Challenge: Eine Woche Fasten | hessenreporter
UNTERTITEL: Hessischer Rundfunk
UNTERTITEL: Hessischer Rundfunk
Glauberzauber, oder simpel: Salz, Bittersalz.
Oh, ist das bitter.
Elektrisch geladene Teilchen, die kommen in deinen Blutkreislauf.
Sie können dann dort die Giftstoffe aus dem Blut herausholen
und aus den Zellen.
Ich habe Zeit, Zeit für meinen Apfel.
Ich spüre, wenn ich satt bin.
Und ich bin dankbar für diese Erfahrung
* Titelmusik *
Ich bin auf dem Weg in die Rhön für einen Urlaub im Biohotel.
Wandern, Wellness, richtiger Seelenbalsam also.
Wenn das Fasten nicht wäre.
Es geht nämlich in den Fastenurlaub.
Ich will das mal testen,
hab aber irgendwie ein flaues Gefühl.
Vielleicht ist es aber auch einfach Hunger?
Zwischenstopp beim Bäcker, sicherheitshalber.
Es sieht alles so gut aus.
Dann nehme ich bitte so eins.
Ich fühle mich jetzt wirklich so, als würde ich was Verbotenes tun.
Ich glaube, es hängt damit zusammen,
dass es hier ein sehr strenges Programm gibt.
Das hat ein bisschen was von Klassenfahrtfeeling.
Ich habe so 'ne Packliste bekommen, worauf steht, was ich so brauche:
Wanderbekleidung, weil wir jeden Tag wandern werden
oder einen Reiseirrigator für die Darmreinigung.
Da freue ich mich schon sehr drauf.
Und spannend ist übrigens auch:
Alles zusammen kostet fast 1.000 Euro.
Also 1.000 Euro für nichts essen ... Das ist 'ne Hausnummer.
Ich muss mal gucken, ob sich das lohnt für mich.
Die Urlaubsbeschreibung verspricht einen revitalisierten
und gereinigten Körper sowie Geist den Aufbau "innerer Stärke".
Ohne jegliche Ablenkung inmitten der Natur.
Das Lindengut in der Nähe von Fulda, ist Hotel und Bauernhof.
Hallo.
Wissen Sie, wo ich hinmuss zum nichts essen?
Da rüber. - Hier einfach? Danke.
* Schritte auf der Treppe *
Ach so, ja gut.
Freut mich.
Manuela Bildhäuser ist die Fastenleiterin.
Sie ist Heilpraktikerin, Krankenschwester,
nennt sich Achtsamkeitstrainerin.
Zehn Leute nehmen teil.
Alles weitere wird sich während der Wanderung ergeben.
Dabei ist Stephanie Kratky aus Hofheim im Taunus.
Sie hat sich nach 27 Jahren Ehe getrennt und hofft druchs Fasten
auf einen ganzheitlichen Neustart für ihr Leben.
Ich hab gar keine Erfahrung mit Fasten.
Ich habe es mal selber versucht,
aber bin kläglich nach ein, zwei Tagen gescheitert.
Also das hat nicht funktioniert.
Die größte Herausforderung wird für mich der Kaffeeverzicht sein.
Und was sollten wir noch sagen, Hobbys?
* Lachen *
Die alten Schulfreunde Roland Herber und Stefan Lamotte
fahren seit 16 Jahren zum Fastenwandern.
Hier sind sie zum ersten Mal,
streben aber nicht grade die Wiedergeburt an.
Der Grund, warum wir das machen, ist eigentlich der:
Damit man im Rest vom Jahr
einfach dann auch das Leben genießen kann.
Man muss irgendwo 'nen Stoppunkt setzen und nachher ...
Die Leber, die braucht das auch.
Damit die Fettleber ein bisschen zurückgeht.
Und dann kann man nachher auch in der zweiten Jahreshälfte
wieder ziemlich Gas geben und das Leben genießen.
* Lachen *
Ich bin ein bisschen erleichtert.
Die meisten kommen auch eher aus der Genießerecke.
Eins fällt aber doch auf:
Die Fitnessuhren-Dichte ist besonders hoch.
Ein gewisser Hang zur Selbstoptimierung
oder zumindest zur Selbstkontrolle?
Fit sollte man hier auch sein.
