Wunderbare Jahre I.5: Und Wenn Sie Nun Auflegt?
OPENING SEQUENCE
INT. ABEND. HAUS DER ARNOLDS (Kevin sitzt vor dem Telefon. Er nimmt den Hörer ab und beginnt zu wählen.)
Es gibt nur wenige Dinge im Leben, die einen so restlos in Angst und Schrecken versetzen wie das Vorhaben, ein zwölfjähriges Mädchen anzurufen.
(Kevin schlägt den Hörer wieder auf das Telefon.)
Besonders, wenn es ein echt süßes zwölfjähriges Mädchen ist.
INT. TAG. KLASSENRAUM (Kevin und die anderen Schüler beobachten im Fernsehen den Start von Apollo 8.)
REPORTER #1 (im Fernsehen): Es bleiben noch 19 Minuten bis zum Start. Alles verläuft planmäßig. Die Bodenmannschaft führt noch eine letzte technische Überprüfung durch, bevor Apollo 8 an diesem denkwürdigen Tag abhebt.
Sie hatte in der dritten Stunde mit mir zusammen Gemeinschaftskunde. Diesen Tag vergeß ich nie. Mrs. Ritvo ließ uns den Raketenstart im Fernsehen mitverfolgen. Zu dieser Zeit hatte ich gerade die ganze Sache mit Winnie Cooper überwunden und ich wußte gar nicht, daß ich schon wieder für die Liebe anfällig war. Ich wußte nur, mein Interesse für das Raumfahrtprogramm war den Bach runtergegangen. Abschuß...Landung...Abschuß...Landung...na und? Aber dann...erspähten meine Augen...sie...Lisa Berlini. Lisa Berlini war so ein Mädchen, von dem man träumt...bei dem aber klar ist, daß sie wahrscheinlich nicht einmal den Namen von einem weiß. Aber dann passierte es.
(Die Klasse zählt den Countdown mit und johlt, als die Rakete abhebt. Lisa dreht sich um und sieht zu Kevin.)
Sie hat mich angeguckt! Habt ihr das gesehen? Sie hat mich richtig angeguckt! Damit das auch alle richtig verstehen: Wenn man zwölf ist und ein Mädchen guckt einen so an, und sei es auch nur für eine Sekunde, gibt es einen Riesenknall und alles andere wird aus dem Hirn direkt in Richtung Stratosphäre geschossen.
(Die Klingel läutet. Alle stehen auf und verlassen den Klassenraum. Nur Kevin bleibt auf seinem Platz. Lisa wirft ihm noch einen Blick zu, als sie den Raum verläßt.)
Ich war verliebt.
REPORTER #1 (im Fernsehen): Wenn heute alles nach Plan verläuft, wird der erste Spaziergang auf dem Mond in greifbare Nähe gerückt. Eine große Mission.
INT. ABEND. HAUS DER ARNOLDS (Kevin sitzt wieder vor dem Telefon.)
Ich hatte jetzt meine eigene große Mission. Ich mußte rauskriegen, ob sie mich mochte. Das Problem war, ich kannte Lisa nicht besonders gut. Also, um ehrlich zu sein, ich hatte sie ja noch nicht mal reden hör'n. Wahrscheinlich war's das einfachste, sie anzurufen. (Kevin nimmt den Hörer ab, beginnt zu wählen und knallt den Hörer wieder auf die Gabel.)
INT. TAG. SCHULKORRIDOR (Kevin notiert jede von Lisa's Bewegungen.) Andererseits, vielleicht war es ja auch einfacher, Lisa irgendwo über den Haufen zu rennen. Rein zufällig. Ausversehen. - Also bin ich ihr die nächsten drei Tage auf Schritt und Tritt hinterhergeschlichen.
(Die Klingel läutet und Kevin rennt zur Klassenraumtür, um auf Lisa zu warten, während die Kinder den Raum verlassen.)
