Japans Geschichte: Vom Kaiserreich bis 1945
Hiroshima und Nagasaki.
Diese beiden Namen sind fest mit unfassbarem Leid,
mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und mit dem ersten
und bis dahin einzigen Einsatz von Atomwaffen verbunden.
Wie es dazu kommt, dass die USA die Bomben
über diesen beiden Städten abwerfen,
welche Rolle das Japanische Kaiserreich überhaupt
im Zweiten Weltkrieg spielt,
welche Bedeutung Rassismus in der Geschichte hatte
und noch mehr zur Geschichte Japans erklären wir jetzt.
Japan hat eine lange Geschichte.
Aber für dieses Video ist erst mal wichtig:
Japan schottet sich zwischen 1628 und 1853,
also mehr als 200 Jahre lang,
fast vollständig von der Außenwelt ab.
Das Land will damit europäische Einflüsse,
vor allem den christlichen Glauben,
den beispielsweise die Spanier und Portugiesen verbreiten, fernhalten.
Dann aber fährt Mitte des 19. Jahrhunderts
der US-Kommodore Matthew Perry
mit vier Schiffen in die Bucht nahe des heutigen Tokio ein.
Die USA erzwingen mit militärischer Gewalt
die Öffnung Japans für den Welthandel.
Japans Führung muss in ihrer Ohnmacht erkennen,
dass die westlichen Mächte Japan technologisch und militärisch
weit voraus sind.
Als Reaktion auf den eingreifenden Westen
entsteht in Japan eine Reformbewegung von Samurai,
von Angehörigen des Kriegeradels.
Die Samurai kann man mit den europäischen Rittern vergleichen:
Schwertkämpfer, die für den König kämpfen
und nach und nach zu Herren über ein Gebiet werden.
Wie der europäische Adel
haben sie auch in der modernen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts
großen Einfluss auf Politik und Wirtschaft.
Die Samurai denken sehr traditionell.
Sie möchten die westlichen Mächte abwehren.
Um das aber schaffen zu können,
müsse Japan mit dem Westen gleichziehen und ihn überholen.
Das ist die Überlegung der Samurai.
Das wiederum klappt nur, wenn sich Japan verwestlicht,
Reformen durchführt, die alle Bereiche betreffen:
die Wirtschaft, Verwaltung, Politik, das Rechtssystem und viel mehr.
Jetzt ist die Macht in Japan damals wie folgt verteilt:
Der Tennō, der Kaiser, ist das Staatsoberhaupt.
Er ist aber nicht mehr als ein Repräsentant.
Die Regierungsmacht liegt in den Händen der Shogune.
Das ist ein hoher militärischer Titel.
Als der Kaiser stirbt und sein Sohn mit 14 Jahren auf den Thron kommt,
stürzt die Samurai-Bewegung die Shogune durch einen Krieg.
Ihr Ziel: Der Kaiser soll wieder mehr Macht bekommen.
Im Jahr 1868 wird die Macht dann tatsächlich
in die Hand des Kaisers gelegt.
Der 16-jährige Tennō Mutsuhito
leitet die Meiji-Restauration ein.
Das bedeutet "aufgeklärte Herrschaft".
Ab sofort wird reformiert.
Die bisherigen Verwaltungs- und Herrschaftsstrukturen
werden aufgelöst.
Alle Japaner sind jetzt direkte Untertanen des Tennōs.
Die Privilegien der Samurai-Klasse werden abgeschafft.
Es gilt die freie Berufswahl.
Statt Naturalabgaben werden Geldsteuern erhoben,
ein stehendes Heer wird aufgebaut,
die allgemeine Wehrpflicht eingeführt.
Reformiert werden auch die Polizei, die Post, die Eisenbahn,
das Gesundheitssystem, das Bankensystem,
das Rechtssystem, die Presse, die Währung,
eigentlich das gesamte Land.
Im Jahr 1889 tritt außerdem eine neue Verfassung in Kraft,
an deren Ausarbeitung auch deutsche Experten beteiligt sind.
Der Kaiser wird darin als heilig und unberührbar bezeichnet.
Er ist der Souverän, genehmigt alle Gesetze,
beruft die Nationalversammlung ein und löst sie auf.
Führt den Oberbefehl über die Armee, erklärt den Krieg, schließt Frieden,
kann auch ohne das Parlament Gesetze erlassen und vieles mehr.
Man nennt das kaiserliche Prärogative,
kaiserliche Vorrechte.
Japans Tennō ist ein absoluter Monarch.
Ihm unterstehen alle drei Staatsgewalten:
Legislative, Exekutive und Judikative.
Im Unterschied zu den Vorstellungen zu europäischen Monarchen
regiert er nicht aus göttlicher Gnade,
sondern er ist selbst mit den Göttern verwandt.
