Plötzlich Krebs: Wie geht man damit um? | Folge 1
. Hier ist die Narbe. Hier ist die Narbe, die zieht sich bis hier vorne hin.
* Seufzt laut *
Mann, Mann... Sebastian, ey.
Aber, ich lächle trotzdem. Was sagt uns das?
Ich kann auch damit umgehen.
Ich bin auf dem Weg zu Sebastian, Sebastian kennt ihr schon
aus dem Dating-Experiment: "Muss ich schön sein?"
Wie muss der Typ ticken, den du dir dann angelst?
Vor ein paar Wochen schrieb mir Sebastian,
dass es ihm überhaupt nicht gut geht,
und ich will ihn heute besuchen, um zu schauen, was genau los ist.
Hi. - Hallo. Schön, dich wieder zu sehen, Sebastian. - Freue mich auch.
Was genau ist los? Was ist passiert?
Lange Rede, gar kein Sinn: Ich habe aufgrund meiner Grunderkrankung,
die ein hohes Hautkrebs-Risiko mit sich bringt, Schwarzer Hautkrebs.
Malignes Melanom. Einerseits weiß man, das ist böse.
Das kann lebensgefährlich werden und das relativ schnell.
- Wie kam es, dass du es gemerkt hast? Hattest du Schmerzen?
Ich hatte einen gutartigen Auswuchs an relativ exponierten Körperstellen
und... - D.h, du hast irgendwo einen Knubbel gemerkt?
Ein Knubbel, der war schon da, den hatte ich schon jahrelang.
Ich habe deswegen wahrscheinlich auch nicht direkt bemerkt,
dass er wächst. Er ist wohl gewachsen, wurde irgendwann wund,
und dann musste ich zum Hausarzt, der hat nicht lange gefackelt,
behielt mich sofort da.
Nach Ende der Praxis-Zeit hat er mich ambulant operiert.
Das Teil direkt ins Labor geschickt.
Das Ergebnis kam zurück: Hautkrebs!
Erst mal ein richtig krasses Gefühl, oder? - Das Herz sackt in die Hose.
Man hat einfach keinen Plan, was jetzt passiert.
Man denkt im ersten Moment oh Gott, oh Gott, oh Gott...
ich bin in 3 Tagen tot.
Ich habe auch Bilder davon,
wie das aussah, bevor sie raus geschnitten wurden.
Das ist hier. - Krass. - Das ist weniger hübsch.
Jetzt, wo ich ihn sehe, weiß ich, er ist deutlich größer.
Verflucht noch mal, wie konnte ich den nicht früher bemerken?
Aber, hätte, hätte... ist jetzt zu spät.
Ich habe vorgeschlagen, dass wir auf die Narben gucken, als Vergleich,
was sind davon übrig bleibt. - Hmm.
Hier ist die Narbe, ja. - Hier ist die Narbe. - Ja, krass.
* Seufzt laut *
Mann, Mann, Sebastian...ey. - Es ist kein Spaß.
Aber ich lächle trotzdem, was sagt uns das?
Ich kann auch irgendwie damit umgehen. - Krass. Aber wie?
Ich bin in manchen Dingen etwas weniger diplomatisch.
Etwas kompromissloser auf mich selbst fokussiert,
also egoistischer unterm Strich, weil ich mir denke,
ich habe jetzt vielleicht noch weniger Zeit als der Durchschnitt.
Und die Zeit würde ich gerne nutzen. - Wie geht es dir gerade im Moment?
Körperlich? - Im Januar machte ich eine Strahlentherapie,
nach 3 Tagen merkt man, was ist los, ich bin dauernd müde.
Wenn ich 100 m zu Fuß ging, war ich fertig.
Ich kann überhaupt keine Leistung mehr bringen.
Und wenn ich da jetzt schon wieder Metastasen hab, sieht es für mich
so aus als hätte die wenig bis gar nichts gebracht.
Außer negative Folgen.
