Tagesschau Sendung vom 01.02.2021, 17:00 Uhr
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Claus-Erich Boetzkes
Guten Tag, willkommen zur tagesschau.
Länder und Kommunen sind verärgert,
viele alte Menschen ratlos:
Die Impfkampagne hierzulande
läuft nicht wie erwartet.
Der Impfstoff ist knapp
und viele Risikopatienten
warten auf den erhofften Schutz.
Seit drei Stunden berät
Kanzlerin Merkel mit den Ländern,
den Herstellern
und der EU-Kommission darüber.
Bisher haben 2 Mio. Bundesbürger
eine Erstimpfung erhalten.
Bei den Quoten vorn liegen laut RKI
aktuell Mecklenburg-Vorpommern,
Rheinland-Pfalz
und Schleswig-Holstein.
Danach kommen im Mittelfeld
Hamburg, Thüringen und Bayern.
Schlusslichter sind NRW
und Niedersachsen.
Die Impf-Hotline -
eine Geduldsprobe für Ältere.
Wegen der hohen Nachfrage
ist es oft besetzt.
Oder sie erfahren:
Vereinbarte Termine müssen verschoben
werden wegen Impfstoff-Knappheit.
Beim Gipfel beraten
Politik und Pharmaindustrie.
Welche Lösungen gibt es?
Biontech will mehr Impfstoff zur
Verfügung stellen als bisher geplant.
Wir sind angewiesen
auf die sichere Impfstofflieferung
in den nächsten Wochen und Monaten.
Daran hängt
die Terminvergabe für Menschen,
die dringend auf diesen
Gesundheitsschutz warten.
Zuletzt hatten CSU und Grüne den Ton
gegenüber Pharmakonzernen verschärft.
Sie drohen, notfalls
müsse der Staat klare Ansagen machen.
Das muss man
nach den Debatten über den
AstraZeneca-Vertrag scharfstellen.
Offensichtlich wurden Zusagen
nicht eingehalten.
Auch Bayer will
in die Produktion einsteigen,
die Tübinger Firma
CureVac unterstützen.
Sobald die Zulassung vorliegt.
Die Verfügbarkeit von Impfstoffen
ist zum jetzigen Zeitpunkt
unbefriedigend.
Vor dem Hintergrund von Mutationen,
die zu erwarten sind,
sind zusätzliche Kapazitäten
notwendig.
Die meisten Impfgipfel-Teilnehmer
warnen aber
vor überzogenen Erwartungen.
In Berlin ist Oliver Köhr.
Aus der Videokonferenz
fast nichts nach außen gedrungen,
anders als bei den Corona-Gipfeln.
Wie erklärt sich das plötzliche
Dichthalten?
Die Teilnehmer erfahren in
der Konferenz nicht so viel Neues.
Hersteller hatten
schon vor Beginn angekündigt,
die Lieferungen noch mal zu erhöhen,
noch in diesem Quartal.
Es wurde auch darauf hingewiesen,
dass man nicht viel machen kann.
Man könne die Herstellung
nicht beliebig hoch fahren.
In einem Hustensaft-Werk könne
man keinen Impfstoff herstellen.
Die Erwartungen
von Ministerpräsidenten waren,
verbindliche Zusagen
zu Mengen zu bekommen.
Die wurden enttäuscht.
Die Firmen konnten nur zusagen,
sich zu bemühen,
Impfstoff zu liefern.
Man kann die Mengen nur liefern,
wenn nichts dazwischen kommt.
Was will die Politik
mit dem Impfgipfel erreichen?
Dass alle auf dem selben Stand
sind.
Dass sie mit bestimmten Mengen
rechnen können.
Der Wirkstoff von AstraZeneca
wird nur unter Menschen
unter 65 verimpft.
Nun kann man den Impfplan
noch mal überarbeiten.
Der wird dann hoffentlich
etwas länger gültig sein.
Vergangene Woche verlor der DAX wegen
der Impfprobleme rund 3 %.
Heute aber steigen die Kurse wieder -
auch das hat mit dem Impfen zu tun.
Klaus-Rainer Jackisch,
was stimmt hier zuversichtlich?
Es sind die vielen positiven
Nachrichten von den Herstellern.
Im Mittelpunkt steht die Kooperation
zwischen CureVac und Bayer.
Bisher hatte sich die Kooperation
nur auf die Vermarktung bezogen.
Jetzt heißt es, dass Bayer
auch Impfstoff produzieren will.
Der Impfstoff
ist aber noch nicht zugelassen.
Man rechnet damit
im zweiten Quartal.
Man erhofft sich eine Schließung
der großen Impfstoff-Lücke.
Bayer könnte große Mengen
des Mittels produzieren.
Das trieb die Kurse
der Unternehmen an.