Der Fastenurlaub wird ausdrücklich nur für Gesunde angeboten,
weil kein Arzt dabei ist, nur eine Fastenleiterin.
Jeder kann sich Fastenleiter nennen. Es ist ein ungeschützter Begriff.
Du kannst ohne Ausbildung schreiben: "Fastenleiterin".
Manuela Bildhäuser hat eine Ausbildung
bei der Deutschen Fastenakademie gemacht.
Das ist allerdings kein offizielles Gütesiegel,
sondern eine Art Interessenverein.
Dort wird das "Buchinger Fasten" vermittelt,
wo nichts gegessen und sich viel bewegt wird.
Dann gibts das letzte Abendmahl.
Das fällt mit Gemüsesuppe und Knäckebrot aber
nicht ganz so üppig aus wie bei Jesus und seinen Jüngern.
Meine normale Portion ist doppelt so groß.
Es gibt die erste Lektion in Sachen Selbstkontrolle.
Esst schön langsam.
Es sind keine großen Löffel auf dem Tisch.
In der Mitte stehen kleine Löffel, es gibt kleine Suppenschalen.
Dass wir lernen, die Mengen schon etwas zu reduzieren
und auch langsam zu essen durch den kleinen Löffel.
Und dass wir das, was wir essen, wirklich sehr wohl genießen.
Genießen, na ja.
Die Suppe ist ungewürzt und dabei sollen wir möglichst auch bleiben.
Für die geschmackliche Rückbesinnung.
* ruhige Unterhaltung *
Wie es mir ergeht,
werde ich in einem Handytagebuch festhalten.
Mein allererster Eindruck ist, dass ich glaube,
dass es helfen kann, das man dass in der Gruppe macht.
Aber es hat auch ein bisschen was von Klassenfahrt.
Es gibt auch ein paar Regeln.
Man darf morgens beim ersten Morgengang draußen nicht reden.
Und das WLAN wird auch um 22:30 Uhr abgeschaltet.
Und was ich ja besonders schön fand:
Ich habe ein Tagebuch, also jeder hat ein Tagebuch bekommen,
wo wir dann unsere Wünsche und Emotionen
und Sorgen und Gedanken eintragen können.
Mal gucken, ob ich das mache.
* ruhige Musik *
* Weckerklingeln *
Ausschlafen ist in diesem Urlaub nicht drin.
* ruhige Musik *
Bis halb neun müssen wir für den Morgengang parat stehen.
Der verläuft schweigend,
weil wir uns in Achtsamkeit üben sollen.
* Schritte im Schnee *
Zumindest, bis die Gymnastikspiele beginnen.
Da darf wieder geredet werden, wenn es der Sache dient.
Du sagst deinen Namen, Anne. Ich sag' dann:
"Guten Morgen, Anne." - Ah.
Ich sag' dann "Manuela". - Guten Morgen, Manuela.
Genau, zum Namen lernen. - Warum machen wir das?
Das ist das Morgenritual, in die Augen gucken, "guten Morgen" sagen.
Man nennt heute den eigenen Namen, damit niemand in Verlegenheit kommt:
"Ich hab den noch gar nicht drauf."
* lustige Musik *
Die anderen scheinen zugänglich für Morgengymnastik.
Ich hab noch leichte Anpassungsstörungen,
will aber keine Spielverderberin sein.
Die halbstündige Morgengymnastik ist nur der Anfang.
Wir werden auch jeden Tag drei bis vier Stunden wandern,
bei jedem Wetter.
Abends gibts dann Yoga, Vorträge oder Faszientraining.
Ein straffes Programm!
Bewegung ist beim Buchinger Fasten wichtig.
Der Körper baut beim Fasten nicht nur Fett,
sondern auch Muskelmasse ab.
Deshalb trainieren wir fleißig, auch auf leeren Magen.
Fastenleiterin Manuela Bildhäuser spricht auch die "Autophagie" an.
Will sagen:
eine Art Zellreste-Recycling, die der Körper beim Fasten startet.
Für mich ist Fasten Wellness für den Körper.
Also diese Auszeit, die Reparaturmechanismen anzuregen,
diese schöne Leere und Leichtigkeit zu spüren.
Das macht sich auch im mentalen Bereich bemerkbar.
Und es ist schön, wenn man 'ne schöne Umgebung hat,
wie hier in diesem Biohof.
