K-Pop: Globaler Hype und dunkle Abgründe
Alles begann mit:
# Oppa Gangnam Style.
Heute ist K-Pop, Korean-Pop, ein globales Phänomen.
K-Pop-Bands gehören zu den erfolgreichsten Musikern der Welt.
Die Musik ist wahnsinnig gut produziert.
Meistens auf - na ja - Koreanisch und teilweise auf Englisch.
Völlig abgedrehte Musikvideos.
Mit Hunderten Millionen von Views.
Beeindruckende Choreografien.
(Rhythmische Musik)
Gefüllte Stadien.
Welttourneen.
Hier Berlin letztes Jahr.
(Alle singen synchron.)
Billboard-Chartplatzierungen.
Organisierter krasser Parallelwelt-Fandom
mit eigenem Vokabular,
gegen die "Belieber" wie gelegentliche Zuhörer wirken.
Zu den erfolgreichsten K-Pop-Bands gehören derzeit:
Letztere haben Features mit Dua Lipa und Lady Gaga.
Erstere hatten bei den Grammys letztes Jahr
einen Auftritt mit Lil Nas X
und Features mit Halsey, Steve Aoki und Nicki Minaj.
# What ist good, Korea?
Ja, what is good, Korea?
Wie hat ein kleines Land, dessen Sprache niemand spricht,
seine Musik zu einem globalen Exportschlager gemacht?
Und was geschieht hinter den Kulissen
der abgedrehten, bunten, lauten südkoreanischen Popindustrie?
Was passiert außerhalb des Rampenlichts?
K-Pop hat auch eine beängstigende, grausame Seite.
Eine Seite voller Knebelverträge,
eiskalter Konglomerate,
voller Zusammenbrüche,
toxischer Fankultur,
absurder Schönheitsideale
und: Selbstmorde.
(Sphärische Musik)
Wir schreiben das Jahr 1994.
Dem damaligen südkoreanischen Premierminister wird erklärt,
dass "Jurassic Park" insgesamt mehr Umsatz gemacht hat
als Hyundai mit 1,4 Millionen exportieren Autos.
Auf Hyundai war man stolz.
Auf Export war man heiß.
Der Vergleich hat gezogen.
Die eigene Entertainment- und Popkulturindustrie
wird seitdem aggressiv gefördert.
Anfang der 2000er gelingt schließlich der internationale Durchbruch.
Die Industrie wächst von knapp acht Milliarden Euro
im Jahr 1999
auf 38 Milliarden im Jahr 2003.
Die Seifenoper "Winter Sonata" markiert den Beginn von etwas Großem:
der koreanischen Welle, auch "Hallyu" genannt.
Hallyu beschreibt den folgenden Siegeszug südkoreanischer Popkultur.
In den 2000ern überflutet Südkorea Asien mit K-Dramas und auch K-Pop.
Plötzlich ist alles, was koreanisch ist, cool.
Später schwappt die Welle dann über
in den nahen Osten und nach Südamerika.
YouTube wird populär.
Auch als Hub für Musikvideos
und spätestens jetzt erreicht Hallyu den Westen.
# Oppa Gangam ... - Jaja, ihr wisst schon.
Von Anspielungen in "Space Force" und einer Rede bei der UN
bis zur Tanz- und Gesichtsmoves- Inspiration von TikTokern.
Heute ist K-Pop popkulturell nicht nur relevant, sondern dominant.
Aber warum ist die Musik so erfolgreich?
K-Pop ist wahnsinnig gut produziert
und die Idols sind starke Tänzer und Performer.
Die meisten Songs haben englische Namen,
die Künstler teils auch,
und einige Lines pro Song sind ebenfalls auf Englisch.
Das rückt die Musik alles drum herum
zumindest teilweise in verständliche Begriffe.
Teils wird die Musik auch
zum Beispiel auf Chinesisch oder Japanisch übersetzt,
um in diesem Märkten besser zu landen.