Das Börsenbarometer ist im Plus.
Das bringt Schwung in die Börse.
Israel gilt als mustergültig,
was die Impfkampagne angeht.
Dennoch hat die Regierung
die Beschränkungen
mindestens
bis zum Wochenende verlängert.
Es gibt widersprüchliche Signale:
Einerseits ist bereits ein Drittel
der Bevölkerung geimpft,
andererseits bleiben
die Infektionszahlen hoch.
Unter anderem
weil strenggläubige Juden
immer wieder
gegen die Auflagen verstoßen.
Der Flughafen
Ben Gurion ist geschlossen.
Er bleibt es
bis mindestens Ende der Woche.
Der strenge Lockdown
wurde verlängert.
Dabei macht Israel Schlagzeilen
mit seiner weltweit
führenden Impfkampagne.
1/3 der Bevölkerung, 3 Mio. Menschen,
hat wenigstens die erste Spritze
des Biontech/Pfizer-Vakzins erhalten.
Warum gehen die
hohen Infektionszahlen nicht zurück?
Wann kann die zunehmend
ungeduldige Bevölkerung aufatmen?
Das Hauptthema der Nachrichten.
"In den nächsten Wochen nicht",
meinte der Gesundheitsexperte.
Er empfiehlt einen Lockdown
bis mindestens Mitte Februar.
Die Mutationen machen Sorgen.
Auch, dass sich arabische Israelis
und ultraorthodoxe Juden
nicht an die Auflagen halten.
Wie gestern in Jerusalem:
Bis zu 20.000 Ultraorthodoxe sind
bei zwei Beerdigungen von Rabbinern,
die an Corona gestorben sind.
Die Polizei hält sich zurück.
Sie wolle keine Zusammenstöße
und Blutvergießen provozieren.
Ministerpräsident Netanjahu
appelliert:
Ich fordere alle dringend auf,
die Regeln einzuhalten,
egal, ob Ultraorthodoxe,
Säkulare oder Araber.
Leider gibt es weiterhin
verbotene Versammlungen.
Das muss aufhören!
Am Nachmittag wurde bekannt:
Israel stellt der Palästinensischen
Autonomiebehörde Impfstoff.
2000 Moderna-Dosen wurden übergeben,
3000 sollen folgen,
damit die Impfungen
des medizinischen Personals beginnt.
Für die Schülerschaft endet
ein weiteres schwieriges Halbjahr.
Bereits nach den Schulschließungen
im Frühjahr 2020
berichteten Lehrer von Stress
und Lernrückständen der Schüler.
Viele Schulen
bieten deshalb Lernferien an,
damit Schüler
ihre Rückstände aufholen können.
In Berlin hat diese "Winterschule"
heute begonnen.
Verkehrte Welt in
der Nürtingen-Grundschule Kreuzberg.
Eigentlich ist heute
der erste Ferientag,
für viele hier aber
der erste Schultag nach langer Zeit.
Wenn auch unter Corona-Bedingungen.
Die Winterschule ist ein Angebot
für Kinder,
für die es schwierig ist, von
zu Hause dem Unterricht zu folgen.
Weil die Eltern nicht helfen können
oder es kein Zimmer zum Lernen gibt.
Einige haben noch nicht mal
das Alphabet richtig erschlossen.
In der 1. Klasse
hat man das eigentlich bis zu
den Weihnachtsferien erschlossen.
Dabei sitzen hier schon
Kinder aus den 2. Klassen.
Drei Stunden Deutsch und Mathe
und Bewegung zwischendurch,
so der Stundenplan.
Es gehe auch darum, etwas
Bildungsgerechtigkeit herzustellen.
Kinder aus bildungsfernen Haushalten
haben es ohnehin schwerer
als Kinder
aus Bildungsbürger-Familien.
Corona verstärkt
diese Unterschiede natürlich.
Manche Kinder sitzen gerade
mit einem Privatlehrer zu Hause.
Und arbeiten und lesen ganz viel.
Und andere Kinder
machen das gerade nicht.
Da gibt es Lücken und wir hoffen,
dass wir davon
einen Teil füllen können.
Schule in den Ferien:
Dafür sind die Kinder
erstaunlich gut gelaunt.
Höheren Löhnen
und einem bundesweiten Tarifvertrag
sind Altenpfleger
ein Stück näher gekommen.
Die Bundesvereinigung
der Arbeitgeber in der Pflegebranche
einigte sich mit ver.di
auf einen Tarifvertrag.
Den könnte Arbeitsminister Heil
später auf die Branche erstrecken.
Vorgesehen sind Löhne
25 % über dem Mindestlohn.
Noch fehlt die Zustimmung
der Kirchenverbände.