Wo wirklich das Leben, Natur einfach zu spüren ist.
Also ist es für dich wichtig,
dass man das nicht nur als Weg zum Abnehmen begreift?
Nein, weil das macht mental auch ganz viel.
Da kommen oftmals alte Themen hoch,
Ideen von früher machen sich wieder bemerkbar.
Man lernt wieder, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen,
was im Alltag nicht möglich ist.
Dafür ist hier ein guter Raum.
Man soll nicht so viel danach verändern,
sondern lieber wenig und das gut durchhalten.
Wenn ich jemand bin, der drei Löffel Zucker im Kaffee nimmt,
nehme ich mir vor: nur noch zwei Löffel Zucker.
Nächstes Jahr nehme ich vielleicht nur noch einen Löffel
und irgendwann gar keinen mehr, so ist die Idee.
Fasten als Wendepunkt begreifen? - Genau, als Reset, als Neustart.
Vor dem Neustart muss ich erst den jetzigen Zustand festhalten
und mich wiegen.
Das hab ich ewig nicht gemacht.
64,8 Kilogramm. Huppala.
Fünf Kilo mehr als im Sommer: bestimmt Muskeln, ganz klar.
Dann ist es Zeit,
mich von meinem kompletten Darminhalt zu verabschieden.
Wir führen ab mit einer Salzlösung.
Die Fastenleiterin nennt es liebevoll "Glauberzauber".
Das machts mir leider nicht leichter.
Glaubern ist ein notwendiger erster Schritt,
um dem Organismus zum einen das Signal zu geben:
Jetzt passiert was. Jetzt wird hier was anders.
Und durch dieses wirklich eindeutige Entleeren
kann sich der Stoffwechsel schneller umstellen,
also in den Fastenstoffwechsel.
Das ist wesentlich leichter.
Und dann erst können diese ganzen Reparaturmechanismen
im Organismus richtig angeregt und vollzogen werden.
Habe ich dann auch weniger Hunger? - Ja, auf jeden Fall.
Wenn wir ein Hungergefühl haben, das hat der ein oder andere,
weil doch noch in den Darmwindungen was drinsteckt,
ist immer empfohlen, einen Einlauf zu machen.
Empfohlen ist das jeden zweiten Tag.
Manche machen das auch täglich oder zweimal täglich.
Je nachdem, wie voll der Darm ist.
Das ist auch ein gutes Mittel bei Kopfschmerzen.
Wenn der Darm leer ist, steigert sich das allgemeine Wohlbefinden.
Rein medizinisch sind Einläufe nicht sinnvoll, sagen mir mehrere Ärzte.
Das Glaubern entzieht Flüssigkeit und belastet den Kreislauf.
Psychologisch wiederum hätte das Fasten durchaus positive Effekte,
wenn man aufgeschlossen sei.
* Rührgeräusch *
Das klingt ja, wenn man die Augen schließt, wie Kuhglocken.
Es muss sich jeder erst mal selber kennen lernen.
Wenn wir das zu schnell trinken, kann es dazu führen,
dass wir es wieder erbrechen und das wär' schade drum.
Aus Höflichkeit trinkt man das auf. - Ist das bitter, ui ui ui.
Die Suppe ist sehr versalzen heute.
Vier Schlucke auf einmal habe ich jetzt gemacht.
Wir haben nicht so viel Übung mit der Weinflasche, weißte.
Mein bestes Kochrezept beginnt ...
Willst du erst mal an die Luft gehen?
* Lachen *
Das ist der schlimmste Part? - Nee, kommt noch schlimmer.
Wieso?
Wenn es erst drin ist, gibt es keinen Weg zurück.
Jetzt beginnt der Teil des Fastens,
den ich wirklich nicht mehr visuell begleiten muss.
Ich ziehe mich mal zurück und für euch heißt es,
gerade auch, weil es eine Glastür ist: "Ciao!".
* fröhliche Musik *
Nach mehreren Stunden innerer Befreiung
treffen wir uns wieder zur Abendbrühe.
Ich bin etwas wackelig auf den Beinen
und fühle mich sehr, sehr... na ja, leer.
Stefan ist als erster da,
weil er schon gestern abgeführt hat, der alte Profi.
Er hat das nächste Level erreicht:
innere Reinigung, Regeneration, Entspannung.