Am Dienstag dem Achten um 11 Uhr 25 und 15 Sekunden war es soweit. Mein Plan war idiotensicher. Ich hatte mir schon alles genau ausgemalt. Ich würde sie ansehen, sie würde mich ansehen, ich würde sagen: "Entschuldige, Kleine, ich konnte ja nicht ahnen, daß ich dich hier umrenne." Sie würde sagen: "Muß ja wohl mein Glückstag sein." So würde eins zum anderen kommen. Ich würde sagen: "Wie wär's, wenn wir das bei einem kleinen Eiscremesandwich ausdiskutieren?" (Kevin späht in den leeren Klassenraum, als Lisa nicht erscheint. Er dreht sich um, um zu gehen, und stößt mit ihr zusammen.)
LISA: Oh. Hallo. (lange Pause) Wie geht's dir? (Kevin ist etwas benommen und kann keinen klaren Gedanken fassen. Lange Pause.)
KEVIN: Bestens... bestens...
(Eine weitere lange Pause.)
LISA: Naja, mach's gut. (Lisa geht weiter. Kevin ist sauer auf sich selbst...)
KEVIN (wütend): Bestens ? (schlägt seinen Kopf gegen ein Schließfach)
KEVIN: Bestens? INT. TAG. KLASSENRAUM (Kevin sitzt geistesabwesend im Unterricht und malt Herzen in sein Heft.)
Da wurde mir klar, daß es besondere Dinge gibt, die ein Mann einer Frau sagt. Mir wurde auch klar, daß ich nicht die geringste Ahnung hatte, was das für Dinge waren. Ich war völlig fix und fertig. Ich konnte nicht mehr schlafen. Ich konnte nichts mehr essen.
MRS. RITVO: Mr. Arnold?
Ich konnte nicht mehr lernen.
MRS. RITVO: Mr. Arnold, ich warte!
(Kevin wird aus seinen Gedanken gerissen und schreckt hoch.)
KEVIN: Könnten Sie...wohl...die Frage...wiederholen...bitte?
MRS. RITVO: Ich hätte gern gewußt, ob du überhaupt anwesend bist. Damit, daß du hier rumsitzt und den Stuhl anwärmst, ist es nämlich nicht getan.
INT. TAG. CAFETERIA (Kevin und Paul tragen ihre Tabletts durch die Gegend. Während Paul einen freien Tisch sucht, scheint Kevin etwas ganz anderes zu suchen.
PAUL: Meine Beine werden lahm. Setzen wir uns endlich hin ?
(Kevin und Paul setzen sich nebeneinander an einen freien Tisch. Kevin läßt weiterhin seinen Blick durch die ganze Cafeteria streifen.)
PAUL: Kannst du mir mal verraten, wen du suchst?
KEVIN: Was soll die Frage - ich such niemanden.
(Kevin findet schließlich, wen er sucht.)
PAUL: Warum glotzt du denn so zu Lisa Berlini?
(Kevin hält Paul den Mund zu.)
KEVIN (verärgert): Willst du mir vielleicht irgendwas anhängen? Bist du irre? Gut, wenn ich loslasse, versprichst du, daß du den Rand hältst? Ehrenwort?
(Paul nickt. Kevin läßt ihn los.)
PAUL: Hab ich irgendwas falsches gesagt? (begreift plötzlich) Ach so. Kann es sein, daß du sie magst?
KEVIN: Was!? Bist du bescheuert? Woher hast du denn die dusselige Idee? (Pause) Naja, vielleicht etwas.
PAUL: Wahnsinn! Ehrlich? Und mag sie dich auch?
KEVIN: Paul, ich habe keine Ahnung.
PAUL: Weißt du, wer es sicher weiß?
KEVIN: Paul, eins mußt du mir versprechen, verstanden? Kein Mensch darf davon Wind kriegen. Ist das klar?
PAUL: Okay, okay.
KEVIN (neugierig): Wer?
Damit begann die große Blamage bei den Vermittlern.
