. Die, die stärker wie die Viecher geboren war'n veränderten sich früher aber die, die fast wie Menschen aussahen, blieben manchmal bis sie über siebzig war'n an Land, obwohl die schon davor öfters auf Probeausflüge runter gingen. Leute, die's zum Wasser gezog'n hatte, kamen generell oft zurück zu Besuch, so dass ein'ge mit ihr'n eig'n fünffach'n Urgroßvätern sprach'n, die das trock'ne Land vor'n paar hundert Jahr'n verlassen hatt'n.
Alle hatten die Idee vom Sterb'n aufgege'n --- außer in Kanu-Krieg'n mit den an'ern Inselbewohnern oder als Opfer an die Meeresgötter tief unt'n oder durch Schlangenbisse, Pest oder gallopierende Krankheit oder ir'ndwas, bevor's sie ins Wasser zog --- sondern erwarteten alle die Veränd'rung, die nach 'ner Weile kein bissl schrecklich mehr war. Sie dachten, was sie draus zog'n war alles wert, was sie dafür aufgege'n hatt'n --- un' ich denk' Obed hat sich das so ähnlich überlegt, als er so über Walakeas Geschichte nachgedacht hat. Aber Walakea gehörte zu den wenig'n die nix von dem Fischblut in sich hatten --- kam aus einer Adelslinie, die sich mit Adelslinien von anderen Inseln verheiratete.
Walakea zeigte Obed eine Menge Riten un' Beschwörungen die mit den Seeviechern zu tun hatten un' hat ihm ein'ge von den Leut'n gezeigt, die sich stark von ihrer Menschenform verändert hatt'n. Irgendwie, obwohl er ihn nie eins von den normalen Dingern aus'm Wasser seh'n ließ. Am Ende gab' er ihm 'n merkwürdiges Dingsbums aus Blei oder so, dass so sagte er, die Fischdinger hervorbringen würde, von je'm Ort im Wasser, wo's ein Nest von denen gäb'. Die Idee war, das zusammen mit den richti'en Gebet'n un' so herabzuwerfen. Walakea erlaubte das, da die Dinger über die ganze Welt verstreut war'n un' jeder, der danach suchte, ein Nest finden konnte un' die herbeirufen könnte, wenn er sie brauchte.
Matt mochte dieses Treiben überhaupt nich' un' wollte, dass Obed sich von der Insel fern hielt, doch der Käp'n war scharf auf Profit un' fand raus, dass er die Golddinger für'n Spottpreis bekommen konnte, so dass es sich lohn'n würde, sich darauf zu spezialisier'n. Die Dinge liefen so für Jahre un' Obed bekam genug von dem Goldzeug, dass er die Raffinerie in Waite's alter, verkommener Walkmühle aufmachen konnte. Er hat's nie gewagt, die Stücke zu verkaufen wie sie war'n, weil die Leute sonst ständig Fragen stell'n würd'n. So oder so kamen seine Matrosen manchmal an so'n Stück un' wur'n das hie un' da los, obwohl sie geschwor'n hatten, Ruhe zu halten. Un' er hat die Frau'n in seiner Familie 'n paar von den Stücken, die für Menschen passender aussah'n als die meisten, tragen lassen.
Un' dann, ungefähr Achtun'dreißig als ich sieben war --- fand Obed das ganze Inselvolk von einer Reise auf die nächste ausgelöscht. Schien als hätten die and'ren Inselvölker Wind davon bekomm'n was da vor sich ging un' hatten sich der Sache selbst angenomm', Ich glaub' die hatten doch welche von den alten magischen Zeichen von den'n die Seeviecher sagten, dass sie davor als einziges Angst hatt'n. Nich auszudenken was diese Kanaken sich alles zu schnappen trauen, wenn der Meeresboden 'ne Insel hervortreibt mit Ruinen, die älter sin' als die Sintflut. War'n andächtige Typen, denn sie ha'n nix stehen gelassen, weder auf der Hauptinsel noch auf der klein'n Vulkaninsel, bis auf die Ruinen, die zu groß war'n um sie abzureißen. An manchen Stellen lag'n kleine Steine verstreut --- wie Schutzzauber --- mit 'nem Symbol drauf, dass sie heute Hakenkreuz nennen. War'n wohl die Zeichen der Großen Alten. Die Menschen war'n ausgelöscht un' es gab' keine Spur von irgendwelchem Goldzeugs un' keiner der anderen Kanaken wollte ein Wort über die Sache verlier'n. Ha'n sogar geleugnet, dass da jemals Leute auf der Insel gelebt hatt'n.
Das traf Obed natürlich sehr hart, da auch seine sonst'gen Geschäfte schlecht gingen. Es traf auch ganz Innsmouth, denn in den Seefahrertagen fiel der Profit eines Kapitäns auch proportional seiner Crew zu. Die meisten Leute in der Stadt nahm'n die harten Zeiten wie die Schafe hin un' resigniert'n, aber sie waren in einer schlecht'n Situation, denn der Fischfang versiegte un' den Fabrik'n ging's auch nich' gut.
Zu der Zeit begann Obed auf die Leute zu fluchen, weil sie dumme Schafe seien un' zum christlich'n Himmel bet'n, der ihnen nix half. Er hat ihnen erzählt, er kenne Leute, die beteten zu Göttern, die das geben, was man wirklich braucht un' wenn genug Männer zu ihm stünden, könnt' er vielleicht gewisse Kräfte anrufen, die jede Menge Fisch un' ein'ges an Gold bringen wür'n. Auf je'n Fall wusst'n die, die auf der Sumatry Queen gedient hatten un' die Insel kannt'n, was er meinte un' war'n nich sehr begierig, den Seeviechern von denen sie gehört hatt'n nahe zu komm'n aber die, die nich' wusst'n worum's ging wur'n von dem, was Obed zu erzählen hatte beeinflusst un' fingen an, ihn zu frag'n, was er tun könne um sie auf den Pfad des Glaubens zu schicken, der ihnen Ergebnisse liefere.“