Dadurch, dass du kein Zucker hast, also keine Kohlenhydrate,
denkst du langsamer.
Das entspannt einfach.
Also eine Woche Fasten ist drei Wochen Urlaub regulär.
Für dich? - Von der Erholung, die ich hab'.
Und Hans, wie war es?
Du hast es ja direkt durchgezogen, das Glas.
Es war überraschend.
Im Sinne von plötzlich? - Ja, genau.
Und wir fühlst du dich jetzt?
Es sind ja etwa vier, fünf Stunden vergangen.
Ich hab das Gefühl, es ginge noch was.
* Lachen *
Also noch in der Zwischenphase.
Also noch nicht so happy? - Nein.
Okay, verstehe.
Und Steffi, bei dir? - Gut, aber ich hab' Kopfschmerzen.
Hast du was gemacht dagegen? - Geduscht habe ich jetzt.
Ich stehe es jetzt erst mal durch.
Wenn es nicht schlimmer wird, kann ich es gut ertragen.
Und bei dir, alles gut? - Joa.
Ich hab' noch ein bisschen Hunger, aber nicht mehr ganz so viel.
Tag drei, Fastenkrise.
Davon abgesehen, dass ich heute nicht so gut drauf bin,
mein Kreislauf heute morgen schon so richtig im Keller war
und ich dann auch echt nicht mehr mitgewandert bin:
Ich hätte nie gedacht, dass man sich während so einer Fastenkur
so viel mit Fäkalien und dem Magendarmtrakt beschäftigen muss.
Nicht nur mit meinem eigenen, nein, auch mit dem all meiner Mitmenschen.
Das ist ungewohnt, wie offen man sich darüber austauscht,
wie das Abführen mit Glaubersalz war, ob man damit zufrieden war.
Dann kommt ja auch noch ein Einlauf, also nicht nur ein Einlauf,
sondern alle zwei Tage kommt ein Einlauf.
Man muss mit einem Schlauch, Sie wissen schon ...
* Seufzen * Gewöhnungssache, sag' ich mal.
Jetzt wirds interessant.
Man schließt es also hier an. Hier ist ein Hahn.
Mehr wie einen Liter braucht ihr nicht einzuführen.
Das ist sehr unterschiedlich,
wie viel Wasser ihr aufnehmen könnt über den Darm.
Man könnte es, und ich mache es immer,
bis hierhin einführen.
Dann lasst ihr das einlaufen,
bis ihr das Gefühl habt, jetzt geht nichts mehr.
Dann dreht ihr den Hahn zu,
petzt die Popobacken zusammen und zieht das Rohr raus.
Position, um das einzuführen:
Die meisten legen sich einfach auf die linke Seite.
Ich mach es mal vor.
Man legt sich so hin und führt es ein.
Das ist gut, wenn das einläuft und ihr liegt auf der linken Seite.
Dann läuft alles hin, wo es hingehört
und muss nicht gegen einen Widerstand einlaufen.
Manche hocken sich hin, manche haben den Vierfüßlerstand.
Das ist ganz unterschiedlich.
Man sollte es schon machen? - Alle zwei Tage auf jeden Fall.
* Lachen *
Du wirst merken, wie es dir danach gut geht.
Für noch mehr Wohlbefinden gibts zusätzlich Wellness.
Ich habe mir das Bodydetox- Elektrolysefußbad ausgesucht.
Zugegebenermaßen: weil es am absurdesten klang.
Was kommt da jetzt rein?
Das ist Salzlösung, damit die Elektrolyse funktioniert.
* Piepsgeräusch *
Was passiert bei der Elektrolyse jetzt genau?
Es entstehen Ionen,
die in deinen Körper hineinwandern über deine Haut.
Und was machen die da?
Die elektrisch geladenen Teilchen kommen in deinen Blutkreislauf
und können dort die Giftstoffe aus dem Blut herausholen
und aus den Zellen.
Ist sowas wissenschaftlich bewiesen? * Lachen *
Die Füße darfst du hier reinstellen.
Ist es das oder muss man da schon eher dran glauben?
Nein, es ist reine Physik, keine Glaubensfrage.
Ich hab vorsichtshalber bei Ärzten nachgefragt.
Deren Urteil: keine Physik, reine Glaubensfrage.
