Podcast #18: Die Verteidigungsministerin zur Coronakrise
Funkkreis: Podcast der Bundeswehr.
A: Herzlich willkommen zum Funkkreis an diesem Donnerstag.
Es ist die zweite Woche in der Corona uns zum Social Distancing zwingt.
Und aus diesem Grund machen wir auch diesen Podcast,
wie schon in der Vorwoche, wieder per Telefon.
Heute habe ich am Telefon die Verteidigungsministerin höchstpersönlich, Annegret Kramp-Karrenbauer,
Guten Morgen, Frau Ministerin.
B: Guten Morgen, Frau Gantenbein.
A: Ich freue mich, dass Sie Zeit haben für uns.
B: Ja, natürlich. Immer.
A: Super.
Wir steigen gleich direkt ein.
Sie haben neulich in Ihrem Tagesbefehl gesagt:
„Die Menschen in Deutschland verlassen sich jetzt auf uns.
Egal ob Hochwasser, Schneechaos, oder jetzt eben Corona,
immer wenn Not am Mann ist, dann sind wir auch zur Stelle.“
An welchen Fronten kämpfen denn unsere Frauen und Männer aktuell?
B: Natürlich an ganz unterschiedlichen Fronten.
Das eine ist, dass wir alles dafür tun, die eigene Einsatzbereitschaft im Kernauftrag
also sowohl in den Auslandseinsätzen aber auch beim Thema
Bündnis- und Landesverteidigung, aufrechtzuerhalten
und zum zweiten natürlich im Rahmen der Amtshilfe mit zu unterstützen.
Und da sind Kollegen und Kolleginnen aus dem BAAINBw, die zurzeit gerade massiv helfen
bei der Beschaffung etwa von Masken und Schutzanzügen.
Das geht weiter über die Luftwaffe, die jetzt gerade am letzten Wochenende schwerkranke
Patienten aus Italien und Frankreich hierher nach Deutschland gebracht hat.
Das sind aber eben auch viele aus der Sanität, die in den Bundeswehrkrankenhäusern mit unterstützen
- Bundeswehrkrankenhäuser, die ja auch für die zivile Gesundheitsvorsorge zur Verfügung stehen.
Das sind Soldatinnen und Soldaten, die für Ältere und Betagte einkaufen gehen, damit
diese sich keiner unnötigen Gefahr aussetzen oder die an der polnischen Grenze
Autofahrer und Lastwagenfahrer versorgt haben, die in einem Mega-Stau stehen.
Also die Palette ist unglaublich breit und was ich für alle sagen kann, es gibt eine
ganz hohe Motivation und eine ganz ganz hohe Hilfsbereitschaft.
A: Das ist wunderbar.
Wir sehen das ja auch auf den ganzen Social-Media-Kanälen,
also was Sie gerade sagten: In Wilhelmshaven
die Marinesoldaten die einkaufen gehen und Bundeswehrsoldaten, die eben die Schwerkranken
aus Frankreich z.B. in unsere Krankenhäuser gebracht haben.
Wie wichtig ist denn diese europäische Zusammenarbeit.
Florence Parly hat sich ja neulich bei Twitter direkt dafür bedankt.
Ist das jetzt in der Krise ein ganz besonders großer Wert, die europäische Zusammenarbeit?
B: Das ist ein ganz besonderer Wert, weil natürlich auch die europäische Zusammenarbeit,
auch die Freundschaft, auch die unmittelbare Nachbarschaft, an manchen Stellen einem Stresstest
unterzogen sind.
Ich selbst komme aus einer Grenzregion zur Region Grande Est im Saarland,
die ganz eng verflochten ist und in der ist zurzeit wieder Grenzkontrollen gibt und das belastet natürlich
auch das Verhältnis vor Ort.
Und umso wichtiger ist es, ganz deutlich zu machen: Im Rahmen dessen, was uns möglich ist,
stehen wir zueinander und helfen.
