Was will China in Tibet?
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber wenn ich an Tibet denke, dann geht mir schon so ein bisschen das Herz auf.
Ich mein: Da stehen ein paar der höchsten Berge der Welt,
unberührte Natur, Nomaden, Yaks, teilweise sieht es einfach aus wie auf dem Mars.
Und dann gibt es natürlich noch sie hier: Tibeterinnen und Tibeter,
buddhistische Mönche und wunderschöne Paläste.
Ich bin alles andere als eso,
aber Tibet gibt mir immer ganz angenehme spirituelle Vibes. Das Ding ist: Damit könnte es bald vorbei sein.
Denn was da gerade in Tibet abgeht, ist einfach nur noch spooky.
Die Vereinten Nationen melden: Das chinesische Regime hat rund eine Million tibetische Kinder in Zwangsinternate gesteckt.
Es ist die Rede von einem Cultural Genocide, also von einem kulturellen Genozid.
Manche Menschen in Tibet sind so verzweifelt, dass sie sich in der Öffentlichkeit selbst verbrennen
als Protest gegen die Übermacht Chinas.
Aber was mir bei unseren Recherchen besonders aufgefallen ist: Das chinesische Regime von Xi Jinping
betreibt einen riesigen Aufwand, um Tibet irgendwie aus unserer Erinnerung zu löschen.
Da werden Kinder in Zwangsinternate gesteckt, Sprache und Kultur aus den Köpfen der Menschen verbannt.
Da wird laut der Universität Toronto Millionen von Menschen unter Zwang DNA entnommen.
Aber wieso macht China das alles?
Warum ist dieses tibetische Hochland aus Bergen, Eis und Schnee überhaupt so unfassbar wichtig für das Regime in Peking?
Und was genau passiert mit den Kindern in den Zwangsinternaten?
Das alles erfahrt ihr in der neuen Folge von ATLAS. Ich bin Don Pablo Mulemba.
Freut mich, dass ihr es geschafft hat,
Bevor wir ins Thema reingehen:
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Wenn ihr jetzt noch die Glocke drückt, dann verpasst ihr gar nichts mehr. Und jetzt ab nach Tibet.
Denn was das chinesische Regime in den letzten Monaten und Jahren veranstaltet, macht echt Gänsehaut.
Ich mein Horrorfilm-Gänsehaut.
Das ist Gyal Lo, ein Soziologe aus Tibet.
Er galt in China irgendwann als “ausländischer Tibeter mit westlichen Background”, und deshalb musste er abhauen.
Mittlerweile lebt er in Kanada, wo er an der Universität von Toronto als Soziologe arbeitet.
Warum wir mit Gyal Lo gesprochen haben:
Er kennt sich mit den Zwangsinternaten wahrscheinlich so gut aus wie sonst nur sehr wenige Menschen auf dieser Welt.
Das hat zwei Gründe. Zum einen ist das sein Job.
Gyal Lo hat vor seiner Flucht nach Kanada mehr als 50 dieser Internate für eine Feldstudie untersucht.
Er hat das Ausmaß der Zwangsinternate überhaupt erst enthüllt.
Gleichzeitig ist seine Familie von diesem System betroffen.
Seine Verwandten leben noch in Tibet, und das in ständiger Angst vor dem Regime in Peking.
Also, dass Gyal Lo trotzdem mit uns gesprochen hat,
das ist alles andere als selbstverständlich.
Er tut das eigentlich nur, weil er der Welt zeigen will, was da gerade in Tibet wirklich abgeht.
Also was hat das chinesische Regime mit den Menschen dort vor?
Und was soll vor allem diese Nummer mit den ganzen Kindern in den Zwangsinternaten?
Das schauen wir uns jetzt mal step by step an. Unsere Redaktion ist in den letzten Monaten immer wieder auf
solche Artikel gestoßen.
Eine Million Kinder von ihren Eltern weggenommen und in Zwangsinternate gesteckt.
Ey, um diese Zahlen ins Verhältnis zu setzen.
In China leben ungefähr 6 Millionen Tibeterinnen und Tibeter.
Dass sie also 1 Million tibetische Kinder von ihren Eltern weggenommen wurden,
klingt nicht nur nach einer mega hohen Zahl.
Es ist auch eine mega hohe Zahl.
Aktivistinnen und Aktivisten waren deshalb vor einem Cultural Genocide, also vor einem kulturellen Genozid.
Und auch Gyal Lo tut das:
Kultureller Genozid bedeutet also, dass eigentlich die komplette tibetische Kultur ausgelöscht werden soll.
Und am Beispiel dieser Zwangsinternate erkennt man sehr gut, wie das chinesische Regime dabei vorgeht.
Gyal Lo hat das so erklärt.
Als erstes zwingen sie tibetische Eltern, ihre Kinder in die Internate zu schicken.
Ihr habt ja schon gehört, wie jung die Kinder dabei sind, teilweise erst vier Jahre alt.
Und wer sich dagegen wehrt, also wer sich gegen das Regime auflehnt, der muss mit Sanktionen rechnen.
In den Internaten werden die Kinder dann gebrainwashed.