Aber wenn es mich entspanne, sei das doch auch schön.
Und was soll ich sagen:
Die Fußmassage gefällt mir auch besser als der Fußbad-Exorzismus.
* ruhige Musik *
Ich bin nicht die einzige, die eine Fastenkrise hatte.
Ich hab die Nacht ganz schlecht geschlafen,
weil ich Rückenschmerzen gekriegt hab'.
Ich bin dem Rat gefolgt,
kein Ibuprofen einzuwerfen und Gymnastik zu machen.
Beim Laufen ist es super. Meine Energie ist da, ich freue mich.
Gestern ging es mir nicht so gut. - Wieso, was war?
Da hatte ich über die Nacht schlimme Kopfschmerzen.
Heute Morgen bin ich aufgewacht und da war mir etwas flau,
etwas schwächlich habe ich mich gefühlt.
Aber mittlerweile bin ich wieder ganz auf dem Weg der Besserung.
Angela Tilhon nimmt später doch Ibuprofen.
Ich hab das Gefühl,
Schwäche will erst mal niemand zeigen.
* Musik *
Hans, du auch? - Also, Tendenz steigend bei mir.
Ich war nur heute erstaunt beim Blutdruckmessen,
dass ich so 'nen hohen Blutdruck hab.
Das hat mich etwas aus der Spur gebracht.
Wie kann das sein, dass man noch so Wehwehchen hat,
Kopfschmerzen, hoher Blutdruck, Rückenschmerzen?
Das ist am dritten Tag normal.
Die Umstellung ist noch nicht in den Fastenstoffwechsel vollzogen.
Da kann das schon vorkommen. - Dein Wort in Gottes Ohr!
Auf gehts!
Mit dem Fastenstoffwechsel
meint Manuela Bildhäuser den Hungerzustand.
Da baut der Körper Muskeln und Fett ab,
weil er ja nichts von außen bekommt.
* Musik *
Den Berg Milseburg kommen wir trotzdem hoch.
Der Schnee trübt meine Laune, bis das hier kommt:
* volkstümlicher Gesang *
# Und schicken grüßend in die Rhön
# ein frohes Lied hinaus.
# Tralalalalalala. #
Jede Woche trifft sich der Sängerchor,
schön bei Bierchen und Eintopf mit Wurst.
Das ist ein krasses Kontrastprogramm zu unserer Askese.
Beim Essen zugucken macht mir seltsamerweise gar nichts mehr.
Mich mit leerem Magen durch den Schnee zu kämpfen aber schon.
* Schritte im Schnee *
* Glöckchenklingeln *
Oh, warum tu ich das? Ich hab keinen Bock mehr.
* Lachen *
Aber jetzt ist es okay, oder?
Ich freue mich, ins Warme zu kommen.
Das ist eine gute Sache jetzt, haben wir uns verdient!
Ja, auf jeden Fall.
* ruhige Gespräche *
Mittägliche Saftschorle, doppelt verdünnt.
Eigentlich müsste langsam mal das "Fastenhoch" kommen.
Das kommt fahrplanmäßig nach der Fastenkrise.
Und die haben ja alle schon durch.
Spürt ihr schon ne Veränderung, irgendjemand von euch?
Nee. - Ist noch ein bisschen früh.
Wann kommt das so?
Das kommt eher so die letzten Tage, wenn wir umgestellt sind.
Manche fragen auch: "Wo ist denn jetzt dieses Hoch?"
Dann habe ich gesagt:
"Hallo, du isst nichts und rennst hier die Berge hoch."
Also wenn das kein Hoch ist, dann weiß ich es nicht.
Unter dem Aspekt muss man es ja betrachten,
dass man einfach durch ohne Energie von außen diese Kraft hat.
Mhm, ja.
Das muss man nur realisieren können für sich.
Ja, dafür bin ich ja da. - Okay, das ist gut.
Weis' mich immer wieder darauf hin.
Du wirst sehen, wenn du das einmal gemacht hast, machst du es immer.
Oder nie mehr! * Lachen *
Angela Tillhon arbeitet als Kommunikationstrainerin.
Ein bewusster Lebensstil ist ihr wichtig.
Sie fastet, um Essen wieder besser wertzuschätzen.
Und diese Übersättigung:
Ich hatte ein totales Übersättigungsgefühl,
weil ich auch geschäftlich sehr oft essen bin.
