Schluss mit Made in Germany? China kauft den Mittelstand in Deutschlan... (1)
. Untertitelung: BR 2018 * Yi Sun telefoniert auf Chinesisch.*
Die Unternehmensberaterin Yi Sun
ist auf Einkaufstour quer durch Deutschland.
Für chinesische Investoren, oft milliardenschwer.
Ich würde sagen es gibt keinen Industriezweig mehr,
wo die Chinesen nicht als Investor tätig sind.
Im Fokus: der deutsche Mittelstand, Firmen wie die von Hans Brandner.
Der Allgäuer Maschinenbauer
produziert mittlerweile auch in China.
Nicht freiwillig.
Da hatte ich schon Angst, dass wir das Know-how,
von dem wir hier am Standort in Deutschland leben,
dass mir das durch die Finger gleitet.
Maschinenbau, Robotik, Umwelt- und Medizintechnik.
Ganze Firmengruppen mitsamt der Belegschaft
sind bereits zu 100 Prozent in chinesischer Hand.
Aber es ist klar, dass am Ende,
und das muss allen vor Augen stehen,
die chinesische Seite natürlich
diese Technologie in China kontrollieren will.
Ernst & Young ist eine der 4 umsatzstärksten Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften der Welt.
Yi Sun ist dort Partnerin, leitet das Chinageschäft.
Wenn chinesische Investoren
in Deutschland eine Firma ins Visier nehmen,
kommen sie an Yi Sun kaum vorbei.
Sie führt sie zu ihren Shopping-Zielen.
Ich glaube, wir können ganz stolz sagen,
dass wir in den letzten 4, 5 Jahren bei mehr als 80%
von den mittelständischen bis großen Transaktionen involviert waren.
Ja, wir sind ganz stolz darauf, ja.
Yi Sun ist eine Wanderin zwischen den Welten.
In China studierte sie Germanistik, in Deutschland Betriebswirtschaft.
Düsseldorf ist ihr zur zweiten Heimat geworden.
Doch regelmäßig reist sie ins Reich der Mitte,
um den Kontakt zu ihren Kunden zu halten.
Wenn der chinesische Investor zu mir kommt und sagt:
"Frau Sun, ich möchte in diesem Bereich eine Firma anschauen."
Dann muss ich natürlich mit dem sprechen:
Was ist die Strategie dahinter?
Die Gründe, die Beweggründe bei solchen Investitionen.
Und dann kann ich auf dem Markt schauen,
was es gibt auf dem Markt in dem Sektor.
Und welche Unternehmen kommen in Frage könnten.
Und zweitens ist natürlich: Welche Unternehmen könnten verkauft werden.
Ein Milliardengeschäft.
Allein 2016 kauften chinesische Investoren
mehr als 100 deutsche Unternehmen.
Für mehr als 11 Milliarden Euro.
Yi Sun ist ständig auf Achse, quer durch Deutschland.
Die mittelständische Unternehmenslandschaft
kennt sie wie ihre Handtasche.
Die BBG wäre ein geeignetes Objekt der Begierde.
Eigentümer Hans Brandner ist ein Anpacker,
stets dicht dran an seinen Mitarbeitern und der Produktion.
Seine Firma stellt Spezialwerkzeuge und Fertigungssysteme her.
Für den Bau von Autofenstern z.B.
Keine Massenprodukte, sondern maßgeschneiderte Einzelanfertigungen.
Was ist da jetzt neu dran?
So ist das Altherkömmliche.
Das ist jetzt ein neuer Versuch, wo wir noch daran arbeiten.
Da sind wir jetzt wirklich da an der Scheibe?
Das was wir hier machen, speziell im Werkzeugbau,
hat was wirklich mit Know-how zu tun.
Wir leben wirklich von der Kompetenz in dem kleinen Detail
bis zur letzten Schraube runter.
Umso wichtiger ist es, die eigenen Konstruktionen und Produkte
vor Ideenklau und Nachbau zu sichern.
Weltweit gibt es nur eine Handvoll Konkurrenten.
Seit 1986, gell Alois, das war der S-Klasse-Mercedes damals,
dieser alte eckige Kasten, der nicht auf den Autozug passte.
So und seitdem befasst sich hier die BBG, also jetzt seit 30 Jahren,
mit dem Thema Glas und Polyurethan.