Ihnen wird beigebracht, dass ab sofort der Staatschef von China, Xi Jinping, ihr großes Vorbild ist
und nicht mehr der Dalai Lama, also das geistliche Oberhaupt Tibets.
Den Kindern wird dort nicht ihre eigene Sprache beigebracht, also Tibetisch, sondern Mandarin.
Die Sprache der Mehrheit in China und die Sprache des Regimes.
In den Internaten arbeitet meist junges, unerfahrenes Lehrpersonal aus China, das selbst kein Tibetisch spricht.
Und gerade am Anfang soll es massive Verständigungsprobleme zwischen den Kindern und Lehrpersonal geben.
Gyal Lo hat uns erzählt, dass die Kinder Heimweh haben,
sich am Anfang in die Hosen machen, weil sie vom Lehrpersonal einfach nicht richtig verstanden werden.
Er hat uns erzählt, dass die Kinder nur übers Wochenende nach Hause dürfen, um ihre Eltern zu sehen.
Und er hat uns auch erzählt, was das für Folgen haben kann.
Diese kleine Szene, die Gyal Lo da beschreibt, zeigt, dass der Plan des chinesischen Regimes aufzugehen scheint.
Die Kinder Tibets entfremden sich von ihren eigenen Eltern, von ihrem Zuhause, von ihrer Identität und von ihrer Kultur.
Übrigens streitet das chinesische Regime ab, dass es so etwas wie eine Zwangstrennung von Eltern und Kindern gibt.
Vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf sagt ein chinesischer Delegierter:
Dabei sind die Zwangsinternate längst nicht der einzige Versuch des chinesischen Regimes, Tibet vergessen zu machen
Bevor wir uns anschauen, was da noch läuft, muss ich hier schnell einen Disclaimer einschieben.
Die Berichterstattung aus China ist in den letzten Jahren immer komplizierter geworden.
Ihr wisst wahrscheinlich, dass die Pressefreiheit in diesem Land quasi nicht existiert.
Und mittlerweile wird auch immer heftiger Druck auf ausländische Journalistinnen und Journalisten ausgeübt,
auch auf unsere Korrespondentin in Peking.
Wir als ausländische Journalisten werden von Tibet abgeschottet.
Wir kommen da gar nicht erst hin und müssen uns auf die Berichte anderer verlassen.
Und so ist es auch in unserem Fall.
Wir konnten die Geschichte der Zwangsinternate nicht vor Ort recherchieren.
Wir müssen uns deshalb auf die persönlichen und wissenschaftlichen Beobachtungen von Gyal Lo
und auf die Berichte der Vereinten Nationen verlassen.
Und deren Experten haben ja erst im Februar dieses Jahres Alarm geschlagen.
Und ganz ähnlich ist es auch im Fall der entnommenen DNA Proben, von denen ich euch schon am Anfang erzählt habe.
Es gibt immer wieder Berichte von Menschenrechtsorganisationen,
dass in Tibet massenweise DNA Daten gesammelt werden, auch von Kindern.
Die Leiterin des China Büros von Human Rights Watch sagte dazu, die chinesische Regierung
übe bereits allgegenwärtige Unterdrückung auf die Tibeter aus.
Einer dieser Berichte kommt von der Universität Toronto, wo mittlerweile auch der Soziologe Gyal Lo arbeitet.
Der Bericht zeigt, dass seit 2016 bis zu 1,2 Millionen DNA Proben
von Tibeterinnen und Tibetern genommen wurden. Von Männern, Frauen, Kindern und buddhistischen Mönchen.
Und das alles unter Zwang.
Das chinesische Regime behauptet, dass sie die DNA brauchen,
um Verbrechen zu bekämpfen und vermisste Menschen wiederzufinden.
Die Forscherinnen und Forscher aus Toronto, die kommen zu einem anderen Schluss.
Nur mal kurz zur Einordnung: DNA Proben sind so ungefähr die sensibelsten Daten, die man von Menschen erheben kann.
Man kann damit im Grunde alles herausfinden, wie groß oder klein Menschen sind, welche Form
die Wangenknochen haben, welche Augen und Haarfarbe man hat. Und all diese super sensiblen Daten
von mehr als einer Million Tibeterinnen und Tibetern liegen jetzt in den Händen der chinesischen Behörden.
Und China soll ehe schon die größte DNA-Datenbank der Welt haben.
Was da gerade abgeht ist echt der feuchte Traum von jedem Diktator, der auf diesem Planeten herumläuft.
Die totale Kontrolle, die totale Überwachung. An der Stelle wird eines klar: Das chinesische Regime betreibt
einen wahnsinnigen Aufwand, um Tibet zu kontrollieren und um es irgendwie aus der Erinnerung der Menschen zu löschen.
Vor allem im tibetischen Volk selbst, aber auch beim Rest der Welt.
Für mich stellen sich deshalb noch zwei ganz, ganz elementare Fragen.
Erstens: Warum betreibt das Regime überhaupt so einen irren Aufwand?
Was gibt es da oben in Tibet, das so wertvoll ist, das diesen ganzen Aufwand irgendwie erklären kann?