Der Arbeitgeberverband Pflege
will dagegen klagen.
Mitten in der Pandemie
hat das Superwahljahr in Deutschland
begonnen.
Sechs Landtage werden gewählt
und der Bundestag.
Letzteres hat
die Opposition auf den Plan gerufen.
Sie lehnt die jüngste
Wahlrechtsreform der Koalition ab.
FDP, Grüne und Linke
wollen die Regelungen
vom Bundesverfassungsgericht
kippen lassen.
Ein doppeltes Parlament
gibt es leider nicht.
Deshalb sollen künftig
Stühle herausgeräumt werden.
Damit der Bundestag kleiner wird.
FDP, Grüne und Linkspartei klagen
vor dem Bundesverfassungsgericht.
Die Wahlrechtsreform ...
... gaukelt dem Publikum vor,
das Parlament zu verkleinern.
Wir sind aufgrund interner
Berechnungen sicher:
Dieses Ziel wird grandios verfehlt.
Die Wahlkreise sollen langfristig
auf 280 reduziert werden.
Für die kommende Legislatur
ist eine kleine Reform geplant.
Dabei bleiben die Wahlkreise so.
Dafür sollen
bis zu drei Überhangmandate
nicht ausgeglichen werden.
Von der Wahlrechtsreform würde
vor allem die Union profitieren.
Damit sich die Union in Form
eines Mandatsbonus bedienen konnte.
Eine derartige Willkür darf aus
unserer Sicht nicht geduldet werden.
Die Union sagt, die Wahlrechtsreform
sei angemessen.
Man verweist auf ein Urteil
des Verfassungsgerichts von 2012.
Es sprach von 15 ausgleichslosen
Überhangmandaten,
deshalb sind wir der Meinung,
dass drei akzeptabel sind.
Viel Zeit bleibt
den Richtern in Karlsruhe nicht.
Im September
wird der neue Bundestag gewählt.
Bundesjustizministerin Lambrecht
hat das Vorgehen
der russischen Polizei bei Protesten
von Nawalny-Anhängern kritisiert.
Es sei eine Missachtung
von Menschenrechten.
Sie forderte
die Freilassung Nawalnys.
Auch der EU-Außenbeauftrage Borrell
verurteilte die über 5000 Festnahmen.
Russlands Präsident Putin
lehnt jeden Dialog
mit Anhängern des inhaftierten
Kreml-Kritikers ab.
Nawalny steht morgen vor Gericht.
Ihm droht mehrjährige Haft.
Myanmar hatte sich vorsichtig einem
Demokratisierungsprozess geöffnet.
Heute sollte das neugewählte
Parlament erstmals zusammentreten.
Stattdessen
putschte das mächtige Militär.
Politiker, auch Regierungschefin
Suu Kyi, wurden abgesetzt.
Für ein Jahr
gilt der Ausnahmezustand.
Telefonverbindungen und Internet
waren zeitweise gekappt.
Der UN-Sicherheitsrat wird sich
morgen mit dem Putsch befassen.
Notstand in Myanmar.
Die Hauptstadt Naypyidaw
in der Hand der Militärs.
Soldaten hatten am frühen Morgen
De-facto-Regierungschefin
Aung San Suu Kyi
und weitere Politiker festgenommen.
Zunächst waren
TV und Internet blockiert.
Dann die Verlautbarung der Armee
im Staats-TV:
Ein Jahr Notstand,
um möglichen Wahlbetrug zu prüfen.
Bei den Wahlen im Herbst
hatten Aung San Suu Kyi
und ihre Partei haushoch gewonnen.
Die Militärs sprachen von Wahlbetrug,
ohne Beweise vorzulegen.
Das Ende
von zehn Jahren Demokratisierung.
Die Armee hatte die Freiheitsikone
bereits während der Diktatur
mehrfach unter Hausarrest gestellt.
Die Armee hat das Volk angegriffen,
als sie die gewählte Regierung
entmachtet hat.
Unser Land ist ein Vogel,
der gerade erst fliegen lernt.
Die Militärs
haben unsere Flügel gebrochen.
Militärchef Hlaing
hält nun die Fäden in der Hand.
Viele Staaten
fordern die Freilassung
von Aung San Suu Kyi.
Das ist ein Bruch
mit der Verfassung des Landes.
Der Versuch
die Regierung zu stürzen
und den Willen des Volkes
nicht zu akzeptieren.
Wir verurteilen diesen Coup.
Nach vielversprechenden Schritten
Richtung Demokratie
ist Myanmar wieder
auf dem Weg in die Diktatur.
ARD Extra um 20.15 Uhr
in DGS auf tagesschau24
Die nächste tagesschau
kommt um 20 Uhr.
Copyright Untertitel: NDR 2021