Und wenn man mit einem Kollegen, wie dem italienischen Kollegen, spricht
und der sich mehrfach auch mit belegter Stimme dafür bedankt,
dass die Bundeswehr Leute aus Bergamo nach Deutschland
verlegt und dort in Krankenhäusern behandelt, dann muss ich ehrlich sagen,
es ist mir das fast schon peinlich,
weil das eine vergleichsweise kleine Hilfestellung ist, angesichts der humanitären
Katastrophe, die wir in Italien eben sehen.
Aber wir tun, was immer möglich ist und was immer dann trotzdem auch sicherstellt,
dass die Hilfe, die wir hier im Inneren brauchen, für unsere eigenen Staatsbürgerinnen und
Staatsbürger, darüber nicht in Gefahr gerät bzw. vergessen wird.
A: Ja klar.
Und ich meine, es schweißt ja auch zusammen jetzt diese Zusammenarbeit.
Sie sagten gerade etwas von Sicherheit bzw. die Hilfe im Inneren.
Es ist ja normalerweise nicht vorgesehen, dass die Bundeswehr jetzt zur Aufrechterhaltung
von Sicherheit und Ordnung herangezogen wird.
Wäre das unter irgendwelchen Bedingungen dennoch denkbar?
B: Also wir agieren im Moment auf der Grundlage des Artikel 35 Absatz 1 Grundgesetz,
der die Amtshilfe regelt.
Und dieser Artikel gibt uns sehr viele Möglichkeiten schon mit, wo wir helfen können.
Was die Frage anbelangt, ob wir auch Aufgaben zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung
übernehmen können, das ist nur ein ganz ganz schmales und auch ein ganz ganz schwieriges
rechtliches Feld.
Wir wären z.B. dann gefordert, wenn die privaten Wachdienste ausfallen würden, die wir für
unsere eigenen Liegenschaften einsetzen.
Dann müsten wir natürlich in erster Linie diesen Schutz selbst wieder übernehmen.
Oder was vorstellbar wäre, ist, dass wir etwa beim Schutz von kritischer Infrastruktur
auch mit unterstützen, also Elektrizitätswerke, Wasserwerke oder ähnliches.
Aber die Vorstellung, die mancher hat, dass die Bundeswehr bewaffnet und mit schweren
Fahrzeug durch die Straßen patrouilliert, um irgendwelche Corona-Partys aufzulösen,
das ist eine Vorstellung, die nicht in die Realität in Deutschland passt
und die auch niemand von uns hier im Ministerium hat.
A: Die Bundeswehr macht auch seit Jahren schon zivil-militärische Übungen,
eben auch gerade im Katastrophenschutz.
Wie stark hilft uns das denn jetzt gerade in dieser Krise?
B: Also das hilft, weil sich einfach die Beteiligten kennen.
Das ist jetzt ganz wichtig, bei den Landeskommandos, bei den Krisenstäben, die es auf Landesebene
gibt, aber eben auch bei den Verbindungskommandos auf Bezirks- oder Kreis-Ebenen.
Und wenn man die persönliche Schiene zu einander hat, wenn Dinge wie die Kenntnisse
„Wie sind die Meldewege bei dem man oder bei dem anderen?“, wenn dies eingeübt ist,
dann hilft das sehr.
Aber man muss natürlich auch sagen, diese Situation jetzt mit Corona, mit Covid-19,
ist eine so einmalige, dass alle Szenarien, die wir da vorher auch vielleicht in Übungen
angedacht haben, natürlich überhaupt nicht mithalten können mit der Realität.
Insofern ist jeder aufgefordert, kreativ und mit Flexibilität und auch pragmatisch,
auf die Herausforderung jetzt zu reagieren
und was ich an Rückmeldungen auch aus den Landeskommandos
und auch aus den Bundesländern bekomme,
scheint das auch jetzt in den ersten Wochen gut zu funktionieren.
A: Ja, das ist toll.
Die Einsatzfähigkeit, da müssen wir uns auch keine Gedanken machen, oder?
Die ist trotz dieser enormen Anstrengung jetzt jederzeit gegeben?
B: Das ist unsere Hauptaufgabe, die Einsatzfähigkeit zu erhalten, und zwar auch so zu erhalten,
dass wir auch durchhaltefähig sind.