Da hat sich natürlich
ein sehr großes, intensives, breit gefächertes Wissen aufgebaut.
Und das ist das, was die Kunden letztendlich schätzen.
Und was in Deutschland eine lange Tradition hat,
die jeder Geselle, jeder Meister von Grund auf lernt und lebt.
Das Tüfteln am Werkstoff und am Produkt,
die Identifikation mit der Aufgabe,
dies macht die Qualität bei deutschen mittelständischen Unternehmen aus
und hat den Ruf von "Made in Germany" begründet.
Das deutsche Handwerk so wie wir es lernen,
ist für uns unschlagbar.
Auch für die deutsche Mentalität. Da weiß man:
Ein Industriemechaniker, den ich einstelle, kann das.
Der hat das in seiner Grundausbildung drin,
und irgendwann auch in den Genen.
Die können das.
Das ist das, was in China fehlt.
Umso skeptischer betrachtet Hans Brandner
die derzeitige Übernahmewelle in Deutschland durch die Chinesen.
Ich finde es nicht gut.
Ich sage einmal, den Ausverkauf des deutschen Maschinenbaus.
Dass wir da den Ausverkauf zulassen,
weil in die andere Richtung würde es überhaupt nicht gehen,
weil es die chinesische Regierung unterbinden würde.
Das "Mercator Institut für China Studien"
ist die führende deutsche Denkfabrik für alle politischen
und wirtschaftlichen Themen rund um China.
Sein Gründungsdirektor, Professor Sebastian Heilmann,
berät seit vielen Jahren deutsche Regierungen
und sieht die aktuelle Entwicklung kritisch.
Der Sinologe hat in Deutschland und China studiert
und gilt als der Spezialist für die Volksrepublik.
Er weiß genau, was die Chinesen in Deutschland suchen.
Inzwischen können wir, glaube ich, mit Gewissheit sagen,
dass die chinesische Seite
v.a. an deutschen Unternehmen interessiert ist,
die bei Industrietechnologien Nischen füllen,
besondere Vorsprünge haben.
Die "Hidden Champions" sind das große Thema,
diese verborgenen Weltmarktführer,
die hoch spezialisiert sind, über Jahrzehnte
Industrietechnologien im Kleinen entwickelten
und daher konkurrenzlos sind.
Einen Großteil des Geldes dafür
verdanken die Chinesen ausgerechnet der deutschen Wirtschaft,
die jetzt Ziel ihrer Kauflust ist.
Jahrzehntelang steckten deutsche Unternehmen
Milliarden D-Mark und Euro in den aufstrebenden chinesischen Markt.
Völlig neue Industriezweige entstanden so im Reich der Mitte.
Abertausende von Arbeitsplätzen und viel Know-how
brachten die Deutschen mit.
Über Jahrzehnte hinweg
gingen die Investitionen fast nur in eine Richtung:
Von Deutschland nach China.
2015 drehte sich das Bild.
Die Chinesen investierten vier Mal mehr Geld in Deutschland
als umgekehrt.
Der Hydraulik-Hersteller Linde wurde schon 2012 übernommen,
vom Motorengiganten Weichai Power.
Die Chinesen kauften die komplette Firma,
inklusive Produktion, Entwicklungsabteilung und Patenten.
Chinesische Investoren gründen hier also keine neuen Unternehmen.
Sie kaufen auf. Quer durch die Republik.
In Lohr am Main treffen sich schon zum 3. Mal Betriebsräte der IG Metall
aus ganz Deutschland, die eines gemeinsam haben:
Alle arbeiten in einem der vielen Unternehmen,
die inzwischen chinesischen Investoren gehören.
Im Schulungszentrum der IG Metall
trainieren sie unter anderem Smalltalk mit Chinesen.
Der Herr Li hat mich eingeladen. - Herr Li?
Meinen Sie Herrn Li von der Personalabteilung?
Ja, Li Pong Ching.
Ah. Schön, Sie kennen zu lernen.
Wie man sich begrüßt, wie man isst, seine Pausen nimmt,
alles ist anders bei den neuen chinesischen Firmenchefs.
Dazu kommen die Sprachbarrieren.
Harald Frick arbeitet beim Solaranlagenproduzenten Astronergy,
der vor 4 Jahren vom Energieriesen Chint übernommen wurde.
Der Einstieg des chinesischen Investors war damals hochwillkommen.
