Ist es zu spät, den Klimawandel zu stoppen? Tja, es ist kompliziert. - YouTube
Der Klimawandel ist echt zu viel. Nie gibt es gute Neuigkeiten, nur immer rötere und
bösere Grafiken. Fast jährlich wird irgendein schrecklicher Rekord gebrochen, ob krasseste
Hitzewelle oder schnellste Gletscherschmelze. Es ist unerbittlich und scheint endlos.
Wir wissen schon seit Jahrzehnten, dass Treibhausgase den raschen Klimawandel verursachen.
Aber anstatt sie zu reduzieren, stieß die Welt 2019 sogar 50 % mehr CO2 aus als im Jahr 2000.
Und die Emissionen steigen immer weiter. Warum? Warum ist es so schwer, die Emissionen zu senken?
Unser kollektiver CO2-Ausstoß kann als Produkt von vier zusammenhängenden Faktoren angesehen
werden. Zwei davon erklären, warum der weltweite CO2-Ausstoß weiter ansteigt,
und zwei erklären, wie wir das beenden können:
Bevölkerungszahl, Wirtschaftswachstum, Energie-Intensität und der Ausstoß pro
produzierter Energieeinheit. Nummer 1: Bevölkerungszahl
Menschen benötigen Nahrung, ein Zuhause und Kleidung. Und sie wollen Luxusprodukte
wie iPhones und 1-Euro-Cheeseburger. Mehr Menschen, mehr CO2, so einfach ist die Rechnung.
Die Weltbevölkerung wächst. Laut UN wird sie 2100 bei 11 Milliarden abflachen. Das sind 40
% mehr als heute! Verlangsamen können wir das nur, indem wir ins Gesundheitswesen investieren
und in Entwicklungsländern Verhütungsmittel und Bildung zugänglich machen. Aber selbst
mit massiven Investitionen wird es ein paar Jahrzehnte dauern, bis sich eine niedrigere
Geburtenrate auswirkt. Die Weltbevölkerung wird in absehbarer Zukunft also weiter wachsen,
und als Konsequenz wird auch der weltweite CO2-Ausstoß in den nächsten Jahrzehnten ansteigen.
Nummer zwei. Wachstum oder: Reicher werden
Es ist aber nicht nur unsere Anzahl. Je reicher und entwickelter wir sind,
desto mehr Ausstoß verursachen wir. Ein Programmierer in den USA hat einen höheren
CO2-Fußabdruck als 50 Bauern in Uganda. Der Wohlstand steigt fast überall. Und obwohl
dieser Wohlstand bei Weitem nicht gerecht verteilt ist, hat das Wirtschaftswachstum
wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte den Lebensstandard erhöht und extreme Armut reduziert.
Wachstum ist zum obersten Mantra der Weltwirtschaft geworden,
egal in welchem politischen System. Die reichen Länder werden das Konzept des Wachstums wohl
nicht so bald aufgeben. Aber selbst wenn: Entwicklungsländer wollen auch reich werden.
Für Milliarden Menschen würde das Ende des Wachstums wahrscheinlich bedeuten, weiterhin
in Armut zu leben, weshalb Entwicklungsländer nicht bereit sind, ihr Wachstum zu stoppen.
Alles in allem ist sicher, dass die vorherrschende Wirtschaftsideologie
des Wachstums so schnell nicht verschwinden wird. Immer mehr Länder wachsen und ihre
Einwohner werden immer reicher, während Länder mit einer reichen Wirtschaft ihren
Wohlstand noch weiter steigern. Es gibt zwar Anzeichen, dass Wachstum nicht zwingend an
höheren CO2-Ausstoß gekoppelt sein muss, aber so weit sind wir noch lange nicht.
Als Folge dieses Wachstums werden die CO2-Emissionen steigen.
Ok, jetzt wissen wir, dass das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum den CO2-Ausstoß der Menschheit
weiter steigen lassen wird. Das Gegenteil von dem, was passieren sollte. Wir müssen den jährlichen
Ausstoß verlangsamen, abflachen und dann senken. Die nächsten beiden Faktoren beschreiben,
wie wir das erreichen können. Nummer drei. Energie-Intensität
Energie-Intensität beschreibt, wie effizient wir Energie nutzen. Ein Straßenverkäufer im ländlichen
Brasilien kocht vielleicht mit Kohle, einer in Frankreich vielleicht auf einem Induktionsherd,
der mit Atomstrom betrieben wird. Letzteres ist viel effizienter.
Je effizienter etwas ist, desto weniger Energie wird verbraucht.
Egal ob wir eine Stadt mit Strom versorgen oder eine Kebabbude.