Das gilt für das Thema Bündnis- und Landesverteidigung.
Deswegen nehmen wir den Schutz unserer eigenen Soldatinnen und Soldaten sowie Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter sehr sehr ernst.
Wir arbeiten im Moment sehr viel im Homeoffice,
machen nur so viel Präsenz, wie es irgendwie möglich ist.
Wir gehen auch jedem Infektionsfall sofort nach und versuchen dann auch diejenigen,
die sich infiziert haben und auch das Umfeld, dann so in Quarantäne zu bringen,
dass möglichst wenig andere sich anstecken.
Dazu haben wir auch in der Vergangenheit z.B. ganze Einrichtungen geschlossen.
Und es ist natürlich auch eine Herausforderung bei den Einsätzen, zum einen dafür zu sorgen,
dass auch dort der Einsatz an sich nicht gefährdet ist, zum anderen aber auch dafür zu sorgen,
gerade wenn wir z.B. über Mali reden, dass nicht durch möglicherweise infizierte
Soldatinnen und Soldaten das Virus in ein Land mit hinein geschleppt wird,
welches über eigentlich kein Gesundheitswesen verfügt.
Also deswegen tragen wir da doppelte Verantwortung.
A: Ja, das verstehe ich.
Wir schicken ja auch unsere Einsatzsoldaten erstmal in Quarantäne, bevor die überhaupt
jetzt in den Einsatz verlegen, genau.
B: Das ist auch ganz wichtig, wenn ich das gerade ergänzen darf.
Ich weiß, das ist für viele eine hohe Belastung, auch für die Familien sowohl derjenigen,
die ins Kontingent eingewechselt werden, als auch diejenigen, die auf ihre Auswechslung warten,
weil sich die Wechsel eben zeitlich verschieben.
Aber es ist einfach absolut notwendig, um an der Stelle wirklich auch eine gute Grundlage
zu haben und verantwortlich eben insbesondere mit der Situation in den Ländern umzugehen,
in die wir gehen, um zu helfen.
A: Ja, klar, natürlich.
Die Reservisten spielen auch gerade eine große Rolle.
Wir haben im Reservistenverband 115.000 Mitglieder und 75.000 können wir direkt erreichen.
Es haben sich auch schon ganz viele gemeldet.
Wie wichtig sind die Reservisten für uns in diesen Tagen?
B: Sie sind sehr, sehr wichtig.
Ich habe eben gesagt, es geht auch um Durchhaltefähigkeit.
Der Kampf gegen Corona ist eine lange Strecke, ist ein Marathon.
Die Bundeswehr wird insbesondere dann noch stärker gefragt sein, als es jetzt schon ist,
wenn auch andere Strukturen im zivilen Bereich an ihre Grenzen kommen.
Und deswegen brauchen wir dann nicht nur unsere Aktiven,
sondern brauchen auch die Reservistinnen und Reservisten.
Ich bin sehr sehr stolz darauf, wie viele sich sofort und unmittelbar freiwillig gemeldet haben.
Die ersten etwa 240 aus den Aufrufen der Sanität
sind jetzt schon eingesetzt z.B. in den Bundeswehrkrankenhäusern
und viele warten wirklich darauf, dass wir auch auf sie zukommen.
Also das spricht für unsere Reservistinnen und Reservisten und ist etwas,
worauf wir alle miteinander stolz sein können.
A: Ja, das stimmt.
Eine persönliche Frage: Sie selbst sind ja normalerweise ganz viel unterwegs und schütteln
unzählige Hände, sprechen mit sehr vielen Menschen.
Wie arbeiten Sie denn aktuell?
B: Ja, natürlich mit Social Distancing, wie das im Moment heißt.
Das heißt, wenn es überhaupt Besprechungen mit persönlicher Präsenz gibt,
dann ist das natürlich immer in einem Raum mit den entsprechenden Abstandsregelung.
Aber generell hat sich die Arbeit eben sehr verlagert an den Schreibtisch.