Wenn ich in der Fußballersprache reden darf,
wenn man in der Relegation ist, spielt man nicht schön.
Da freut man sich einfach, in der Klasse zu bleiben.
Wir standen kurz vor dem unternehmerischen Tod.
Da haben die Chinesen gesagt, wir kaufen euch.
Da war schon ziemliche Jubelstimmung.
Das Gefühl, mal Glück im Leben gehabt zu haben.
Die Chinesen stiegen am absoluten Tiefpunkt ein.
Das Unternehmen war insolvent.
6 Millionen Euro brachten sie 2014 mit,
stockten die Belegschaft sukzessive wieder auf.
Dennoch ist Astronergy
heute nur ein Schatten des einstigen Vorzeigeunternehmens.
Unter dem Namen "Conergy" arbeiteten hier bis zu 750 Mitarbeiter.
Heute sind es nur noch ein Drittel.
Nicht einmal mehr der Empfang ist besetzt.
Vom anfänglichen Glücksgefühl ist kaum etwas übrig.
Vor allem Arbeitnehmervertreter spüren Gegenwind.
Diese rigorose Ablehnung der Gewerkschaft
und auch die Verfolgung von Gewerkschaftsmitgliedern,
ich will es mal so nennen.
Da gibt es fristlose Kündigungen,
die natürlich nach 3-4 Tagen wieder aufgehoben werden müssen.
Oder Abmahnungen.
Oder Aufstiegsmöglichkeiten für Gewerkschaftsmitglieder
werden offensichtlich verbaut.
Der Arbeitgeber streitet das natürlich ab,
dass es da einen Zusammenhang gibt.
Das ist ziemlich bitter.
Das lässt auch die Entschlossenheit sinken,
bei uns zu 100% am Unternehmenserfolg mitzuarbeiten.
Die chinesische Geschäftsleitung
fremdelt mit dem deutschen Arbeitsrecht,
obwohl es auch für sie gilt.
Vor einigen Monaten riefen die Betriebsräte und die Gewerkschaft
zum Streik auf.
Erreicht haben sie damit wenig,
lediglich eine einmalige Lohnerhöhung von fünf Prozent.
Über klare Vereinbarungen für die Zukunft
oder einen Tarifvertrag wollten die Eigentümer nicht verhandeln.
Im Betriebsrat geht's seit Monaten
von einem Krisengespräch zum nächsten.
Die Arbeitnehmer finden keinen Draht zur chinesischen Chefetage.
Sie ist sehr geräuscharm, die Firmenpolitik.
Man hört wenig. Ein wenig seelenlos, würde ich auch sagen.
Seelenlos, dafür ist er verantwortlich:
Cunhui Nan, Chef der Muttergesellschaft Chint.
Astronergy ist einer der wenigen
in Deutschland verbliebenen Hersteller für Solarpanels.
Es waren ausgerechnet chinesische Billigimporte,
die kombiniert mit der Einschränkung der Fördergelder
die einstige Vorzeigebranche ruiniert haben.
Gut ausgebildete Fachkräfte suchen bereits neue Arbeitgeber.
Das brennt unter den Nägeln.
Die Leute wollen bessere Arbeitsbedingungen.
Unternehmerisch sehen wir auch die Notwendigkeit,
dass die Bedingungen verbessert werden.
Die Leute stimmen mit den Füßen ab.
Wir leiden als Unternehmen unter Kündigung.
Und müssen das kompensieren.
Da hauen teilweise 10 Jahre Berufserfahrung ab.
Die kommen nie wieder zurück.
Das kriegt man nur damit geheilt,
dass man die Dinge hier verbessert.
Doch bessere Arbeitsbedingungen,
darüber will die Geschäftsführung nicht einmal reden.
Ein bereits vereinbartes Interview wurde abgesagt,
weil auch über den Konflikt mit dem Betriebsrat
gesprochen werden sollte.
Sind solche Entwicklungen bald Alltag in Deutschland?
Was haben die milliardenschweren Investoren aus China noch im Sinn?
Das Ziel nicht nur der Regierung,
sondern auch dieser Mutterunternehmen in China ist,
diese Technologie in China zu haben.
D.h., was zurzeit aussieht wie ein Riesen-Wachstumsprogramm
kann auf Dauer darauf hinauslaufen, das ist die Gefahr,
dass nach 5 bis 10 Jahren
diese Technologie komplett in China kontrolliert wird
und von dort nach hier exportiert werden soll.