K-Pop richtet sich nach gängigen Trends,
ist in der Grundstimmung aber meist positiv und ermutigend.
Die Melodien wechseln besonders häufig
und liefern in Kombination
mit den rasend schnell geschnittenen, bunten Musikvideos
ein schillerndes Gesamtpaket.
Auf diese Weise ist K-Pop auch ein Gegenangebot
zu rauen amerikanischen Popkultur.
K-Pop ist demgegenüber familiär, süß, lustig, fast unschuldig,
durchgestylt, hochglänzend und viel weniger aggressiv sexualisiert.
Im Zentrum von K-Pop stehen drei große Labels,
eigentlich eher Talentschmieden.
Sie bauen und formen und vermarkten so gut wie jede K-Pop-Band.
Dort durchlaufen sogenannte Trainees eine harte Ausbildung.
Über Jahre hinweg werden sie zu perfekten Stars gemacht.
Dazu gehören intensive Tanztrainings,
harte Diäten, noch härtere Competition
und die völlige Abkapselung von der Außenwelt.
Diejenigen, die es schaffen,
werden in Girl- oder Boygroups gesteckt.
Pro Label feiern jedes Jahr ein paar ihr Debüt.
Ab dann sind ihre Mitglieder "Idols".
Im Zentrum der Idol-Fabrik stehen die organisierten Fancommunitys.
Schauen wir uns hierfür einmal exemplarisch die Fans von BTS an,
die ARMY heißen.
Die ARMY hat diverse geschlossene Foren.
Einige der Fans versuchen innerhalb dieser Foren,
und so quasi innerhalb der ARMY, im Rang aufzusteigen.
Dann kriegt man zum Beispiel
exklusiven Zugang zu bestimmten Teilen der Foren.
Dafür muss man allerdings ganz bestimmte Aufgaben erfüllen.
Und hier wird es verrückt.
Es gibt Streaming-Aufgaben.
Heißt, man muss so und so viele YouTube-Videos von BTS anschauen,
so und so viel liken, kommentieren und ein Quiz beantworten.
Für Billboard-Charts gibt es Twitter-Accounts
mit Anweisungen und Anleitungen, um die Musik von BTS
möglichst hart durch die Charts zu pushen.
Die YouTube-Videos haben unfassbar viele Views
und werden mit Kommentaren und Liebe bombardiert.
Fans haben BTS sogar
eine riesigen Anzeigetafel am Times Square spendiert.
Es gibt Lichtstick-Choreografien
und ganz bestimmte Fanchants für Konzerte.
(alle:) # We love you!
Die Billboard Social Top 50 misst quasi,
welche Musiker relativ gesehen den meisten Buzz auf Social Media haben.
BTS ist seit eineinhalb Jahren auf der Eins.
In den Top 15 sind derzeit 13 K-Pop-Bands.
Justin Bieber, einer der größten Popstars des letzten Jahrzehnts,
ist auf Platz elf.
Allgemein ist natürlich nichts falsch daran, die Bands zu unterstützen.
Häufig setzen sich die Fans für Soziales ein
und nutzen ihre geballte Power für den guten Zweck.
Aber oft sind die Labels, nicht die Idols selbst,
die großen Profiteure dieses Fandoms.
Immer wieder gibt es Berichte von Knebelverträgen.
Einige Idols verdienen in den ersten Jahren ihrer Karriere
teilweise keinen Cent.
Mit der Begründung,
dass sie erst ihre Ausbildungsjahre zurückzahlen müssten.
Bis vor Kurzem konnten viele der großen Labels
Verträge einfach so auflösen,
Idols zwingen, Verträge zu erneuern,
und absurde Geldstrafen bei Vertragsbrüchen verhängen.
In den letzten Jahren gab es hier zwar einige Gesetzesänderungen,
aber das Machtverhältnis zwischen Idol und Label
ist häufig immer noch ziemlich problematisch.
Idols arbeiten und trainieren Tag und Nacht
und werden erbarmungslos von Konzert zu Konzert getrieben.