Das heißt, es läuft sehr viel über Videokonferenzen, über Telefonschaltungen, über persönliche
Telefonate und das ist sozusagen das Führungsinstrument,
das ich eben jetzt auch nutze,
und welches vieles auch möglich macht.
Ich glaube, wir erleben zurzeit gerade wie wertvoll und wie wichtig eben alle Möglichkeiten
der Digitalisierung sind, die wir haben.
Aber ehrlich gesagt, ich freue mich auch, wenn die massiven Beschränkungen auch wieder
etwas gelockert werden.
Denn es geht einfach nichts darüber hinaus, jemanden auch persönlich in die Augen schauen
zu können und ihm persönlich zu begegnen.
A: Absolut.
Aber Sie werden wahrscheinlich trotzdem noch mehr Menschen treffen
als andere jetzt im Homeoffice.
Haben Sie denn Sorge, sich anzustecken?
B: Nein, also ich habe keine Sorge um mich persönlich.
Ich bin trotzdem sehr vorsichtig und auch noch vorsichtiger geworden,
weniger wegen der Frage meiner eigenen Gesundheit.
Aber die Vorstellung wer sozusagen alles betroffen ist, wenn ich mich infizieren würde
und wer dann auch alles in Quarantäne geht bzw. möglicherweise auch infiziert sein kann
- das ist etwas,
was mir sowohl in meinem beruflichen als auch in meinem privaten Umfeld einfach Sorgen macht.
Und deswegen ist es Rücksicht auf die, die mich sehr eng eben auch in der Arbeit und
auch zu Hause begleiten.
Und diese Rücksicht gebietet es, dass man selbst alle Vorsichtsmaßnahmen auch anwendet,
die ja auch für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gelten.
A: Ja, das verstehe ich gut.
Sie haben gesagt, uns allen muss bewusst sein, dass dieser Kampf gegen das Virus einen Marathon ist.
In welchen Zeitsträngen denken Sie da?
B: Also ich glaube es nützt im Moment relativ wenig, in Zeitsträngen zu denken,
also jetzt auch über die Frage zu spekulieren,
die Auflagen, die es zurzeit gibt, wie lange werden die
anhalten, wann können die möglicherweise gelockert werden?
Ich glaube, man muss mit dieser Krise zum einen umgehen und sagen, was immer es braucht,
das müssen wir tun und wie lange es immer auch dauern mag, so lange müssen eben auch
Maßnahmen andauern, wenn sie notwendig sind.
Wir haben ein doppeltes Ziel.
Wir müssen und wollen auf der einen Seite verhindern, dass Menschen an Corona sterben.
Dazu müssen wir insbesondere sicherstellen, dass wir für all die schwerer Erkrankten
auch die notwendigen Intensiv- und Beatmungsplätze haben.
Das ist ganz ganz wichtig.
Daran arbeiten wir mit aller Kraft.
Und wir müssen bei dem Gesamtpaket natürlich auch immer schauen, wie halten wir unter diesen
Belastungen unser Land insgesamt, gesellschaftlich, aber auch wirtschaftlich, so am Leben.
Denn diese Stärke brauchen wir nachher, auch wenn es darum geht aus dieser Krise wieder
herauszukommen und dann schnell mit den Folgen fertig zu werden.
Also es ist eine Aufgabe, von der gesagt worden ist, es ist eine Menschheitsaufgabe und ich glaube,
das beschreibt es wirklich sehr gut.
A: Recht herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben,
Frau Ministerin und bleiben Sie gesund.
B: Das wünsche ich Ihnen auch.
Bleiben Sie gesund, passen Sie auf sich und passen Sie auch auf die um sie herum auf.
A: Das mache ich, Dankeschön.
Auch am kommenden Donnerstag sind wir wieder per Podcast für Sie da,
liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.
Sie hören uns auf allen bekannten Podcast-Kanälen, Deezer, Spotify, YouTube natürlich.
Bleiben Sie bitte auch gesund und wenn Sie Fragen haben oder Anregungen,
dann können Sie uns eine Mail schicken auf podcast@bundeswehr.org
und ich melde mich ab aus dem Funkkreis.