PAUL: Patty Galvin. Sie wohnt direkt im Nebenhaus und sie weiß einfach alles über sie. Soll ich sie fragen?
Hinundhergerissen zwischen dieser quälenden Liebe und der Angst vor einer Demütigung...
(Paul steht auf, um Patty zu fragen.)
...ließ ich mich schließlich darauf ein. Nachdem Paul schwören mußte, daß Lisa Berlini kein Wort davon erfahren würde. Also stiefelte Paul los und fragte Patty Galvin, ob Lisa mich nun mochte oder nicht. Immerhin wußte Patty ja einfach alles über Lisa.
(Paul keht zurück.)
PAUL: Sie hatte auch keine Ahnung.
KEVIN: Wo...wo rennt sie denn hin?Was macht sie jetzt?
PAUL: Sie fragt Tommy Rygot.
KEVIN: Oh Gott, und morgen ist es in der ganzen Schule rum!
Tommy Rygot hatte natürlich absolut keine Ahnung, aber er war so zuvorkommend und erkundigte sich bei...bei ähm...
KEVIN: Wer ist denn die?
PAUL: Was weiß ich? Ist mir noch nie über den Weg gelaufen.
...bei jemandem, der uns noch nie über den Weg gelaufen war.
(Das Mädchen geht hinüber zu Lisa.)
KEVIN: Oh, meine Güte, nein! Was tut sie da? Paul, sag schon, was tut sie da?
(Das Mädchen fragt Lisa, die nun zu Kevin hinüberblickt. Kevin springt auf und rennt so schnell er kann aus der Cafeteria. Einige Kinder lachen, als er beim Vorbeirennen noch einen Jungen anrempelt.)
INT. TAG. JUNGENTOILETTE (Kevin sitzt auf einer der Toiletten. Paul steht mit einem Sandwich in der Hand neben ihm.)
Nachdem die große Blamage bei den Vermittlern so katastrophal gelaufen war, stand fest, daß ich Lisa Berlini nie wieder unter die Augen treten könnte. Es gab ein paar Orte, an denen es unwahrscheinlich war, auf sie zu treffen.
PAUL: Wenn du das Thunfischsandwich nicht gleich nimmst, spül ich's runter. KEVIN: Paul, wie hat sie reagiert als die Tante sie gefragt hat, ob sie mich mag ?
PAUL: Keine Ahnung. Ich hab mir deinen Abgang angeguckt.
(Die Klingel läutet.)
PAUL: Äh, wir müssen jetzt echt zu O'Brien. Es hat geklingelt.
KEVIN: Uh-uh. Ich geh nirgendwo hin. Nachher sieht sie mich noch.
PAUL: Du kannst doch nicht den ganzen Tag hier drin hocken!
KEVIN: Wieso denn nicht?
Ja, wieso denn eigentlich nicht? Ich hatte fließendes Wasser, jede Menge Klos, geheizt war auch, Thunfisch - ich hätte das wochenlang aushalten können.
PAUL: Im Bus triffst du sie sowieso.
KEVIN: Dann lauf ich eben.
PAUL: Ja, aber was machst du morgen?
INT. TAG. HAUS DER ARNOLDS (Norma ist in der Küche. Kevin kommt herein.)
KEVIN: Mom, ich hab Halsschmerzen.
NORMA: Was? Komm her, laß mal reingucken. Sag "ah"! (Kevin läßt Norma in seinen Hals schauen.)
KEVIN: Ahhhhh...
NORMA: Mmh, der ist ein bißchen rot.
(Norma greift nach einer Taschenlampe und schaut noch einmal in Kevins Hals.)
KEVIN: Ahhhhh...
Klar war er rot. So ein Hals ist immer rot. Aber Gott sei Dank sah meine Mutter nie rein, wenn ich keine Beschwerden hatte.
NORMA: Du gehst sofort wieder ins Bett!
KEVIN: Muß ich denn unbedingt?