Somit aus sich selbst heraus göttlich.
Es gibt noch ein weiteres Reform-Motto:
Reiches Land, starke Armee.
Denn mit dem Westen gleichzuziehen bedeutet vor allem,
dem Westen militärisch die Stirn bieten zu können.
Japan rüstet deshalb mit aller Macht auf.
Und die neue Militärmacht betreibt eine aggressive Außenpolitik.
1895, 1896 führt Japan einen Krieg gegen China,
bei dem es letztlich um die Vorherrschaft in Korea geht.
Japan siegt.
Es erobert unter anderem auch Taiwan.
1904, 1905 führt Japan einen Krieg mit Russland
und siegt wieder.
Es besetzt den südlichen Teil der Mandschurei und die Sachalin-Insel.
1910 nimmt sich Japan Korea als Kolonie.
Das Kaiserreich hat sich spätestens dann
als dem Westen ebenbürtige Großmacht etabliert.
Seit der Zeit der Entdeckungen
erschließen die Europäer in den entdeckten Gebieten
Handelswege und Absatzmärkte.
Seit der Industrialisierung überschwemmen sie auch Asien
mit industriell gefertigten Massenwaren.
Weil die europäischen Mächte im Ersten Weltkrieg
ihre Wirtschaft wegen des Kriegs umstellen müssen,
entsteht im asiatischen Markt eine Lücke.
Einfach gesagt:
In Europa braucht man Maschinengewehre statt Nähmaschinen.
Also können jetzt japanische Hersteller
ihre Nähmaschinen besser verkaufen.
Diese Lücke kann die japanische Wirtschaft schließen.
Japan beliefert jetzt die asiatischen Märkte.
Als Verbündeter der westlichen Alliierten
besetzt Japan deutsche Kolonien im nördlichen Pazifik und in China.
In den 1920er-Jahren
entstehen in Japan gesellschaftliche Reformbewegungen,
die mehr Demokratie einfordern und eine Sozialpolitik.
Die Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren weltweit
führt in Japan dazu, dass die Regierung noch stärker
einen nationalistischen Kurs einschlägt.
Bewegungen gegen die absolutistische Monarchie
werden geschickt unterdrückt,
indem scheinbar demokratische Reformen durchgeführt werden.
In Wirklichkeit erweitert das Militär seinen Einfluss auf die Politik.
Am 25. Dezember 1926
übernimmt der mittlerweile dritte Tennō die Macht.
Der heißt Hirohito und stellt seine Herrschaft unter die Devise:
Erleuchteter Friede.
Aber anstatt Frieden bringt seine Regierungszeit Krieg.
Die Macht im Land liegt, wie gesagt, beim Militär.
Und dort herrscht eine bestimmte, rassistische Weltanschauung vor.
Mit der Öffnung gegenüber dem Westen
lernen die Japaner die Ideen von Charles Darwin
über die Evolution kennen.
Durch die Übertragung seiner Ideen auf die menschliche Gesellschaft
machen die Europäer daraus, aus heutiger Sicht,
Überlegenheit einer angeblichen "weißen Rasse".
Als Japan zur Großmacht aufsteigt,
will es genau diesen Rassismus bekämpfen.
Denn immerhin hat es mit seinem Sieg
über die europäische Großmacht Russland bewiesen,
dass der Rassismus, die "Übermacht" der weißen Europäer
auch gegenüber den Asiaten, völliger Blödsinn ist.
Das ist für Japan auch deshalb wichtig,
weil viele Japaner nach Amerika auswandern
und dort mit rassistischen Vorurteilen zurechtkommen müssen.
Gegenüber asiatischen Völkern,
vor allem Koreanern und Chinesen jeglicher Abstammung,
legt sich die japanische Gesellschaft eine rassistische Einstellung zu.
In Korea und Taiwan, zwei japanischen Kolonien,
darf die Prügelstrafe angewendet werden,
weil die Bevölkerung, nach Meinung der Regierung,
kulturell und körperlich dafür "geeignet" sei.
Rassistische Haltungen sind so weitverbreitet,
dass noch nach dem Zweiten Weltkrieg afroamerikanischen Besatzungssoldaten
der Besuch von Restaurants verboten wird.
Die japanische Regierung nutzt den Rassismus auch,
denn sie will eine japanische Oberhoheit über Ostasien errichten.
1932 provoziert die Armee einen Zwischenfall,
auf den sich Japan dann beruft, um die Mandschurei zu besetzen.
Weil der Völkerbund dieses Vorgehen verurteilt,
tritt Japan aus der Organisation aus.
1937 bricht die Führung dann
den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg vom Zaun.
Die Chinesen betrachten sie als minderwertig.
