Franz Grillparzer: König Ottokars Glück und Ende - Rede über Österreich
Ottokar von Hornek, Dienstmann
Des edlen Ritters Ott von Lichtenstein,
Den König Ottokar, samt andern Landherrn,
Ohn Recht und Urteil hält in enger Haft.
O nehmt euch sein, nehmt euch des Landes an!
Er ist ein guter Herr, es ist ein gutes Land,
Wohl wert, daß sich ein Fürst sein unterwinde! Wo habt ihr dessengleichen schon gesehn?
Schaut rings umher, wohin der Blick sich wendet,
Lachts wie dem Bräutigam die Braut entgegen!
Mit hellem Wiesengrün und Saatengold,
Von Lein und Safran gelb und blau gestickt,
Von Blumen süß durchwürzt und edlem Kraut,
Schweift es in breitgestreckten Tälern hin –
Ein voller Blumenstrauß, soweit es reicht,
Vom Silberband der Donau rings umwunden! Hebt sichs empor zu Hügeln voller Wein,
Wo auf und auf die goldne Traube hängt
Und schwellend reift in Gottes Sonnenglanze;
Der dunkle Wald voll Jagdlust krönt das Ganze.
Und Gottes lauer Hauch schwebt drüber hin,
Und wärmt und reift, und macht die Pulse schlagen,
Wie nie ein Puls auf kalten Steppen schlägt.
Drum ist der Österreicher froh und frank,
Trägt seinen Fehl, trägt offen seine Freuden,
Beneidet nicht, läßt lieber sich beneiden!
Und was er tut, ist frohen Muts getan.
's ist möglich, daß in Sachsen und beim Rhein Es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen;
Allein, was nottut und was Gott gefällt,
Der klare Blick, der offne, richtge Sinn,
Da tritt der Österreicher hin vor jeden,
Denkt sich sein Teil und läßt die andern reden!
O gutes Land! o Vaterland! Inmitten
Dem Kind Italien und dem Manne Deutschland,
Liegst du, der wangenrote Jüngling, da:
Erhalte Gott dir deinen Jugendsinn,
Und mache gut, was andere verdarben!
*sich einer Sache unterwinden: sich entschließen, etwas zu übernehmen; sich daran wagen (veraltet)