NORMA: Keine Wiederrede! Ich bring dir 'nen Kakao und den Fernseher. Los geh!
(Kevin dreht sich um und grinst, als er die Küche verläßt.)
INT. TAG. KEVIN'S ZIMMER (Kevin sitzt auf dem Bett und sieht Quizsendungen.) Nach etwa zwei Stunden absoluter Bettruhe mit Fernsehen sieht die Welt immer etwas besser aus.
(Später am Abend...)
Nach etwa zehn Stunden sieht sie eher noch viel schlimmer aus. Langsam widerte ich mich an. Ich meine, wie stellte ich mir das vor? Wollte ich den Rest meines Lebens damit verbringen, mir beknackte Quizsendungen anzusehen, nur weil ich Schiß vor einem zwölfjährigen Mädchen hatte?
(Kevin schaltet auf einen anderen Kanal um, der die Mission von Apollo 8 überträgt.)
REPORTER #1 (im Fernsehen): Wenn die Astronauten heute nacht den Mond auf der uns abgewandten Seite umrunden, erblickt die Menschheit zum ersten Mal seit der Zeit des Christoph Kolumbus einen wirklich neuen Horizont.
REPORTER #2 (Im Fernsehen): Was mich beinah noch mehr beeindruckt, Frank, ist die bewunderswerte Kühnheit dieser drei Männer, die sich der Herausforderung stellen, die Präsident Kennedy 1960 so formuliert hat:
KENNEDY (im Fernsehen): ...natürlich haben wir keine Garantie, daß wir irgendwann einmal die ersten sind. Jedoch haben wir die Garantie, daß, wenn wir dieses Ziel nicht mit aller Kraft verfolgen, wir zu den letzten gehören werden. (Applaus)
Plötzlich wußte ich, was ich zu tun hatte. Ich konnte nicht ewig vor Lisa Berlini wegrennen. Ich mußte mir ein Herz fassen und der Gefahr ins Auge sehen.
INT. ABEND. KÜCHE (Kevin sitzt wieder vor dem Telefon und hält den Hörer in der Hand. Er beginnt zu wählen.)
Ich mußte den Hörer abnehmen und sie anrufen...
(Kevin schlägt den Hörer auf die Gabel zurück.)
...gleich nach dem Abendbrot.
INT. ABEND. KÜCHE (Kevin, Norma, Jack, Karen, und Wayne sitzen am Tisch und essen Abendbrot. Die Übertragung der Mission von Apollo 8 läuft im Fernsehen.
REPORTER #1 (im Fernsehen): Und wenn die Umrundung des Mondes erfolgreich ist, hegt die NASA die Hoffnung, Präsident Kennedys Herausforderung annehmen zu können und bis Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond zu befördern.
Ich hatte meine eigene Herausforderung. Ich würde bis 8 Uhr Lisa Berlini anrufen. Unter Einsatz meines Lebens.
NORMA (zu Kevin): Schätzchen, du siehst ganz blaß aus. Was macht dein Hals?
KEVIN (seinen Hals reibend): Ist immernoch schlimm. Tut ziemlich weh.
NORMA: Naja, das beste wird sein, ich seh ihn mir mal an wenn er wieder normal ist - nur so zum Vergleich.
KEVIN: Mom?
NORMA: Mmh?
KEVIN: Weißt du noch, wie Dad dich zum allerersten Mal angerufen hat?
NORMA: Ähm, ich erinnere mich nicht mehr so genau.
KEVIN: Oh.
JACK: Ich glaube, es war bei Macy's. NORMA: Ja, richtig. Stimmt. Macy's. Da hab ich zu dieser Zeit gerade Schlipse verkauft und dein Vater hat angerufen, ob er seinen Schlips umtauschen kann.
KEVIN: Dann kanntest du ihn überhaupt nicht?