Und ich hatte irgendwie den Geschmack verloren.
So war mein Gefühl.
Das kannst du vielleicht ganz gut nachvollziehen.
Das kann ich gut nachvollziehen.
Das ist das schönste nach dem Fasten.
Du beißt in ein Brötchen.
Der Geschmack, den du dann wieder erlebst.
Ich rede von einem trockenen Brötchen ohne was drauf.
Wirklich? - Ja, das schmeckt sensationell.
Also auch das Knuspern, das vermisse ich übrigens am meisten hier.
Das Knacken, ja.
Ich bekomme das Gefühl, dass man nicht in den Fastenurlaub fährt,
um ihn selbst zu genießen.
Sondern eher, um die Zeit danach zu genießen.
Ich hab' mich am Anfang darüber amüsiert,
aber jetzt benutze ich das Tagebuch doch.
Wir stapfen stundenlang durch Tiefschnee.
Die Massage danach fühlt sich dann doppelt so gut an.
Wenns vorher tagelang nichts gab,
wird selbst ein trockenes Brötchen zur Geschmacksexplosion.
Beim Fasten geben wir uns freiwillig dem Leid hin,
um danach umso mehr genießen zu können.
* ruhige Musik *
Wir klopfen einen Hutkranz, als wenn ihr einen Hut aufhabt.
Jetzt nehmt ihr mal beide Hände, zwischen Zeige- und Mittelfinger,
und reibt hier so an der Ohren entlang rechts und links.
Da sind ganz viele Nervenbahnen und die können gut stimuliert werden.
Das ist übrigens eine Achtsamkeitsübung.
Kam etwas kurz bei so viel Abführen, Massagen, Entgiften, Wandern.
Angela Tillhon nahm die vergangenen zwei Tage nicht mehr teil.
Aus zweierlei Gründen:
Das eine war, dass ich beim Faszientraining
mir meinen Ischiasnerv gezerrt habe.
Das war einfach zu schnell.
Und dann kam hinzu, dass sich bei mir so einen Druck aufgebaut hat.
Ich hatte das Gefühl, das ist "too much" an Angeboten,
an Terminen, an "macht jetzt schnell".
Das war für mich ein Widerspruch zu dem,
was ich wirklich wollte, nämlich 'ne Entschleunigung.
Ich kann das verstehen.
Denn auch für mich hat das Gruppenfasten zwei Seiten:
eine Riesenmotivation, aber auch sozialen Druck.
Ohne die Gruppen hätte ich viele Wanderungen,
Darmreinigungen, Gymnastikübungen sausen lassen.
Aber ich wäre vielleicht auch mehr zur Ruhe gekommen.
# Zum Geburtstag viel Glück! #
Der letzte Fastentag ist auch mein Geburtstag.
Als ich morgens so begrüßt werde,
finde ich das Klassenfahrtgefühl auf einmal doch richtig klasse.
# Zum Geburtstag viel Glück! #
Wenn schon keinen Geburtstagskuchen, gibts aber 'ne andere Belohnung:
das Wiegen nach der Hungerkur.
Ja, vier Kilo immerhin!
Das ist auf jeden Fall der größte Effekt meines Fastenurlaubs bisher.
Seelisch gehts mir nach der Woche gut.
Aber ich fühle mich auch nicht wirklich anders.
Das geht auch Stephanie Kratky so,
wie sie bei unserer letzten Wanderung,
eher ein Spaziergang, in Fulda erzählt.
Du hattest zu Anfang gesagt,
du wünschst dir einen ganzheitlichen Neuanfang.
Würdest du sagen, das ist jetzt eingetreten für dich?
Nein.
Wieso nicht?
Ich hab ein paar Kilo verloren und viel gelernt übers Fasten,
was ich auch gut finde.
Aber sonst spüre ich keine so große Veränderung an mir,
wie ich erhofft habe.
Und geistig habe ich vielleicht aufgrund der mangelnden Zeit
auch nicht so einen Neustart gefunden, eine Neuorientierung.
Ich will viel mitnehmen ins neue Leben
und muss mal schauen, wie sich das vereinbaren lässt.
Aber würdest du es noch mal machen oder eher nicht?
Stand jetzt? Nein.