Der nächste Arzttermin ist morgen, im Strahlenzentrum,
dort gibt es einen Nachsorgetermin, der für mich total interessant wird,
weil ich keine Ahnung habe, was da passiert.
Da muss ich mich überraschen lassen.
- Wie würdest du deine Situation beschreiben?
Ich vergleiche mich gerne mit einer Art Soldat.
Meine Ärzte sind die Kommandanten.
Meine Kommandanten geben mir Befehle,
das sind meine Therapieanweisungen und zu dem und dem Arzt gehst du...
Du läufst einfach nur noch strikt durch diese Schützengräben durch.
Du läufst auf dein Ziel zu, und das, was du kannst,
nach bestem Wissen und Gewissen, um diese Befehle zu erfüllen.
Irgendwann jedoch kommt der Moment, in dem man aufhört, Soldat zu sein.
Man kommt raus aus der Klinik,
die kurzfristigen Therapien sind abgeschlossen,
es bleibt nur noch die Langfrist- Therapie mit Tabletten-Schlucken.
Und dann muss man für sich selbst sorgen.
Dann muss man damit umgehen, mit dem, was man erfahren hat.
Mit dem, was man davon übrig hat.
Damit muss man dann das ganz normale Leben leben,
erst da wird es richtig schwierig, finde ich.
Wie geht es von der Luft? - Geht.
Ich bin mittlerweile auch schon wieder ein bisschen belastbarer.
Bisschen.
Als du vorhin sagtest, deine Kondition hat so gelitten,
habe ich noch mal drüber nachgedacht, wie das so war,
als wir beim Bouldern waren. - Da war das ganz anders.
Da warst du topfit. - Da war ich so fit, wie für mich möglich ist.
Setzen wir uns mal kurz hin.
Ha! Wie lange werde ich noch leben?
Who knows? - Fragst du dich das manchmal. - Ja.
Jetzt natürlich noch mehr als vorher.
Ich hatte ehrlich gesagt mal eine ähnliche Situation,
als ich 20 war hatte ich super krasse Bauchschmerzen, dauerhaft.
Mein Hausarzt hat mich dann irgendwann auch zum Arzt geschickt,
weitergeschickt, zu einem Facharzt, dann stellte sich heraus,
dass ich einen riesigen Tumor im Bauch habe. - Welchen Tumor?
- Es reißt dich halt ein bisschen raus,
dieser ganze Prozess hat mich krass geprägt.
Das hat mir eine andere Sicht aufs Leben gegeben. - Okay, ja.
Ich denke, das ist bei dir bestimmt nicht anders. - Ja.
Das macht es einem bewusster, dass man sterblich ist.
Eventuell sogar sehr sterblich. - Ja.
Wir gehen jetzt in eine Bar hier,
dort treffen u.a. meinen Vater und eine Freundin von mir.
Warum würdest du sagen, sind die jetzt besonders wichtig?
Weil ich ansonsten in einer Längenspirale daheim sitzend
versinken würde. - Ablenken? - Nicht nur ablenken,
sondern sich auch aktiv mit dem Thema auseinandersetzen.
Mir helfen dabei, meine Gedanken zu ordnen.
Hi. - Hallo.
Hi Sebastian.
Hallo Papa.
Wie ist das, wenn ihr über die Krankheit nachdenkt,
habt ihr da auch Schiss? Angst?
- Es ist ein anderes Leben als vorher, absolut.
Für mich...
im Moment... nicht leicht.
Für keinen.
Man sollte an den nächsten Punkt denken.
Sich auf den nächsten Schritt konzentrieren.
Und das, was danach kommt, kann man im Hinterkopf halten.
Wie geht es dir damit?
- Ich muss ehrlich sagen, dass ich daraus kein Drama machen wollte,
weil ich gedacht habe, wenn ich jemanden schon abschreibe,
was macht das dann mit ihm? Das käme mir auch nie in den Sinn,
ich bin mir sicher, Sebastian sie das noch eine ganze Weile durch.
Ich versuche auch, nicht die ganze Zeit darüber nachzudenken.