NORMA: Klar kannt' ich ihn. Ich hatte ihm ja schließlich den Schlips verkauft. Ich weiß noch, wie ich ihn rangehalten hab, um zu sehen, ob er zu seinem Hemd paßt.
KEVIN: Und, ähm...hast du gehofft, daß er dich anruft?
NORMA: Gehofft? Nein. Ich hab ihm einen Schlips verkauft und dachte: "Naja, damit hat's sich." KEVIN: Uh.
INT. ABEND. KÜCHE (Kevin sitzt wieder vor dem Telefon.)
Es wahr soweit. Noch 19 Minuten bis zur Stunde X. Ich war startklar. Ich konnte jederzeit den Hörer abnehmen und sie anrufen.
(Kevin legt seine Hand auf den Hörer, zieht sie aber schnell wieder weg, als Jack hereinkommt.)
JACK: Norma, wo sind die blöden Schecks wieder hin?
NORMA (V/O): Die liegen in der Schublade.
JACK: Nein, liegen sie nicht. Da guck ich ja gerade.
(Jack schaut in die Schublade. Kevin öffnet eine andere und nimmt das Scheckheft heraus.)
KEVIN: Dad.
JACK: Mmh?
Danke.
(Jack nimmt das Scheckbuch.)
JACK (zu Norma): Hat sich eben erledigt.
KEVIN: Um, Dad.
JACK: Mmh?
KEVIN: Ich wollte eigentlich gerade telefonieren.
JACK: Telefonier doch.
KEVIN: Ich hatte gehofft, daß ich dazu ein bißchen Ruhe hätte.
JACK: Wozu brauchst du denn bitte Ruhe?
(Pause)
KEVIN: Weißt du...
JACK: Was?
KEVIN: Ich möchte einen Schlips umtauschen, Dad.
Als er mich so ansah hatten wir wohl beide das ergreifende Gefühl, das sich eine rührende Episode unserer Familiengeschichte wiederholte.
JACK: Seit wann trägst du denn Schlipse? (Pause) Hände weg von meinen Füllern.
(Jack verläßt die Küche.)
Jetzt war es wirklich so weit.
KEVIN (übt): Hallo, hier ist Kevin. (mit tiefer Stimme) Hallo, hier ist Kevin. (lässig) Hallo, hier ist Kevin.
Mann, mach schon! Jetzt oder nie.
(Kevin nimmt den Hörer ab und wählt.)
KEVIN: Hallo? Hier ist Kevin. Wie geht's dir denn so? PAUL: Es geht. Was ist?
KEVIN: Äh, nichts. Ich wollt' nur wissen, wie dein Tag war. PAUL: Och, gar nicht schlecht.
KEVIN: Und, ähm, was war in Mathe?
PAUL: Äh, nichts.
KEVIN: Hattet ihr wenigstens was Gutes in Sport?
PAUL: Mmh, nein. Eigentlich nicht.
KEVIN: Gar nichts?
PAUL: Nein, wirklich nicht.
KEVIN: Oh Mann, das nervt, Paul! Dein Leben ist sowas von öde! Da kriegt man ja Depressionen!
(Kevin legt wütend auf.)
PAUL: Hallo? Hallo?
INT. ABEND. KÜCHE (Kevin sitzt weiterhin am Telefon.)
Eine innere Stimme sagte mir, daß es jetzt wirklich echt soweit war. Es lag nicht daran, daß sich alle Muskeln in meinem Körper verkrampften - ja, das taten sie. Auch nicht daran, daß alle vorhandenen Nervenenden kribbelten - ja, das taten sie. Nein, es lag daran, daß jeder Haps, den ich beim Abendbrot gegessen hatte, in meinem Magen plötzlich Achterbahn fuhr.
(Kevin greift langsam nach dem Hörer. Plötzlich klingelt das Telefon und er schreckt zurück. Schließlich nimmt er ab.)
KEVIN: Hallo?...Ja Jeff, einen Moment. (ruft laut) Wayne. Wayne!