Aber ich kann mir vorstellen, dass ich in 'nem Jahr sage,
ich würde es noch mal machen.
Dagegen ist Stefan Lamotte mit diesem Urlaub rundum glücklich.
Er kanns beurteilen: Seit 16 Jahren fastet er jedes Jahr woanders.
Die Woche war ja toll jetzt.
Ja? Alles super? Nie ...
Man ist wieder geerdet, alles wieder auf zero.
Für mich war das manchmal ein bisschen viel Programm.
Ich konnte dadurch nicht so richtig runterkommen. Ging dir das nicht so?
Nee, eigentlich nicht, muss ich sagen.
Das ist genau das, warum ich das auch mache.
Auch um Programm und Ablenkung zu haben,
damit man gar nicht ans Essen denkt oder an sonstige Dinge.
Hans Obermeier siehts anders.
Ich hab in der Früh wirklich so eine Art Lagerkoller gehabt.
Ich hab die Schnauze voll gehabt.
Ich bin jetzt froh, wenn ich wieder unter normale Menschen darf
und aus dem Hungerturm raus.
Wie unnormal sind die Menschen um dich rum jetzt?
Schon normal, aber einfach normales Leben.
Normales Essen, aber durchaus mit Maß und Ziel.
* Leise Stimmen - Stadtführung *
Den Hungerturm verlassen
dürfen wir dann im Anschluss an den Stadtspaziergang.
Das Fastenbrechen steht an, mit einem Apfel.
Nach fünf Tagen ohne einen Bissen im Mund.
Mir ist ganz feierlich zumute.
Das soll ich aber nicht äußern.
* Gemurmel *
Der Apfel wird schweigend gegessen.
Jeder bleibt mal wirklich bei sich und schmeckt und riecht.
Macht mit dem Apfel, was ihr wollt.
Irgendwann ist er natürlich verschwunden.
Wenn ihr merkt, ihr seid satt, hört auf. Nehmt ihn euch mit.
Ihr könnt heute Abend noch davon essen, wenn ihr noch Hunger habt.
Vielleicht ist es nach 'nem Viertel oder 'nem halben.
Oder ihr esst den ganzen. Hauptsache, schön langsam.
Ich bin bereit, der Nahrung neu zu begegnen.
Ich habe Zeit.
Zeit für meinen Apfel.
Er allein liegt nun im Mittelpunkt meines Interesses.
Nichts anderes ist jetzt wichtig.
Ich werde jetzt gleich hineinbeißen.
Apfelstück, Lippen, Zähne, Gaumen, eine Erlebniseinheit.
Lasst den Apfel euch schmecken!
* Leises Geschirrklappern *
Ich weiß, ich sollte nicht reden.
Aber ich muss kurz sagen,
dass das schöner ist als jeder Geburtstagskuchen.
Sorry, Mama!
Jetzt freue ich mich, nach Hause zu fahren.
Revitalisiert und gereinigt fühle ich mich zwar nicht.
Das mag eine Einstellungsfrage sein.
Ich bin aber dankbar für die Erfahrung.
Denn mehr innere Stärke fühle ich schon.
Ich weiß nun, wie verlässlich mein Körper trotz Hungerns funktioniert.
Wenn man sich bewusst entscheidet, nichts zu essen,
ist es gut erträglich.
Knapp 1000 Euro wären mir diese Erkenntnisse aber nicht wert.
Stephanie Kratky und ich gönnen uns noch einen krönenden Abschluss.
Den sieht der strenge Fastenplan zwar so nicht vor,
aber wir interpretieren das als wichtige Achtsamkeitslektion.
Wir wollen erleben, dass wir wieder viel besser schmecken können!
Die Markklößchensuppe, ohne Markklößchen und ohne Eierstich.
Vielen Dank! - Gerne.
Guck mal, es riecht schon ganz anders.
Das ist so ne richtige Rindfleischbrühe, oder?
Mhm, ja.
Eigentlich fängt der Urlaub jetzt an, oder?
Du merkst halt wirklich,
dass die Geschmacksknospen Salz jetzt viel extremer spüren.
Siehst du, jetzt haben wir unser Fastenhoch!
Jetzt haben wir unser Fastenhoch, genau! Jetzt, wo wir wieder essen.
Das Fastenhoch kommt dann mit dem Essen.
* Musik und leise Unterhaltung *
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