Es gibt keinen Raum für Fehltritte oder persönliche Beziehungen.
Wird man zu dick, wird man zu krassen Diäten gezwungen.
Hat man einen Freund oder eine Freundin,
wird man teils sogar rausgeschmissen.
Die Labels kontrollieren jedes Detail im Leben der Idols.
Auf diese Weise werden die K-Pop-Stars verheizt
und kippen oft einfach auf der Bühne um.
So spiegeln sie auch recht unschöne Teile der Kultur Südkoreas wider.
Seoul gilt als Welthauptstadt der plastischen Chirurgie.
Knapp ein Drittel der Südkoreanerinnen zwischen 19 und 29
hatte bereits eine Schönheits-OP.
Auch Männer haben immer häufiger solche OPs.
Sie kaufen auch ein Viertel der Männerkosmetik weltweit.
Psychische Krankheiten sind häufig ein Tabuthema.
Und Sexismus ist allgegenwärtig.
Solche Dinge findet man teils in K-Pop und der Fankultur wieder.
Schwäche wird nicht toleriert.
Idols, die gegen die Regeln verstoßen, die nicht perfekt sind,
werden fertiggemacht.
Der liebevolle Support einer coolen Community
schlägt teils in toxisches Cyberbullying um.
Hier ein Interview mit Sulli von der Girlgroup f(x).
In dem sie sowohl Medien als auch Fans anfleht,
netter zu ihr zu sein.
Sie wurde harsch kritisiert, weil sie einen Freund hatte,
sich für Abtreibungen aussprach,
ab und an den BH wegließ
und in einem Musikvideo Identitätsstörungen thematisierte.
Wenige Monate später nahm sie sich das Leben.
Alleine Ende letzten Jahres sind drei K-Pop-Stars gestorben.
In den Fällen von Sulli und Goo Hara von Kara
war es eindeutig Suizid.
Im Fall von Cha In-ha von Surprise U ist es noch unklar.
Im Juni dieses Jahres ist Yohan von der Band TST gestorben.
Die Todesursache ist derzeit noch unbekannt.
Keiner dieser Menschen ist 30 geworden.
Hallyu, die koreanische Welle, ist ein Geschäft.
BTS alleine bringt der südkoreanischen Wirtschaft
Schätzungen zufolge knapp 3,5 Milliarden Euro pro Jahr ein.
Denn K-Pop ist nicht nur das Produkt an sich,
sondern ein Turbo-Boost für den Tourismussektor.
K-Pop ist außerdem kultureller Export.
Lebensweisen, Werte, Ideale,
aber auch Make-up, Handys, Autos, Lifestyle.
Und ein Teil dieses Exports ist einfach ungesund.
Die USA hat der Welt McDonald's gebracht.
Südkorea bringt der Welt unbarmherzige Schönheitsideale.
Makellosigkeit zu jedem Preis
und Unzufriedenheit mit den eigenen Genen.
K-Pop kann einiges.
Aber die Stars leiden häufig unter unmenschlichem Druck.
Und man kann sich schon fragen,
ob die Fans teils nicht einfach instrumentalisiert werden.
Natürlich ist es im Interesse der Industrie,
wenn Social Media von der ARMY und anderen geflutet wird.
Und natürlich ist es im Interesse der Labels,
wenn ihre Bands durch koordinierte Aktionen
durch die Billboard-Charts gepusht werden.
Beides wirft Schatten über ein Genre, das längst bei uns angekommen ist.
K-Pop braucht offene Konversationen
über die Grenzen einer Leistungsgesellschaft
und das Menschen- und Frauenbild
der mächtigsten Menschen dieser Industrie.
Hey! Hoffentlich hat euch das Video gefallen.
Schreibt uns eure Meinung zu K-Pop in die Kommentare.
Auf der Endcard findet ihr ein Video zu der Frage,
warum Musik im Westen immer trauriger wird,
und eine Folge von "Sounds Of" mit Nora.
Ansonsten bis zum nächsten Mal.