Technologie effizienter zu machen und effizientere Lösungen zu finden, unsere Gesellschaft zu
organisieren, gehört zu den wichtigsten Wegen, die CO2-Abhängigkeit der modernen
Welt zu reduzieren. Das kann alles mögliche heißen, von der Senkung des Energieverbrauchs
mittels KI über die Elektrifizierung des Transport- und Industriesektors
bis zur nachhaltigen Betonproduktion. Die Verbesserungsmöglichkeiten sind quasi endlos, da
kann sich der menschliche Erfindergeist austoben. Wir wissen aber auch, dass es nicht reichen wird,
nur die Effizienz zu erhöhen. Vor allem aus drei Gründen:
1. Direkte Rebound-Effekte: Das bedeutet, dass effizientere Technologie mehr benutzt wird,
weshalb die gestiegen Effizienz insgesamt gar keine so große Reduzierung bringt, wie man denken
könnte.Manchmal lässt eine bessere Effizienz die Menschen sogar mehr statt weniger einer Ressource
verbrauchen. Als die Treibstoffeffizienz von Flugzeugen stieg, wurden Tickets günstiger
und die Menschen fingen an, öfter zu fliegen. Dinge effizienter zu machen bedeutet also nicht
automatisch weniger Energieverbrauch insgesamt. Es kann sogar den gegenteiligen Effekt haben.
2. Indirekte Rebound-Effekte: Wenn du Geld sparst, weil etwas effizienter wurde,
gibst du dieses Geld vielleicht woanders aus. Wenn du dir zum Beispiel ein effizienteres Auto kaufst,
sparst du Geld beim Tanken und hast etwas mehr auf dem Konto. Damit fliegst du dann vielleicht in den
Urlaub. Letztendlich stößt du also vielleicht mehr CO2 aus, obwohl du ein effizienteres Auto hast.
Und schließlich gilt: Je effizienter wir werden, umso schwieriger und teurer wird es,
noch effizienter zu werden. Mit der Zeit profitieren wir also immer
weniger von den Investitionen. Und viele unserer Technologien sind bereits ziemlich effizient.
Aber egal, wie effizient wir unsere Wirtschaft machen,
solange wir auch nur etwas Energie verbrauchen, gibt es Emissionen. Nur
durch Effizienz entsteht keine CO2-neutrale Welt. Und das bringt uns zum letzten Faktor
Nummer vier. CO2-Emissionen pro verbrauchter Energieeinheit, oder: Der globale CO2-Fussabdruck
Der globale Fußabdruck der Menschheit ist das ausgestoßene CO2 pro produzierter Energieeinheit.
Strom aus Kohle erzeugt viel mehr CO2 pro produzierter Energieeinheit als Solarstrom.
Der Zusammenhang ist glasklar: Je mehr fossile Brennstoffe wir verbrennen,
desto größer ist unser CO2-Ausstoß. Fossile Brennstoffe sind aktuell unser mächtigster Hebel,
etwas zu bewegen. Natürlich ist es völlig unmöglich, Kohle und Öl über
Nacht komplett abzuschalten, ohne ins Chaos zu stürzen. Aber wir tun bei Weitem nicht genug,
fossile Brennstoffe im Boden zu belassen und klimafreundlichere Alternativen zu nutzen.
Wir müssen zwei Dinge tun, um den Schritt weg von fossilen Brennstoffen zu beschleunigen.
Zuerst müssen wir die Hebel nutzen, die wir mit der heutigen Technologie schon haben. Vieles
ist schnell möglich: Wir können Atomkraftwerke länger am Netz lassen. Wir können Subventionen
für die Kohlekraft kappen und stattdessen in erneuerbare Energien investieren. Wir
können CO2-emissionen stärker besteuern und diesen Preis Jahr für Jahr steigern,
um den Umstieg für alle Industrien interessant zu machen. Wir können
strenge Energie-Effizienz-Standards einführen, auch für alle Neubauten,
und wir können Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren allmählich aus dem Verkehr ziehen.
Dann müssen wir neue und bessere Technologien erfinden. Ohne neue
Technologien und Innovation können wir keine CO2-neutrale Welt erreichen. Das
könnten Technologien sein wie Carbon Capture, eine neue Generation von Atomkraftwerken,
oder neue Batterien, welche die Speicherung von erneuerbaren Energien revolutionieren.
Aber Innovation braucht Zeit. Jahre und Jahrzehnte. Zeit, die wir nicht haben:
Jahr für Jahr gelangt mehr CO2 in die Atmosphäre. Deshalb reicht Innovation
allein nicht. Wir müssen Mittel und Wege finden, schon heute Emissionen zu verringern,
während wir bereits die Technologie der Zukunft erfinden. Je weniger fossile Brennstoffe wir in
den nächsten Jahren verbrennen, desto mehr Zeit zum Aufholen gewinnen wir
für die Innovationen. Je stärker wir heute klimafreundliche Infrastrukturen ausbauen,
desto besser können wir das Wirtschaftswachstum und die heute geborenen Menschen kompensieren.
Je mehr Kohlekraftwerke wir noch im Bau verhindern, desto mehr CO2 können wir sparen.
Weder Innovationen noch die Alternativen, die wir heute nutzen,
können alleine den raschen Klimawandel stoppen. Aber mit Innovation und einem
entschlossenen Schritt weg von fossilen Brennstoffen, wo das heute möglich ist,
könnte es zu schaffen sein! Den Klimawandel zu lösen ist kompliziert. Wir müssen die Bedürfnisse
von Milliarden Menschen berücksichtigen, und die Tatsache, dass die Gesellschaft
heute größtenteils von fossilen Brennstoffen abhängig ist. Das kann sich nicht über Nacht
ändern - aber es muss sich ändern, so schnell wie möglich. Und möglich ist es immer noch.