(Wayne kommt in die Küche und nimmt Kevin den Hörer ab.)
KEVIN: Es ist Jeff, aber wenn es geht, faß dich kurz. Du weißt schon, ähm, ich muß noch telefonieren.
WAYNE: Ich leg auf wenn ich aufleg, du Sack. Das ist hier nämlich ein sehr wichtiges Telefonat. (spricht in den Hörer) Ja, Blödmann? Na Alter, alles klar? Wie war ich, häh?
Wayne hatte offenbar andere Vorstellungen von einem wichtigen Telefonat als ich, oder als jedes andere denkende menschliche Wesen.
KEVIN: Wayne, hat das nicht Zeit?
WAYNE (zu Kevin): Nein, hetz mich nicht. (zu Jeff): Ach ja, ja. Der soll sich nicht ins Hemd machen, sonst nehmen wir uns Mamis kleinen Bettnässer vor.
(Später...)
WAYNE: ...ja, alles klar. Bis morgen. (zu Kevin): So, jetzt kannst du, du Sack.
(Wayne drückt Kevin das Telefon in die Hand und will gehen. Kurz vor der Tür bleibt er stehen.)
Oh nein, bitte. Alles, nur das nicht. Warum hatte ich Idiot nicht vorher angerufen? Warum?
(Wayne dreht sich um und schreitet langsam zu Kevin zurück.)
Oder wollte er mich nur fragen, ob er die Tür zumachen soll?
WAYNE: Wen rufst du denn an, du Sack?
KEVIN: Niemanden.
WAYNE: Dafür, daß du niemanden anrufst, hast du hier aber ganz schön lange rumgesessen.
KEVIN: Laß mich in Ruhe, Wayne.
WAYNE: Ist es vielleicht... eine Tussie?
KEVIN: Laß mich in Ruhe!
WAYNE: Mal sehen - wer ist es wohl?
KEVIN: Niemand ! Und jetzt verzieh dich gefälligst!
WAYNE: Ist es vielleicht Debbie Ackerman?
KEVIN: Los, raus!
WAYNE: Katie Osborne?
KEVIN: Laß den Scheiß!
WAYNE: Irgendwo muß ja auch die Nummer sein.
(Sie kämpfen.)
WAYNE: Gib's auf, du Zwerg! (Schließlich kriegt WAYNE den Zettel mit der Nummer zu fassen.)
WAYNE: Uh, uh uh. Danke schön. Aha, Lisa ! Kennen wir irgendwelche Lisa's? KEVIN: Kannst du vergessen. Da ist nichts.
WAYNE: Ach. Na dann macht's dir sicher nichts aus, wenn ich sie jetzt mal anrufen, neh Kumpelchen? KEVIN: Nicht das geringste.
WAYNE: Also dann.
(Wayne greift nach dem Telefon und wählt. Kevin versucht, ganz ruhig auszusehen - bis Wayne die letzte Ziffer gewählt hat.)
KEVIN: Nein!
(Kevin wirft sich auf Wayne und versucht, ihm das Telefon zu entreißen.)
KEVIN: Gib's, bitte Wayne. Oh Mist! Nein, bitte. Bitte! Oh bitte h”r auf!
WAYNE: Es klingelt...
KEVIN: Verdammt nochmal, nein! Bitte, leg auf!
JACK (V/O, ruft wütend): Hey, was wird denn da drin veranstaltet?
WAYNE: Argh! Gar nichts.
(Wayne reibt seinen Finger und gibt vor, Schmerzen zu haben. Jack kommt in die Küche.)
JACK: Wayne, raus jetzt! Laß deinen Bruder in Ruhe! Sofort!
WAYNE (leise zu Kevin): Sack.
(Wayne geht. Kevin schaut auf die Uhr.)
Nur noch eine Minute bis 8. Wenn ich noch einen Funken Männlichkeit in mir hatte, würde ich sie jetzt anrufen.
(Kevin nimmt den Hörer ab und wählt.)