Das wäre die Gefahr für diese Unternehmen,
auch aus Sicht der Belegschaft.
China investiert immer mehr Geld in Schlüssel-Branchen.
Im Jahr 2016:
4,4 Milliarden Euro allein für das Robotikunternehmen Kuka.
1,4 Milliarden für die Umwelttechnik-Firma EEW.
Und rund eine Milliarde für den Maschinenbauer KraussMaffei.
War die Solarindustrie nur der Anfang?
Werden nun weitere Technologien nach China abgezogen?
Für die Unternehmensberaterin Yi Sun sind dies Schreckgespenster.
Sie sieht die chinesischen Investoren
eher als Gewinn für die deutsche Wirtschaft.
Mentalität und Geschäftskultur der beiden Länder
passen für sie ohnehin gut zusammen.
Mein Papa, das finde ich sehr interessant, sagte immer,
dass Chinesen die gleichen sind wie die Deutschen.
Beide Völker sind sehr fleißig und strukturiert.
Aber ich glaube, es gibt einige doch andere Gepflogenheiten:
Wenn wir hier sagen: Wir haben Weihnachten.
Wir können nicht mit der Transaktion weitermachen.
Wir feiern auch nicht Chinese New Year,
wenn ihr hier mal was zu tun habt.
Hallo Herr Lindner. - Hallo Frau Sun.
Lang nicht gesehen.
Eines der ehemals deutschen Unternehmen,
das Yi Sun an die Chinesen vermittelt hat, ist Medisana.
Das Unternehmen aus Neuss
ist ein führender Hersteller von Medizinprodukten für den Haushalt.
Ralf Lindner ist nach wie vor Geschäftsführer.
Ach, jetzt hängen auch die Bilder und alles.
Genau.
Milestone, ne?
Ein sehr schöner Abschluss von ungefähr ...
Wie lange haben wir daran gearbeitet? Ein Dreivierteljahr, ne?
Vor drei Jahren hat Lindner verkauft an die chinesische "Easepal",
einen milliardenschweren Konzern aus der Gesundheitsindustrie.
Damit bekam er Zugang zu einem riesigen Markt.
Die Produkte finden sich in jedem Haushalt.
Vor der Übernahme besaß Medisana
eine Zeit lang eine eigene Produktion in China.
Nach 2 Jahren war ich doch sehr froh,
das wieder abgeben zu können.
Weil es sich doch als sehr schwer herausgestellt hat,
von Deutschland aus eine Produktion in China zu führen.
Sie brauchen eine ständige Präsenz vor Ort
und dafür brauchen Sie ein entsprechendes Management vor Ort.
Und das war die Erfahrung aus diesem Experiment.
Wer kauft wen in einer globalisierten Welt?
Medisana ist jetzt in chinesischer Hand,
gehört nun ausgerechnet dem Konzern,
in dem es früher seine Produkte fertigen ließ.
Lindner ist mit seiner Entscheidung zufrieden.
Ich habe Geschäftsfreunde,
die von angelsächsischen Private Equity Investoren
übernommen worden sind, die singen ein ganz anderes Lied.
Da geht es mir mit dem chinesischen Partner
wesentlich besser.
Die BBG Maschinenbau im Allgäu produziert weiterhin eigenständig,
auch in China.
Doch von selbst wäre Hans Brandner nie auf die Idee gekommen,
dort ein eigenes Werk zu eröffnen.
Sein Hauptkunde in China zwang ihn vor 11 Jahren,
ein Zweigwerk in Changchun aufzumachen.
Der Allgäuer Unternehmer sah keine Alternative.
Wenn wir das nicht tun,
bleibt dem Kunden gar nichts anderes übrig,
als einen chinesischen Werkzeugbauer in unsere Nische einzuführen.
Was durchaus als Drohung aufgefasst werden konnte.
Und was konsequent weitergedacht
die Existenz der gesamten Unternehmensgruppe BBG
hätte gefährden können.
Am Ende blieb dem Mittelständler nichts anderes übrig,
als den Schritt ins ferne Nordchina zu wagen.
Du bist furchtbar alleine, wenn du da drüben bist.
Du weißt im Prinzip nix. Du kennst niemand.