In Nanking werden Zehntausende chinesischer Zivilisten ermordet.
Durch die Kriegsverbrechen bewegen die US-Regierungen dazu,
Embargos gegen Japan zu verhängen.
Stahl und Öl dürfen nicht mehr in das Land geliefert werden.
Japan verbündet sich im 20. Jahrhundert
mit verschiedenen europäischen Staaten.
Letztendlich aber schließt man sich insbesondere
mit Nazi-Deutschland zusammen.
Dieses Bündnis richtet sich gegen die Sowjetunion.
Aber auch gegen die USA.
Tatsächlich ist das Bündnis aber nicht sehr eng.
Um sich gegenseitig Hilfe zu leisten, sind die beiden Partner,
angesichts ihrer starken Feinde, zu schwach.
Ende Juli 1941 marschieren japanische Truppen
im französischen Indochina ein.
Die USA verschärfen die Sanktionen erneut.
Die Militärführung in Japan rechnet aus,
dass ihre Ölreserven nur noch etwa ein Jahr reichen werden.
Um sich die Rohstoffe zu sichern,
muss Japan sein Machtgebiet nach Süden ausweiten.
Angriffsziele sind die Philippinen, Thailand, Burma und Indonesien.
Zeitgleich attackiert Japan am 7. Dezember 1941
die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor.
Die Flotte haben die USA erst 1940 aufgebaut,
weil sie ihre Interessen durch Japan bedroht gesehen haben.
Bei diesem Angriff sterben 2.400 Menschen.
Fünf US-Schlachtschiffe werden versenkt.
Als Folge treten die USA aktiv in den Zweiten Weltkrieg ein,
inaktiv war sie schon vorher beziehungsweise indirekt,
zum Beispiel durch die Lieferung von Waffen und anderem.
Gegenüber der eigenen Bevölkerung
wird dieser Großostasiatische Krieg, der da beginnen soll,
als Befreiung Asiens vom Joch des Kolonialismus verkauft.
Schuld seien die USA und Großbritannien,
die die Region unterdrückten.
Der Krieg werde aus reiner Selbstverteidigung geführt, heißt es.
Der Bevölkerung in den vom Kolonialismus befreiten Ländern,
wie etwa Thailand, wird schnell klar,
dass es Japan nur um Rohstoffe und strategisch wichtige Punkte geht.
Außerdem wollen die angeblichen Befreier ihre Kultur verbreiten.
Wer damit nicht einverstanden ist, wird verfolgt.
Weil die Bevölkerung auch noch viele der ohnehin knappen Lebensmittel
an Japan abgeben muss, kommt es oft zu Hungersnöten.
Letztendlich wird die europäische Besetzung
nur durch eine japanische ausgetauscht.
Frauen in den von Japan besetzten Ländern
müssen in Armeebordellen zwangsarbeiten.
Trotz aller Ausplünderung verschlechtert sich in Japan selbst
die Situation der Bevölkerung immer mehr.
Der "heilige Krieg", den man gegen die USA führt,
ist von Anfang an ein totaler Krieg.
Das gesamte Leben der japanischen Bevölkerung
wird auf die Bedürfnisse des Krieges umgestellt.
Der Vormarsch der japanischen Truppen bis zum Sommer 1942
ist wirklich beeindruckend.
Aber ähnlich wie im Falle des Deutschen Reichs
überdehnten die Japaner ihre Kräfte.
Mit der Schlacht bei den Midwayinseln im Juli 1942 gegen die USA,
verliert Japan seine Überlegenheit zu See.
Es ist der Wendepunkt des Krieges.
So wie die Schlacht vor Moskau der eigentliche Wendepunkt
des Weltkriegs in Europa ist: die Schlacht von Stalingrad.
Jetzt schlagen die USA
und ihr pazifischer Verbündeter Australien zurück.
Auch wenn die Japaner die eroberten Stützpunkte
mit aller Härte verteidigen, werden sie zurückgedrängt.
So schieben sich die Alliierten Richtung Japan vor.
Sie wollen Inseln erobern,
von denen aus amerikanische Langstreckenbomber
den Krieg ins Land tragen können.
Ab Mitte 1944 ist das möglich.
Zugleich greifen die USA die japanischen Verbände
auf den Philippinen an.
Die Japaner setzen zum ersten Mal Kamikaze,
das bedeutet "göttlicher Wind", also Selbstmord-Flieger ein.
Im Frühjahr 1945 bei der Eroberung der Inseln Iwojima und Okinawa
durch die USA, erreicht die Kamikaze-Taktik ihren Höhepunkt.
Obwohl insgesamt 2.500 Kamikaze-Piloten
im ganzen Krieg durch solche Angriffe sterben,
wird der Vormarsch der USA nicht aufgehalten.