Das bringt ja auch überhaupt nichts.
Ich denke auch nur darüber nach, manchmal, wenn ich ihn nicht sehe,
wenn ich mit ihm zusammen bin, dann überhaupt gar nicht.
Ist jetzt vielleicht auch ein bisschen klarer,
warum ich gerne mit meinem Freunden zusammen bin,
weil die die Zuversicht haben, die mir manchmal fehlt.
Und ich mir die einfach dort stehlen kann. Ein bisschen.
Ich finde es echt krass, mir vorzustellen, wie es ist,
so eine Diagnose zu bekommen und so eine schwere Krankheit zu haben.
Sebastian ist nicht der einzige, der sich gemeldet hat,
auch viele von euch haben mir geschrieben,
dass sie so etwas durchstehen müssen, genau deshalb möchte ich
in den nächsten Wochen der Frage nachgehen:
"Wie lebe ich mit einer schweren Krankheit?"
Ich gehe jetzt zum Strahlenzentrum.
Wo ich im Januar, vor 2 Monaten, 15 Strahlentherapie Termine hatte.
Hier geht es jetzt zur Abklärung, was das Ganze denn gebracht hat.
Die Hoffnung spielt doch bei solchen Terminen auch immer eine Rolle?
Vielleicht haben sie ja doch noch eine Lösung?
Vielleicht passiert ja doch noch irgendwas?
Vielleicht haben sie einen Ansatz? - So leise. Ich bin sehr nüchtern.
Das wird eine große Überraschung.
Ist ja jetzt gleich dein Termin, ne? - Ja.
So, wie es aussieht, ist es Zeit.
Die Klinik hat uns nicht erlaubt, dass wir drinnen filmen,
ich bin trotzdem mega gespannt, was du gleich erzählen wirst.
Dann bis gleich.
Sebastian hat jetzt seinen Arzttermin, und ich hoffe echt,
dass die Ärzte ihm irgendetwas Neues vorschlagen können.
Irgend eine neue Behandlungsmöglichkeit.
Weil ich es ihm so wünschen würde, dass es ihm bald besser geht.
Es macht mich traurig, dass jemand...
der eh schon so viel durchmachen musste,
jetzt auch noch diesen Klotz ans Bein gebunden kriegt.
Ich wünsche mir einfach total, dass er das schafft.
Habt ihr selbst, oder euer Umfeld,
schon mal Erfahrungen mit schweren Krankheiten gemacht?
Ich würde mich freuen, wenn ihr mir davon in den Kommentaren erzählt.
Okay, er ist wieder raus, ich bin gespannt, was der Arzt gesagt hat.
Erzähl. - Also, ja. Haben ihr Bedauern ausgedrückt,
von Seiten der Ärztin, im Namen der Therapeuten, und allen Beteiligten,
dass es nicht so geklappt hat,
dass es nicht den Therapieeffekt erzielt hat, den man wollte.
Ich bin jetzt schon frustriert
denn dafür habe ich jetzt schon auch einen Weg auf mich genommen,
habe am Ende leere Hände.
* Düstere Musik *
Was musst du tun, was kannst du noch tun? - Ich nehme Tabletten.
Alle 12 Stunden.
Die verhindern das Tumorwachstum, bzw.die Tumor-Verbreitung.
Dass der Körper irgendwann die Tumorzellen von selbst abbaut.
Das kann aber eine Weile dauern.
Auf jeden Fall wünsche ich dir alles Gute. - Dankeschön.
Viel Kraft, ich würde dich gerne einfach noch mal richtig drücken.
Gerne. Ich mag Umarmungen.
- Ja? - Ja.
Wenn ihr das Video noch nicht gesehen habt,
in dem Sebastian und ich uns kennen lernten, klickt mal hier oben,
dort habe ich es euch verlinkt.
Ich fand es mega schön, dass du so offen und ehrlich mit mir warst.
Es war mir eine Freude. - Wenn ihr das genauso seht,
lasst Sebastian doch mal einen Daumen nach oben da.
Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)