Und zweitens, wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Was ist die gemeinsame Geschichte von Tibet und China?
Um das alles richtig verstehen zu können, müssen wir einen Blick in die Vergangenheit werfen, und zwar in das Jahr 1911.
Damals endete nach 2000 Jahren die Kaiserdynastie in China.
Für die Menschen in Tibet war das die perfekte Gelegenheit.
Die Provinz hat die Chance genutzt und sich zu einem unabhängigen Land erklärt.
Und als Oberhaupt hatten sie ihren religiösen Führer, den Dalai Lama.
Alles schien schön und gut für die Tibeter.
Doch China hatte einen anderen Plan, angeführt von Mao Zedong, gründeten die Kommunisten im Jahr 1949
die Volksrepublik China.
Es ist der Beginn eines Konfliktes, der bis heute anhält.
Denn Mao und seine Genossen fanden, dass Tibet schon immer ein Teil Chinas war und es auch schnell wieder werden sollte.
Nur ein Jahr später marschierten sie mit einer sogenannten Befreiungsarmee in Tibet ein.
40.000 Soldaten aus China gegen 6.000 aus Tibet.
Also die Tibeter hatten natürlich gar keine Chance gegen so eine Übermacht.
Im Jahr 1951 wurde Tibet dann dazu gedrängt, das sogenannte 17-Punkte-Abkommen zu unterschreiben.
Der Vertrag hat in Tibet eigentlich den Erhalt von Kultur, Religion und Politik versprochen.
Doch die Realität, die sah schon kurz darauf ganz anders aus.
Weil China immer krasser in das Leben der Menschen eingriff, wehrten sich die Tibeterinnen und Tibeter dagegen auch mit Gewalt.
Am 10. März 1959 kam es dann zu einem riesigen Aufstand, bei dem vermutlich tausende Menschen ums Leben gekommen sind.
Der Dalai Lama musste mit 80.000 weiteren Tibeterinnen und Tibeter nach Indien fliehen.
Bis heute ist der Dalai Lama nicht zurückgekehrt.
Und bis heute greift die chinesische Regierung massiv in das Leben der Menschen ein.
Und das in den letzten Jahren immer krasser.
Also noch mal: Wieso macht China das alles? Was ist der Plan dahinter?
Das große Ziel des chinesischen Staats und Parteichef Xi ist, China zur Weltmacht Nummer eins werden zu lassen.
Und für dieses Großmachtstreben will man alle Landesteile sicher unter seinen Fittichen wissen.
Das ist einer der drei wesentlichen Gründe, auf die wir gestoßen sind.
Und ja, der war irgendwie anders.
Es geht hier natürlich um Macht, aber China hat in Tibet noch ganz andere Interessen.
Ja, Leute, auch hier geht es mal wieder um Ressourcen.
Allerdings nicht um Öl, nicht um Diamanten oder um seltene Erden, sondern um Wasser.
Im tibetischen Hochland entspringen die größten Flüsse Asiens.
Einige davon gehen durch China und die sind für das Land sehr wichtig.
Insgesamt entspringen die neun längsten Flüsse Asiens.
Die Flüsse versorgen die Menschen in China, Indien, Pakistan, Vietnam, Myanmar, Laos, Kambodscha und und und.
Oder anders gesagt: Wer die Macht über das tibetische Hochland hat, hat die Macht über das Wasser und damit
über Millionen Menschenleben.
Und diese Macht scheint sich Xi Jinping unbedingt sichern zu wollen.
Wir haben dazu schon mal ein Video gemacht.
Schaut mal hier. Lasst uns jetzt aber mal zum letzten Grund kommen, warum China so einen irren Aufwand betreibt.
Denn das ist der vielleicht wichtigste. Gyal Lo hat uns von einem Gespräch mit einem chinesischen Wissenschaftler erzählt
und der meinte zu ihm, dass China eigentlich keine wirkliche Angst vor Taiwan oder Hongkong hätte.
China hat also offenbar Angst, dass sie Tibet dauerhaft verlieren könnten und damit China geschwächt wird.
Gleichzeitig soll auch die Angst in der kommunistischen Partei
groß sein, dass Unruhen im Land zu ihrem Sturz führen könnten.
Vielleicht könnt ihr euch erinnern: Während der krassen Lockdown-Politik haben die Menschen für chinesische Verhältnisse
echt vehement gegen das Regime demonstriert.
Die Regierung konnte die Proteste zwar niederschlagen, aber Gyal Lo, der hat da so ein Gefühl...
So Leute, schreibt mir mal in die Kommentare, ob ihr schon von dem System der Zwangsinternate wusstet.
Mich würde mal interessieren, was denkt ihr, wie sich das mit Tibet und China so weiterentwickelt?
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Dann verpasst ja auch nichts mehr. Schaut euch auch gern unser Video über Guyana an.
Das Land ist innerhalb von ein paar Jahren ziemlich, ziemlich reich geworden.
Meine Kollegin Tess verrät euch, wie das passieren konnte.
Und bei Der Fall geht es um ein Ereignis in Köln, das dort ziemlich viel verändert hat.