Die US-Industrie produziert Kriegsgerät
in bisher unbekannter Menge.
Japan kann da nicht dagegenhalten.
Es kann die Verluste am Material nicht ersetzen,
es kann die Truppen in den eroberten Gebieten
und auch die eigene Bevölkerung nicht versorgen.
Trotzdem lehnt die Führung eine Kapitulation ab.
Ganz ähnlich wie die Nazi-Führung in Deutschland,
die am 8. Mai 1945 dann aber doch kapituliert.
Wegen der erbitterten Gegenwehr der japanischen Soldaten
rechnen die USA damit, dass sie bei der nötigen Eroberung
der japanischen Inseln und bei der Rückeroberung der großen Gebiete,
die immer noch japanisch besetzt sind,
Verluste von Hunderttausenden erleiden würden.
In einem Ultimatum erklärt US-Präsident Harry S. Truman,
Japan werde von den Alliierten besetzt,
die Demokratie werde eingeführt, Kriegsverbrecher bestraft.
Japan müsse die eroberten Gebiete zurückgeben.
Die Alternative: Die sofortige und völlige Zerstörung.
Japan kapituliert nicht.
Am 6. August 1945
fällt die Atombombe "Little Boy" auf die Stadt Hiroshima.
Am 9. August trifft die Bombe "Fat Man" die Stadt Nagasaki.
Das sind Code-Namen, denn die Herstellung der Bomben
läuft geheim ab.
Wenn man sich anschaut, welche Zerstörungskraft
diese Bomben besitzen, dann erscheinen einem die Namen zynisch.
Und das sind sie auch.
Die Bomben töten Zehntausende.
Die Kapitulation Japans wird damit unausweichlich.
Am 2. September 1945 wird sie unterzeichnet.
Insgesamt bezahlen etwa 1,7 Millionen japanische Soldaten
und mehr als 300.000 Zivilisten für die Eroberungspolitik
der kaiserlichen Regierung und des Militärs mit dem Leben.
Die Alliierten verlieren im Pazifikkrieg
mehr als 200.000 Soldaten.
Wie in Deutschland findet ein großer Kriegsverbrecherprozess statt.
Allerdings wird der Kaiser selbst nicht angeklagt.
Hirohito versichert dem amerikanischen General Macarthur,
dass er von Anfang an gegen den Krieg gewesen sei.
Wir können heute wohl nicht mehr herausfinden, ob das stimmt,
da in Deutschland von den Machthabern
zu viele Akten vernichtet wurden.
Die USA jedenfalls wollen ein neues, demokratisches
und kapitalistisches Japan aufbauen,
wofür sie den Kaiser als Integrationsfigur brauchen können.
Dass bei dem Prozess insgesamt 700 Todesstrafen
und 3.100 Haftstrafen verhängt werden,
nimmt die japanische Öffentlichkeit als Siegerjustiz auf.
Aber das ist in Deutschland auch nicht anders.
Mehr dazu, wenn ihr oben auf das "I" klickt.
Bis heute sind allerdings die Kriegsverbrechen und der Krieg
nicht aufgearbeitet in Japan.
Deshalb ist das Verhältnis Japans zu seinen Nachbarn
oft ziemlich angespannt.
Zum Neuaufbau der japanischen Gesellschaft
erklärt der Tennō übrigens, dass er kein lebender Gott sei.
In der Verfassung wird er als Symbol des Staates
und der Einheit des Volkes beschrieben.
Souverän ist aber nun das Volk.
Laut der neuen Verfassung sind nur Selbstverteidigungskräfte
in geringem Umfang erlaubt.
Mit dem 3. November 1946 endet das alte Japanische Kaiserreich,
und es beginnt die Ära des demokratischen Japan.
Das war jetzt 'ne ganze Menge,
aber ich hoffe, ich hab euch zu allem ein bisschen was gesagt.
Wenn ihr noch weiter Fragen habt, postet sie gerne in die Kommentare.
Danke, dass ihr euch das Video angeschaut habt.
Und wie gesagt, wurde nach 1945 zum Glück nie wieder
irgendeine Atomwaffe in einem Krieg eingesetzt,
muss man noch mal betonten an dieser Stelle.
Das war in Japan wirklich das einzige Mal.
Wenn euch die Geschichte des Zweiten Weltkriegs interessiert,
dann findet ihr hier ein Video dazu.
Direkt darunter findet ihr noch ein Video der Kollegen von Funk.
Mich interessiert:
Haltet ihr eine Welt ohne Atomwaffen für realistisch?
Oder sagt ihr, das braucht man zur Abschreckung oder für andere Dinge?
Auch das gerne in die Kommentare. Danke, bis zum nächsten Mal.