Der Countdown lief. Noch sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins...
(Während das Telefon klingelt, stellt sich Kevin vor, wie Lisa reagieren könnte. Lisa sitzt in ihrem Raum und geht ans Telefon.)
LISA: Hallo? Ja, hier ist Lisa. Kevin wer? Kevin Arnold?
(zu einer Freundin) Wer ist Kevin Arnold?
(Lisa'a Freundin flüstert etwas.) LISA (zu Kevin): Oh, hallo Kevin! (zu ihren Freunden): Kommt her, Leute, das müßt ihr euch anhören.
(ihre Freunde scharen sich um sie.)
LISA (zu Kevin): Gut geht's mir, Kevin. Und wie geht's dir? Aha...Aha...Ach, was du nicht sagst!
(Lisa kichert. Ihre Freunde lachen. Um sie hat sich eine Menschenmenge gebildet, in der sich auch Mrs. Ritvo und zwei Reporter befinden.)
REPORTER #1: Wir sind hier live bei Lisa Berlini zu Hause, wo Lisa jetzt gerade Kevin Arnold am Telefon hat. Jim, vielleicht können Sie die Frage beantworten: Warum ruft Kevin Lisa an, wo sie ihn doch offenbar für einen totalen Vollidioten hält?
REPORTER #2: Ich habe keine Erklärung, Frank, aber wenn wir unser Mikrophon ganz dicht an den Hörer halten, können unsere Zuschauer und wir in diese Unterhaltung reinhören, obwohl ich bezweifle, daß wir bei dem Gegröle, das in dem Raum herrscht, auch nur ein Wort verstehen werden.
(Kevin legt schnell wieder auf.)
Es wurde acht - es wurde nach acht. Irgendwie kriegte ich es einfach nicht fertig.
NORMA (V/O rufend): Kevin. Kevin, Schatz, komm mal her. Das mußt du dir ansehen.
(Kevin geht ins Wohnzimmer. Norma, Jack, Wayne, und Karen sitzen auf der Coach und sehen die Übertragung der Apollo-8-Mission.)
ASTRONAUT (im Fernsehen): Wir befinden uns auf einer Mondumlaufbahn. Es ist ein überwältigender Anblick, die Erde von hier oben zu sehen...
REPORTER #1 (im Fernsehen): Zum ersten Mal bietet sich Menschen dieser Anblick. Über dem Mondhorizont geht die Erde auf.
REPORTER #2 (im Fernsehen): Das rückt doch alles in ein anderes Licht, nicht wahr, Frank? Wenn man sich vorstellt, daß da unten, auf dieser schönen leuchtenden Kugel Kriege ausgetragen werden, Stürme toben, Menschen geboren werden, Menschen sterben, menschliche Konflikte, unsere Leidenschaften, unser Schmerz, all das geht weiter unter diesem Wolkenschleier.
Und auf einmal hatte ich dieses komische Gefühl. Vielleicht hatte ich diese ganze Sache ja viel zu sehr aufgebauscht. Ich meine, Lisa würde mich schon nicht auslachen. Außerdem - was wäre denn, wenn sie's täte? Wäre das wirklich so ein Drama?
REPORTER: Und jetzt...Werbung.
(Als der erste Werbespot für Zahnpasta eingeblendet wird, geht Kevin in die Küche zurück.)
Da wußte ich, was ich zu tun hatte.
(Kevin setzt sich wieder neben das Telefon und nimmt den Hörer ab.)
Ich brauchte nur den Hörer abzunehmen und ihre Nummer zu wählen.
(Kevin wählt.)
KEVIN: Lisa? Hallo, hier ist Kevin...aus der Schule...Ja genau...der kleine Typ...Ach, ich hatte Halsschmerzen...Nein, ist halb so wild...Wahrscheinlich bin ich morgen wieder da...Mrs. Ritvo? Ja, die ist echt 'n Hammer... CLOSING TITLES